Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

Copyright © 2018 by Tom O’Donnell, Tim Miller

Originaltitel: Hamstersaurus Rex Gets Crushed

Published by arrangement with HarperCollins Children’s Books, a division of HarperCollings Publishers.

Die Originalausgabe ist 2018 im Verlag HarperCollins Children’s Books, New York, erschienen.

© 2018 arsEdition GmbH, Friedrichstraße 9, 80801 München

Alle Rechte vorbehalten

Text: Tom O’Donnell

Covergestaltung und Innenillustrationen: Tim Miller

Übersetzung: Bettina Münch

Satz: Angelika Schön

ISBN eBook 978-3-8458-2709-4

ISBN Print 978-3-8458-2621-9

www.arsedition.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Für Kieran, Ronan,

Amelia und Duke

– T. O. D.

Für Morgan

und McKenzie

– T. M.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

Weitere Titel

Leseprobe zu
"Hamstersaurus Rex gegen
Eichhörnchen Kong"

1. Kapitel

»… und dass er diesen fünfstöckigen Cheeseburger vertilgte, beeindruckte die anderen Gründerväter zutiefst«, sagte Mr. Copeland. »Seit jenem Tag ist John Adams, der Mitbegründer unseres Landes, als John ›Cheeseburger‹ Adams bekannt – oder abgekürzt als John ›Cheesy‹ Adams!«

Schweigend starrten wir Mr. Copeland an. Er seufzte.

»Na schön. Das war ein Test«, sagte er. »Keiner von euch hört mir zu, stimmt’s?«

Ich tat es jedenfalls nicht. Stattdessen zeichnete ich ein Bild von Hamstersaurus Rex, der am Cyber-Stabhochsprung bei den Olympischen Spiele 3016 teilnahm. Leider war mir sein linkes Auge ein wenig schief geraten. Ich radierte es aus und schaute zum Abgleich zum Hamsterkäfig hinten im Klassenzimmer. Doch der Käfig war natürlich leer. Ich vergaß ständig, dass Hamstersaurus Rex nicht mehr dort war.

»Ich habe mich gerade fünf Minuten lang darüber ausgelassen, dass die Menschen im 18. Jahrhundert durch Kiemen atmeten!«, fuhr Mr. Copeland fort. »Komm schon, Martha. Von den anderen bin ich das gewöhnt, aber doch nicht von dir?!«

»Entschuldigen Sie, Mr. Copeland«, sagte Martha Cherie, Hamsterbeauftragte der sechsten Klasse und die beste Schülerin, die es an der Horace-Hotwater-Mittelschule je gegeben hatte. »Ich bin ein bisschen abgelenkt. Wissen Sie, ich bin total aufgeregt wegen der großen Ankündigung, die ich gleich machen werde! Apropos: Darf ich bitte zur Klasse sprechen?«

Mr. Copeland knirschte mit den Zähnen. »Wie würde es dir gefallen, wenn ich in eines deiner Klubtreffen, in deine Tanzstunde oder in irgendeine andere Zusatzaktivität hineinplatzen und einfach anfangen würde, Geschichte zu unterrichten?!«

»Das wäre toll«, erwiderte Martha.

»Na schön, du hast gewonnen«, sagte Mr. Copeland. »Aber beeile dich.« Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und schlug einen seiner Spionagekrimis auf.

»Danke, Arnold.« Martha stand auf und lächelte. »Seid gegrüßt, liebe Mitschüler!«

»Sei gegrüßt, Martha«, murmelten wir im Chor zurück. Ich drehte mich zu meiner besten Freundin Kim D’Amato um, damit wir gemeinsam die Augen verdrehen konnten. Aber Kim sah zu Boden und kaute an den Fingernägeln. Seltsam.

»Schon einen Monat lang«, sagte Martha, »darbt unsere Klasse hamsterlos dahin. Unser TIERCATRAZ Pro®, der ausbruchsicherste Hamsterkäfig der Welt, ist verwaist, aber vielleicht längst nicht so verwaist wie unsere Herzen. Deshalb macht es mich stolz, euch verkünden zu können, dass sich das ab heute ändern wird.« Martha holte unter ihrem Tisch ein Tragekörbchen hervor. »Gestattet mir, euch unsere neue beste Freundin vorzustellen: Cartimandua!«

Martha öffnete das Körbchen und zog einen gefleckten braunen Hamster heraus. Hier und da wurde vereinzelt geklatscht. Der Hamster starrte gegen die Wand. Er blinzelte nicht einmal.

Martha fuhr fort: »Bislang war der Besitz eines Klassentiers für uns mit jeder Menge Aufruhr, Entführungen und hamsterbedingten Gebäudeschäden verbunden. Aber in Cartimandua haben wir endlich ein ungefährliches und angemessenes Haustier. Für unser erfahrenes Team von Hamsterbeauftragten wird ihre Betreuung ein Kinderspiel sein. Apropos, bitte eine Runde Applaus für die Hamsterbeauftragten! Sam, Kim, wie wär’s, wenn wir uns verbeugen?«

»Hä?«, sagte Kim, die offenbar aus tiefen Gedanken aufgeschreckt war.

»Du meinst, in echt?«, fragte ich.

Martha nickte.

»Nö, passt schon«, erwiderte ich und blieb sitzen.

»Wie ihr wollt.« Achselzuckend verbeugte sich Martha allein. »Und jetzt möchte ich eine kurze Frage-Antwort-Runde zu Cartimandua eröffnen. Möchte irgendjemand etwas wissen?«

»Ja, wie spricht man den Namen des neuen Hamsters richtig aus?«, fragte Omar Powell. »Ich kriege das nicht hin. Car… Carbonara?«

»Kartografia?«, riet Tina Gomez.

»Karten-Tarantula!«, sagte Jared Kopernik.

»Kaarti-män-du-a«, erklärte Martha und zog die Silben mächtig in die Länge. »Wie die historische keltische Königin.«

»Ah, ja klar. Wie die historische keltische Königin«, wiederholte Omar kopfschüttelnd.

»Frage«, meldete sich Julie Bailey. »Ist es zu spät, diesem Hamster noch einen neuen Namen zu geben? Vielleicht einen besseren als den, den du ihr gegeben hast?«

»Ja, es ist zu spät«, erklärte Martha und schaute ein wenig säuerlich.

»Nächste Frage«, sagte Julie, »ist es zu spät, einen neuen Hamster zu besorgen?«

»Ja«, erwiderte Martha und schaute noch säuerlicher. »Sonst noch etwas?«

»Carbohydrat sieht irgendwie ziemlich weggetreten aus«, bemerkte Jimmy Choi. »Warum rührt sie sich überhaupt nicht?«

Zustimmendes Gemurmel war zu hören.

»Tja, ich bin froh, dass du das gefragt hast, Jimmy«, sagte Martha. »Cartimandua döst vor sich hin und zuckt von Zeit zu Zeit. Und außerdem pupst sie alle drei Stunden – pünktlich wie die Uhr. Genau so, wie es ein normaler gesunder Hamster tun sollte!«

»Aber Hamstersaurus Rex hat alle möglichen krassen Sachen gemacht«, rief Jimmy. »Er konnte Dinge kaputt hauen!«

»Stimmt«, sagte Martha, »aber das war –«

»Außerdem konnte er auf den Hinterbeinen laufen!«, rief Caroline Moody. »Und manchmal hat er die ganze Zeit nur gefressen!«

»Sicher«, erwiderte Martha. »Das versteht sich doch von selbst: Wir alle lieben Ham-«

»Und manchmal«, ergänzte Tina, »haben wir geglaubt, er wäre böse, aber dann hat sich rausgestellt, dass er gar nicht böse ist, und das war total aufregend!«

»Okay«, sagte Martha, »aber überlegt doch mal, war das denn wirklich so eine gute –«

»Er war fast noch besser als Schnecken«, warf Wilbur Weber ein.

»Dem stimme ich zu, aber –«

»Hamstersaurus Rex war ein liebenswerter Strolch, von dem wir gelernt haben, was Freundschaft bedeutet!«, rief Jared und schlug mit der Faust auf den Tisch.

Die Klasse brach in Applaus aus. Ich musste ein wenig lächeln. Es war schön, dass Hammy wieder von allen gemocht wurde.

»Tja, Hamstersaurus Rex ist nun weg und jetzt haben wir Cartimandua!«, fauchte Martha. »Und nur damit das klar ist, das ganze ›krasse Zeug‹, das er angestellt hat, hätte ihn verschiedene Male fast das Leben gekostet. Genau deshalb wird unser neuer Hamster weder Junkfood fressen noch irgendetwas kaputt machen oder aus ihrem Käfig ausbrechen, weil wir nämlich aus Erfahrung wissen, dass das viel, viel zu gefährlich ist. Kurz und gut, ich hoffe, wir werden lernen, Cartimandua um ihrer selbst willen zu mögen, und sie nicht pausenlos mit irgendwelchen früheren Klassenhamstern vergleichen.«

»Äh«, sagte Tina, »ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, aber ich habe einfach das Gefühl, dass dieser neue Hamster, Capoeira, vielleicht eine klitzekleine … Mega-Enttäuschung ist.«

Martha war sprachlos. Die große Ankündigung war keineswegs nach Plan verlaufen. Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.

»Also wisst ihr, ich finde Cartimandua eigentlich ziemlich cool«, sagte ich. »Und deine Wahl war wirklich super, Martha. Stimmt’s, Kim?«

»Oh«, sagte Kim, die an einem Blatt herumfaltete. »Jep. Hmhm.«

»Danke, Sam. Danke, Kim«, sagte Martha, die sich abermals verbeugte.

Es läutete zur Mittagspause und alle standen auf. Ich sauste schnurstracks zur Tür in der Hoffnung, schneller zu sein als die anderen, aber Tina Gomez sprang mir in den Weg. Ich schluckte.

»Irgendwelche Neuigkeiten von meinem vermissten Radiergummi?«, fragte sie.

»Oooh. Also, äh, wir verfolgen mehrere Spuren«, sagte ich und klopfte auf meinen Notizblock.

Tina Gomez hatte vor drei Tagen einen Radiergummi verloren und baute darauf, dass ich ihn für sie wiederfand. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, wo der Radierer war. Meine Notizen zu diesem Fall (pink, gummiartig, Schwarzmarkt für Radiergummis? Radierer und Bleistifte … natürliche Feinde? Hm und Mann, bin ich hungrig!) ergaben nicht allzu viel Sinn.

»Sam, dieser Radiergummi bedeutet mir sehr viel«, erklärte Tina. »Ich halte es einfach nicht aus, nicht zu wissen, wo er ist.«

»Ich wage es kaum, dir das vorzuschlagen«, sagte ich, »aber Radiergummis kosten so um die fünfundzwanzig Cent. Wie wäre es, wenn du dir, äh, einen neuen kaufst?«

»Nein! Er war unersetzlich!«, beharrte Tina und packte mich am Kragen. »Unersetzlich!«

»Sicher, klar, natürlich«, sagte ich.

»Supi, Sam«, mischte sich Drew McCoy nun ein, »habt ihr schon herausgefunden, wer meinen Comic von Die Legende von Max Stomper, Folge 338, mit vergoldetem Wechseleinband, aus meinem Schließfach geklaut hat?«

»Wir arbeiten daran«, sagte ich. »Es gibt große Fortschritte.«

»Hast du meinen Fall schon gelöst, Sam?«, erkundigte sich Joey Feinberg, der sich mit den Ellbogen dazwischendrängte. »Den Fall von Joey Feinbergs verschwundener Sofortbildkamera?«

»Es gibt Spuren!«, rief ich. »Unglaubliche Spuren! Die besten überhaupt!«

Um mich herum begann sich eine Menschentraube zu bilden. Sie bestand ausschließlich aus Leuten, deren »Fälle« ich übernommen, aber noch nicht gelöst hatte. Nach den jüngsten Ereignissen (in Zusammenhang mit einem Rieseneichhörnchen) war ich in der Schule als Problemlöser bekannt geworden. Doch das Problem an Problemen ist, dass jeder welche hat. Möglicherweise hatte ich mich ein bisschen übernommen. Ich war ein erstklassiger Detektiv, aber um ehrlich zu sein, hatte ich bisher noch keinen einzigen Fall gelöst.

»Mein Radiergummi, Sam!?«, hakte Tina nach, die sich wieder nach vorn schob.

»Vielleicht hat ihn sich der Geist geschnappt«, vermutete Jared, ehe ich antworten konnte.

Tina machte ein entsetztes Gesicht. »Ist das eine deiner Spuren, Sam?«

»Was? Nein! Wie? Geister?«, erwiderte ich. »Es gibt keine Geister, Jared. Und wenn es sie gäbe, würden sie wohl kaum Radierer klauen, oder?«

»Ich weiß, dass es die meisten Geister nicht gibt«, erklärte Jared, »aber diesen hier schon. Es ist der Geist von Horace Hotwater persönlich. Er streift durch die Schule, weil er Rache nehmen will. Ich habe ein paar ziemlich schräge Dinge gesehen.«

»Du bist schräg«, sagte ich.

»Jetzt, wo ich darüber nachdenke, habe ich auch etwas Seltsames gesehen«, warf Julie ein. »Vor ein paar Tagen war ich allein in der Schulbücherei und plötzlich ist von ganz allein eine Tür zugeknallt.«

»Das war der Wind«, sagte ich.

»Vielleicht auch nicht«, sagte Jared.

»Wie kann es der Geist von Horace Hotwater sein?«, widersprach ich. »Der Mann ist vor hundert Jahren gestorben und diese Schule wurde 2002 gebaut.«

»Vielleicht auch nicht«, sagte Jared.

»Du kannst nicht einfach auf alles mit ›vielleicht auch nicht‹ antworten!«, warf ich ihm vor.

»Vielleicht aber doch«, sagte Jared.

»Hör mal, dein Radiergummi wird wieder auftauchen«, versicherte ich Tina, ohne länger auf Jared zu achten. »Alle eure Fälle werden gelöst werden. Das versprechen wir.«

Tina grinste. »Du sagst ständig ›wir‹. Du redest doch von dir und Hamstersaurus Rex, nicht? Du weißt, wo er ist!«

»Also hör mal«, erwiderte ich. »Wir wissen alle, dass Hamstersaurus Rex verschwunden ist. Martha hat uns sogar schon einen neuen Hamster besorgt.«

Drew grinste. »Klar ist er weg.«

»Wenn du ihn nicht siehst«, sagte Joey, »sag ihm bitte nicht, dass wir ihn alle vermissen.«

»Mach ich nicht«, erwiderte ich und grinste wider Willen.

Die Schar meiner ungelösten Fälle begann sich aufzulösen. Eine einzige Person blieb zurück.

»Äh, Sam, kann ich dich kurz sprechen?«, fragte Kim leise. Sie war normalerweise selbstbewusst und nahm kein Blatt vor den Mund, aber nun wirkte sie regelrecht verängstigt. »Unter vier Augen.«

»Klar, Kim«, sagte ich. »Wir treffen uns beim Mittagessen. Ich muss nur zuerst einen kleinen Umweg machen.«

Sie nickte verständnisvoll. Ich lief die Treppe hinauf in den ersten Stock. Im Korridor hingen jede Menge selbst gemalte Plakate, auf denen Dinge standen wie: »Du fehlst uns, Hamstersaurus Rex!« und »Komm bald wieder, Hamsterheld der Horace-Haterwater-Schule!« Ich öffnete die Tür zu Raum 223b – besser bekannt als das Hauptquartier des Treffklubs – und wurde von dem besagten Helden fast über den Haufen gerannt.

»Uff! Okay! Ich – uff! – freue mich auch – uff! –, dich zu sehen!«, sagte ich, als Hammy Rex mir mehrmals liebevoll den Kopf in den Bauch rammte.

Ich schloss die Tür hinter mir. Der umgebaute Besenschrank, in dem man die Bücher aufbewahrte, die am seltensten aus der Schulbücherei ausgeliehen wurden, wie Die berühmtesten Nieser Europas oder die Gebrauchsanleitung für Aktenordner, war das heimliche Versteck des kleinen Kerls. Ich fühlte mich ein wenig schuldig, ihn hier den ganzen Tag einzusperren, wo es für ihn nichts zu tun gab. Aber angesichts all der Verrückten, Mutanten und bösen multinationalen Unternehmen, die ihm nachstellten, war er hier am sichersten untergebracht. Es war sozusagen ein Hamster-Zeugenschutzprogramm (oder so ähnlich).

»Ich hab dein Mittagessen dabei.« Ich öffnete meinen Rucksack und holte neun mit Käsecreme bestrichene Brote heraus. Hamstersaurus Rex stürzte sich auf seine hilflose Beute. »Vielleicht können wir uns mit unseren Fällen beschäftigen, während du isst«, schlug ich vor. Jeder gute Detektiv braucht einen Partner, und meiner war ein acht Zentimeter großer Verbrecherschreck in der Gestalt eines Dino-Hamsters. Ich bezeichnete uns zum Spaß als Detektivbüro Rex & Gibbs.

»R & G hat so viele offene Fälle, dass ich gar nicht weiß, auf welchen wir uns zuerst konzentrieren sollen. Wie wäre es mit Tinas verschwundenem Radierer?«, schlug ich vor, während ich meinen Notizblock durchblätterte. »Oder vielleicht Joeys Kamera? Ich frage mich, ob er sie vielleicht im Bus vergessen hat. Joey wirkt auf mich wie ein echter Busvergesser …«

Ich verstummte, weil mir etwas Nasses auf den Kopf tropfte. Es war Speichel. Als ich aufschaute, sah ich Hamstersaurus Rex an seinem Dinoschwanz kopfüber von der Glühbirne baumeln. Der kleine Kerl sah völlig gaga aus.

»Wow, du drehst hier drinnen echt am Rad, was?«, fragte ich ihn. »He, ich habe eine Idee! Ich bringe dich nach dem Unterricht zu Marthas neuem Hamster. Das wäre doch sicher lustig, oder? Und du hättest einen neuen Freund! Ihr könntet einfach ein paar Stunden zusammen abhängen. Wenn ich das mal so ausdrücken darf.«

Ich ließ ihn zurück und machte mich auf zur Cafeteria, um dort zu Mittag zu essen. Ich fand Kim allein an einem Tisch, wo sie an ihren Fingernägeln knabberte und Löcher in die Luft starrte.

»Willst du vielleicht ein bisschen Salz für deine Nägel?«, sprach ich sie an.

»Wah!«, schrie Kim erschrocken auf. »Was schleichst du dich so an mich heran?«

»Hallo, hallo«, beruhigte ich sie. »Ich wollte dich nicht erschrecken, Kumpel.«

»Entschuldige«, sagte Kim. »Es ist nur … Ich glaube, ich brauche vielleicht deine Hilfe bei etwas.«

»Ah«, sagte ich, »dann hast du einen Fall für mich?«

»Sag nicht ›Fall‹ dazu«, erwiderte Kim, die nun wieder ein bisschen mehr wie sie selbst klang.

»Also, Hammy und ich sind im Moment ziemlich eingedeckt«, sagte ich, »aber da ich dich als Freundin betrachte, könnte ich dich vielleicht auf die Warteliste schmuggeln. Sprich mal mit unserer Assisten-«

Ich duckte mich zu langsam weg und eine zusammengeknüllte Papierserviette traf mich mitten im Gesicht. Das war wieder die Kim, die seit dem Kindergarten meine beste Freundin war.

»Die Sache ist ernst, Sam«, sagte sie. »Als ich vor ein paar Tagen nach dem Unterricht meine Sporttasche geholt habe, um zum Disc-Golf-Training zu gehen, ist etwas total Merkwürdiges passiert.«

»Erzähl weiter.«

»Die Hotwater-Scheibenchampions haben total coole Auswärtstrikots bekommen, in Mauve-Metallic mit braunen Besätzen.«

»Mm-hm«, sagte ich und zückte meinen Block, um mir Notizen zu machen. »Mauve und braun. Ist notiert.«

»Als ich meine Tasche aufgemacht habe, ist mein Trikot … also geradewegs aus meinem Schließfach geschwebt und durch den Korridor zur Kellertreppe«, erzählte Kim.

»Okay«, sagte ich, immer noch schreibend, »und danach ist irgendwas Merkwürdiges passiert, sagst du?«

»Sam, ich bin fast ausgeflippt vor Angst!«, sagte Kim. »Ich will einfach wissen, was hier los ist.« Offensichtlich fand sie schwebende Sportklamotten überhaupt nicht komisch.

»Ja, klar«, sagte ich. »Fliegendes Trikot. Hammy und ich werden uns die Sache ansehen. He, vielleicht war es der Geist von Horace Hotwater?«

Ich rechnete damit, dass Kim lachen würde. Stattdessen sah sie mich wütend an.

»Du stinkst nach Käsecreme«, sagte sie.

»Glaubst du, das weiß ich nicht?«, fragte ich zurück.

Der Rest des Tages verging wie im Flug: Badminton, Mathe, Englisch und ein neuer Fall von Jared Kopernik. Ich sollte für ihn beweisen, dass es das Monster Bigfoot wirklich gab, den Yeti dagegen nicht. Super. Nach dem letzten Läuten rannte ich wieder hinauf ins Hauptquartier des Treffklubs. Sobald ich die Tür aufmachte, sauste mir Hamstersaurus Rex entgegen.

»Arrgh! Schon gut«, sagte ich, während er auf meinem Kopf auf und ab hüpfte. »Hebe dir ein bisschen was von deinem Charme für deine neue Hamsterfreundin auf.« Ich bugsierte ihn in meine Brusttasche.

Ein Stockwerk tiefer öffnete ich die Tür von Mr. Copelands Klassenraum. Das Schloss war immer noch kaputt. Ich zog meinen Schlüssel vom TIERCATRAZ Pro® aus der Tasche und schloss Cartimanduas Käfig auf. Sie starrte mich gleichgültig an.

»Hallo, Cartimandua, ich heiße Sam Gibbs«, sagte ich. »Wie geht es dir?«

Cartimandua zuckte mit den Schnurrhaaren.

»Genug geplaudert. Es gibt jemanden, den ich dir sehr gerne vorstellen möchte«, sagte ich. »Du bist ein Hamster. Und er ist auch ein Hamster … größtenteils jedenfalls. Offen gestanden braucht er ein bisschen mehr Auslauf als der Rest von euch. Unter uns gesagt dreht er allmählich durch, weil er den ganzen Tag in diesem winzigen Besenschrank hockt. Vielleicht könnt ihr zwei ja zusammen spielen?«

Ich griff in meine Brusttasche und setzte Hammy neben sie in den Käfig.

»Cartimandua, Hamstersaurus Rex«, sagte ich. »Hamstersaurus Rex, Cartimandua.«

Hamstersaurus Rex rührte sich nicht. Er war wie erstarrt. Cartimandua betrachtete ihn kurz und wandte sich dann ab, um mit interessierter Miene die Wand anzustarren. Miteinander spielen konnte man das nicht gerade nennen.

»Komm schon, Hammy, sei nicht unhöflich«, sagte ich und schob ihn auf sie zu. Er gab ein seltsames Zirpen von sich, einen Laut, den ich noch nie gehört hatte.

»Äh, normalerweise ist er wirklich unterhaltsam«, sagte ich zu Cartimandua. »Der Mittelpunkt jeder Party.«

Cartimandua gähnte.

»Mach schon, Hammy«, drängte ich. »Tu irgendwas Cooles!«

Hamstersaurus Rex sah mich an. Dann Cartimandua. Dann wieder mich. Er machte einen zögerlichen Schritt in ihre Richtung, und – PARDAUZ! – schon stolperte der kleine Kerl über ihre Wasserschüssel und flog geradewegs auf die Nase. Die Schüssel kippte auf Cartimandua und durchnässte sie von Kopf bis Fuß. Entsetzt begann sie laut zu quieken. Hamstersaurus Rex sah zutiefst beschämt aus.

»Ups!«, sagte ich, schnappte mir ein paar Papiertücher und begann Cartimanduas Fell abzutupfen. »Kein Grund zur Panik! Ist nur Wasser!«

PENG! Irgendwo auf dem Korridor hörte ich eine Tür zuschlagen.

»Das ist komisch«, sagte ich. Normalerweise knallte der Hausmeister Mr. Grogan nie mit den Türen. Im Gegenteil. Ich hatte mehr als einmal gehört, wie er Kinder deswegen zurechtwies.

PENG! Wieder hörte ich einen Knall. Es klang wie eine andere Tür. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ich sammelte Hammy Rex ein, der inzwischen in eine Art katatonische Starre verfallen war.

»Das war ein tolles Treffen!«, log ich. »Aber wir sind Detektive und müssen jetzt einen Fall lösen. Das mit dem Wasser tut mir leid. Viel Spaß noch beim, äh, Wandanstarren. Mach’s gut!«

Hammy und ich huschten in den Korridor hinaus.

»Na, das nicht besonders gut gelaufen«, sagte ich zu Hamstersaurus Rex. Er gab ein merkwürdiges Glucksen von sich.

Die Schule schien verlassen zu sein. Wir liefen durch die Gänge und spitzten die Ohren, aber es war nichts mehr zu hören. Auf dem Rückweg zu meinem Schließfach blieb ich an der Treppe zum Keller stehen. Ein merkwürdiges Gefühl überkam mich, fast so, als wäre die Luft elektrisch aufgeladen wie kurz vor einem Gewitter. Die Haare auf meinen Armen richteten sich auf. Ich sah Hamstersaurus Rex an. Seine kleinen Schnurrhaare vibrierten.

»Vielleicht sollten wir den Keller überprüfen«, sagte ich. »Nur für den Fall, dass hier ein Geist ist, was natürlich absolut nicht sein kann.«

Ich wollte gerade die erste Stufe hinabsteigen, als ich ein lautes Klappern vernahm. Ich drehte mich um und sah, wie das Schwarze Brett (mit der Liste der besten Schüler dieses Halbjahres) wild zu klappern begann. Immer heftiger schlug es gegen die Wand. Obwohl niemand es bewegte. Es bewegte sich von selbst.

»… oder wir lassen das mit dem Keller«, sagte ich, als ich mich lautlos von der Treppe zurückzog. Hammy Rex fiepte.

In diesem Moment hob sich das Brett von der Wand ab, sodass es wie eine Tischplatte waagerecht in der Luft lag. In dieser Position verharrte es einen Augenblick, ehe es durch die Luft kreiselnd direkt auf mich zuschoss.

Kims zerknüllte Serviette war eine gute Übung gewesen. Diesmal duckte ich mich schnell genug. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen knallte das Brett hinter mir an die Wand und zerbarst in tausend Stücke.

Dann folgte eine unheimliche Stille.

Und dann folgten die Geräusche meiner panikartigen Flucht.

2. Kapitel

»Also … habe ich mir die Sache angesehen, über die wir geredet haben«, erzählte ich Kim am nächsten Tag beim Mittagessen, »und, äh, es könnte sein, dass ich auch etwas gesehen habe, das ein kleines bisschen komisch war.«

Kim vergewisserte sich, dass niemand anderer zuhörte. »Was denn?«, wisperte sie.

»Ein Schwarzes Brett, das mich möglicherweise umbringen wollte.«

»Und das nennst du ›ein kleines bisschen komisch‹?«

»Na ja, schließlich verbringe ich den Großteil meiner Zeit damit, einen mutierten Hamster mit Käsebroten zu füttern. Es ist alles relativ«, erwiderte ich. »Und überhaupt bin ich sicher, dass es dafür eine logische Erklärung gibt. Ich habe nur keine Ahnung, wie sie aussehen könnte.«

»Es gibt eine Erklärung«, sagte Kim. »Er weiß, dass du mein bester Freund bist. Deshalb nimmt er jetzt auch dich ins Visier. Um mich zu kriegen.«

»Kim, ich glaube nicht, dass Schwarze Bretter ein Geschlecht haben –«

»Nicht das Schwarze Brett«, unterbrach mich Kim. »Der Geist von Horace Hotwater.« Ihre Worte hingen bedeutungsschwer in der Luft.

»Selbst wenn wir die Tatsache außer Acht lassen, dass es keine Geister gibt«, sagte ich, »warum sollte der Geist des Mannes, der unsere Stadt gegründet hat, ausgerechnet hinter dir her sein? Hatte Horace etwas gegen Disc Golf?«

Kim atmete tief durch. »Sam, ich werde dir jetzt etwas erzählen, das du bitte nicht laut wiederholst. Es ist ein dunkles und beschämendes Familiengeheimnis. Vor einhundert Jahren hat mein Urururgroßvater Giuseppe D’Amato Horace Hotwater umgebracht.«

»Boah, das ist ja aufregend!«, platzte ich heraus. »Die interessanteste Geschichte der Familie Gibb handelt von meinem Onkel Burt, der aus Versehen einen Käfer gegessen hat.«

Kim funkelte mich böse an.

»Habe ich ›aufregend‹ gesagt? Ich meinte natürlich ›tragisch‹«, verbesserte ich mich schnell. »Und wie ist das passiert? War es ein Degenkampf? Bitte sag, dass es ein tragischer Degenkampf war.«

»Es war kein Degenkampf«, erklärte Kim. »Sondern viel, viel schlimmer. Giuseppe hatte hier in Maple Bluffs eine Gaststätte. Horace Hotwater hat sie aufgesucht, um sich etwas zu Mittag zu bestellen, und mein Großvater hat ihm eine Suppe serviert … an der Horace Hotwater erstickt ist!«

Ich legte den Kopf schief. »Du meinst, er hat ihn darin ertränkt?«

»Nein!«, widersprach Kim. »Hast du eine Ahnung, wie viel Suppe man braucht, um jemanden darin zu ertränken?«

»Nicht wirklich«, gab ich zu.

»Eine Menge. Auf jeden Fall war es eine Schüssel mit Guiseppe D’Amatos berühmter Schildkrötensuppe, aber vermutlich hat er aus Versehen ein Stück vom Panzer darin gelassen, denn irgendwas ist Horace Hotwater in die Luftröhre geraten und, na ja …« Kim tat, als würde sie an Suppe ersticken.

»Klingt nach einem tragischen Unfall«, sagte ich. »Das hätte jedem passieren können.«

»Erklär das mal der ruhelosen Seele von Horace Hotwater«, sagte Kim und stieß mir den Finger gegen die Brust. »Weißt du, was seine letzten Worte waren, bevor er starb? Ich werde mich rächen, D’Amato.«

»Wie hat er denn sprechen können, wenn er am Ersticken war?«

»Sei nicht so pingelig!«, rief Kim.

»Entschuldige«, sagte ich.

»Seit ich auf der Welt bin, hat meine Oma Rosa mir diese Geschichte jedes Jahr an Thanksgiving erzählt«, fuhr Kim fort. »Sie findet, die Moral von der Geschichte ist, dass man seine Suppe immer gut kauen soll. Aber ich glaube, die Moral ist eine andere: dass die D’Amatos von Hotwaters Geist verflucht wurden!«

»Ach, komm. Das Ganze ist hundert Jahre her«, wandte ich ein. »Warum sollte der Fluch ausgerechnet jetzt einsetzen?«

»Weil es hundert Jahre her ist!«, erwiderte Kim. »Auf den Tag genau! Sieh nur!«

Sie wies auf die Gedenktafel an der Wand der Cafeteria, die an den »Pioniergeist und das visionäre Modebewusstsein des großen Horace Hotwater« erinnerte. (Anscheinend hatte er schon lange, bevor es allgemein akzeptiert war, kurze Hosen getragen.) Und tatsächlich jährte sich sein Todestag in dieser Woche zum hundertsten Mal.

»Äh, ich gebe zu, das ist ein bisschen gruselig«, sagte ich. »Aber es ist trotzdem nur ein Zufall.«

»Ein Schwarzes Brett ist auf dich losgegangen. War das auch nur ein Zufall?«, fragte Kim. »Und es kommt noch schlimmer. Ich schwächele beim Disc-Golf-Spielen, meine Noten gehen den Bach runter. In der Firma, in der mein Vater arbeitet, müssen sie vielleicht Stellen streichen. Meine Mutter hat sich im Garten den Knöchel verstaucht. Meine Brüder haben beide die Windpocken. Oh, und das Auswärtstrikot, das von selbst davongesegelt ist? Es war echt teuer. Wenn Coach Weekes merkt, dass ich es verloren habe, bringt er mich um!«

»Hmm. Dann kannst du vielleicht bei ihm spuken«, schlug ich vor.

Kim fand das gar nicht lustig. Normalerweise war sie vernünftig und besonnen. Das hier sah ihr gar nicht ähnlich. Ich wollte ihr helfen.

»Hör mal, ich weiß nicht, was hier vorgeht«, sagte ich, »aber Merkwürdigkeiten scheinen bei uns neuerdings an der Tagesordnung zu sein. Ich bin ziemlich sicher, dass das Zentrum von all dem unten im Schulkeller zu finden ist. Der Ort hat bei mir ein wirklich seltsames Gefühl ausgelöst. Hamstersaurus Rex und ich werden uns die Sache nach dem Unterricht ansehen, und wir werden ein für alle Mal beweisen –«

»He, Leute, seht mal alle her!«, brüllte Wilbur Weber, fast unmittelbar neben meinem Kopf.

»Sicher, Wilbur«, sagte ich und rubbelte mit dem Finger mein dröhnendes Ohr. »Ich kann dich vielleicht nicht mehr hören, aber hinsehen kann ich auf jeden Fall.«

Wilbur ignorierte meine sarkastische Bemerkung. »Ich wollte euch nur sagen, dass ich heute eine Geburtstagsparty gebe und die ganze sechste Klasse einlade.«

Unter den anderen Kindern in der Cafeteria erhob sich unsicheres Gemurmel. Wilbur war nicht gerade der coolste Junge der Schule. Er kannte kein anderes Thema als die Schnecken, die er als Haustiere hielt.

»Oh, fast hätte ich es vergessen«, schrie Wilbur, »das Ganze steigt gleich nach der Schule im RaddZone!«

Plötzlich war in der Cafeteria der Teufel los. Einige Kinder klatschten sich ab. Andere stießen die Faust in die Luft. Einer führte sogar einen lächerlichen kleinen Tanz auf (okay, das war ich). Sogar Kim sah ein bisschen fröhlicher aus. Das RaddZone war die beste Freizeitanlage für Jugendliche in der Stadt: drei Stockwerke hoch mit einer Gokart-Bahn, Laser Tag und Videospielen. Der Laden war fantastisch!

»Entschuldige den Gehörverlustwitz von vorhin, Wilbur«, sagte ich. »Meinen Ohren geht’s gut. Vielleicht sogar besser als vorher! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Kumpel! Ich kann es kaum erwarten, dir beim Airhockey gegenüberzustehen. Sollen die Gäste ein Geschenk mitbringen oder …«

Doch Wilbur beachtete mich gar nicht, während er durch die Menge der Sechstklässler schritt, die ihm mit Faustchecks gratulierten oder ihm auf den Rücken schlugen.

»Das ist merkwürdig«, sagte Martha Cherie, als sie ihr Tablett neben Kim und mir abstellte. »Wilbur hatte im Juni Geburtstag.«

»Psssst«, sagte ich. »Das ist, als würde man Mr. Copeland daran erinnern, dass er vergessen hat, uns Hausaufgaben zu geben.«

»Mr. Copeland hat vergessen, uns Hausaufgaben zu geben?«, fragte Martha mit plötzlichem Entsetzen.