Foto: Ingrid Kruse
Siegfried Lenz, 1926 im ostpreußischen Lyck geboren, zählt zu den bedeutenden und meistgelesenen Schriftstellern der Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur. Für seine Bücher wurde er mit vielen wichtigen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main, dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und mit dem Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte 2009. Seit 1951 veröffentlicht er alle seine Romane, Erzählungen, Essays und Bühnenwerke im Hoffmann und Campe Verlag. Zuletzt erschienen »Schweigeminute« (2008), »Landesbühne« (2009), »Die Maske« (2011) und »Amerikanisches Tagebuch« 1962 (2012).
Nein, es war kein Unglück. Ich habe das Feuer gelegt, an einem Abend, am Abend des achtzehnten August, mir blieb nichts anderes mehr übrig, als das Museum zu zerstören, das einzige masurische Heimatmuseum, in Egenlund drüben, bei Schleswig. Kein Zufall, mein Lieber. So wie es einst allein mein Plan war, das Museum zu erbauen und einzurichten, so war es jetzt auch allein mein Entschluß, es vollkommen zu zerstören, einschließlich all der Zeugnisse, Beweise und Dokumente, die es beherbergte und die ich gemeinsam mit meinen Leuten in den Jahren nach dem Krieg hier gesammelt hatte.
Rauchen Sie ruhig, ein Aschenbecher ist im Nachttisch … Was meinen Sie? Es ist so schwer, Sie zu verstehen, durch all die Verbände … Oh ja, sie ist eine strenge Schwester, ihrer Stimme nach zu urteilen, doch wenn Sie sie gleich beim Eintritt ablenken, mit einer Bitte überfallen … Bitten Sie für mich: Sie wird sogleich frischen Saft holen, und in der Zwischenzeit können Sie lüften … Achten Sie nur darauf, daß Sie die Nachttischschublade schnell schließen …
Jedenfalls, damit Sie auch dies wissen: den Brand legte ich mit Abfall aus der Webstube, den ich mit Benzin tränkte und sowohl im Teppichzimmer des Museums anzündete als auch in dem Raum, der vor allem altes masurisches Kinderspielzeug enthielt: Kodderpuppen und hölzerne Instrumente und geschnitzte und bemalte Vögel, die leicht im Feuer aufgingen. Eingeweiht in meinen Plan war nur Simon Gayko, Zimmerer und Stellmacher und wie ich aus Lucknow am Lucknow-See, Simon Gayko, der das Museum nach meinen Angaben gebaut hatte, als Kemenatenhaus, mit vorgezogener Holzveranda … Nein, wir waren nicht unter uns; anwesend beim Brand – zumindest solange das Museum allein brannte – waren meine Frau Carola, mein ehemaliger Lieblingsschüler, der Teppichmeister Marian Jeromin, sowie meine Tochter Henrike und, wie gesagt, Simon Gayko, der sich, als die Flammen aus den Fenstern schlugen, getrieben von einem eigenen Wind, auf die Knie niederließ. Niemand machte einen Versuch, das Feuer zu löschen; meine Frau lehnte im Eingang des Wohnhauses und beschattete ihr Gesicht, Marian stand regungslos unter den Rotbuchen, meine Tochter Henrike, die übrigens als einzige protestiert und mich sogar mit ihren Fäusten aufgefordert hatte, den Brand zu bekämpfen, sie kauerte weinend auf halber Höhe des Pfades, der zum Wasser hinabführt …
Später, mein Lieber, später können Sie mir einen Apfel schälen. Danke …
Ich hatte den Brand am Abend gelegt, das sagte ich bereits, nachdem unsere sieben Webschülerinnen nach Hause gefahren waren; es ging ein mäßiger Nordwest, der Funken und Rauch berechnet über das Wasser trieb, über die Schlei. Es bestand auch keine Gefahr, als das Feuer das Dokumentenzimmer erreichte und in einem nicht vorhergesehenen Funkenstiem Schriften und Urkunden wirbelnd auftrieb, den Stadtbrief eingeschlossen, in dem der Große Kurfürst Lucknow einen vierten Jahrmarkt zusprach; auch der Rest von Briefen und Urkunden geriet in die berechnete Drift, segelte flockig davon und ging auf dem Wasser nieder, oder er hängte sich in das Weißdorngebüsch, dort, wo es die Steilküste erklommen hat. Sonderbar: während das Museum brannte, liefen zwei Fischkutter an Egenlund vorbei; ihre Besatzungen wollten das Feuer offenbar nicht zur Kenntnis nehmen, sie glitten durch die Rauchfahne und den schwarzen Flockenfall der Mündung zu.
Am längsten widerstand dem Feuer das Schmuckzimmer, in dem auch der Silberfund von Drygallen aufgehoben wurde, Armspiralen, Hufeisenfibeln und der Halsschmuck aus längs und quer gerieften Holzperlen – eine sudauische Grabbeigabe, müssen Sie wissen; in der kupfernen Urne hatten sich noch Reste des Leichenbrands erhalten. Vermutlich sparte das Feuer unser Schmuckzimmer so lange aus, weil Simon Gayko – eines Tages wird er mich besuchen, und dann werden Sie ihn vielleicht näher kennenlernen: Simon Gayko, zäh und krummwüchsig wie ein Bosniak und in allem, was er tut, von einer geduldigen bosniakischen Ausdauer, aber was wollte ich sagen … richtig: weil Simon Gayko seinerzeit, und zwar auf meine Anregung, für das Schmuckzimmer eine mit Eisenblech ausgelegte Sicherheitstür angebracht hatte, die außerhalb der Besuchszeiten geschlossen bleiben mußte, verschonte das Feuer diesen Raum am längsten …
Sicher, das können Sie voraussetzen: auch wenn niemand es in meiner Gegenwart wagte, den Brand zu löschen, fehlte es doch nicht an Versuchen, einzelne Stücke, die das Feuer bedrohte, noch in letzter Minute zu bergen; so bat mich meine Tochter Henrike um die Erlaubnis, wenigstens die Listen mit der Masurischen Wörtersammlung in Sicherheit bringen zu dürfen, einer Sammlung, zu der sie eifrig und schönschreibend beigetragen hatte; ich lehnte ab …
Henrike hat Ihnen davon erzählt? Na gut … Ich mußte es ablehnen, für meine Frau das alte verzierte Butterfaß zu bergen, das ihr soviel bedeutete, so wie ich es auch Marian Jeromin untersagen mußte, meinen großen blauweißen Hochzeitsteppich herauszuholen … Der blauweiße Hochzeitsteppich … Vor nahezu vierzig Jahren hatte ich ihn als Meisterarbeit in Lucknow abgeliefert, ein Stück, das mehrfach verschwand und wieder auftauchte. Dieser Hochzeitsteppich war die einzige Arbeit, die meine Initialen trug, Z.R., für Zygmunt Rogalla; bei allen anderen Arbeiten bestand ich auf Anonymität …
Das verstehen Sie nicht? Warten Sie nur ab, mein Lieber, und hören Sie mir zu, und wenn Sie genug erfahren haben … Aber ich wollte sagen: als das Dach des Museums sich unter der Hitze auffaltete, als es durchbrach und herabstürzte, da explodierte im Waffenzimmer russische Infanterie-Munition, die noch aus der Winterschlacht in Masuren stammte und damit wohl ihre Lagerfähigkeit bewies; in demselben Raum glühten polnische, tatarische und litauische Waffen aus, und auch die beiden Krummschwerter, mit denen meine Vorfahren den Missionar Brun von Querfurt und seine siebzehn Begleiter getötet hatten, die gekommen waren, um in Lucknow für mildere Sitten zu werben. So hieß es: für mildere Sitten …
Ich täusche mich nicht: alles wäre folgenlos verglüht, geschmolzen und weggeflammt, wenn nicht der Wind umgesprungen wäre, wenn sich nicht der mäßige Nordwest gelegt hätte, um sich von einem auffrischenden Südost ablösen zu lassen; der beizte unsere Augen mit Qualm, der zerriß gleich die niedrig hängende Rauchfahne über dem Wasser, vor allem aber belebte er das schon ermattete Feuer und trieb Flammen und Funken aus dunklen Ritzen. Da setzte der Funkenflug ein, den wir nicht erwartet hatten. Im Aufwind des Feuers wurde manches emporgerissen, was leicht war, was glühte; es schwärzte sich zwar schon in der Luft, kam aber, nachdem der Wind es auf das Strohdach des Wohnhauses geworfen hatte, noch einmal zum Nachglühen … zum Nachglühen, ja … so stetig, bis es auf einmal über der Webstube aufflammte und gleich das Dach hinauflief. Das Feuer schlug hinauf zu den hölzernen Dachreitern, langte in die offenen Fenster der Mansardenzimmer, ließ Strohfackeln niederregnen, die der Südost gleich ums Haus trug, hier glimmend gegen Pfosten drückte, dort vor einer Tür ablegte …
Sie irren sich. Als der Brand aufs Wohnhaus übergriff, war ich der erste, der Maßnahmen einleitete, um das Feuer zu bekämpfen. Wir bildeten eine Eimerkette. Wir verteilten uns im Flur, auf der Treppe, im ersten Stock über der Webstube, und ließen die Eimer wandern, vom Ausguß, wo meine Frau stand, bis zu Simon Gayko, der sie mir hinaufreichte zum Luk und nachstemmte, und anfangs sah es so aus, als ob all das Wasser, das ich flach über das Dach kippte, das Feuer aufhalten könnte; aber der Qualm, der Qualm zwang uns, das Luk zu räumen. Der Qualm vereitelte auch unseren Versuch, einen Teil des brennenden Daches herauszubrechen, mit Axt und Brecheisen suchten wir den Giebel über der Webstube zu lüften und herunterzustürzen, doch die Winkeleisen an den alten Balken saßen zu fest, und als auch die nassen Taschentücher nicht mehr halfen, die wir uns zum Schutz in den Mund steckten, mußten wir uns zurückziehen. Von einem Fenster sah ich unsere eigene Rauch- und Funkenspur, die ganze Schleppe des Feuers, unter der sich die Tiere auf den Koppeln erregten und in Richtung zum Gut galoppierten, nach Holmbek …
Wie meinen Sie? Aber gewiß war das geschehen, Marian Jeromin hatte die Feuerwehr benachrichtigt …
Da uns nichts anderes übrigblieb, versuchten wir einzeln oder gemeinsam Wertsachen zu bergen und alles, was sich tragen ließ, ins Freie zu bringen, Bettzeug vor allem und Möbel und Kleidung und sogar die begonnenen Arbeiten unserer Webschülerinnen. Wir setzten diese Arbeit fort, solange Hitze und Qualm es zuließen. Nur meine Tochter weigerte sich, daran teilzunehmen; sie kauerte für sich bei den verglühenden Resten des hölzernen Kemenatenhauses, in dem sich unser Museum befunden hatte, und es gelang keinem von uns, sie dort wegzuführen oder auch nur so weit zu bringen, daß sie von dem größeren Unglück Kenntnis nahm …
Ich meine, von dem anderen Unglück, Sie verstehen mich schon …
Für sie, für meine Tochter, sprang ein Fremder ein, der plötzlich unter den Buchen erschien und sich, ohne uns zu fragen, ins Haus stürzte und wahllos in Sicherheit brachte, was ihm ins Auge fiel oder worüber er stolperte. Er war es auch, der Fremde, der Simon Gayko und mir half, unsere Webstühle aus der Verankerung zu befreien, während um uns herum schon flammendes Gebälk niederging, das beim Aufprall zersprang und wegkollerte und sich gleich an mehreren Stellen in die Dielen einbrannte. Doch trotz seiner Hilfe konnten wir keinen der Webstühle herauswuchten, da uns die Glut vertrieb, die aus der Wollkammer herausschlug. Auch wenn es nur eine kurzlebige Glut war: sie ließ die Türfüllung platzen und die Scheiben zerspringen, der Lack auf dem Fensterkreuz verschrumpelte und flammte sogleich auf. Wir mußten ins Freie …
Sie waren es? Sie waren der Fremde, der uns half? Sie wollten Henrike abholen? Das wußte ich nicht … Ich habe Sie nicht erkannt … Aber was wollte ich sagen?
Ins Freie, ja; wir schöpften Atem unter den Rotbuchen, zwischen den Dingen, die wir gerettet hatten – es sah aus wie bei einer überstürzten Flucht –, als Marian Jeromin, Haar und Augenbrauen versengt, hastig das Gerettete durchging und überprüfte und auf einmal feststellte, daß ja das Buch fehlte, und als er es sagte, tränkte ich auch schon das Taschentuch, preßte es über meinem Kopf aus und überhörte einfach seine Warnung und sein Anerbieten: das Taschentuch vor dem Gesicht, lief ich zum Eingang des Wohnhauses, aus dem es gelb und blau qualmte, wie von Kartoffelkrautfeuer. Sie hielten mich fest. Ich war noch nicht auf den abgeschliffenen Steinstufen, da rissen sie mir die Arme nach hinten, Simon Gayko und Marian Jeromin, da drängten sie mich ab unter Zureden, und ich willigte zum Schein ein, bis ihr Griff sich lockerte, bis sie wohl glaubten, mich von meinem Plan abgebracht zu haben. Ah, und wenn sie zu viert gewesen wären, sie hätten mich nicht halten können; eine kurze Drehung genügte, dann noch ein Stoß, und ich war frei und lief durch den Qualm ins Haus und die Treppe hinauf zum Wandschrank, in dem ich das Buch aufbewahrte …
Ja, es bedeutete mir so viel – und aus gutem Grund gehörte es nicht zum Inventar des Museums.
Sonja Turk hatte das Buch in mehr als dreißig Jahren mit der Hand geschrieben, in ihrer rechthaberischen Sütterlinschrift, und ich hatte die Seiten selbst beschnitten und in rotes Ziegenleder gebunden, bevor sie es mir übergab; mir, dem einzigen Schüler, den sie jemals bereit war, anzunehmen …
Wer sie war? Die größte und sonderbarste Teppichweberin Masurens.
Ich preßte das schwere Buch an meinen Körper; auf den fleckigen Seiten war alles versammelt, was unsere Teppichkunst einst zu dreifacher Blüte gebracht hatte: die Kombination der Symbole mit ihrer erprobten zauberischen Wirkung, die Geheimnisse der Farbgewinnung aus Kaddik, Färberkamille und Krapp-Pflanze, und natürlich auch die Muster und Techniken für unsere Doppelgewebe und Knüpfarbeiten. Obwohl die Treppe unter mir schwang, gelang es mir noch, in die Diele hinabzukommen – mit dem Buch, mit Sonja Turks eigenwilligem und von Fehlern wimmelndem Vermächtnis, das ich nach und nach auswendig gelernt habe. Und dann, am Fuß der Treppe, traf mich ein Stück des brennenden Geländers, fast an der gleichen Stelle, an der mich damals die Kugel getroffen hatte bei meiner mißlungenen Exekution, fast mit der gleichen Härte. Ich fiel hin und glaubte im Fallen das Buch fest in den Händen zu halten, und ich glaube auch heute noch, mein Lieber, daß ich es schließlich unter mir begrub, aber keiner der Männer, die mich hinaustrugen, konnte es in der Diele entdecken, auch Marian Jeromin nicht, der, nachdem er mich in Sicherheit gebracht hatte, noch einmal in das brennende Wohnhaus eindrang – so wie ich es von ihm und er es von sich erwartete – und so lange suchte, bis der Rauch ihn zur Aufgabe zwang …
Auch ich befürchte das, lieber Martin Witt, auch ich nehme an, daß das Buch verbrannt ist, wenn auch nicht verloren, in dem endgültigen Sinn verloren wie die zerstörten Zeugnisse des Heimatmuseums, da es ja in meinem Gedächtnis bereitliegt, und da ich die Absicht habe, es in Sonja Turks Sprache wiederzuschreiben …
Was meinen Sie? Es ging zuviel verloren? Unersetzbares? Es tut Ihnen weh, wenn Sie an den Verlust denken? Wer reinen Tisch macht, lieber Martin Witt, der muß einen Schmerz in Kauf nehmen, und mir blieb nichts anderes mehr übrig, als reinen Tisch zu machen, nach allem, was geschehen ist, nach allem, ja …
Jedenfalls brachten sie mich in Sicherheit, zu den geretteten Dingen unter den Rotbuchen, und sie betteten mich so, daß ich das Feuer nicht sehen sollte, und mit dem Blick aufs Wasser; aber immer, wenn ich aus kurzen Ohnmachten erwachte, sah ich nun den Widerschein des Feuers auf den Baumkronen und auf den vielen fremden Gesichtern, und die Gesichter verrieten mir, wie alles stand. Ein einzelnes Gesicht verriet mir schließlich auch, was mir selbst zugestoßen war: es war das Gesicht meiner Frau, die mich fand und sich über mich beugte und noch in der Bewegung zurückprallte, vor Entsetzen, vor Schreck. Ich sah die Entstehung dieses Entsetzens, ihre qualvolle Ungläubigkeit, ich erkannte, wieviel sie aufbieten mußte, um meinen Anblick zu ertragen, ehe sie die Hände vor ihr Gesicht riß und einfach davonstürzte, ohne ein Wort …
Hoffen wir’s, mein Lieber, hoffen wir, daß die neue Haut gut anheilt, die Inseln von neuer Haut, die sie mir aufgelegt haben … Ich bin auf alles gefaßt; auch die Haut hat ihr Gedächtnis; jedenfalls danke ich Ihnen, daß Sie gekommen sind, Sie zumindest, denn daß Henrike nicht kommen würde – ich habe es vorausgesehen …
Sie weiß nichts? Sagten Sie, Henrike weiß nichts davon, daß Sie hier sind? Dann muß ich Ihnen noch mehr danken. Ich hoffe nur, daß sie keinen übereilten Entschluß gefaßt hat, sie ist nämlich dazu fähig …
Sie wohnt bei Ihnen? Das beruhigt mich, ich weiß, wie groß Ihr Einfluß auf Henrike ist … sie hat mir viel von Ihnen erzählt … Ihr Einfluß, ja: der ging so weit, daß sie die Meereskunde entdeckte eines Tages, als mögliches Studienfach, meine ich …
Sie begreifen mich nicht? Sie verstehen nicht, warum ich das getan habe? Das liegt nur daran: Sie kennen nicht die Vorgeschichte. Wo wir einen Anfang setzen, da ist längst etwas eingefädelt, da sind schon Weichen gestellt, Bedingungen geknüpft, Voraussetzungen geschaffen; wir treten nur auf, um etwas zu erfüllen oder zu vollstrecken oder um in etwas hineinzuwachsen, was ein kombinierender Zufall längst für uns ausgesucht hat …
Durchaus, ich bin durchaus dazu bereit, mit allem, was dazugehört – doch, ich bin bereit, Ihnen alles zu erzählen, auch wenn der alte Schmerz dabei erwacht, die alten Gefühle wiederkehren – aber wo soll ich beginnen? Daß ich hier liege: ich könnte es, kühn ausholend, bis auf die weißbemäntelten Herren unter dem Balkenkreuz zurückführen, auf die Hochmeister des Deutschen Ordens, die meine Leute unterwarfen, um sie mit ihrer Verwaltungskunst bekanntzumachen, mit dem Kreuz, oder mit ihrem mustergültigen Finanzsystem, das sich bekanntlich auf vier Einnahmequellen stützte. Ich könnte aber auch mit Hyronimus Rogalla beginnen, einem verbürgten Vorfahren, der es zu Ansehen brachte als Honigbauer und Schnapsbrenner; während er unter seinen Beutekiefern einen Rausch ausschlief, von dem sich kein anderer mehr erhoben hätte, überlebte er den zweiten Tatareneinfall in Lucknow, bei dem alle männlichen Einwohner getötet wurden.
Und auch er bietet sich an, dieser Mann im Mantel des Erzpriesters, der sich Johann von Rogalla nannte und nach der Pest in Masuren hier und da auftauchte, um sich von den verstörten Überlebenden huldigen zu lassen; seine Wettleidenschaft wurde ihm zum Verhängnis …
Nein, nein, ich verstehe Ihr Interesse, und gerade Ihnen, mein Lieber, erkenne ich ein besonderes Recht zu, sich Aufschluß zu verschaffen … Nur den entscheidenden Anfang, wie gesagt, der zu diesem Ende führte, werde ich wohl nicht ermitteln können, weil er auch schon wieder die Folge von etwas ist, von etwas, ja … Zuviel säumt den Weg, der hinabführt, Leute und Konstellationen und Stimmungen, oder einfach nur das verlorene Land, Masuren –, zuviel drängt sich auf und muß verantwortlich gemacht werden … Wo soll ich einhaken, wen zuerst unters Vergrößerungsglas bringen?
Vielleicht meinen Großvater, den Domänenpächter Alfons Rogalla, der immer von sich behauptete, daß er nur mit seiner persönlichen Einwilligung sterben würde, ein herrschsüchtiger, verhetzter Mann, dem keine Arbeit schnell genug ging und der seine Leute täglich verwarnte, so wenig Worte wie möglich zu gebrauchen, weil er glaubte, beim Sprechen gehe zuviel kostbare Zeit verloren. Obwohl er nur Pächter war, hatte er sich angewöhnt, alles als sein Eigentum anzusehen und zu behandeln, Pferde, Mägde und Tauben, und vielleicht lag es daran, an diesem maßlosen Besitzanspruch, daß wir alle uns vor ihm fürchteten, und daß niemand wünschte, in sein Vertrauen gezogen zu werden. Alfons Rogalla mit seinem zertrümmerten Bein …
Aber da winkt mir schon vom Schloßberg mein Onkel Adam Rogalla zu, der freiberufliche Heimatforscher, der sanft erregte Maulwurf unserer masurischen Vergangenheit. Er lädt mich ein, mit meiner blaugelben Spielschaufel im ergiebigen Moor zu graben; er bringt mir, wenn nicht Ergriffenheit, so doch Scheu vor den mitteilsamen Zeugen unserer Vorzeit bei, und in seinem Haus, das er in Jahren besessenen Sammelns zum Heimatmuseum gemacht hatte, erfahre ich noch einmal, daß Weltkunde mit Heimatkunde beginnt – oder mit ihr endet. Da er kinderlos starb, fielen mir eines Tages das Haus und das Museum zu. Ihm, der mich so folgenreich mit Begeisterung impfte, verdanke ich viel, so viel jedenfalls, daß ich mit ihm beginnen könnte …
An ihm aber komme ich wohl am wenigsten vorbei, er taugt ohne Zweifel zu einem Anfang: mein Vater Jan Rogalla, der berühmteste Hersteller und Verkäufer von Wundermitteln, der je in Masuren unterwegs war – in dem elegantesten Zweispänner seiner Zeit, auf dem ich neben ihm sitzen durfte in einem ausgebleichten Matrosenanzug, in meinen Händen den selbstgebauten Käfig mit der Kreuzotter Ella. Wo immer wir auftauchten – unsere Pferde trugen nickende künstliche Blumen hinter den Ohren –, wurde der Wagen sogleich umlagert, weil jeder sich einen guten Platz für den vielbewunderten Höhepunkt der Darbietung sichern wollte, für den Augenblick, in dem mein Vater seinen mit blauroten Bißstellen übersäten Arm in den Käfig schob und die Kreuzotter so empfindlich reizte, bis sie sich hervorschnellend in ihn verbiß …
Oder Sonja Turk. Ohne Sonja Turk zum Beispiel wäre ich nicht hier, denn sie war es, unsere größte Teppichmeisterin – ihre Arbeiten hingen in Kaunas und Königsberg –, die eines Tages in den Lucknow-Fluß watete und einem Jungen, den die Strudel an der dunklen Pferdetränke drehten, einen langen Ast hinhielt und ihn mehr unter als über Wasser ans Ufer zog. Auf ihrer Trockenwiese kam ich zu mir, zwischen all den leuchtenden Woll-Lagen, indigoblau und weiß und rot …
Allerdings, je mehr ich nenne, erwäge – da ist jemand, der ganz besonders meine Entscheidung beeinflußt hat: Conny Karrasch, der große Konrad Karrasch. Ich brauche nur an ihn zu denken, dann spüre ich einen Stich in den Oberarm, wir stehen auf dem alten Schloßberg, ziemlich feierlich, dort, wo er zu einer bewaldeten Schlucht abfällt, es ist lange her, es ist der erste Tag des ersten Weltkriegs. Ich spüre wieder den Stich der Messerspitze, sehe mein Blut dicklich und fast mühsam heraustreten, nur wenige Tropfen, in die er die Messerspitze so lange stippt, bis sie das Blut annimmt, und dann hält er mir seinen Arm hin, nicht so ernst wie ich, eher wißbegierig, und ich nehme das Messer und setze es unter den Narben an, die er vom Impfen hat. Ein Druck, ein kurzer, nach unten geführter Schnitt, und ich tauche die Messerspitze in das sämige Gerinnsel, das sich ruckhaft, wie suchend, seinen Arm hinabbewegt, und danach legen wir die Hände übereinander und sehen uns an, stehen auf der hohl klingenden Stelle des Schloßbergs und sehen uns nur an, bei den sieben Kiefern, unter denen wir bald darauf, miteinander wetteifernd, unsere persönlichen Friedhöfe anlegten – unsere heimlichen Friedhöfe …
Trotz allem, was geschah: wir haben den Pakt niemals gekündigt, keiner von uns hat ihn aufgehoben, für ungültig erklärt, den Pakt der Bruderschaft vom alten Schloßberg …
Ja, wenn ich alles zusammennehme, war es schließlich wohl er, Conny Karrasch, der mich mit seinem unerträglichen Bündnis zu dieser Entscheidung zwang, der mir nur diese Entscheidung übrigließ.
Es kommt jemand? Dann die Zigarette aus und die Schublade zu … Darf ich nach Ihrem Alter fragen? Ich schätze zweiundzwanzig. Schon vierundzwanzig? Ich habe keine Schritte gehört, Sie müssen sich getäuscht haben …
Lauter, Sie müssen ein wenig lauter sprechen … Da haben Sie recht, einmal muß man sich festlegen; und da es schon so ist: es kann gar nicht anders, es muß mit ziehendem Dampf beginnen, mit vielfarbigen Dämpfen, die aus dem sogenannten Laboratorium meines Vaters drangen und durch Ritzen und Schlüssellöcher in unsere Wohnräume, wo wir je nach Substanzen und Verbindungen violette oder braune oder giftgelbe Stunden erlebten. Was der Schwefel beim Erhitzen entläßt, was das Quecksilberchlorid entbindet, was Rosmarin bei der Destillation freigibt, wallte und schleppte sich zu uns herein, dazu die Dünste all der Kräuter, die er getrocknet in der Pfanne erhitzte oder zu einem Sud zerkochen ließ. Lange saßen wir und ertrugen es, und während die Dämpfe die Räume verschatteten und uns einander den Blicken entzogen, horchten wir furchtsam auf die Geräusche: auf das Scharren der Pfanne, auf das Klingeln der Reagenzgläser, auf gluckernde Filter und das hohe Vibrieren ausgeschlagener Siebe. Und da auch wir von dem lebten, was er in seinem Laboratorium braute und destillierte, saßen und ertrugen wir abwechslungsreiche Übelkeiten, Sprachstörungen, Husten- und Brechreiz und sogar farbige Zwangsvorstellungen – Erscheinungen, unter denen er offenbar wenig oder gar nicht litt … Glauben Sie nicht, daß er da nur willkürlich siedete und braute, nur ins Blaue hinein, mit Hilfe seiner geheimnisvollen schwartigen Nachschlagewerke suchte er planmäßig nach dem Magisterium, dem Stoff, der alle Krankheiten heilen kann, und es war besonders Basilius Valentinus, der ihn dabei führte, ein exakter Phantast, möchte ich meinen, der schon zu seiner Zeit mit Ammoniak, Knallgold und Bleizucker arbeitete und sie der Arzneikunst gewann …
Ja, am Anfang waren die Dämpfe, die sacht und stickig durch das kleine gekalkte Haus am Lucknow-See zogen, wirksame Dämpfe, die schwärende Salpeterblumen aus den Mauern trieben und Balken ätzten und unsere Haut stumpf und gelblich machten. Die beiden Katzen waren uns längst davongelaufen, Vögel und Schmetterlinge mieden die Nähe des Hauses, so mancher Besuch fiel in friedliche Ohnmacht und mußte ins Freie getragen werden, auf den krummen Holzsteg am Wasser – das geschah meist während des Essens. Sobald einer beim Essen lallte oder innehielt und mit quellenden, mit Kulpsaugen über rätselhafte Appetitlosigkeit klagte, wußten wir schon, was ihm bevorstand, und ich ging stillschweigend hinaus und säuberte vorsorglich den Steg. Meine Mutter, die sich überall mit einem Geruch nach Schwefelmilch und Salmiak ankündigte, schien sich mit allem abgefunden zu haben, sie klagte nicht, empörte sich nicht, nahm die mehrfarbigen Dämpfe als unvermeidliche Erscheinung, die bei der Produktion der wunderbaren Öle, Pulver und Essenzen nun einmal auftraten, und in meiner Erinnerung sehe ich sie nur so: mit lascher Hand die blühenden Nebel zerteilend und zeitlupenhaft aus ihnen hervorwachsend oder lautlos und wie endgültig in sie eintauchend mit fächelnden Schürzenbändern.
Nie hat sie sich uns in erregtem Zustand gezeigt, und ich glaubte schon, daß sie sich gar nicht erregen konnte, gleich, was geschah, als auf einmal ich selbst – obwohl seit frühesten Tagen an die Dämpfe gewöhnt – unter Appetitlosigkeit und Schwindelanfällen zu leiden begann; außerdem nahm ich eine bedenkliche Dotterfarbe an und büßte in knapp einer Woche die Kraft ein, die nötig war, um mein Fußbänkchen an einer Schnur zum See-Ufer zu ziehen, wo ich es regelmäßig badete. Beunruhigt stellte sie mein Bett vor das offene Fenster. Sie flößte mir Milch mit Honig ein. Sie kaufte mir heimlich Korinthen; doch das alles verhinderte nicht, daß ich an einem Nachmittag ohnmächtig von meinem Fußbänkchen kippte, nachdem ich versucht hatte, besonders schwere Dämpfe auf Spitztüten abzufüllen.
Als meine Mutter mich fand, soll sie den ersten und einzigen Schrei ihres Lebens ausgestoßen haben. Sie hob mich auf, brachte mich, während ich schon wieder zu mir kam, die Treppe hinunter und stieß die Tür zum Laboratorium mit dem Fuß auf, stieß sie einfach auf, obwohl es uns allen verboten war, und trug mich in einer Art feierlicher Empörung zu einer schwarzen zerkerbten und mit Brandmulden bedeckten Tischplatte, wo sie mich mit den Worten ablegte: Dem Siechmunt, unser Kruckchen, hast all jeschafft – eine anklägerische, präsentierende Geste sollte ihn auf das erste Opfer seiner phantastischen Wissenschaft hinweisen.
Über ein Reagenzglas hinweg sah mein Vater uns entgeistert an, kniff die Augen zusammen, ließ seine Entgeisterung noch wachsen, und zwar nicht, weil ihm gerade das erste Opfer seiner Dämpfe freisetzenden Wissenschaft hereingetragen worden war, sondern weil sich seine ganze Familie über das Verbot hinweggesetzt und das Laboratorium betreten hatte. Schlimmeres konnte nun nicht mehr geschehen, und so hörte er sich nur erstarrt an, was meine Mutter im Eilverfahren beschlossen hatte, um mich vor seinen Dämpfen in Sicherheit zu bringen.
Zweimal in der Woche – also immer dann, wenn er den Substanzen mit Hilfe von Hitze und bissigen Säuren ihre Geheimnisse abpreßte – sollte ich von nun an Onkel Adam ins Moor begleiten, auf die federnden Wiesen unterm Schloßberg, wo nur reine Winde gehen und »keiner nich schwefelt«. Bei den sieben Kiefern sollte ich die grünliche Dotterfarbe verlieren, inmitten von Wiesenkräutern meinen dauernden Schluckauf ablegen, und dort, wo mein Onkel Adam mit hölzernem Spaten grub und grub, im Schutz der warmen Torfterrassen, sollte ich von allen Schwindelanfällen befreit werden. Jan Rogalla, mein Vater, musterte mich nur mit gequältem Erstaunen, etwa wie eine mißglückte chemische Verbindung, eine theoretisch mögliche und dennoch mißglückte Verbindung …
Zum Heizen, meinen Sie? Ob der Torf zum Heizen gestochen wurde? Sicher, aber nicht von Onkel Adam, der ja kein Stecheisen führte, sondern feinfühlig mit einem Holzspaten umging und daneben Spachtel und Schaber und sogar Bürsten gebrauchte, bei seiner verbissenen Arbeit im Moor, am Fuß des Schloßbergs. Was er dort machte? Er grub unsere Vergangenheit aus, der fleißigste Maulwurf unserer Vorgeschichte … Übrigens war Onkel Adam nicht der Bruder meines Vaters, sondern der Bruder meines Großvaters, ja.
Wir trafen uns am wilden Birnbaum, dessen Kruschken hart und bitter waren und dessen Geäst mich, wenn ich allein war, mitunter ängstigte, weil ich seinen Verlauf nicht durchschauen konnte vor lauter Wildwuchs und Verkrümmtheit. Auch ich war ausgerüstet fürs Moor, trug einen dunklen Wollmantel wie Onkel Adam, schleppte einen Rucksack wie er, und wie er seinen Spaten, schulterte ich meine Schaufel, eine blaue Spielschaufel an gelbem Stiel. Heftig war seine Begrüßung, ergriffen und ein bißchen schmerzhaft; er riß mich, mitsamt der Schaufel, vom Boden hoch, hob mich nahe vor sein großes, eulenhaftes Gesicht, schaffte es mit einer einzigen berechneten Bewegung, daß ihm der breitkrempige Hut in den Nacken rutschte, und dann küßte er mich ziellos, wobei er mich ungestüm an sich preßte. Kaum auf dem Boden, ergriff er meine Hand und zerrte mich schweigend den Sandweg hinab, der zum Borek führte, zerrte mich mit ungeduldigen Schritten am Mischwald vorbei und eine Anhöhe hinauf, zum Schloßberg. Hier mußte er stehenbleiben. Hier mußte er erst einmal lauschen und schauen. Aber es war nicht der gerade pensionierte Zeichenlehrer Adam Rogalla, der die Landschaft gemächlich nach beispielhaften Angeboten durchmusterte; in diesem Augenblick lauschte und schaute der freiberufliche Heimatforscher, und weil er meine Hand nicht losließ, sie sogar krampfhaft drückte, floß seine Erregung auch zu mir hinüber. Da bevölkerte sich wie von selbst die Landenge zwischen Tataren- und Lucknow-See, in der Luft entstand ein Tumult aus Stimmen und galoppierenden Pferdehufen, und im Innern des Schloßbergs rumorte und dröhnte es, als ob da schwere Holztore berannt würden.
Wer auf dem Schloßberg stand, der konnte gar nicht anders, der mußte ihn gleich zur Verteidigung einrichten; man geriet kaum dazu, die Wälle und die Holzwehren hochzuziehen und das Tor zu verrammeln, als auch schon auf der Landenge die in den weißen Mänteln auftauchten, dekorativ zwischen den schwarzen reglosen Seen, vor den immer matten Silberpappeln; und gerade hatte man ihnen die Mäntel rot befleckt, als es zwischen den ernsten Kadikbüschen zu wieseln begann, es huschte und flitzte da nur so vor litauischen Bogenschützen, die sich einen Jugendtraum erfüllen wollten. Viele konnte man sich als Angreifer aussuchen: Tataren auf zottigen Rennern, unglückliche Schweden, immer wieder besessene polnische Kavallerie und schließlich auch Samsonows verzagte Schützen. Ich zweifle nicht, daß auch Adam Rogalla, wenn er so stand und lauschte, den Schloßberg unwillkürlich zur Verteidigung einrichtete oder sich zumindest in Erinnerung rief, wie oft und gegen wen er verteidigt worden war in den Zeiten, nach deren Belegen er grub. Jedenfalls, vom Schloßberg aus erkannte man bereits die braunen Terrassen, die er gestochen und abgeräumt hatte, ein ganzes System von Gängen, Schächten und säuberlichen Plattformen, das im Moor begann und auf den dünn bewaldeten Steilhang des Berges zulief, was so aussah, als habe er sich den Berg für später reserviert und wollte sich mit den zahllosen Zeugnissen, die er gewiß enthielt, für die karge, dennoch aufschlußreiche Ausbeute entschädigen, die er aus dem Moor heimbrachte.
Beim Anblick der Terrassen, vor den glattgeschrabten Plateaus und scharf gestochenen Wänden begann meine Schaufel unruhig zu werden, sie zuckte und schlug aus wie eine Wünschelrute, ich konnte es kaum erwarten, den Hang hinabzukommen und loszulegen, neben ihm, um die Wette mit ihm.
Wir schnallten die Rucksäcke ab, legten sie ordentlich nebeneinander. Während er das feinere Werkzeug aus schützenden Lappen schlug, trank ich schon mal zügig meine Himbeerbrause aus und aß die am dicksten geschmierten Brote, denn noch zuverlässiger, als meine Mutter es vorausgesagt hatte, gewann ich unter dem »ungeschwefelten« Wind, inmitten natürlichen Kräuterdufts meinen Appetit zurück. Bevor wir anfingen, zeigte er mir Gefäßscherben und rauchgeschwärzte Steine und ein Skelett, das etwas zu erzählen hatte – das heißt, es waren zwei Skelette, die von einem großen Vogel und einem noch größeren Fisch stammten; offenbar hatte der Vogel, dessen Krallen bis zur Rückengräte durchgestoßen waren, den Fisch geschlagen und versucht, ihn aus dem Wasser zu heben, was ihm aber ebensowenig gelungen war wie das Öffnen der Sperren an seinen Krallen, so daß sie wohl eine ganze Weile gemeinsam schwimmend und flügelklatschend durch das Gewässer gezogen waren, so lange, bis der eine aufgab, aufgeben mußte.
Dann wies Adam Rogalla mir eine Ecke in seinem Grabensystem zu und machte mir vor, wie man Schaufel und Spaten führt: nie senkrecht, nie energisch, sondern immer nur schräg und gefühlvoll wollte er den Stich in das mullrige Erdreich geführt haben, und beim mindesten Widerstand sollte ich die Schaufel weglegen und gefühlvoll mit Spachtel und Bürste hantieren, denn, wie er sagte: Nuscht macht dem Forscher so gnatzig wie Zeijen, die er selbst zerdäppert hat!
Ich grub; die kleine Schaufel wühlte und stöberte so verbissen in der Torferde, als müßte ich an einem einzigen Tag unsere gesamte Vergangenheit freilegen; das ratschte, staubte und flatterte nur so, und es knackte, wenn ich die trockenen, verlederten Wurzeln durchhieb, und wenn ich den pulvrigen Abhub über den Grubenrand schleuderte, trieb ihn der Wind in braunen Fahnen gegen den Schloßberg.
Tiere, am liebsten hätte ich Tiere ausgegraben, die Skelette von Bären vor allem, aber auch von Luchsen, Mardern und Bibern, doch es kam und kam nichts zum Vorschein, nichts Gebleichtes, nichts schön Gebogenes, nicht mal ein einzelner Reißzahn blinkte auf, und ich merkte, wie die Schaufel vor Enttäuschung immer lustloser wurde, immer planloser vorging. Mit der Enttäuschung kam frühe Erschöpfung, ich setzte mich auf eine fein gestochene Treppe und beobachtete den gebeugten Rücken von Adam Rogalla, der mit seinem Holzspaten braune Kuchenstücke aus einem Buckel schnitt, jedesmal hühnerscharf äugte, weiterschnitt, und während ich ihn beobachtete, ließ ich die Schaufel an losem Gelenk kreisen, ziemlich unachtsam, so daß sie mehrmals mit voller Breite gegen den Grubenrand schlug. Ein Ton machte mich hellhörig, ein kurzes Echo, das immer dann auf mich zurückkam, wenn ich eine feuchtglänzende Stelle in der Wand traf, und nachdem ich den Schlag oft genug wiederholt hatte, setzte ich die Schaufel waagerecht an, stach eine Höhlung aus, kratzte und wischte und konnte bald aus der lockeren Wand eine rostige, aber immer noch golden schimmernde Urne herausheben.
Ein Freudenschrei; ich rief Adam Rogalla, schlug mit der Schaufel triumphierend auf das Gold ein, sprang und tanzte um es herum, und dann kam er endlich, viel zu gemächlich, wie mir schien, viel zu wenig erregt, und anstatt sich hinzuknien und mit gehetztem Forscheratem zu wienern und zu bürsten, bis der entdeckte Schatz uns blendete, trat er einmal mit derbem, doppelt gestepptem Stiefel verächtlich nach der Urne. Die hatte sofort ihre Beule, der dünne Deckel flog ab, und im Wegkollern verlor sie ein paar Knochen.
Ich sprang hinterher, ich wollte die Knochen aufsammeln, heilige Sudauer- und Pruzzenknochen, die Fingerknochen meiner Vorfahren womöglich, doch mein Onkel hielt mich zurück, bückte sich nach einem Zettel, den ein kreiselnder Wind aus der Urne hob, und las ausdruckslos: An diesen Knochen hat schon Rogalla gerochen.
Dann sammelte er selbst in kaum beherrschter Erregung die gekochten und belutschten Rippchen ein, warf sie in den bügellosen Marmeladeneimer, den ich für eine Urne gehalten hatte, und schleuderte das Gefäß aus der Grube.
Grimmig stieg er zum Grubenrand hinauf; auch ich stieg zum Grubenrand hinauf. Er verschickte einige drohende Gesten in Richtung Kadikgesträuch; auch ich drohte mechanisch zu der grünen, mit Rostfarben durchwirkten Wand hinüber. Und tatsächlich, auf unser gemeinsames Drohen wurde es zwischen den elastischen, noch ungeschnittenen Peitschenstielen lebendig, ein stumpfblonder fliehender Mopp wurde sichtbar, dann Kniestrümpfe mit roten Ringen, und an wippenden und zurückschnellenden Zweigen konnten wir seine Fluchtspur bis zum Gehölz verfolgen.
Zerjen, du Krät, sagte Adam Rogalla, immer nur zerjen, aber eines Tages hat sich’s ausjezerjt. – Beim Hinabklettern erzählte er, daß es immer wieder nur dieser eine Gnos sei, der ihn so »zerjte«, der Gefallen daran fand, auf sozusagen geweihtem Gelände Nägel und Mäusefallen und Fahrradklingeln und Taschenlampenbatterien und einmal sogar ein altes Bügeleisen zu vergraben – und zwar nur in der Absicht, den ergriffenen Forscher zu reizen. Den Namen sprach mein Onkel nur mit Erbitterung aus: Conny Karrasch …
Wie bitte? So ist es: die Pruzzen waren unsere Vorfahren, mit den Sudauern verwandt, Honigsammler und ganz besondere Jäger, möchte ich meinen, denen wir immerhin die Entdeckung verdanken, daß man einen betrunkenen Bären leichter umbringen kann als einen nüchternen; Schnaps mit wildem Honig, in Schalen serviert, garantierten schon das halbe Jagdglück …
Doch was wollte ich sagen?
Ja – ich kannte Conny Karrasch, bevor er mich kannte, er war der Junge, der Adam Rogalla foppte und täuschte, der die Torfterrassen entweihte; er war der kleine Deikert, dem hinterhergedroht und -geflucht wurde, Conny Karrasch, einziges Ziel für den Zorn und die Erbitterung des immer wieder genarrten Heimatforschers.
Und bevor ich ihn kannte, wußte ich, daß sein Vater über das weiße, dickwandige Gefängnis herrschte, das Lucknower Stadtgefängnis, das früher mal eine Ordensburg gewesen war, mit steilen, uneinnehmbaren Mauern zum See hin. Wie ich ihn darum beneidete, hinter diesen Mauern, die oben mit bunten Glasscherben besetzt waren, wohnen zu können! Und wieviel ich bereit war, nur für einen einzigen Besuch im Gefängnis zu geben! Sogar von meiner Vogeleier-Sammlung hätte ich mich dafür getrennt. Aber zunächst blieb Conny Karrasch für mich nur ein stumpfblonder Mopp im Kadik, vor allem aber Anlaß für Adam Rogallas wehrlose Wut im Moor draußen, unterm Schloßberg, wo ich mich erholen sollte von den mehrfarbigen Dämpfen, die mein Vater in seinem Laboratorium freisetzte. Das gelang.
Ich hatte übrigens auch selbst den Wunsch, mich rasch zu erholen, denn in Lucknow und seiner Umgebung standen die herbstlichen Jahrmärkte bevor, und das bedeutete für mich Reisen nach Prostken, nach Malkiehnen, nach Milucken und Mostolten, aber auch nach Skomanten und nach Kobilinnen; Orte, in denen es nur zwei Ereignisse gab, die das Gespräch auch in drakonischen Wintern ernähren konnten: die letzte Flucht des Hugo Bandilla, der sich selbst den König der masurischen Schmuggler nannte, und die Auftritte meines Vaters mit der Kreuzotter Ella.
Sie dürfen annehmen, daß diese Reisen zu frühen und bestimmenden Erfahrungen führten, herbstliche Reisen, die durch Moore und Heide gingen, unter Birken, Kiefern und wieder Birken, über zermahlene Sandwege und Stoppelfelder und schmale Holzbrücken, die ganz zerschrammt waren von den ungelenken Erntewagen. Überall Kartoffelkrautfeuer. Wuchtige Formationen am Himmel. Aus jeder Schonung das rasende Trommeln der Buntspechte. Spinnweben. Staubige Disteln. Kletten und Kletten. Die flachen, geteerten Kähne erhoben sich von den schwarzen Waldseen und schwebten in diesen Tagen in der Luft. Kein Brombeergebüsch, aus dem sich nicht ein Landstreicher mit runder, geröteter Stirn hochstemmen konnte. Wo Gänse waren, war auch ein bissiger Ganter. Und die Hofhunde rissen an ihren Ketten, sobald sie unsere Pferde mit den nickenden künstlichen Blumen erkannten.
Lockere, atemlose Spaliere, wo immer man uns entdeckte: Holzflößer rannten über rotierende Stämme ans Ufer und blickten uns nach; Schulkinder stürzten ins Freie, als ob ihre Schule brannte, alte Frauen, die auf den Feldern Ähren und Kartoffeln nachlasen, richteten sich auf und winkten uns zu, und im Halbdunkel der Kiefern-Reviere schwenkten Waldarbeiter ihre Mützen mit den hochgebundenen Ohrenschützern.
Gleichmütig ließ Jan Rogalla, mein Vater, seinen sengenden Blick über die Spaliere gleiten, er schien die Huldigung nicht wahrzunehmen, die Grüße nicht auf sich zu beziehen, da äußere Erscheinungen ihm nichts bedeuteten, ihm, der nur dafür lebte, den Dingen auf den Grund zu kommen, auf den blasenwerfenden, dampfenden Grund, ja, wo allein das Magisterium zu finden war. Sie müssen ihn sich so vorstellen: unter mattem, schwarzem, sich nach oben verjüngendem Hut ein bleiches, ausgezehrtes Gesicht, das nicht nur lodernden Suchergeist, sondern auch erheblichen Mangel an Frischluft zugab; weißes Halstuch, das sein kragenloses Hemd verbarg; schwarze Samtjacke mit einer Doppelreihe von Perlmutt-Knöpfen; sehr enge, dunkle Röhrenhosen, die sozusagen immer auf halbmast standen. Und neben ihm ich in meinem verschossenen Matrosenanzug – mein Mützenband zählte mich zur Besatzung des Linienschiffes »Elsaß« –, auf meinen Knien den verhüllten Käfig, in dem Ella in einfallslosen Girlanden schlief, ewig von ihrer Verdauung ermattet. Es ist nur selbstverständlich, daß von Alt-Kriewen bis nach Zinschen die schwerfälligen Fuhrwerke unserem eleganten Zweispänner auswichen, daß man uns schnell und mitunter auch erschrocken grüßte, und auf welchen windigen Marktplatz wir auch rollten, überall schien man uns bubbernd erwartet zu haben. Wir waren noch nicht einmal ausgerollt, da gingen schon alle anderen Geschäfte schlecht oder wurden einfach unterbrochen: Eier und Butter blieben sich selbst überlassen; Enten, die man eben noch ausdauernd und genußvoll befühlt hatte, fiel der Korbdeckel auf den Kopf; Maränen, Zander und Karauschen, ohnehin glitschig, sprangen aus der Hand in den Fischkasten zurück; den Äpfeln half keine Glattbäckigkeit, den Kartoffeln nicht ihr frischer Erdgeruch, der Glumse weder Saft noch Farbe, selbst Blau- und Preiselbeeren fanden keine Beachtung, einfach weil die Nachricht von unserer Ankunft blitzschnell die unabsehbare Reihe der Kastenwagen entlangflog und jeder loslief, in dem Wunsch, sich einen aussichtsreichen Platz zu verschaffen. Wie sie uns umdrängten, umlagerten, unter riesigen Kopftüchern, in Filzstiefeln, Kadik-Peitschen unterm Arm, Körbe und Beutel vor dem Bauch; hier hielt einer sein Fohlen am kurzen Strick, dort stand ein anderer schnaufend, weil er rein vergaß, den lastenden Kartoffelsack auf die Erde zu setzen; dieser hielt eine Gans in sanftem Würgegriff, der schlenkerte mit geräucherten Aalen, und ob sie kauten, rauchten oder lutschten – was sie alle verband, war eine teils furchtsame, teils hoffnungsvolle Erwartung.
Jan Rogalla saß zuerst immer versunken da, mit gekrümmten Schultern, die Hände unterm Lederschurz, der so breit war wie der Kutschbock; doch seine Augen waren offen, sein sengender Blick lief die Deichsel entlang, während sein leicht zur Schräge verzogenes Gesicht lauschende Offenheit ausdrückte, gerade so, als ob er auf eine Melodie wartete oder auf eine Botschaft, auf eine nur ihm geltende Botschaft, selbstverständlich. Dann ruckte er, straffte sich, zog seinen Hut und ließ ihn – vielleicht etwas zu elegant – eine ganze Drehung mit Schraube in der Luft machen, was die Versammelten mit sehr verschiedenartigem Beifall beantworteten; doch das war nun einmal seine Art der Begrüßung, mit der er sich, obwohl ihm nichts ferner lag, in die Nähe eines Zauberkünstlers begab, eines Taschenspielers, ja. Aber er wischte sogleich diesen Eindruck aus, wenn er über den Kutschbock stieg, wenn er die wasserdichte Persenning von den Regalen und offenen Schränken riß, in denen der wunderbare und auch preiswerte Geist der Substanzen lagerte, den er selbst erweckt und auf Röhrchen gefüllt, auf Fläschchen abgezogen hatte, alle mit selbstgeschriebenen Etiketten versehen, auf denen noch jeder Name sein Geheimnis hatte …
Auch dies, mein lieber Martin Witt, Sie sollen alles erfahren. Eine einzige Geste, so ein aufwärts geführter Säbelhieb reichte aus, um die Aufmerksamkeit herzustellen, auf die er angewiesen war, die er für seine Rede brauchte, eine leise geführte Rede, stockend, wie ein Selbstgespräch; und wer noch nie gestaunt hatte, den zwang Jan Rogalla mit der Behauptung zum Staunen, daß nicht die Einsamkeit der wahre Herrscher Masurens sei, auch nicht die Armut, sondern die in hundert Erscheinungen auftretende Krankheit.
Er sprach aus, was vor und nach ihm kaum jemand auszusprechen wagte, nämlich, daß es im Grunde nur eine einzige Krankheit gab, einen Inbegriff aller Krankheiten, den man sich vorzustellen habe als alte herrschsüchtige Klunker, die es darauf angelegt hat, sich in vielen Erscheinungen Respekt zu verschaffen: mal unter dem Mantel des Fiebers, mal unter dem der Fallsucht, bei diesem erschien sie als Zahnfäule, bei jenem als Milzbrand; doch wie viele Tarnungen sie sich auch einfallen ließ, er, Jan Rogalla, mein Vater, hatte sie durchschaut, dingfest gemacht und ihre Identität so weit gelüftet, daß unter allen Erscheinungen immer wieder die eine und maßgebende festgestellt werden konnte, die Überkrankheit.
Ihr hatte er seine wissenschaftlich fundierte Feindschaft angesagt. Ihr hoffte er mit Hilfe des Magisteriums beizukommen; doch solange ihm dies nicht gelungen war, mußte er sich – leider, leider – mit Spezialmitteln begnügen, die ebenso zahlreich waren wie die Erscheinungsformen der Überkrankheit, aber, wie er sagte: Liebä e kleines Haubitzche als nuscht an Artillerie.
Und dann hätten Sie hören müssen, wie er, bescheiden und beredt zugleich, ein masurisches Leben entwarf, das in allen Regungen von Krankheit bedroht war, von Schmerzen und Wunden: kein fröhlicher Pilzsammler, der nicht eines Tages mit einer Vergiftung rechnen mußte; kein Landmann, der nicht vom Hufschlag und Kugelblitz heimgesucht werden konnte; der Fischer durfte sich ausrechnen, wann ihn bei blühendem Wasser die Gürtelrose befallen, und der Torfarbeiter, wann ihn das Sumpffieber ereilen würde; auf den Hausschlachter warteten natürlich schon die zerstörerischen Trichinen, auf jeden Barfüßigen hinter der Scheune rostige Nägel, um ihm eine Blutvergiftung beizubringen; dem Beamten, mochte sein Schreibtisch noch so bedeutend sein, würde der Schlagfluß nicht erspart bleiben, und der Holzflößer durfte nicht damit rechnen, daß die nässende Furunkulose ihn verschonte. Wer meinem Vater zuhörte, mußte den Eindruck gewinnen, daß jeder Masure dazu bestimmt war, eine spezifische Krankheit auszutragen und zu erdulden, eine angemessen verhängte Krankheit, möchte ich sagen, die man sich sowohl durch Ansteckung holen als auch bei Schlägereien und durch Unglücksfälle erwerben konnte.
Doch obwohl es so war, brauchte niemand voreilig zu verzweifeln, da es ihm, Jan Rogalla, in seiner wissenschaftlich fundierten Feindschaft gegenüber der Krankheit gelungen war, Mittel herzustellen, mit denen jeder sein Los erleichtern, wenn nicht gar überwinden konnte. Er lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Regale und offenen Schränke. Er dankte öffentlich den Substanzen dafür, daß sie ihm ihre wunderbaren Wirkungen offenbart hatten. Wer ihn kühn auslegen wollte, konnte ihn so verstehen, daß er mit den Substanzen einen Pakt geschlossen hatte, der nicht mit der Bekämpfung von Krankheiten endete. Und mit einer Demut, gegen die nichts einzuwenden war, vertraute er den Lauschenden an, daß das Knallgold ihm seine letzten Geheimnisse überlassen habe und er deshalb in der Lage sei, mit nie gehörten Sonderangeboten aufzuwarten …
Nein, nein, nichts, was die Zukunft durchsichtig machte … Er bot Tropfen an, die, in Kohlsuppe verrührt, schon in kurzer Zeit die Gottesfurcht erhöhen sollten; außerdem eine Salbe gegen kosakische Säbelhiebe – offenbar erwartete er einen Einfall der Kosaken, und die Salbe sollte bewirken, daß sich klaffende Wunden, in gestrecktem Galopp geschlagen, sogleich schlossen. Der Clou seines Sonderangebots aber, der eine fast jankrige Unruhe hervorrief, war ein griesiges, nach Ammoniak riechendes Pulver, das einen Schmuggler bei Bedarf unsichtbar werden ließ. Hier hörte man prompt die ersten Zwischenrufe, zuerst scheue, dann dringende Anfragen: wieviel das Pulver koste, wollte man wissen, welche Menge man einnehmen müsse, um unsichtbar zu werden; wie es mit dem Nachspülen sei, wollte man wissen, und schließlich, wie lange man unsichtbar bleibe und was man zu tun habe, um wieder in Erscheinung zu treten …