Räuchern in Winterzeit und Raunächten
Mit Ritualen innehalten und zur Ruhe kommen
nymphenburger
KULT ZWISCHEN NATURERLEBEN UND RELIGIÖSEM BRAUCHTUM
Bräuche und Riten unserer Vorfahren
Das Rad des Jahres kennenlernen
Winterzeit ist Räucherzeit
Traditionen aus Mitteleuropa wieder beleben
DER WEG DURCH DAS JAHR
Die Wegmarken der Winterzeit
Herbstbeginn – Das Licht verschwindet
Allerheiligen und Samhain – Die Verstorbenen ehren
Zeit des Advent – Vorbereitung für Weihnachten
Die Raunächte – Der Geistwelt so nah
Der 6. Januar – Der Schritt in das neue Jahr
Lichtmess – Der Winter ist vorbei
DIE RAUNÄCHTE – DER KÖNIGSWEG DES RÄUCHERNS
Mit alten wie neuen Dämonen umgehen
1 Der bewusste Einstieg · 2 Der Weg in die seelische Dimension · 3 Die Ebene des Herzens · 4 Bewusst innehalten · 5 Der Blick in das soziale Umfeld · 6 Abschied auf immer · 7 Den Übergang vorbereiten · 8 Neues Anvisieren · 9 Das Segnen lernen · 10 Ins Tun kommen · 11 Werden und Vergehen erkennen · 12 In Milde den Bogen schließen
6. Januar – Mit dem Göttlichen in die Zukunft gehen
Raunacht-Rituale persönlich gestalten
SCHÖNE MATERIALIEN UND WUNDERBARE RÄUCHERSTOFFE
Wie Räucherwerk wirkt
Die richtigen Utensilien
Eigenes Räucherwerk, kreative Mischungen
Zum Weiterlesen
Nützliche Adressen für Räucherwerk und Zubehör
Porträt der Autorin
Register, Räucherwerk im Überblick
Das Räuchern hängt eng mit Natur und Spiritualität zusammen: Anlass waren gerade in naturverbundenen Kulturen die verschiedenen Qualitäten des Jahreslaufs sowie die Verbindung zu Göttern und in die Geistwelt. Ausgangsbasis sind immer getrocknete Pflanzen und Harze von Bäumen.
Jahreskreisfeste erleben seit einigen Jahren eine Renaissance. Vor allem Frauen schließen sich immer öfter zu Gruppen zusammen, um sich gemeinsam den acht Wendepunkten im Jahr zu widmen. Es wird gefeiert, gelacht, getanzt oder auch verabschiedet, betrauert und losgelassen – passend zur jeweiligen Zeitqualität. Das Bedürfnis, mehr und mehr in natürliche Rhythmen einzutauchen, ist groß. So kommt auch oftmals der Wunsch auf nach mehr Informationen, nach Literatur zu den Abläufen der Rituale, so wie sie früher stattfanden. Ganz klar, dass dann auch die Frage entsteht, auf welche Überlieferungen und Traditionen wir überhaupt zurückgreifen können? Da fängt es an, schwierig zu werden …
Denn mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass unsere Vorfahren, die Kelten wie auch die Germanen, nicht zu den Großmeistern einer schriftlichen Überlieferung gehörten. Unser modernes Verlangen nach wissenschaftlichen, unverbindlichen Hintergründen und wasserdichten Informationen bekommen wir hier nicht gestillt. Dennoch liefert uns der Rückgriff auf die nordische Mythologie einiges an Material über vergangene Weltbilder, zum Beispiel über die herrschenden Götter in keltisch-germanischen Zeiten.
Jede Jahresphase stand in enger Verbindung mit einer Gottheit oder einem Götterpaar. Die jeweilige göttliche Persönlichkeit und ihr Charakter leiteten sich aus den Vorgängen in der Natur ab. Aus Vorgängen also, die qualitativ über die Jahreszeiten hinweg wechseln – was wir wiederum in unserer Empfindung erspüren können. Das Verbundensein mit der Natur ist immer die Grundlage althergebrachter Riten und Feste: Die Orientierung an dem, was draußen vor sich geht.
Die Jahreszeiten bestimmten also das keltische und germanische Leben in ganz erheblichem Maß. Die Zeit empfanden die Menschen damals jedoch nicht wie wir heute als lineares Abticken von Minuten und Stunden, sondern als eine Kreisbewegung. Das Rad der ewig wechselnden Jahresqualitäten prägte die alten Stammeskulturen in Europa wie in der ganzen Welt. Sie waren eins mit der Natur, verstanden ihre Zeichen und Sprache. Nur durch diese ganz innige Verbindung überlebten sie. Jeder Baum, jeder Stein und jede Wasserquelle hat in einer solchen Weltsicht ein Bewusstsein und eine Seele. Naturgeister wie Elfen und Zwerge begleiten ganz selbstverständlich den Alltag.
Immer dann, wenn die Natur in einen offensichtlich anderen Zustand übergeht, würdigten die Altvorderen die vergangene Phase und begrüßten das Kommende. So entstanden auf ganz natürliche Weise die acht Speichen des Jahresrades. Doch was ist heute davon geblieben?
Die keltischen Gebiete wurden in der Zeit des Römischen Reiches von den Römern erobert. Zum Teil vermischte sich die keltische Kultur auch mit der Kultur der Germanen oder wurde von ihr verdrängt. Das sich nach der Zeitenwende langsam ausbreitende Christentum war der größte Impuls, dass die heidnischen Bräuche und Riten mehr und mehr verschwanden oder integriert wurden. Gerade die später sich etablierende Kirche übernahm eine Vielzahl heidnischer Rituale, die sich ursprünglich an der Natur orientierten. Aus keltischen oder germanischen Gottheiten wurden manch christliche Heilige.
So bekamen die jahreszeitlichen Feste nach und nach einen christlichen Charakter. Die ursprüngliche Basis blieb jedoch bestehen. Die Geburt des Lichtbringers Jesus Christus etwa wird in den Dezember gelegt, nahe an der Winter-Sonnwende, der jahreszeitlichen Geburt des Sonnenlichtes. Der Begriff Ostern, heute das wichtigste Kirchenfest, geht auf die germanische Frühjahrsgöttin Ostara zurück. Auch in der Bibel lesen wir einiges über Naturmythen, die auf heidnischem Gedankengut basieren. Die Verfasser der biblischen Texte integrierten es und setzten es in Bezug zur Heilsgeschichte des Christus.
Das ist der eigentliche Unterschied zwischen den heidnischen und christlichen Jahresfesten: Die keltischen Jahresmarken symbolisieren einen Prozess, der die Natur zum Vorbild hat und in dem Geburt und Sterben einen immerwährenden Kreislauf darstellen. Der Weg durch das christliche Kirchenjahr stellt dagegen eher einen linearen Prozess dar, der sich an den Lebensphasen eines menschgewordenen Gottes orientiert: Die erwartete Geburt des Messias, die Geburt selbst, das Aufwachsen und Erwachsenwerden, das Reifen und Leiden bis hin zum Opfertod und zur Auferstehung. Wir begegnen im Christentum im Lauf der Jahresfeste immer wieder biografisch-menschlichen Themen – was uns wiederum sehr gut hilft, in eine eigene, tiefe Reflektion zu gehen.
Die christlichen Feste entwickelten sich allmählich und greifen auf antike jüdische und heidnische Traditionen und Wurzeln zurück. Das macht das ganze recht komplex. Die Orientierung an der Natur beschert dem keltisch-germanischen Jahreslauf dagegen eine klare, durchgängige Logik. Kelten und Germanen warfen keinen Blick in den Kalender, um zu wissen, welches Fest zu welchem Zeitpunkt an der Reihe ist. Der Sonnenlauf gab ihnen die richtigen Hinweise. Wie oft aber fragen wir uns heute, wann dieses Jahr Ostern und Pfingsten oder wie die Feiertage insgesamt verteilt sind? Nur ein Blick in den Kalender gibt dann die richtige Antwort.
Weihnachten, Dreikönig, Ostern und Pfingsten orientieren sich am Leben und Sterben Jesu. Andere Feste sind von der Person Marias geprägt. Mit männlich wie weiblich geprägten Festtagen hat die frühe Kirche eine Sehnsucht der Menschen aufgenommen: Weibliche Göttinnen befinden sich in archaischen Kulturen oftmals auf Augenhöhe mit männlichen Gottheiten und spielen eine nicht minder bedeutende Rolle. Sie sind etwa Weberinnen der Schicksalsfäden, die die Zukunft vorhersagen. Die Gottesmutter Maria erfüllt, was früher auf mehrere göttliche Frauenschultern verteilt war. So steht sie für Mütterlichkeit, für die sorgende und nährende Mutter Erde, und ist eben die mütterliche Göttin schlechthin. Interessanterweise sind es so auch die Marienfeste wie Mariä Lichtmess, Mariä Verkündung oder Mariä Himmelfahrt, die eine deutliche Verbindung zur Natur haben.
Beides, der heidnische wie der christliche Weg durch das Jahr, bieten eine Plattform, um die eigene Person und das aktuelle Umfeld zu reflektieren. Auf welcher Basis das stattfindet, ob eher an der Natur oder am Wirken Jesu Christi orientiert, mag jeder selbst entscheiden. Wichtig in unseren dynamischen Zeiten ist, eine Art Anker zu setzen. Mehr denn je brauchen wir es heute, im Alltag ab und zu einen Stopp einzulegen. Belohnt werden wir mit einer klareren inneren Ausrichtung und Orientierung.
Die wichtigen Wegmarken durch das Jahr sind kalendarisch festgelegt. Sie bewegen sich aber stets in einem zeitlichen Spielraum. Die Energie der Wegmarken können wir bereits Tage davor und danach wahrnehmen. Im Folgenden sind die überlieferten keltischen und germanischen Feste gelistet sowie ihre Entsprechung in der christlichen Tradition.
1. November – Samhain, Allerheiligen: Im keltisch-germanischen Kulturkreis ist das der eigentliche Winteranfang. Mutter Erde, die Natur, geht über in den letzten Teil des Jahreslaufes, seiner tiefsten und dunkelsten Phase. Das Tor ins Jenseits ist geöffnet, die Ahnen werden angerufen. Im christlichen Brauchtum schmücken wir die Gräber und gedenken still und in Verbundenheit der Toten.
21. Dezember, Winter-Sonnwende – Mittwinter, Jul, Alban Arthuan, Beginn der Weihnachtszeit: Jul bedeutet geweihte Nächte. Die Dunkelheit ist jetzt am tiefsten und längsten. Gleichzeitig wird das Licht, die Sonne, neu geboren. Bereits in der vorchristlichen Mithras-Religion wurde am 25. Dezember die Geburt des Lichtes gefeiert. Erst im 4. Jahrhundert nach Christus wird die Geburt Jesu als Weihnachten auf dieses Datum gelegt.
2. Februar – Imbolc, Mariä Lichtmess: Tief im Bauch der Erde, im keltischen Imbolc genannt, keimt der Same und schiebt durch die Erdoberfläche. Das Tageslicht dehnt sich bereits spürbar aus. Das Christentum feiert Mariä Lichtmess. Maria war vierzig Tage nach der Geburt Jesu wieder rein. Jetzt werden Kerzen geweiht, um das Licht Jesu Christi in die Welt hinaus- zutragen. Prozessionen ziehen durch Dorf und Stadt.
21. März, Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche, Equinox – Fest der Ostara, Nähe zu Ostern: Tag und Nacht sind gleich lang. Ostara, die germanische Frühlingsgöttin mit ihren Symbolen wie Eier, Marienkäfer und Hase, bringt Fruchtbarkeit. In der christlichen Tradition ist Ostern, die Zeit des Todes wie der Auferstehung des Christus, ein beweglicher Feiertag. Er ist deshalb nicht mit der Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche identisch.
1. Mai – Maifest, Beltane, Walpurgis, „Monat der Maria“: Bei den Kelten beginnt nun das Sommerhalbjahr, das Fröhlichkeit und lustvolles Feiern bringt. Es liegt genau gegenüber von Samhain am 1. November. Der 1. Mai findet im christlichen Glauben keine wirkliche Entsprechung. Nur in Bayern wird dieser Tag als Marienfest begangen. Die Kirche verbindet den Monat Mai als solchen aber mit Maria.
21. Juni, Sommer-Sonnwende – Mittsommer, Alban Hevin, Johanni: Die Sonne erreicht ihren Höchststand und das Ende ihrer Aufwärtsbewegung. Der längste Tag und die kürzeste Nacht des Jahres markieren einen wichtigen Wendepunkt. Bei den Kelten findet mit der Sommer-Sonnwende ein zwölf Tage lang währendes Fest der ausgelassenen Freude und des Dankes statt. Im Christentum wird der Geburt von Johannes dem Täufer gedacht.
1. August – Kräuterweihe, Schnitterinnen-Fest, Lammas, Lughnasad, Nähe zu Mariä Himmelfahrt: Am 1. August ist bei den Kelten das große Lichtfest Lughnasad, das bedeutet Hochzeit des Lichtes. Sie verehren damit Lugh, den Herrn des Lichtes. In diesem Fest der Fülle bedanken sie sich für die Ernte und würdigen die getane Arbeit. Am 15. August feiern Christen Mariä Himmelfahrt zur Ehre Marias und ihrer Aufnahme in den Himmel. Traditionell widmen sich gerade zu diesem Zeitpunkt die Frauen dem Sammeln und Binden von Kräuterbuschen.
21. September, Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, Equinox – Mabon, Alban Elved, Nähe zu Erntedank: In der keltisch-germanischen Tradition feiern die Menschen das Fest der Ernte und des Dankes. Es war gleichzeitig der Auftakt für die Wintervorbereitungen. In der christlichen Kultur wird das Erntedankfest erst etwas später, Anfang Oktober, gefeiert.
Ein knisterndes, wärmendes Feuer gehört zum Winter wie ein Grillfest zum Sommer. Räuchern und Feuer sind ebenfalls untrennbar miteinander verbunden. Der Charakter des Feuers vereint in sich das Vernichtende und das Lebensspendende. Das ist gut zu sehen nach einem Waldbrand: Wo durch das Feuer zunächst nur tote Vegetation bleibt, entfaltet sich später umso rasanter eine neue Pflanzenwelt. Wir sind uns der puren Kraft des Feuers heute oftmals gar nicht mehr bewusst. Die Wärme kommt aus der Heizung, die Flamme aus dem Feuerzeug und die Hitze für die Nahrung spendet der Induktionsherd …
Doch wie war das vor Tausenden oder gar Hunderttausenden von Jahren? Die „Entdeckung“ und der zielgerichtete Gebrauch des Feuers gibt der menschlichen Entwicklung einen ordentlichen Schub. Dort, wo Feuer ist, ist Wärme, Schutz und Nahrung. Je schlauer der Mensch wird, desto besser wird er auch beim Thema Sicherung der Nahrung. Er findet heraus, dass das im Rauch hängende oder liegende Fleisch viel länger haltbar ist. Damit tut sich eine überlebenswichtige Möglichkeit für die Winterzeit auf.
Wissenschaftler sprechen von einer „archaischen Erinnerung“, wenn wir Geräuchertes riechen. Ethnologen machen ebenfalls auf die Bedeutung des Lagerfeuers aufmerksam. Es wird als eines der bedeutendsten Lebenssymbole bezeichnet und verbindet alle Menschen weltweit miteinander: um ein Feuer sitzen, in die züngelnden Flammen schauen und den Geschichten des Tages lauschen – das spricht jeden Menschen ganz tief an. Kräuterbüschel, Hölzer und Samen werden ins Feuer geworfen, würzige Düfte heben oder besänftigen Stimmungen.