INHALT

Zehn historische Begegnungen

Auf Augenhöhe
Agnes von Ungarn und Rudolf Brun

VON BRUNO MEIER

Der Reformator gegen den Radikalen
Ulrich Zwingli und Conrad Grebel

VON PETER KAMBER

Landesvermessung in Zeiten politischen Umbruchs
Franz Ludwig Pfyffer von Wyher und Jacques-Barthélemy Micheli du Crest

VON ANDREAS BÜRGI

Ein Auf und Ab in Ehe und Gewerbe
Ulrich und Salome Bräker

VON REA BRÄNDLE

Der Spalter und der Einiger
Constantin Siegwart-Müller und Henri Dufour

VON THOMAS BUOMBERGER

Helfen und Heilen – Homöopathie versus Schulmedizin
Emilie Paravicini-Blumer und Fridolin Schuler

VON ELISABETH JORIS

Zwei «Halbnomaden» an den grossen Tunnelbaustellen
Ferdinand Rothpletz und Maria Scala

VON EVA SCHUMACHER

Heisse Tage in Winterthur
Hans Sulzer und Ferdinand Aeschbacher

VON ADRIAN KNOEPFLI

Die feinfühlige Adjutantin
Gottlieb Duttweiler und Elsa Gasser

VON REGULA BOCHSLER

Abraham c’est moi
Ludwig Abraham und Gustav Zumsteg

VON MARTIN WIDMER

AUTORINNEN UND AUTOREN

Zehn historische Begegnungen

Die alten Helden der Schweizer Geschichte haben abgedankt. Gibt es neue Hauptpersonen, Vorkämpferinnen und Schlüsselfiguren, welche bei der Entwicklung der Schweiz eine wichtige Rolle gespielt haben? Als Herausgeberin und Herausgeber haben wir zehn historische Begegnungen ausgewählt und richten damit das Scheinwerferlicht auf zehn Zusammentreffen bekannter und unbekannter Frauen und Männer, die sich bekämpften oder ergänzten, eine gemeinsame Vision oder gegensätzliche Ziele verfolgten. Die zehn Essays führen an Orte, wo sich die Wege von zwei wichtigen Personen an einem zentralen Punkt der Geschichte kreuzten.

Am Anfang steht die Begegnung vom 9. Oktober 1351, als sich die Königin Agnes von Ungarn und der Zürcher Bürgermeister Rudolf Brun in Königsfelden bei Brugg trafen. Diese Begegnung auf Augenhöhe war für die Entwicklung der frühen Eidgenossenschaft wichtiger als alle bluttriefenden Schlachten und hehren Schwüre, die noch immer in Fernsehserien und Schulbüchern abgehandelt werden. Ein Leben lang stritten Salome und Ulrich Bräker und kämpften ums Überleben. Er schrieb, und sie, das ist kaum bekannt, führte das Geschäft. Diese Geschichte aus dem Toggenburg im 18. Jahrhundert illustriert, wie prekär die Existenz- und Aufstiegsmöglichkeiten im Bereich der textilen Heimarbeit waren. Das Essay zum Migrosgründer Gottlieb Duttweiler und seiner bis heute fast gänzlich unbekannten wissenschaftlichen Mitarbeiterin Elsa Gasser spielt in Zürich zum Zeitpunkt, als die Massenkonsumgesellschaft in der Schweiz noch ganz am Anfang stand. Wer weiss, dass die Ökonomin Elsa Gasser die Selbstbedienungsläden in der Schweiz eingeführt und das Kulturprozent erfunden hat?

Die zehn Essays erzählen Schweizer Geschichte auf eine neue Art: Sie führen an unbekannte Orte, paaren prominente mit auf den ersten Blick historisch unwichtigen Figuren und stellen zehn Themen in den Vordergrund. Die Autorinnen und Autoren streben nicht nach wissenschaftlicher Vollständigkeit, viel lieber verbinden sie anhand einer historischen Begegnung Konsum- und Wirtschaftsgeschichte, verweben Textil- und Kulturgeschichte oder paaren Medizin- und Geschlechtergeschichte. Mittels einer erzählerischen Gegenüberstellung versuchen wir den Spannungsraum zwischen Protagonistinnen und Protagonisten auszuleuchten, der gesellschaftliche Prozesse erfahrbar macht.

Die Form des Essays erlaubt es den Schreibenden und Lesenden, in eine neue historische Dimension vorzustossen: eine Dimension, die Räume, Gefühle und Vorstellungen erschliesst und die allein mit Quellen aus Archiven nicht zu belegen ist. Denn das Zusammentreffen der Vorkämpfer und Vorkämpferinnen in den zehn historischen Begegnungen ist nicht lückenlos aufgezeichnet, weder bei der Begegnung auf Augenhöhe zwischen dem Zürcher Bürgermeister und der Königin von Ungarn im 14. Jahrhundert noch bei der täglichen Zusammenarbeit zwischen Gottlieb Duttweiler und Elsa Gasser auf der Chefetage der Migros im 20. Jahrhundert. Daher existieren auch keine Bilder dieser von uns als Herausgeberin und Herausgeber vorgenommenen Paarungen. Eine Ausnahme bildet das Ehepaar Salome und Ulrich Bräker, von dem es eine Farbtafel aus dem Jahr 1793 gibt. Wie Ulrich Zwingli mit seinem radikalen Gegenspieler Conrad Grebel zusammentrifft, ist in keinem Gemälde festgehalten. Ebenso wenig gibt es ein Bild davon, wie der Schulmediziner Fridolin Schuler die Homöopathin Emilie Paravincini-Blumer in ihrer Stube eindringlich davor warnt, ihre Praxistätigkeit in Glarus weiterzuführen. Auch von der dramatischen Zuspitzung der Lage im Mai und Juni 1937 in Winterthur gibt es keine Fotos, die den Industriellen Hans Sulzer gemeinsam mit dem Gewerkschafter Ferdinand Aeschbacher zeigen. Daher beauftragten wir den Illustrator Michael Raaflaub, die Begegnungen in Szene zu setzen.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Vergnügen auf dem Gang durch diese Schweizer Geschichte voller Begegnungen.

Elisabeth Joris
Bruno Meier
Martin Widmer

Auf Augenhöhe

       

Agnes von Ungarn

UND

Rudolf Brun

Agnes von Ungarn und Rudolf Brun

Die verwitwte Königin und der Bürgermeister

       

Bruno Meier

15. Oktober 1342: Der Zürcher Bürgermeister Rudolf Brun reitet nach Brugg, eine halbe Tagesstrecke von seiner Heimatstadt gelegen. Freiherr Heinrich von Tengen will in der Anwesenheit einer Reihe illustrer Zeugen, zu denen auch Brun gehört, ein Eheversprechen für seine Tochter Herzlauda gegenüber Walter von Hallwyl leisten. Walter ist der Sohn des Johannes von Hallwyl, wichtigster Vertreter der Habsburger in den sogenannten Vorlanden und rechte Hand von Herzog Albrecht II. und seiner Schwester Agnes. Nach Brugg geladen sind zusammen mit Brun eine Reihe bedeutender Adliger, so zum Beispiel die Schultheissen von Schaffhausen und Winterthur sowie Johannes Mülner und Heinrich Biber, Vertreter wichtiger Zürcher Familien, die in engen Beziehungen zu den Habsburgern stehen.

Der Weg von Zürich nach Brugg führt Brun am Kloster Wettingen vorbei, wo Johann von Habsburg-Laufenburg, Herr in Rapperswil und Lehensmann von Herzog Albrecht II. von Österreich, begraben liegt. Um diesen scharte sich, als Rudolf Brun nach dem Umsturz von 1336 starker Mann in Zürich geworden war, die Opposition. Am 21. September 1337 fiel der Rapperswiler vor der Burg Grinau am Zürichsee im Kampf gegen die Zürcher.

Vielleicht macht Brun auch in Baden dem habsburgischen Landvogt Burkart von Ellerbach seine Aufwartung. In Gebenstorf setzt er mit der Fähre über die Reuss nach Windisch über, wie bereits König Albrecht I. am 1. Mai 1308, bevor dieser von seinem Neffen Johann und dessen Gefolgschaft umgebracht wurde. Am Ort des Königsmords, am Weg und in Sichtweite zur Stadt Brugg, gebaut auf den Ruinen des römischen Legionslagers Vindonissa, steht das Kloster Königsfelden. Vor wenigen Jahren erst fertig erbaut, ist es mit seinen frisch eingesetzten, leuchtend farbigen Chorfenstern bereits weitherum bekannt. In Königsfelden residiert auch Agnes, die Schwester Herzog Albrechts II. und verwitwete Königin von Ungarn. Man kann sich vorstellen, dass Rudolf Brun und Agnes von Ungarn einander bei dieser Gelegenheit begegneten.

Die illustre Gesellschaft trifft sich in der kleinen Stadt Brugg wahrscheinlich im Habsburger Stadtschloss, einem mächtigen, quadratischen Bau mit kleinen Fenstern, der im Vergleich zur filigranen neuen Kirche in Königsfelden altertümlich wirkt. Das Brugger Stadtschloss ist neben dem Stein in Baden Absteige der Habsburger Herzöge bei ihren Aufenthalten in den alten Einflussgebieten und liegt in Sichtweite der Stammburg auf dem Wülpelsberg.

Über die Zeremonie im Stadtschloss zum Eheversprechen und die spätere Hochzeitsfeier wissen wir nichts. Offensichtlich ist aber, dass sich Bürgermeister Rudolf Brun dem Umfeld des habsburgischen Dienstadels zugehörig fühlt. Eigentlich erstaunlich, versucht er doch zur gleichen Zeit, die Reichsstadt Zürich vor der Abhängigkeit der mächtigen Herzöge zu bewahren. Wenige Jahre später sucht er zu diesem Zweck gar den Schulterschluss mit den Waldstätten; einen Schulterschluss mit Folgen, wird dieser doch zu einer der Keimzellen der Eidgenossenschaft. Um Bruns Handeln zu verstehen, braucht es eine kurze Rückblende auf sein Leben und auf die Umwälzungen vor, während und nach der Zürcher Zunftrevolution im Jahr 1336.

Rudolf Brun: der neue Machthaber von Zürich

Rudolf Brun war um das Jahr 1300 als Sohn des Ritters und Ratsherrn Jakob Brun geboren worden. Sein Vater war zwischen 1305 und 1309 Schultheiss gewesen. Die Familie gehörte zu den ritteradligen Geschlechtern, verschwägert unter anderem mit der bedeutenden Adelsfamilie der Mülner. Die Bruns hatten ihren Wohnsitz an der Ecke Rindermarkt/Neumarkt, in unmittelbarer Nähe der markanten Wohntürme der damals in Zürich dominierenden Familie Bilgeri. Die Bilgeri waren durch Gewerbe und Handel in der aufstrebenden Textilstadt zu Reichtum gelangt und hatten in den Räten zusammen mit den Kaufleuten gegenüber dem Ritteradel die Mehrheit erlangt.

Rudolf Brun war 1332 Mitglied des Rats geworden. Sein Bruder Jakob und er waren in diesen Jahren in verschiedene Gerichtshändel verwickelt und scheinen zu den Kaufleuten in Gegnerschaft gestanden zu haben. Die Zürcher Edelleute trafen sich gern in der Trinkstube bei der Witwe Heinrichs von Lunkhofen im oberen Wettingerhaus hinter dem Limmatquai. Dort kam es zwischen den Kaufleuten und dem Ritteradel immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen, mitunter auch zu Raufereien.

Persönliche Differenzen und der Streit um eine neue Münzordnung führten schliesslich zur Neuaushandlung der Machtverhältnisse in der Stadt. Rudolf Brun setzte sich an die Spitze einer Umsturzbewegung, die von den bisher politisch ausgeschlossenen Handwerkern und Krämern unterstützt wurde, aber vor allem die ritteradligen Geschlechter wieder in Rang setzen wollte. Nach dem Sturm auf das Rathaus am 7. Juni 1336 und der Verbannung der wichtigsten, bisher dominierenden Familien aus der Stadt liess Brun eine neue Stadtverfassung verabschieden – den Geschworenen Brief, der den Zünften Mitsprache am Stadtregiment brachte, vor allem aber ihm selbst eine beinahe uneingeschränkte Entscheidungsgewalt. Die neue Zunftverfassung war auf seine Person zugeschnitten. In dieser Form hielt sie sich denn auch nicht lange über seine Lebzeiten hinaus. Die Figur des diktatorischen Bürgermeisters blieb eine Episode in der Zürcher Geschichte.

Die aus der Stadt vertriebenen Geschlechter sammelten sich in Rapperswil um Graf Johann von Habsburg-Laufenburg. Johann war der Sohn Rudolfs III., der 1296 die verwitwete Elisabeth von Rapperswil geheiratet hatte. Rudolfs Vater Gottfried war ein Vetter von König Rudolf von Habsburg gewesen. 1330 hatte sich die Rapperswiler Linie der Laufenburger in Lehensabhängigkeit der österreichischen Linie begeben, ähnlich wie einige Jahre zuvor die Laufenburg-Kyburg-Linie im Raum Burgdorf und Thun. Die Rapperswiler waren damit Teil des politischen Spiels von Habsburg-Österreich geworden. Ein Konflikt zwischen Rapperswil und Zürich war deshalb potenziell auch ein Konflikt zwischen Habsburg-Österreich und Zürich.

Das Brun’sche Zürich und die Habsburger fanden sich jedoch rasch wieder, trotz den gewaltsamen und blutigen Auseinandersetzungen im September 1337. Seit Juni dieses Jahres weilte Herzog Albrecht II. in Brugg und blieb bis Ende Jahr in der Gegend. Zusammen mit Rudolf von Aarburg, Vertrauensmann von Agnes von Ungarn, vermittelte er auf den 21. November 1337 einen Friedensschluss zwischen den noch unmündigen Nachkommen des vor der Grinau gefallenen Johann von Habsburg-Laufenburg und der Stadt Zürich. Der Friedensschluss wurde kurze Zeit später von Kaiser Ludwig dem Bayern in Augsburg bestätigt. Ende Januar 1340 schliesslich versöhnte Agnes von Ungarn in Königsfelden einen grösseren Teil der Verbannten vom Sommer 1336 wieder mit der Stadt. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Nähe Bruns zu den wichtigsten Entscheidungsträgern der Habsburger ist es nicht erstaunlich, dass sich der Zürcher Bürgermeister wie ein Fisch im Wasser des habsburgischen Hochadels fühlte. Wie weit seine Bekanntschaft mit Agnes von Ungarn ging, wissen wir nicht. Sie werden sich auf Augenhöhe begegnet sein. Brun als hervorragender Vertreter der Reichsstadt, Agnes als Frau zwar ohne rechtliche Kompetenz, als «Mater familias» einer Reichsdynastie aber mit hohem Prestige.

Agnes von Ungarn: die beste Heiratspartie Europas

«Es ist überflüssige Arbeit, hervorragende Menschen noch zu loben, gleich als wenn man denen, die im hellsten Sonnenlicht wandeln, eine Fackel vorantragen wollte!» Mit diesen Worten des Sidonius Apollinaris beschliesst Johannes, Abt des Klosters Viktring in Kärnten, 1341 die überschwängliche Beschreibung der Agnes von Ungarn in seiner Geschichte der österreichischen Herzogtümer. Das Loblied auf die verwitwete Königin von Ungarn steht in einem starken Gegensatz zur späteren Wertung der Agnes in der eidgenössischen Geschichtsschreibung, in der sie zwar als weise, aber auch als listige und gar blutrünstige Frau geschildert wird.

Viktring, ursprünglich Vertrauter von Herzog Heinrich von Kärnten, einem Onkel der Agnes, steht seit der Übernahme des Herzogtums Kärnten durch die Habsburger 1335 in Diensten von Albrecht II. Er ist für diese Zeit die wichtigste historiografische Quelle zur Dynastie und ist damit natürlich auch Partei. Viktring schreibt zu einer Zeit, in der Agnes von Ungarn schon seit über 20 Jahren in Königsfelden lebt. Nach der Ermordung ihres Vaters Albrecht begleitet Agnes zusammen mit ihrer Mutter Elisabeth die Gründung und den Aufbau des Klosters und bringt – nach dem Tod der Mutter und dem definitiven Umzug in den Aargau – Königsfelden zur Blüte. Sie tritt nicht in den Orden der Klarissen ein, fördert und führt aber das Kloster aus unmittelbarer Nähe, lässt sie sich doch östlich des Kirchenchors ein kleines Haus bauen, «ein klein demütig hus, einer klosnerin wonung me zerschetzen denn einer Küngin hoff», wie es in der Königsfelder Chronik heisst. Papst Clemens VI. erlaubt ihr in einer Urkunde vom 31. Juli 1344 explizit, mit kleinem Gefolge nicht nur die Klausur der Klarissen zu betreten, sondern auch den Chor der Kirche mit dem von ihr zweifellos stark beeinflussten Bildprogramm. Die von Familienmitgliedern gestifteten Chorverglasungen sind zu dieser Zeit frisch vollendet, ein starkes religiöses, aber auch politisches Zeichen der Habsburger. In den 20 Jahren nach der Gründung machen Agnes und ihre Brüder das Kloster zu einem der reichsten Klöster weit und breit. Dem kleinen Männerkonvent steht eine grosse Frauengemeinschaft gegenüber, in der viele wichtige Adelsfamilien nördlich und südlich des Rheins vertreten sind.

Agnes von Ungarn steht in diesen Jahren auf dem Höhepunkt ihres politischen Einflusses. Sie ist Vertreterin der habsburgischen Interessen ihres in Wien residierenden Bruders, umgeben von einer Gruppe einflussreicher Adliger, mit besten Beziehungen nicht nur zu den Städten Bern, Zürich, Basel und Strassburg, sondern auch zu den wichtigen europäischen Dynastien und zur Kurie in Rom. Für eine verwitwete Frau im damals bereits hohen Alter von über 60 Jahren eine aussergewöhnliche Stellung, die sich aus ihrer Biografie ableiten lässt, aber auch aus der Machtkonstellation der damaligen Zeit.

Agnes wurde als Tochter von Albrecht von Habsburg wahrscheinlich im Sommer 1280 geboren. Ihr Geburtsort ist nicht verbürgt. Ihre Mutter Elisabeth von Görz-Tirol hielt sich zu dieser Zeit im Aargau auf, ein Geburtsort Brugg oder Baden ist also wahrscheinlich. Zwei Jahre zuvor, nach dem Sieg von König Rudolf von Habsburg über seinen Rivalen Ottokar von Böhmen, waren die Herzogtümer Österreich und Steiermark definitiv an das heilige römische Reich zurückgefallen. Rudolf versuchte, die beiden Herzogtümer seinen Söhnen zu verleihen, was ihm 1282 mit Zustimmung der königswählenden Fürsten auch gelang. Ab dieser Zeit wird Albrecht zusammen mit seiner rasch wachsenden Familie mehrheitlich in Wien residiert haben.

Johann von Viktring spricht der Agnes schon in Jugendjahren die Eigenschaften zu, die sie später auszeichnen werden: Sie sei fromm, freigebig gegenüber den Bedürftigen, wenig interessiert an der ritterlichen Kultur, aber gebildet und intelligent. Sie scheint von eher kleiner Körpergrösse und nicht besonderer Schönheit gewesen zu sein. Als junges Mädchen war sie Spielball der dynastischen Pläne der europäischen Fürstenhäuser. Angeblich zuerst einem Angehörigen der römischen Patrizierfamilie Colonna versprochen – die Habsburger versuchten sich eine römisch-cäsarische Verwandtschaft zuzulegen –, wurde sie im Jahr 1297 zum Friedenspfand in den Auseinandersetzungen zwischen Habsburg-Österreich und dem Königreich Ungarn. Sie wurde mit Andreas III. verheiratet, dem letzten Vertreter aus dem legendären Geschlecht der Arpaden auf dem ungarischen Königsthron. Andreas war ungefähr 15 Jahre älter als Agnes und verstarb bereits im Jahr 1301. Mit gut 20 Lebensjahren war Agnes also schon eine verwitwete Königin von Ungarn, gleichzeitig aber auch eine der besten Heiratspartien im europäischen Hochadel. Das berühmte, heute im Historischen Museum Bern ausgestellte Dyptichon von Königsfelden, wahrscheinlich eine venezianische Arbeit, ist ein Zeugnis ihrer wenigen Jahre in Ungarn. Andreas III. hatte dank seiner venezianischen Mutter als junger Mann eine Erziehung in Venedig genossen. Die Herkunft des Reisealtars wird damit in Zusammenhang gebracht.

Nach dem Tod von Andreas III. fanden sich Agnes und deren Stieftochter Elisabeth – eigene Kinder hatte sie nicht – gegenüber dem ungarischen Adel rasch in einer prekären Situation. Wahrscheinlich mit der Unterstützung einflussreicher ungarischer Adliger und unter Federführung von Hermann von Landenberg, einem engen Vertrauten und Marschall von Herzog Albrecht, gelang den beiden die Flucht aus der Burg Buda, Residenz der ungarischen Könige, nach Wien. Sie konnte dabei auch den legendären Schatz mitnehmen, von dem später oft gesprochen wurde und der ihren Reichtum begründet haben soll. Ihre offensichtliche Wohlhabenheit, die sich aus den zahlreichen Schenkungen an das Kloster Königsfelden ablesen lässt, gründet wahrscheinlich aber eher im Heiratsgut, der Herrschaft Pressburg, dem heutigen Bratislava, das sie noch weit über den Tod ihres Gatten hinaus nutzen konnte. Erst 1323 ging Pressburg definitiv an Ungarn zurück.

Es gibt keine Selbstzeugnisse der Agnes, aus denen hervorgeht, warum sie sich nicht wieder verheiraten liess, sondern ihr Leben als alleinstehende Witwe führte, zuerst an der Seite ihrer Mutter, später dann als «Mater familias» der Dynastie, als Förderin der Memoria an ihren Vater in Königsfelden und als politische Repräsentantin der Habsburger im Westen. Die Geschichtsschreiber haben dies ihrem frommen Wesen zugeschrieben. 1308, im Todesjahr ihres Vaters, war ihr ältester Bruder Rudolf bereits verstorben, ihre Brüder Friedrich und Leopold waren mit 19 und 18 Jahren knapp volljährig, das Schicksal der Dynastie im Reich völlig offen. War es eine innerfamiliäre Entscheidung, die ihre neue Rolle definierte, war es eine persönliche? Wir wissen es nicht. Es spricht vieles dafür, dass sie oder die Familie diesen Entscheid schon früher, nicht erst nach der Ermordung Albrechts, gefällt hatte. Ansonsten hätte sie wahrscheinlich schon kurz nach 1301 wieder auf dem europäischen Heiratsparkett eine Rolle gespielt.

Ihre neue Rolle als Hüterin der Erinnerung an ihren Vater und als Förderin des Klosters Königsfelden übernahm Agnes nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1313. Nach der Überführung des Leichnams von Elisabeth 1316 von Wien und dessen Beisetzung in Königsfelden setzte Agnes ihren Lebensmittelpunkt definitiv im Westen fest. Hier entfaltete sie ihre politische Bedeutung als Beraterin ihrer Brüder, als Schlichterin in den Konflikten im Raum zwischen Strassburg, Konstanz und Freiburg im Üechtland und vor allem als grosszügige Förderin des Klosters Königsfelden. In diesem Umfeld begegnete sie wohl spätestens 1336 auch Rudolf Brun, dem politischen Emporkömmling aus Zürich.

Alles ist offen: der Kampf um die Vorherrschaft zwischen Bodensee und Genfersee

Am 28. September 1343, ein knappes Jahr nach dem eingangs geschilderten Eheversprechen in Brugg, gipfelt die Versöhnung zwischen der Stadt Zürich, den 1336 verbannten Räten und dem Haus Habsburg beziehungsweise Habsburg-Laufenburg in einem weit gehenden Bündnis zwischen den mittlerweile mündigen Söhnen Johanns von Habsburg-Laufenburg – Johann II. und Gottfried – und der Stadt Zürich. Die Stadt Rapperswil wird in das Bündnis miteinbezogen. Rudolf Brun kann seinen Einfluss am oberen Zürichsee stärken und die Grafen von Rapperswil, die bei verschiedenen Zürcher Bürgern Schulden haben, stärker an die Stadt Zürich binden. Herzog Albrecht – seit Ende 1337 wieder ständig in Wien – scheint in dieses Bündnisprojekt nicht involviert zu sein. In der Folge schliessen weitere Verbannte Frieden mit der Stadt. Die Wunden sind aber nicht verheilt, wie die Konspiration zur Zürcher Mordnacht nur sechs Jahre später zeigen wird.

In welcher politischen Grosswetterlage stehen aber die Stadt Zürich und Habsburg-Österreich zueinander in diesen Jahren? Dazu noch einmal eine kurze Rückblende vor den Umsturz von 1336. Nach dem Tod des Gegenkönigs Friedrich von Habsburg im Januar 1330 begannen seine Brüder Otto und Albrecht mit König Ludwig dem Bayern eine definitive Beilegung des nun schon 15 Jahre dauernden Konflikts zu suchen. Bereits am 6. August 1330 kam es zum Vertrag von Hagenau, in dem der König den beiden Habsburgern für ihre Dienste die Reichsstädte Zürich, Schaffhausen, St. Gallen und Rheinfelden verpfändete. Das bedeutete für Zürich eine unmittelbare Bedrohung, die Gefahr, in den habsburgischen Machtbereich integriert zu werden und den Status als Reichsstadt längerfristig zu verlieren. Schaffhausen wird erst 1415 wieder den Ausstieg schaffen, Rheinfelden gar nicht mehr. Die Stadt Zürich konnte sich zwar wie St. Gallen innert kurzer Zeit aus der Verpfändung freikaufen, ein gutes Einvernehmen mit Habsburg-Österreich blieb aber wichtig. Die Herzöge Otto und Albrecht riefen 1333 einen allgemeinen Landfrieden aus, dem neben vielen anderen auch die Städte Bern und Zürich beitraten. Mit Baden, Winterthur, Regensberg, Zug und den Laufenburgern in Rapperswil hatte Habsburg-Österreich zahlreiche starke Positionen rund um Zürich inne.

Auch im Westen stehen die Zeichen für Habsburg-Österreich günstig. Nach dem Laupenkrieg zwischen Bern und dem burgundisch-kyburgischen Adel 1339 und der Anfang August 1340 in Königsfelden von Agnes von Ungarn angeleiteten Versöhnung begibt sich auch die Reichsstadt Bern Ende November 1341 in ein Bündnis mit Habsburg-Österreich. Schultheiss Johann II. von Bubenberg nutzt diese Situation, indem er sich die umstrittene Herrschaft Spiez definitiv als habsburgisches Lehen sichert. Ende 1347, nach dem Tod von König Ludwig dem Bayern, erneuern die Berner das Bündnis mit Habsburg. In den unsicheren Zeiten nach dem Tod eines Königs erscheint es den Bernern angebracht, sich mit der neben Savoyen im Südwesten wichtigsten Regionalmacht, eben den Habsburgern, die auch Herren der Nachbarstadt Freiburg sind, gut zu stellen.

Das hegemoniale Netz von Habsburg-Österreich im Mittelland ist in diesen Jahren eng geknüpft. Die starken Adelsparteien in den Städten Zürich und Bern stehen dem habsburgischen Dienstadel nahe. In Luzern, das seit dem Frühling 1291 zu Habsburg gehört, sich aber seit 1332 den Innerschweizer Ländern deutlich angenähert hat, existieren ebenfalls noch starke Beziehungen zu Habsburg-Österreich. Schwyz und die Waldstätte stehen nach den Konflikten um das Kloster Einsiedeln und dem Gefecht am Morgarten seit 1318 in einem Waffenstillstand mit den Habsburgern und verlängern diesen auch 1336, nach Unruhen in der Stadt Luzern, im Jahr des Umsturzes in Zürich.

So präsentiert sich die politische Grosswetterlage Ende der 1340er-Jahre. Es ist jedoch ein äusserst labiles Gleichgewicht, das innert kürzester Zeit wieder aus den Angeln gehoben wird. Rudolf Brun und Agnes von Ungarn spielen dabei erneut zentrale Rollen im Konflikt, der 1350 zwischen der Stadt Zürich und Habsburg-Österreich ausbricht. Nicht zu unterschätzen als Hintergrund der politischen Umwälzungen dieser Jahre ist aber auch die verheerende Pestepidemie, die 1348/49 durch Mitteleuropa zieht und auch in Städten und Ländern des Mittellandes gravierende Auswirkungen hat. Konkrete Folge davon sind massive Judenverfolgungen, auch in Zürich. In der Stadt selbst herrscht nicht nur deswegen grosse Unruhe. Das Brun’sche Regiment in Zusammenarbeit mit den verschwägerten Mülnern hat in der Stadt verschiedene Konflikte aufbrechen lassen. Insbesondere eine Privatfehde der Mülner mit Basler Bürgern sorgt für grossen Ärger. Die Zürcher nehmen etwa 100 Basler und 70 Strassburger, die sich auf einer Wallfahrt nach Einsiedeln befinden, in Geiselhaft. Damit handelt sich Zürich die Feindschaft der elsässischen Städte ein. Viel Zündstoff ist vorhanden.

Die Mordnacht von Zürich und die letzte Vermittlung der Agnes von Ungarn

Am 17. August 1349 treffen sich die sogenannten «Äusseren» von Zürich, die Verbannten von 1336, auf der Burg Rapperswil mit Johann II. von Habsburg-Laufenburg. Bereits im Frühling 1348 hat der junge Graf die Burg Pfäffikon überfallen und Konrad II., den Abt des Klosters Einsiedeln, vorübergehend gefangen genommen. Pfäffikon liegt mitten in den Höfen, die Jakob Brun, der Bruder des Bürgermeisters, pfandweise aus dem ehemaligen Rapperswiler Besitz übernommen hat. Der Konflikt kann zwar durch die Vermittlung des habsburgösterreichischen Hauptmanns Hermann von Landenberg und durch Rudolf Brun selbst rasch wieder beigelegt werden. Der friedliche Status quo steht aber auf Messers Schneide. Graf Johann II. verspricht sich von einem erneuten Zusammengehen mit Bruns Gegnern einen Ausweg aus seiner Verschuldung beziehungsweise die Möglichkeit, die Höfe in der March, die er an die Familie Brun verloren hat, wieder auszulösen. Die Parteigänger Bruns in Zürich bekommen aber Wind vom geplanten Putsch. Auch dass der Rapperswiler im Bodenseeraum Söldner anwirbt, ist in Zürich ruchbar geworden.

In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 1350 schlagen die Verschwörer schliesslich los. Um Mitternacht dringen sie in die Stadt ein mit dem Ziel, Rudolf Brun und seine wichtigsten Anhänger aus dem Weg zu räumen. Die Angegriffenen sind auf den Überfall vorbereitet und können sich erfolgreich wehren. Im blutigen Strassenkampf behält Bürgermeister Brun mit seinen Leuten die Oberhand, Graf Johann wird gefangen genommen und im Wellenberg-Turm eingekerkert, viele seiner Parteigänger finden den Tod oder werden kurz darauf hingerichtet. Der militärische Auszug der Stadt Rapperswil, zur Unterstützung der Verschwörer per Schiff nach Zürich unterwegs, kehrt nach der Nachricht von der misslungenen Aktion wieder um. Rudolf Brun hingegen schlägt rasch und unbarmherzig zurück. Eine Woche nach der Mordnacht zieht der Zürcher Auszug seeaufwärts nach Rapperswil. Nach dreitägiger Belagerung ergibt sich die Stadt. Mit dem gefangenen Grafen und dem Besitz von Rapperswil scheint Brun alle Trümpfe in der Hand zu haben. Die Stadt Zürich steht aber alleine da. Die Mülner-Fehde mit Basel und Strassburg belastet die Beziehungen zu den Reichsstädten. Und Habsburg-Österreich steht sowohl auf der Seite der Grafen von Habsburg-Laufenburg wie auch der Städte Basel und Strassburg.

In dieser Situation sucht Rudolf Brun Wege, sich gleich auf zwei Seiten abzusichern. Mithilfe von Agnes von Ungarn erreicht er – einmal mehr – einen Waffenstillstand. Am 6. Juli 1350 ist es wieder Agnes, die in Königsfelden eine Vermittlung mit den Städten Basel und Strassburg in der Mülner-Fehde zuwege bringt. Und auf den 4. August ist sogar die Erneuerung eines wahrscheinlich von 1347 oder 1348 stammenden Bündnisses zwischen der Stadt Zürich und Habsburg-Österreich geplant. Dieses Bündnis liegt allerdings nur als Entwurf vor. Dass es definitiv ausgefertigt wurde, ist wenig wahrscheinlich. Und die Fehde mit Rapperswil geht trotz Waffenstillstand weiter. Die Zürcher plündern Rapperswiler Güter in der March, zerstören die Burg Alt-Rapperswil und legen Teile der Befestigungen der Stadt nieder, um sie wehrlos zu machen.

Diese unsichere Situation hält über den Winter an. Rudolf Brun sucht deshalb im Frühling 1351 Unterstützung in der Innerschweiz. Mit Schwyz hatte er bereits 1350 engeren Kontakt. Am 8. Februar 1350 war eine Zürcher Delegation in Einsiedeln bei der Beilegung des alten Marchenstreits zwischen dem Kloster und dem Stand Schwyz dabei, und im Herbst desselben Jahres kontaktierte Brun die Schwyzer bei seinem Auszug in die March. Am 1. Mai 1351 ist es dann so weit: Die Zürcher schliessen mit den Waldstätten und Luzern ein Bündnis auf gegenseitige Hilfeleistung, in einem sehr ähnlichen Wortlaut wie im nicht zustande gekommenen Abkommen mit den Habsburgern ein Jahr zuvor. Das Bündnis ist später zum Beitritt Zürichs zur Eidgenossenschaft hochstilisiert worden. In der Zeit selbst war es ein Schachzug Bruns, sich in seiner schwierigen Lage etwas Luft zu verschaffen. Selbst die Zürcher Stadtchronistik aus der Zeit erwähnt das Bündnis mit keinem Wort.

Die neue Situation veranlasst Herzog Albrecht II., selbst in den Konflikt einzugreifen. Anfang August 1351 erscheint er nach 14 Jahren Abwesenheit erstmals wieder in den Vorlanden und lässt sich vorübergehend mit seinem Gefolge in Brugg und Königsfelden nieder. Er verlangt von Zürich die im September 1350 besetzten Gebiete in der March zurück. Mit seinen Rittern und Knechten legt er sich vor Zürich und brandschatzt die Umgebung der Stadt. Für eine lange Belagerung reichen seine Kräfte jedoch nicht. Bevor der Konflikt vollends eskaliert, gelingt es der Stadt Bern, die sowohl mit Habsburg-Österreich wie mit den Waldstätten in Bündnissen steht, eine Verhandlungslösung anzubahnen. Am 1. Oktober 1351 gelobt Rudolf Brun, in acht Tagen mit seinen Schiedsleuten im Kloster Königsfelden zu erscheinen. Zürich stellt dazu 16 Geiseln, die in Baden in Gewahrsam genommen werden. Herzog Albrecht zieht mit seinem Ritterheer von der Stadt ab. Innert vier Tagen soll ein Schiedsgericht unter der Leitung der Agnes von Ungarn den Konflikt zwischen Habsburg-Österreich und Zürich beziehungsweise den eidgenössischen Orten schlichten.

Für die Verhandlung Anfang Oktober 1351 in Königsfelden können beide Seiten je zwei Schiedsleute bestimmen. Zürich lässt sich vom Berner Schultheissen Peter von Balm und Philipp von Kien, einem weiteren Vertreter aus dem Berner Stadtadel und ehemaligen Schultheissen, vertreten. Auf der Seite Habsburg-Österreichs sind es die Räte Imer von Strassberg aus dem bernisch-solothurnischen Raum und Peter von Stoffeln, Kommenthur der Johanniterkommende Tannenfels am Sempachersee. Dass Agnes von Ungarn, der mittlerweile über 70 Jahre alten Dame aus Königsfelden, die Leitung übertragen wird, scheint im Verständnis der Zeit nicht ungewöhnlich gewesen zu sein. Zwar steht sie, auch weil ihr Bruder Albrecht vor Ort ist, klar einer Partei näher. Durch ihre Vermittlertätigkeit der letzten 15 Jahre scheint sie aber eine zumindest für Rudolf Brun glaubwürdige Position eingenommen zu haben. Das Schiedsgericht soll nicht nur den Konflikt zwischen der Stadt Zürich und dem Grafen von Habsburg-Laufenburg beziehungsweise dessen Lehensherrn, dem Herzog, schlichten, sondern ist auch dazu gedacht, die offenen Fragen mit Luzern und den Waldstätten zu lösen. Ersteres gelingt, Letzteres nicht.

Am 12. Oktober 1351 eröffnet Agnes von Ungarn ihren Entscheid. Sie fällt nicht einen Kompromissentscheid zwischen den zwei Positionen, sondern erhebt den Parteivorschlag der habsburgischen Seite zum Beschluss. Rudolf Brun lässt sich darauf ein und akzeptiert. Für die Stadt Zürich bedeutet dies eine Rückkehr zum Status quo ante, das heisst zur Situation vor der Mordnacht. Agnes’ Beschluss umfasst aber auch die alten Forderungen Habsburg-Österreichs gegenüber den Waldstätten. Diese beziehen sich einerseits auf Rechte, die nach 1315 faktisch verloren waren. Dazu kommen die de jure immer noch bestehenden Vogtei- und Besitzrechte über den ehemaligen Besitz des Klosters Murbach-Luzern, den die Habsburger im April 1291 dem elsässischen Kloster abgekauft haben. Es sind dies die Stadt Luzern sowie Rechte und Güter in Sarnen und Stans. Habsburg fordert aber auch alte landgräfliche Rechte in Schwyz und Unterwalden ein, die sowohl in der damaligen Zeit wie auch aus heutiger Sicht zumindest fraglich sind. Vor allem die Habsburg-Laufenburger berufen sich auf Forderungen aus der Fehdezeit der 1240er-Jahre, als sie in der anti-staufischen Koalition gegen Schwyz standen, übrigens in Konkurrenz zu ihrem nächsten Verwandten, dem damaligen Grafen und späteren König Rudolf. Diese Ansprüche bestanden real wohl gar nie oder wurden nie durchgesetzt. Es ist denn auch nicht ganz zufällig, dass die Luzerner im folgenden Fehdekrieg die Burg Neu-Habsburg bei Meggen zerstören. Die Burg war in den 1240er-Jahren von der Laufenburger Linie als Stützpunkt in der Innerschweiz ausgebaut worden.

Es ist klar, dass die Waldstätte auf solche Forderungen nicht eingehen können. Rudolf Brun verspricht zwar den Habsburgern, die Umsetzung des Schiedsspruchs zu unterstützen, stösst aber bei seinen neuen Bündnispartnern in der Innerschweiz auf wenig Gegenliebe. Die «ehrliche Maklerin» Agnes hat die Interessen ihrer Herkunft höher gewichtet als einen möglichen Ausgleich. Ihre letzte grosse Vermittlung scheitert.

Die Fronten, die beide Seiten in der Folge errichten, sind mehr und mehr ideologisch geprägt. Auf dieser Basis gedeiht in den nächsten Jahrzehnten die «Erbfeindschaft» der Eidgenossen zu Habsburg-Österreich, eine Feindschaft, die in der eidgenössischen Geschichtsschreibung eine zentrale Bedeutung haben wird. Im Zürcher Bund mit Schwyz, Unterwalden und Luzern vom Mai 1351 wird auch das erste Mal der Begriff «Eidgenosse» verwendet. Ein Begriff, der dann auch in den folgenden Bündnissen mit Glarus, Zug und Bern Verwendung findet. Das Treffen in Königsfelden im Oktober 1351 wird zum wichtigen Markstein in der Entwicklung der Eidgenossenschaft.

Eskalation in den Jahren 1351–1354: ein Kurswechsel auf Zeit?

Einige Wochen nach dem Schiedsspruch der Agnes vom 12. Oktober kehrt Herzog Albrecht II. nach Wien zurück, da seine Frau Johanna von Pfirt am 14. November verstorben ist. Seine Söhne sind noch nicht volljährig, die Anwesenheit des Familienoberhaupts ist vonnöten. Nach dem Scheitern der Vermittlung von Königsfelden und in Abwesenheit des Herzogs ist die Bahn frei für Zürich und die Waldstätte, ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Über Weihnachten 1351 ziehen die Zürcher limmatabwärts. In Baden sind die 16 Zürcher noch immer in Geiselhaft, die Stadt wird von einer österreichischen Besatzung mit Verbündeten aus Strassburg, Basel und Freiburg gehalten. Die Bäderstadt hat unter den Habsburgern stark an Bedeutung gewonnen. Die Stadtherren fördern die Badgasthöfe und haben ihren Verwaltungssitz für die Vorlande auf die Burg Stein hoch über der Stadt verlegt, bei Föhnwetter in Sichtweite des Uetlibergs.

Der Überfall auf die Stadt gelingt den Zürchern nicht, sie plündern aber die Umgebung und zünden zumindest den rechtsseitig der Limmat liegenden Teil der Bäder, die sogenannten kleinen Bäder, an. Die Zürcher ziehen anschliessend das Siggenthal abwärts und zerstören die Freudenau, ein habsburgisches Burg- und Fahrlehen an der Aare. Sie überqueren die Limmat bei Turgi und ziehen plündernd über Gebenstorf und Birmenstorf in Richtung Dättwil und Baregg. Auf der Geländeterrasse im Bereich des Hochgerichts bei Dättwil fängt die Badener Besatzung unter der Führung des habsburgischen Hauptmanns Burkart von Ellerbach die mit Beute beladenen Zürcher ab. Die Zürcher können sich nach anfänglichen Schwierigkeiten des Angriffs erwehren und erkämpfen sich am folgenden Tag den Durchgang über den Heitersberg. Gemäss Klingenberger Chronik verlässt Rudolf Brun seine Mannschaft bereits zu Beginn des Gefechts, um sich in Zürich in Sicherheit zu bringen. Die Wendung zugunsten Zürichs soll eine Nachhut aus den Dörfern des linken Zürichseeufers gebracht haben, notabene aus denjenigen Höfen in Wollerau und Pfäffikon, die Brun 1337 den Rapperswilern abgenommen hatte. 135 Adlige auf Seiten der Habsburger sollen umgekommen sein. Sie werden teilweise im Kloster Wettingen bestattet. Die Stadt Baden beklagt gemäss den Eintragungen im ältesten Jahrzeitbuch 31 Tote, Mellingen und Brugg je 25. Agnes von Ungarn stiftet im Nachgang zum Gefecht in der Dreikönigskapelle in den Bädern eine Priesterpfründe, die die Erinnerung an die Toten aufrecht erhalten soll.

Auch die Waldstätte gehen nun in die Offensive. Nicht nur die Luzerner, die Neu-Habsburg bei Meggen brechen und in Richtung Sursee und Beromünster vorstossen, sondern vor allem die Schwyzer, die vorerst erfolglos das habsburgische Zug belagern. Das Land Glarus hat sich bereits Ende 1351 von den habsburgischen Vögten abgewendet, die Burg in Näfels gebrochen, den Bau einer Letzimauer begonnen und einen habsburgischen Rückeroberungsversuch abgewehrt. Unter starkem Schwyzer Druck gehen die Glarner am 4. Juni 1352 ein Bündnis mit Uri, Schwyz, Unterwalden und Zürich ein. Das später «böser Bund» genannte Bündnis ist allerdings mehr ein Schwyzer Protektorat als ein Zusammengehen unter Gleichen. Nach erneuter Belagerung ergibt sich am 22. Juni schliesslich auch Zug und tritt mit Urkunde vom 27. Juni wie Glarus in das Bündnis mit Zürich, Luzern und den Waldstätten ein, allerdings im gleichen Wortlaut wie Zürich Anfang Mai 1351, also mit wesentlich besseren Bedingungen als Glarus drei Wochen zuvor.

Für die Interessen Habsburg-Österreichs ist diese Entwicklung fatal. Herzog Albrecht sieht sich veranlasst, ein zweites Mal direkt in den Konflikt einzugreifen. Im Herbst 1352 kehrt er aus Wien zurück und nimmt den Feldzug gegen Zürich mit Unterstützung der Reichsstädte wieder auf. Allerdings kann er seine Verbündeten nicht lange bei sich halten beziehungsweise sie dafür entschädigen. In beiderseitigem Interesse kommt deshalb eine Vermittlung zustande, für die Markgraf Ludwig von Brandenburg, Sohn des ehemaligen Kaisers Ludwig von Bayern, gewonnen wird. Die zweite Belagerung von Zürich wird am 6. August aufgehoben. Nach längeren Verhandlungen in Zürich und Luzern kann am 23. September 1352 der sogenannte Brandenburger Friede abgeschlossen werden. Herzog Albrecht zieht sich nach Brugg zurück und gibt sein Einverständnis. Die habsburgische Herrschaft über Zug und Glarus soll wiederhergestellt, die Rapperswiler wieder in ihre Rechte in der March eingesetzt werden. Keine Rede mehr aber ist von den reklamierten landesherrlichen Rechten Habsburgs in Schwyz und Unterwalden. In Luzern bleibt der Status quo bestehen: de jure habsburgische Landstadt, de facto mit grosser Autonomie im Bündnis mit den Waldstätten und Zürich.

Der Friedensschluss ist für beide Seiten kein zukunftsfähiges Konzept. Beide suchen deshalb Anlehnung an neue Partner. Für die Waldstätte ist dies die Stadt Bern, mit der sie am 6. März 1353 ein Bündnis schliessen, in das auch Luzern und Zürich eintreten. Vor allem für Zürich ist die Verbindung mit Bern von grossem Wert; Bern notabene, das immer noch in Bündnispflichten mit Habsburg-Österreich steht. Herzog Albrecht selbst macht Reichspolitik. Er schmiedet ein grosses Bündnis mit dem böhmisch-luxemburgischen König Karl IV. Eine Doppelhochzeit seiner Söhne Albrecht und Rudolf mit Elisabeth von Mähren und Katharina von Böhmen sichert diese neue Verbindung, die ebenfalls im März 1353 zum Abschluss kommt. Der Konflikt wird damit definitiv zu einer Reichsangelegenheit. Karl IV. erscheint am 5. Oktober 1353 persönlich in Zürich und versucht zu vermitteln. Die Waldstätte zeigen ihre alten Privilegien aus dem 13. Jahrhundert vor und präsentieren sich als reichs- und königstreu. Dem haben die habsburgischen Vertreter wenig entgegenzusetzen. Der König reist nach einigen Tagen wieder ab, ohne etwas erreicht zu haben. Am 20. Oktober stattet er Agnes von Ungarn in Königsfelden einen Besuch ab. Trotz ihrem hohen Alter scheint sie in der Habsburger Dynastie noch immer eine wichtige Rolle zu spielen. Zudem ist der 1339 geborene Rudolf IV., der Sohn Albrechts und neu Schwiegersohn des Königs, zeitweise unter ihren Fittichen gewesen.

Die Habsburger reichen ihre Klagen gegen Zürich und die Waldstätte nun schriftlich beim König ein. Insbesondere beschweren sie sich, dass Glarus und Zug nicht unter ihre Oberhoheit zurückkehren wollen, dass die Waldstätte habsburgischen Besitz sperren und die Städte auf dem Land weiterhin sogenannte Ausbürger rekrutieren. Karl IV. erscheint deshalb bereits im April 1354 wieder in Zürich und vermittelt vorerst einen Waffenstillstand über den weiter herrschenden Kleinkrieg. Die Verhandlungen bringen aber wieder nichts, und der König bietet Herzog Albrecht an, im Namen des Reichs gegen Zürich zu ziehen.

Am 20. Juni erklärt Karl IV. Zürich und den Waldstätten den Krieg. Bevor das Reichsaufgebot den Habsburgern zuzieht, kauft Herzog Albrecht Ende Juli seinen Laufenburger Verwandten die Herrschaft Rapperswil ab und baut sie zu einem Stützpunkt gegen Zürich und Schwyz aus. Sein Sohn Rudolf lässt wenige Jahre später den Steg von Rapperswil nach Hurden bauen. Damit haben sich die Habsburger, gegen die Interessen Bruns und der Stadt Zürich, am oberen Zürichsee und in der March erst recht festgesetzt.

Anfang September 1354 beginnt schliesslich die gemeinsame, dritte Belagerung von Zürich. Die Truppen vereinigen sich auf der Forch und ziehen über die Klus und Hottingen vor die Stadt. Zum Reichsaufgebot gehören auch Städte wie Bern, Solothurn und Schaffhausen, die mit Zürich in Bündnissen stehen. König Karl IV. und Herzog Albrecht verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele. Der König braucht eine Beilegung des Konflikts, nicht eine Unterwerfung Zürichs. Seine Pläne für eine Romreise zur Kaiserkrönung sind sehr konkret. Rudolf Brun zeigt sich deshalb mit seiner Stadt reichstreu, hisst die Reichsfahne und erwirkt eine Auflösung des Reichsheers nach wenigen Tagen. Mit Habsburg-Österreich verbleibt die Stadt im Kriegszustand. Karl IV. und Albrecht sprechen sich in Baden aus, bevor der König zu seiner Italienreise aufbricht.

Der nun bald fünf Jahre dauernde Konflikt kommt erst im Sommer 1355 nach der Rückkehr des zum Kaiser gekrönten Karl aus Italien zu einem Ende. Am 23. Juli 1355 vermittelt er in Regensburg den nach dieser Stadt benannten Friedensschluss. Rudolf Brun und Zürich verpflichten sich, den Schiedsspruch bedingungslos anzuerkennen. Kriegsmüde und innerhalb der Reichsstädte isoliert, muss sich Brun mit seiner Stadt auf Druck des Kaisers wieder auf Habsburg-Österreich zubewegen. Zürich wird verpflichtet, die Habsburger bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Waldstätte und Luzern zu unterstützen. Folgerichtig tritt Brun 1356 wieder in ein Bündnis mit Habsburg-Österreich ein. Für Glarus und Zug bedeutet dies eine Rückkehr unter habsburgische Oberhoheit. In Glarus wird Brun gar Garant dafür. Ab 1359 diente er im herzoglichen Rat und erhält dafür eine Rente, die auf den habsburgischen Steuern in Glarus versichert ist. Vogt in Glarus ist sein Parteigänger Gottfried Mülner.

Mittel- und längerfristig, in Zug bereits ab 1365, erweisen sich aber die mit den Waldstätten und Zürich geschlossenen Bündnisse als tragfähiger. Entgegen den Interessen Habsburg-Österreichs bestätigt Kaiser Karl IV. den Eidgenossen ihre Bündnisse 1360 und 1362. Die Situation aus der Zeit vor 1350 scheint vordergründig wiederhergestellt. Und trotzdem zeichnet sich ein grundlegender Wandel ab, und zwar sowohl auf Seiten der habsburgischen Dynastie wie auch auf Seiten der Führungsgruppen in der Eidgenossenschaft. Darauf ist zum Abschluss noch einzugehen.

Der Anfang vom Ende? Rudolf Brun und Agnes von Ungarn als Teil einer abdankenden Generation

Rudolf Brun hält sich als herzoglicher Rat im Sommer 1360 in Thann im südlichen Elsass auf und bezeugt mit seinen Ratskollegen die Übergabe der Besitztümer des Bistums Chur für acht Jahre an Habsburg-Österreich. Wenige Wochen später stirbt er. Er wird in der Peterskirche in Zürich, deren Patronat er 1345 selbst gekauft hatte, begraben. Brun fühlt sich bis zu seinem Tod als Teil des vorderösterreichischen Adels und sucht die Nähe zu den habsburgischen Herzögen. Nach dem Tod von Albrecht II. 1358 ist dies der junge und äusserst ehrgeizige Rudolf IV., Schwiegersohn des Kaisers. Rudolf treibt den Ausbau der habsburgischen Besitzungen in Schwaben und der heutigen Schweiz intensiv voran. Vor Augen hat er eine Wiedererrichtung des seit dem Interregnum Mitte des 13. Jahrhunderts zerfallenen Herzogtums Schwaben. Die Stadt Zürich ist nach wie vor von starken Positionen von Habsburg-Österreich umgeben, und Bruns Ziel, ein städtisches Territorium vor allem am oberen Zürichsee aufzubauen, ist mit dem Regensburger Frieden vorerst gescheitert. Und trotzdem bleibt mit dem Bündnis mit den Waldstätten, Luzern und Bern etwas bestehen, das längerfristig Bestand haben wird. Bruns Nachfolger als Bürgermeister Zürichs wird Rüdiger Manesse. Manesse sucht verstärkt die Nähe zum Reich und erreicht schon 1362 eine Privilegienbestätigung des Kaisers für die Stadt. Die eidgenössisch gesinnte Partei in Zürich erstarkt. Herzog Rudolf ist unterdessen mit seinen Anmassungen bei seinem kaiserlichen Schwiegervater in Ungnade gefallen.

Nicht nur in Zürich bahnen sich Änderungen an. In den folgenden 25 Jahren werden auch die Führungsgruppen in den Waldstätten, die noch Beziehungen zum habsburgischen Adel haben, gestürzt oder ausgewechselt. Die Ära der Attinghausen in Uri ist mit dem Tod von Landammann Johann von Attinghausen 1359 zu Ende. Im gleichen Jahr löst das Land Uri einen grossen Teil der Rechte von verschiedenen Klöstern im Tal aus. Die Hunwil in Obwalden werden 1382 gestürzt, der Luzerner Schultheiss Peter von Gundoldingen zwei Jahre später. In Zürich stehen sich bis nach der Schlacht bei Sempach eine eidgenössisch und eine habsburgisch orientierte Partei gegenüber. Die Optionen sind auf beiden Seiten noch offen. 1393 gibt es einen Annäherungsversuch an Habsburg-Österreich, der aber rasch gestoppt wird. Und 50 Jahre später wechselt Zürich tatsächlich noch einmal die Seiten und nähert sich Habsburg-Österreich an. Der Alte Zürichkrieg zwischen 1436 und 1450 zeigt auf, dass die alten Fronten immer noch offen sind und auch ein anderer Ausgang möglich gewesen wäre.

Agnes von Ungarn überlebt Rudolf Brun um vier Jahre. Ihren politischen Einfluss als Schiedsrichterin hat sie schon früher eingebüsst. Ihr gescheiterter Vermittlungsversuch zwischen Zürich und Habsburg im Oktober 1351 wird ihrem Ruf als unabhängige Vermittlerin geschadet haben. In der Familie selbst scheint sie aber nach dem Tod ihres Bruders Albrecht 1358 weiterhin eine Rolle gespielt zu haben. Insbesondere vermittelt sie ihren Schützling Johann Ribi Schultheiss aus Lenzburg ihrem Neffen Rudolf als Kanzler. Ribi wird Bischof von Gurk und später von Brixen und entwickelt sich zur wichtigsten Figur um den Herzog über dessen Tod hinaus. Agnes beginnt in dieser Zeit ihren Nachlass zu ordnen. Rudolf bestätigt anlässlich eines Besuchs in Königsfelden an Ostern 1361 sämtliche von Agnes zugunsten des Klosters gemachten Vergabungen und Verordnungen. Agnes betraut Johann Ribi Schultheiss zusammen mit ihrem Neffen Rudolf am 8. Februar 1362 mit der Verwaltung der Güter. Bis kurz vor ihrem Tode kauft sie zugunsten des Klosters Besitztümer, so zum Beispiel Kirche und Dorf Birmenstorf am 11. Juli 1363. Und sie verfügt, dass ihr Haus neben dem Chor der Kirche nach ihrem Tod abgerissen wird. Altersschwach geworden, verstirbt sie im Juni 1364 im hohen Alter von 84 Jahren. Bereits ein Jahr zuvor war es Rudolf IV. gelungen, die Grafschaft Tirol in den Habsburger Machtbereich zu integrieren.

Die Dynastie gerät nach dem frühen Tod von Herzog Rudolf IV. im Jahr 1365 in eine schwere innere Krise, die mehrere Jahrzehnte andauert. Teilungen und bürgerkriegsähnliche Zustände folgen sich innert weniger Jahre. Der Präsenz und dem Einfluss der Habsburger in den vorderösterreichischen Ländern ist dies nicht zuträglich. Die Katastrophe von Sempach 1386 mit dem Tod von Leopold III. und der Verlust des Aargaus 1415, später weiterer Gebiete in der Ostschweiz, sind auch vor diesem Hintergrund zu verstehen, nicht nur als Ausdruck einer erstarkenden Eidgenossenschaft. Auch das Kloster Königsfelden verliert nach dem Tod der Agnes rasch an Glanz und Prestige.

Unterschiedliche Deutungen zweier aussergewöhnlicher Persönlichkeiten

Obwohl sich Rudolf Brun und Agnes von Ungarn auf Augenhöhe begegneten, fällt das Urteil der eidgenössischen Geschichtsschreibung mit Blick auf diese zwei aussergewöhnlichen Persönlichkeiten sehr unterschiedlich aus.