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Der Teufel läuft Marathon


Der Teufel läuft Marathon

26,2 Meilen für ein Leben
1. Auflage

von: Wolf G. Glas

CHF 7.00

Verlag: VSS-Verlag
Format: EPUB
Veröffentl.: 28.07.2018
ISBN/EAN: 9783961271306
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 315

Dieses eBook erhalten Sie ohne Kopierschutz.

Beschreibungen

Während des New Yorker Marathons verschwindet Robin Texters Frau Johanna spurlos. Tage später wird ihre grausam zugerichtete Leiche gefunden. Robins Leben wird zum Albtraum, denn alles deutet darauf hin, dass Johanna von Teufelsanbetern ermordet wurde. Und Robin steht ebenfalls auf ihrer Abschussliste. Aber warum? Die Flucht vor den Satanisten und die Suche nach Antworten führen ihn durch halb Europa und zu der Erkenntnis, dass er es mit einer sehr einflussreichen und weltweit operierenden Organisation zu tun hat. Schon bald weiß er nicht mehr, wem er noch trauen kann. Und als er endlich die Hintergründe von Johannas Tod erfährt, wird der Albtraum zum blanken Horror.

Ein packender Thriller von einem deutschen Newcomer.
Wolf G. Glas wuchs in Augsburg auf und studierte an der dortigen Hochschule.
Er arbeitet als technischer Angestellter und sowohl sein Beruf als auch private Reisen führten ihn mehrmals um die Welt in viele Länder auf allen Kontinenten. Als begeisterter Läufer nahm er u.a. auch beim New Yorker Marathon teil. Mit seinem ersten Roman "26,2 Meilen für ein Leben" erfüllte er sich nach einem halben Jahrhundert endlich seinen Kindheitstraum. Heute lebt der Autor in der Nähe von Augsburg und in Gedanken lebt er meistens am Meer.
New York Marathon, Verrazano Bridge, 10. November 2010

Robin hielt Johannas Hand und lächelte ihr ermutigend zu. Sobald der Startschuss fiel und der Lauf begann, konnten sie nur eine kurze Weile Hand in Hand verbunden bleiben. Doch im Ziel würden sie sich wiedersehen. Johanna erwiderte sein Lächeln und den Druck seiner Hand.
Der Knall des Schusses ließ sie beide zusammenzucken. Sie lachten und begannen zu laufen, langsam zunächst, denn in dem Gedränge der Tausenden von Läufern, die sich in Bewegung setzten, war ein schnelles Vorwärtskommen nicht möglich. Jemand stieß von hinten gegen Robin und schob ihn vorwärts. Unmöglich, sich noch länger an den Händen zu halten. Ein letzter fester Druck, dann ließ Johanna ihn los, winkte ihm zu und schaute nach vorn. Das tat er ebenfalls und empfand nur Sekunden später eine vollkommene Harmonie, fühlte sich eins mit der kalten Luft und den Menschen um sich herum. Hatte das Gefühl, ihren Herzschlag zu spüren. Wie Tausende Regentropfen, die eine Melodie auf dem Dach oder am Fenster trommelten. Glaubte, ihre Gedanken zu hören als ein summendes Gewirr von Worten, die er nicht verstehen konnte.
Er spürte den Boden unter sich und empfand ihn als Teil seiner selbst, als den Ursprung seiner Füße, seiner Beine, seines ganzen Seins. Sicherlich war das auch der Grund, weshalb ihm die Sonne am wolkenlosen Himmel heller erschien als sonst. Leider gab sie zu der Helligkeit nicht auch entsprechende Wärme ab, denn Robin fröstelte in der kalten Novemberluft. Aber nur für kurze Zeit. Durch den Lauf wurde ihm warm.
Nicht nur sein Körper, auch seine Seele erwärmte sich, als würde sie aus der Eisesstarre erwachen, in die ihn die Verzweiflung dessen gestürzt hatte, was vor über einem Jahr geschehen war. Was er bis heute nicht richtig verdaut hatte. Er nicht und Johanna auch nicht. Zu schrecklich war das Ereignis gewesen, als dass er es jemals überwinden könnte. Wenn er daran dachte, wie sehr die Hoffnungslosigkeit ihn in den Abgrund gestoßen hatte, fröstelte er erneut. Es kam ihm vor, als habe er ein ganzes Meer von Tränen geweint, aber der Schmerz saß immer noch in seiner Seele. Wie viele Tränenozeane mussten er und Johanna noch weinen, bis die Qual endlich vorüber wäre?
Er wandte sich im Laufen um und sah Johanna mehrere Meter hinter sich. Sie blickte zu Boden, das Gesicht konzentriert, aber seltsam leer; ausgehöhlt und inhaltslos wie der Verlust sie beide zurückgelassen hatte. Wenn dieser Marathon ihnen nicht half, wieder ein Licht am Ende des finsteren Tunnels aus Trostlosigkeit und Leid zu sehen – was dann?
Tief atmete er die Luft ein und fand seinen Rhythmus – im Atmen, im Laufen, in seinem Inneren. Mit ihm kam die Zuversicht – nein, die Gewissheit, dass er am Ende des Marathons ein neuer Mensch sein würde. Wiedergeboren aus der Asche seines früheren Ichs. Er rannte und hielt sein Gesicht der Sonne entgegen, fühlte ihre Strahlen in sich eindringen und seinen Geist berühren, seine Seele aus der Finsternis führen. Immer weiter nach vorn, mit jedem Schritt.
Als er die Brücke überquerte, unter der der Hudson im Sonnenlicht funkelte, dadurch Staton Island hinter sich gelassen hatte und die ersten Schritte in Brooklyn lief, spürte er eine Kraft und Zuversicht in sich wie schon lange nicht mehr. Das Meer der Läufer, deren bunte Kleidung wie ein riesiger Regenbogen wirkte, fächerte langsam auf. Die Schlange streckte sich in die Länge, und er hatte den Eindruck, als rannten sie alle auf einer Himmelsleiter empor. Robin fühlte sich eins mit der Masse, ein Tropfen Wasser in einem Fluss aus Träumen. Sie alle hatten dasselbe Ziel. Er spürte einen Schub von Kraft und lächelte, als mit dieser Kraft ein Gefühl vollkommener Freiheit von ihm Besitz ergriff.
Der Eindruck, sich in der Menge aufzulösen, über allem zu schweben, sich selbst von oben zu sehen, ergriff von ihm Besitz. Als wenn er Flügel hätte und schwerelos dahinflöge. Ins Licht hinein auf den Flügeln des Marathons. Hinein ins Leben – endlich wieder dorthin zurück. Durch den Marathon, der in diesem Moment den Puls des Seins darstellte. Leben!
Als er sich eine Weile später noch einmal nach Johanna umsah, war sie nirgends mehr zu sehen.

2.

New York, 12. November 2010

Johanna streckte die Hände nach ihm aus. Ihr Mund, aufgerissen zu einem Schrei, der nicht kam, wirkte wie ein dunkles Loch, das größer wurde, auf Robin zuflog und ihn zu verschlingen drohte. Er wollte vor der Finsternis dieses Schlundes fliehen, aber seine Beine waren mit dem Boden verschmolzen, betonschwer, versteinert.
Rrrriiing! Riiingeling!
Erschreckt fuhr er hoch. Schmerzen zuckten durch seinen Körper. Für einen Moment glaubte er, von dem Abgrund hinter Johannas Mund verschlungen worden zu sein, bis er in der ihn umgebenden Finsternis die Leuchtziffern der Uhr auf dem Nachttisch erkannte. Acht Uhr sieben.
Rrrriiing! Riiingeling!
Das Klingeln des Zimmertelefons hatte ihn geweckt. Er wälzte sich zur Seite und wurde mit einem Stechen in allen Gliedern für die abrupte Bewegung bestraft; als steckten Nadeln in jeder Muskelfaser. Er ignorierte den Schmerz, tastete nach dem Telefon und riss den Hörer ans Ohr.
„Johanna!“ Seine Stimme erschien unnatürlich und laut. Atemlos lauschte er.
„Mr. Texter, hier ist die Rezeption. Zwei Herren vom NYPD möchten Sie sprechen. Soll ich die beiden raufschicken oder möchten Sie sie in der Lobby treffen, Sir?“
Robin brauchte einen Moment, um zu begreifen, was der Concierge gesagt hatte. NYPD – Polizei. Und sie wollte ihn sprechen. Oh Gott, bitte, mach, dass Johanna nichts passiert ist!
„Mr. Texter?“ Der Concierge wartete immer noch auf eine Antwort.
„Eh, ja. Ja, schicken Sie die Leute bitte rauf.“
Er legte den Hörer zurück und schaltete endlich das Licht ein, ehe er sich mühsam hochstemmte und die Beine aus dem Bett schwang. Die Stiche und das Ziehen in seinem Körper waren beinahe unerträglich. Das stammte nicht nur von dem üblichen Muskelkater nach einem Marathonlauf. In seiner Brust steckte erneut jener vertraute Schmerz fest, den er beim Marathon hinter sich gelassen zu haben glaubte. Nicht auch noch Johanna! Bitte, ich darf nicht auch noch sie verlieren!
Robin stand auf, ignorierte die gefühlten Messer in den Muskeln und zog sich hastig Jeans und T-Shirt an. Er hatte es sich kaum über den Kopf gezogen, als es an der Tür klopfte.
Er ging hin – langsam, weil jeder Schritt neue Schmerzwellen erzeugte – und öffnete. Die beiden Cops davor trugen Zivil und hielten ihm ihre Marken hin.
„Detectives Bosco und Mayer“, stellte der Ältere die beiden vor. „Mr. Texter?“
Robin nickte. „Haben Sie Johanna gefunden? Geht es ihr gut?“ Seine Stimme klang fremd. Rau. Harsch. Atemlos. Und das ernste Gesicht Boscos und die mitfühlende Miene von Mayer bestätigten seine schlimmsten Befürchtungen.
„Man hat in der Nacht eine weibliche Leiche gefunden, die der Beschreibung Ihrer Frau entspricht. Sie hat auch das von Ihnen bei der Vermisstenanzeige genannte Tattoo auf der linken Schulter. Wir möchten Sie bitten, zur Identifizierung mit uns zum OCME zu kommen.“
Leiche ... Ihrer Frau ... Tattoo auf der Schulter.
Den Rest hatte Robin kaum begriffen. Er fühlte, dass seine Beine nachgaben und konnte sich gerade noch am Türrahmen festhalten, bevor er stürzte. Bosco fasste ihn hastig am Arm und gab ihm Halt.
„Am besten, Sie setzen sich, Sir. Atmen Sie tief durch.“
Robin schaffte es mit seiner Hilfe zum nächstbesten Sessel, in den er sich fallen ließ. Eine neue Schmerzwelle durchfuhr ihn, aber die erschien ihm wie eine Lappalie verglichen mit der in der Herzgegend. Er hatte diesen Schmerz schon einmal gespürt, als Vivian gestorben war. So fühlte es sich an, wenn einem das Herz gebrochen wurde.
„Wollen Sie ein Glas Wasser, Sir?“
Boscos Frage ergab keinen rechten Sinn für Robin, weil er die Worte zwar gehört, das Gesagte aber inhaltlich nicht richtig verstanden hatte. Doch der Cop hatte wohl Erfahrungen mit Situationen wie dieser. Er nickte seinem Partner zu. Mayer ging ins Bad und kehrt gleich darauf mit einem Glas Wasser zurück, das er Robin reichte. Robin nahm es und trank es in einem Zug aus. Die kühle Feuchtigkeit in seinem Mund, die spürbar in seinen leeren Magen floss, brachte ihn wieder zur Besinnung; halbwegs.
„Geht es, Sir?“, fragte Mayer, als Robin das Glas auf dem Tischchen neben dem Sessel abstellte.
Er nickte.

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