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6. Papa kann alles

Werft dieses Vertrauen auf den Herrn nicht weg, was immer auch geschieht, sondern denkt an die große Belohnung, die damit verbunden ist! Hebräer 10,35; NLB

Immer wieder staune ich darüber, wie selbstverständlich es für ein Kleinkind ist, dass wir Erwachsene alles, aber wirklich auch alles können. Es geht in seinem kindlichen Vertrauen einfach davon aus, dass kein Problem auftaucht, das seine Eltern nicht lösen, es keinen Kummer gibt, den seine Eltern nicht beseitigen können. Das kaputte Spielzeug wird vertrauensvoll der Mama hingehalten, und wenn sie es nicht reparieren kann, dann aber doch bestimmt der Papa!

Ich erinnere mich zum Beispiel an eine kaputte Jalousie, deren Elektrik an der Außenwand eines großen Gebäudes angebracht war. Die Kabel des Rollladens hingen lose und gut sichtbar an der Fassade herunter. Für meinen Zweijährigen war klar: „Papa (repa)rieren. Ich sage (es) Papa.“

Oder die Baumwurzel, die quer über einen Spazierweg gewachsen war und die er nun mit aller Kraft aus dem Boden zu ziehen versuchte. Als ich ihm sagte, dass das zu schwer für ihn sei, schaute er mich an und äußerte ohne zu zögern: „Aber Papa kann das!“ Als ich das zweifelnd verneinte, schaltete sich der Fünfjährige ein und meinte bestimmt: „Doch, Mama! Mit seiner Motorsäge schafft er das auf jeden Fall!“

Klar, dieses kindliche Vertrauen wird irgendwann erschüttert. Und irgendwann kommt eine Phase, in der unser Nachwuchs uns für eine Weile möglicherweise überhaupt nichts mehr zutraut. Aber für ein Kindergarten- und teilweise auch noch für ein Grundschulkind sind Mama und Papa die Helden seines Lebens. Ein schönes Gefühl, oder?

Ich wünschte mir, mein Vertrauen in Gott wäre ebenso stark und uneingeschränkt: Ich habe ein Problem? Gott kann das lösen! Ich weiß nicht mehr weiter? Gott wird mir Weisheit schenken! Ich fühle mich alleine und im Stich gelassen? Gott tröstet mich! Aber mein Glaubensalltag sieht anders aus. Das Leben ist schließlich kein kaputtes Spielzeug und Gott kein Zauberer, der für alles eine Lösung aus dem Hut zieht.

Als kritische Erwachsene, die das Leben vielleicht zu realistisch betrachten, haben wir uns dieses uneingeschränkte Vertrauen abgewöhnt. Trotzdem: Es gibt unzählige Verse in der Bibel, die uns dazu auffordern, Gott zu vertrauen. Er ist der Vater im Himmel, der uns als seine Kinder liebt und für uns sorgt. Wenn es etwas gibt, das Jesus seinen Zuhörern klarmachen wollte, dann genau das. Interessanterweise stellt er ihnen dabei in Sachen Vertrauen ein Kind als Vorbild hin. Sind wir Großen bereit, von diesem Vorbild zu lernen?

Das bedeutet nicht, dass wir unseren Verstand über Bord werfen oder naive, nicht durchdachte Entscheidungen treffen sollen. Aber wir sollen mit Gottes Handeln rechnen, selbst wenn wir menschlich gesehen keine Idee haben, wie das funktionieren könnte. Wer das versucht, erlebt Gottes Eingreifen in den großen und kleinen Herausforderungen seines Lebens.

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Zum Weiterlesen:
Matthäus 6,25-34

Gebet:

„Vater im Himmel, du weißt, wie schwer es mir fällt, dir zu vertrauen. Oft denke ich noch nicht einmal daran, dich um Hilfe zu bitten. Selbst wenn ich es tue, bleiben Zweifel, ob du dich um die Angelegenheit kümmern wirst. Bitte stärke mein Vertrauen in dich. Lass mich von meinen Kindern lernen, was Glauben bedeutet. Danke, dass ich schon erlebt habe, dass du ganz praktisch Dinge in meinem Leben verändert und Probleme gelöst hast. Lass mich erfahren, dass es sich lohnt, in Schwierigkeiten mit dir zu rechnen. Amen.“

Tagesimpuls:

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7. Mit Kindern beten lernen

Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.

Matthäus 7,7-8; LUT

Nachdem wir ein paar Tage bei meinen Eltern in Süddeutschland verbracht hatten, waren wir auf der Rückfahrt ins heimatliche Hessen. Als wir etwa die Hälfte der Strecke hinter uns hatten, signalisierte uns plötzlich ein Warnton, dass wir Kühlmittel nachfüllen müssen. Die Tankstelle, die wir daraufhin anfuhren, hatte allerdings nur destilliertes Wasser, was laut Handbuch als Notlösung aber okay war.

Schaden behoben und weiter ging die Fahrt, aber nur für etwa 30 Minuten. Dann blinkte das Signal wieder auf. Die Gebrauchsanweisung schrieb vor, dass man bei einem erneuten Aufleuchten nicht weiterfahren sollte, weil sonst die Gefahr eines Motorschadens bestehe. Dieses Mal stoppten wir deswegen an einer größeren Raststätte.

Während mein Mann sich auf die Suche nach dem Kühlmittel machte, saß ich mit den Kindern im Auto und machte mir meine Gedanken: Was würde passieren, wenn unsere Reparaturmaßnahmen auch dieses Mal nichts brachten? Bräuchten wir einen Abschleppwagen? Gute 200 km von zu Hause entfernt und mit einem Kind auf dem Rücksitz, das leichtes Fieber hatte und kein Fan von langen Autofahrten ist? Bitte nicht, Herr!, betete ich innerlich.

Dann kam mein Mann mit dem passenden Kühlmittel zurück. Nachdem er es eingefüllt hatte und wir vorschriftsmäßig fünf Minuten gewartet hatten, fuhren wir los. Zuvor hatten wir allerdings noch als ganze Familie für eine sichere Heimreise gebetet. Mit angehaltenem Atem legten wir Kilometer um Kilometer zurück.

Nach einer Weile sagte unser Fünfjähriger plötzlich laut und wie selbstverständlich: „Danke, Gott, dass der Schaden jetzt behoben ist.“ Mein Mann und ich waren uns da noch gar nicht so sicher und blickten uns nur zweifelnd an. Aber wir sind tatsächlich ohne weitere Zwischenfälle nach Hause gekommen.

Ich erlebe es im Alltag immer wieder, dass mein Kleinglaube mich davon abhält, gemeinsam mit den Kindern Gott ganz konkret um etwas zu bitten. Zu groß ist meine Sorge, was es mit ihrem Kinderglauben macht, wenn ihr Gebet nicht erhört wird. Auch abends beim Einschlafen tue ich mich schwer damit, mit den Kindern gemeinsam zu beten.

Was, wenn ihnen meine Worte ein falsches Gottesbild vermitteln? Verstehen sie überhaupt, um was es beim Beten geht? Sind die Worte, die ich wähle kindgerecht genug und andererseits auch von mir aus aufrichtig und ehrlich? Ein Dilemma, das jeder kennt, der nicht gerne laut vor und mit anderen betet.

Trotz dieser Zweifel und Unsicherheiten versuche ich regelmäßig mit meinen Kindern zu beten. Es ist mir wichtig, dass das Gespräch mit Gott etwas Vertrautes in ihrem Leben wird. Später werden sie selbst entscheiden, ob sie diese Verbindung aufrechterhalten wollen – aber sie wissen, dass es sie gibt.

Auch für mich ist dieser Prozess hilfreich: Gemeinsam mit den Kindern lerne ich Gott noch einmal auf eine neue Art und Weise kennen, und übe mich darin, ihm mehr zuzutrauen, als mein kleiner Verstand es oft tut. Gute, vorformulierte Kindergebete sind mir dabei eine Hilfe geworden. Denn zum einen merke ich, dass mein Sohn gerne Worte nachspricht, die er sich zu eigen machen kann. Zum anderen geben diese Gebete auch mir eine Idee davon, wie man einfach und doch vertrauensvoll mit seinem Kind beten kann. Und zusätzlich üben wir zusammen auch das persönliche Gebet mit einfachen eigenen Worten ein.

Manchmal denke ich, dass Gott es bewusst und mit einem Schmunzeln so eingerichtet hat, dass die großen, allwissenden Erwachsenen durch ihre Kinder auf einmal ganz neu Glaubensdinge für sich entdecken und durchdenken müssen. Nicht umsonst stellt Jesus uns immer wieder Kinder als Vorbild hin (Matthäus 18,2-5).

Der verstorbene Pfarrer Jörg Zink schreibt passend dazu als abschließende Bemerkung zu seinen Gedanken zum Thema „Beten mit Kindern“: „Wir brauchen ein ganzes Leben, um immer wieder irgendetwas [sic.] am christlichen Glauben zu begreifen, Stück um Stück, und niemand verlangt von uns, dass wir damit jemals ganz fertig werden. Das ist ein Trost nicht nur für unsere Kinder, sondern auch für ihre unvollkommenen Eltern.“3

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Zum Weiterlesen:
Matthäus 7,7-11

Gebet:

„Vater im Himmel, Beten ist und bleibt für mich ein Risiko des Vertrauens, weil ich nie genau weiß, wie du meine Gebete erhören wirst. Das macht es mir nicht leicht, mit meinen Kindern zu beten. Hilf mir und meinen Kindern zu lernen, dass du vertrauenswürdig bist, auch wenn wir nicht immer verstehen, wie du handelst. Danke für die Begebenheiten, in denen wir als Familie schon erlebt haben, dass du unser gemeinsames Gebet erhört hast. Das ist eine schöne Erfahrung! Amen.“

Tagesimpuls:

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8. Kinderglaube – nicht klein, sondern oho

Aber Jesus sagte: Lasst die Kinder zu mir kommen. Haltet sie nicht zurück! Denn das Himmelreich gehört ihnen. Matthäus 19,14; NLB

Welche Pläne hast du für deine Kinder? Die meisten von uns wünschen sich, dass sie gesund aufwachsen, fröhliche und selbstständige junge Erwachsene werden, die ihren Weg ins Leben finden und später selbst einmal eine Familie gründen. Das sind gute und berechtigte Wünsche, und ich glaube, als Eltern sollten wir alles tun, um die besten Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie wahr werden können (bei der Frage nach Berufs- und Partnerwahl sollten wir uns allerdings etwas zurückhalten …). Aber ich glaube auch, dass wir uns damit nicht begnügen sollten. Zumindest dann nicht, wenn wir als Eltern unseren Kindern die zentralen Aussagen des christlichen Glaubens weitergeben und sie ermutigen wollen, Jesus nachzufolgen.

Jesus spricht immer wieder vom Himmelreich. Was sich sehr abstrakt oder sogar beängstigend aufs Jenseits bezogen anhört, ist im Grunde sehr praktisch und betrifft zuerst das Leben im Hier und Jetzt. Das Himmelreich beginnt immer da, wo ein Mensch in einer engen Beziehung zu Gott und nach Gottes Maßstäben lebt. Das wiederum hat Auswirkungen auf das Umfeld dieses Menschen, in dem etwas von diesem guten Reich sichtbar werden sollte.

Jesus spricht hier sehr deutlich davon, dass dieses Himmelreich den Kindern gehört. Ich habe mich immer wieder gefragt, was genau Jesus damit meint: Warum haben Kinder diesen speziellen Zugang zu Gott und zu seiner Welt? Geht es Jesus um das bedingungslose Vertrauen, das Kinder in das Leben und in Gott haben? Spielt er damit darauf an, dass Kinder oft intuitiv nach Gott fragen und nach dem, was richtig und falsch, gut und böse ist? Ich weiß es nicht genau. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus all diesen Gründen.

Weiter sagt Jesus, dass wir die Kinder nicht zurückhalten, sondern sie zu ihm kommen lassen sollen. In der konkreten Situation, in der Jesus das sagt, war das wortwörtlich gemeint: Die Jünger wollten ihren Meister vor den nervigen Kids abschirmen, was Jesus aber gar nicht recht war. Für uns heute bedeutet seine Aufforderung vielleicht, dass wir unsere Kinder in ihren Fragen nach Glauben, Gott und Jesus ernst nehmen und es ihnen ermöglichen, eine eigene Beziehung zu diesem Gott aufzubauen.

Ich muss gestehen, ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich von diesem Kinderglauben als etwas sehr Vorläufigem denke, etwas, das wie das Kind selbst noch wachsen muss. Das stimmt einerseits, aber andererseits täusche ich mich darin auch gewaltig. Folgende Geschichten zeigen, warum Jesus dem kindlichen Vertrauen zum himmlischen Vater und ihrer Bereitschaft, nach Gottes Willen zu leben, einiges zutraut:

Da ist der Junge, der Jesus sein Essen zur Verfügung stellt, so dass Jesus eine große Anzahl hungriger Erwachsener satt machen kann (Johannes 6,1-13).

Da ist der kleine Samuel, der wegen eines Versprechens seiner Mutter schon sehr früh im damaligen jüdischen Heiligtum lebt, um dem alternden Priester Eli zu helfen und den Gottesdienstkult kennenzulernen. Gott sucht sich ihn aus und nicht die erwachsenen Söhne Elis, um eine durchaus nicht leichte Botschaft an den Diener Gottes weiterzugeben (1.Samuel 1-3).

Da ist die biblische Geschichte von dem namenlosen, kleinen, jüdischen Mädchen, das unfassbarerweise an seinem Vertrauen zu Gott festhält, obwohl es von syrischen Soldaten verschleppt und Sklavin im Haushalt eines syrischen Offiziers wird. Als sein Herr unheilbar krank ist, gibt es ihm den Tipp, nach Israel zum Propheten Elisa zu fahren, weil der durch Gottes Hilfe Kranke gesund machen kann (2. Könige 5, 1-18).

Da ist der Hirtenjunge David, der vermutlich im Teeniealter den Kampf mit dem sprichwörtlich gewordenen Goliath aufnimmt, vor dem selbst gestandene Männer eine Heidenangst haben (1. Samuel 17).

Da ist die neunzehnjährige Katie Davis, die 2007 für ein soziales Jahr nach Uganda geht, um schließlich dort zu bleiben4. Die Armut der vielen Kinder und eine große Liebe zu dem afrikanischen Land bringen sie dazu, eine Hilfsorganisation für vernachlässigte Kinder zu gründen und selbst 13 Mädchen zu adoptieren – im Alter von 19 Jahren. Natürlich ist sie kein Kind mehr, sondern eine junge Frau. Trotzdem scheint eine solche Aufgabe für jemanden ihres Alters viel zu groß: was, wenn ihr etwas zustößt, wenn sie krank wird? Wie soll sie das Geld für all die Kinder auftreiben? Ist es nicht eine völlige Überforderung, in ihrem Alter selbst für 13 Kinder eine Mutter zu sein?

Wahrscheinlich haben Katies Eltern sich all diese Sorgen gemacht. Auch Katie selbst empfindet manchmal die schiere Unmöglichkeit ihrer besonderen Berufung, aber sie weiß auch, dass Gott sie an diesen Platz gestellt hat. Katies Liebe für Gott und seine Liebe zu den Kindern sind die Motivation für ihre Arbeit, bei der sie sich gleichzeitig voll und ganz auf diesen Gott verlassen muss.

Nicht jedes unserer Kinder wird eine zweite Mutter Theresa oder ein großer Theologe werden. Aber wenn wir ihnen eine Liebe zu Gott und zu den Menschen ins Herz legen, dann sollten wir uns nicht wundern, wenn sie selbst anfangen, Gott und die Menschen zu lieben. Darf es dann auch ein klein wenig radikaler sein, als wir uns das vorgestellt haben?

Vielleicht müssen wir sie später als Entwicklungshelfer oder Missionar in ein fremdes Land ziehen lassen, vielleicht in eine soziale, politische oder gesellschaftliche Arbeit, die wir uns so für sie nicht vorgestellt haben. Vielleicht leben sie aber auch ein ganz normales Leben, wie wir es uns für sie gewünscht haben, und versuchen dort mit und für Gott zu leben. So oder so ist der Glaube unserer Kinder etwas Wertvolles für Gott und Teil seines großen Plans mit ihrem Leben.

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Zum Weiterlesen:
Matthäus 19,13-15

Gebet:

„Vater im Himmel, du siehst die Pläne, die ich für mein Kind habe und wie sehr ich ihm ein sicheres und bewahrtes Leben wünsche. Nicht immer werden die äußeren Umstände oder die Berufung, die du für mein Kind hast, das für alle Zukunft garantieren. Bitte hilf mir, ihm ein festes Vertrauen in deine große Liebe, Kraft und Weisheit zu vermitteln. Lass meinen Sohn oder meine Tochter den Weg und die Aufgabe entdecken, die du für ihn oder sie geplant hast. Danke, dass du den Glauben der Kinder ernst nimmst und ihnen genauso begegnen und sie begleiten willst wie uns Erwachsenen. Amen.“

Tagesimpuls:

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9. Erntedank feiern – am besten jeden Tag

Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. Wohl dem, der auf ihn trauet! Psalm 34,9; LUT

Unsere Kinder gehen in einen evangelischen Kindergarten, in dem auch die Feste des Kirchenjahres gefeiert werden. Im Herbst helfen die Kleinen zusammen mit den Erzieherinnen und Erziehern dabei, den Altar der Kirche für das Erntedankfest zu schmücken. Dafür bringen die Kinder je nach Möglichkeit Erntedankgaben mit, die dann in einen Leiterwagen gepackt und zur Kirche gebracht werden. Mir ist es wichtig, dass meine Söhne verstehen, woher unsere Lebensmittel kommen und welch ein Geschenk es ist, dass wir so viele und so reichlich davon haben. Aus diesem Grund hatte ich zugesagt, ein Körbchen mit Äpfeln, Birnen, Nüssen und Schokolade (die gehört für mich auch dazu!) vorzubereiten.

Als es dann aber so weit war, empfand ich meine Zusage als Last. Der Kleine war mal wieder krank, unsere Katze lag im Sterben, und ich fühlte mich müde und überfordert. Und so nahm ich ein Bad in Selbstmitleid, während ich in der Küche saß und einen kleinen Korb mit herbstlich bemalten Servietten auslegte, damit ich das Obst darin arrangieren konnte. Da fiel mein Blick zufällig aus dem Fenster, und mit einem Schlag waren meine trüben Gedanken wie weggewischt: Ein blauer Herbsthimmel wölbte sich über wunderschön gefärbten Laubbäumen, und die Sonne schien mitten in diese Pracht hinein. Seltsam, ich war doch vorher schon draußen gewesen, aber da hatte ich diese Schönheit nicht wahrgenommen. Hatte mich meine Gefühlslage dafür blind gemacht?

„Loben zieht nach oben und Danken schützt vor Wanken“ – in diesem alten frommen Sprichwort steckt viel Weisheit. Leider bin ich eine ziemliche Anfängerin, was die Umsetzung angeht. Oft habe ich schlicht keine Lust, mich dazu aufzuraffen, nach guten Dingen in meinem Leben zu suchen, wenn mir nach Klagen zumute ist. Ist es nicht gekünstelt, krampfhaft nach etwas zu suchen, für das ich dankbar sein kann? Andererseits weiß ich, dass es ganz objektiv gesehen tatsächlich viel Gutes in meinem Leben gibt, selbst wenn ich mich nicht so fühle: unser Zuhause, meine Familie, Freunde, die Sicherheit und den Reichtum unseres Landes, seine gute medizinische Versorgung, Supermärkte, die randvoll gefüllt sind, unser Auto. Oder ein wunderschöner Herbsttag, durch den Gott mir sagt, dass er mich nicht vergessen hat.

Veronika Smoor, Mutter von zwei Mädchen, beschreibt in ihrem Buch Heiliger Alltag, wie sie während eines Jahres ständig von Infekten geplagt wurde. Als es sie wieder einmal erwischt hatte, und sie in einem Meer aus schlechter Laune und Jammern zu versinken droht, wird sie aktiv: „Die einzige Medizin, die mir jetzt helfen kann, ist Dankbarkeit. Ich überwinde mich und verpasse meinem Selbstmitleid einen mentalen Tritt in den Allerwertesten. […] Ich beginne an diesem Morgen eine Dankbarkeitsliste zu schreiben. Ich muss es schwarz auf weiß sehen, dass solche Tage mehr sind als nur eine Ansammlung aus Selbstmitleid, Mühen und Plagen.“6

Am Ende des Tages stehen auf dieser Liste so banale Dinge wie: Flanellbettwäsche, Kräutertee, unverhoffte Hilfe, ein gefüllter Kühlschrank, Kinderlachen, Nickerchen, Elektrolyte, Pesto, schöne Filme, ein hilfsbereiter Ehemann. Alles nichts Weltbewegendes, eher kleine Selbstverständlichkeiten, die dabei helfen, einen Krankheitstag angenehmer zu machen. Doch am Abend hat sich die Stimmung der Autorin verändert: „Mein Magen ist immer noch nicht in Ordnung, aber mein Herz ist es. Dort pocht es: danke, danke, danke.“

Dankbarkeit soll nichts Aufgesetztes sein. Es gibt Zeiten, in denen müssen Gefühle wie Trauer, Angst oder Wut verarbeitet werden. Bei einer Mutter, die eine durchwachte Nacht hinter sich hat, fließen vielleicht zuerst Tränen der Erschöpfung, bevor ihr Blick frei werden kann für die guten Dinge im Leben.

Wie beim Erntedankfest geht es beim Danken mehr um die grundsätzliche Bereitschaft, das zu sehen, wofür man danken kann, und es dann zu tun. Es ist der Blickwinkel, der über meine Haltung entscheidet: Lasse ich mich im mühsamen Klein-Klein des Alltags von meinen Schwierigkeiten runterziehen und bleibe im Selbstmitleid stecken, oder möchte ich ein dankbarer Mensch sein?

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Zum Weiterlesen:
Psalm 104

Gebet:

„Vater im Himmel, du beschenkst mich jeden Tag mit kleinen und großen Dingen. Bewahre mich davor, das als selbstverständlich hinzunehmen, und hilf mir, Dankbarkeit einzuüben. Wo ich mir selbst nur noch leidtue, da öffne mir die Augen für das Schöne und Gute in meinem Leben. Amen.“

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10. Schlauer, schneller, schöner

Kinder sind ein Geschenk des Herrn, sie sind ein Lohn aus seiner Hand.

Psalm 127,3; NLB

Es ist die typische Krabbelgruppensituation: Die Mütter sitzen auf dem Boden, die Babys liegen auf ihrer Decke, und die Ein- bis Zweijährigen bewegen sich irgendwo im Raum herum. Während die Mamis ihren Nachwuchs von spitzen Tischkanten oder Blumentöpfen fernhalten, versuchen sie ein halbwegs vernünftiges Gespräch miteinander zu führen. Meistens geht es um Schlaf- und Essprobleme oder um die neusten Fortschritte der Kleinen.

Nun konnte unser Jüngster mit anderthalb Jahren schon ganz passabel reden und malte zusammen mit seinem großen Bruder auch schon recht ausdauernd auf einem Blatt Papier herum (der Ältere bezeichnete dessen Kunstwerke respektlos als „Krickelkrakel“). Meine Freude und mein Stolz über diese Fähigkeiten erhielten jedoch einen Dämpfer, als die Mutter eines anderen Jungen erzählte, dass ihr Sohn auch sehr gerne male und ich dazu noch feststellte, dass der um einen Monat jüngere eine klarere Aussprache hatte als mein Sohn.

Auch bei meinem Großen und bei mir kenne ich solche Vergleichssituationen: Beim Kindergeburtstag beobachte ich seine Kindergartenfreunde und überlege, ob mein Fünfjähriger genauso geschickt und mutig auf der Kletterspinne herumturnt wie sie.

Letztens bekam ich einen kleinen Schock, als ich spontan eine Freundin besuchte und ihr Haus betrat: Die Arbeitsflächen der Wohnküche waren sauber, die Sitzecke des Wohnzimmers vorbildlich aufgeräumt und alles geschmackvoll dekoriert – und das alles bei drei kleinen Mädels zwischen zwei und sechs Jahren! Auf unserem Esstisch stapeln sich meistens Briefe, irgendwelche Spielsachen und Malarbeiten der Kinder. Bei meiner Küche bin ich froh, dass sie ein eigenständiger Raum ist und man ihre Arbeitsflächen nur teilweise vom Wohnzimmer aus einsehen kann.

Eigentlich ist dieses ständige Vergleichen abwegig, denn keine von uns und keines von unseren Kindern wird immer mit anderen mithalten können. Das war von Gott nie geplant oder gar gewollt. Sonst hätte er uns so erschaffen, dass wir alle hinsichtlich unserer Begabungen, unseres Aussehens und unserer Anlagen einer bestimmten DIN-Norm entsprechen und unsere Kinder bei den Vorsorgeuntersuchungen auf dem gleichen Level sind, TÜV-Stempel inklusive.

Gott liebt jedoch den Reichtum seiner Schöpfung, das zeigt schon ein Blick in die Natur mit ihren zahlreichen Blumen- und Tierarten. Nur wir Erwachsenen wollen – bei aller gefeierten Individualität – immer gleich gut oder im Idealfall sogar ein bisschen besser abschneiden als alle anderen. Es fällt uns schwer zu akzeptieren, dass es Bereiche in unserem Leben oder im Leben unserer Kinder gibt, in denen wir trotz unseres Bemühens unter der Norm liegen (wer auch immer die festgelegt hat).

Hand aufs Herz: Wie sehr beruhigt es dich, wenn dein Kind bei den U-Untersuchungen ungefähr der 50-Prozent-Perzentile entspricht und motorisch oder sprachlich unauffällig ist? Wie sehr beunruhigt es dich, wenn in irgendeinem Bereich Mängel festgestellt werden?

Psalm 139

Gebet:

„Vater im Himmel, es macht mir zu schaffen, wenn mein Kind Dinge nicht so gut kann wie seine Freunde oder wenn es irgendwie anders ist. Bitte hilf mir, mein Kind zu unterstützen, wo es in meiner Macht steht. Lass mich aber auch verstehen, dass du jeden von uns einzigartig gemacht hast und dass mein Kind nicht so sein muss wie alle anderen. Hilf mir, ihm zu zeigen, dass es wertvoll und einzigartig ist, weil du es gewollt hast, und öffne mir die Augen für seine Stärken. Amen.“

Tagesimpuls: