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Kamala Murty

Die kleine Tantra-Schule

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Die Informationen, Empfehlungen und Anwendungen in diesem Buch wurden nach bestem Wissen zusammengestellt. Verfasser und Verlag können jedoch für gleich welche Schäden keinerlei Haftung übernehmen.

Dieses Buch basiert auf der Originalausgabe, die unter dem gleichen Titel 1999 im Verlag Droemer Knaur, München, erschienen ist.

Copyright © 2013 MayaMedia GmbH Verlag Dr. Andreas Gößling, Coburg

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Druck, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, digitale Medien aller Art, ganz oder auszugsweise, sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

ISBN 978-3-944488-12-7

www.mayamedia.de

Inhalt

Vorbemerkung

Was ist Tantra?

Dualität überwinden

Energie vermehren

Der innere Kanal

Chakras – Energiezentren im feinstofflichen Körper

Ausübung der Dualität in der ekstatischen Erfahrung

Der Weg zur Ekstase

Innere Übungen

Einstellungen

Pranayama – Atemtechniken

Dhyana – Meditation

Äußere Übungen

Beckenübungen

Die Vagina stärken

Ejakulationskontrolle

Maithuna Sadhana – das Sexualritual

Vorbereitung

Vorspiel

Vereinigung

Asanas – Stellungen

Die Yab-Yum-Position

Die verbundene Liebesschaukel

Die Missionarsstellung

Die Bogenhaltung

Die unerschöpfliche Freundlichkeit

Die Shakti-Position

Die liegende Shakti

Kali-Stellung

Balance-Position

Seitliche Umarmung

Seitliches Schaukeln

Affenschaukel

Aus dem Stand

Position auf sechs Beinen

Geheimkünste

Orale Befriedigung

Selbstliebe

Gruppensex

Analverkehr

Erotische Fantasien

Vorbemerkung

Als gebürtige Inderin habe ich die Hälfte meines Lebens in Indien und die andere Hälfte in Europa bzw. den USA verbracht und bin gleichermaßen mit östlichen wie mit westlichen Traditionen vertraut. Bei diesem Buch habe ich mich bemüht, die Tradition des Tantra in einer Weise darzustellen, die für westliche Menschen interessant und nachvollziehbar ist.

Die tantrische Erfahrung ist auch ohne langjährige Yogapraxis möglich. Die hier dargestellten Übungen und Techniken wurzeln in östlichen Traditionen, gleichwohl sind sie für westliche Menschen voraussetzungslos und können schon nach kurzer Zeit beglückende Erlebnisse nach sich ziehen und den Menschen helfen, zu ihren eigenen Quellen zurückzukehren.

Ich würde sogar sagen, dass durch die Veränderungen, die in diesem Jahrhundert in der Beziehung zwischen den Geschlechtern stattgefunden haben, die Verwirklichung von Tantra gerade im Westen gute Voraussetzungen hat.

Nach jahrhundertelangem Ungleichgewicht im Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen harmonisiert sich deren Beziehung allmählich zu einer gleichwertigen echten Partnerschaft, in der tiefe Kommunikation und Intimität zu Erweckung und Stärkung der sexuellen Energien fuhren.

Das in den altindischen Schriften zutreffend prognostizierte „Zeitalter der Finsternis“, das Kali Yuga, geht in der jetzigen Ära zu Ende. Männer und Frauen haben endlich reale Chancen, die durch starre Geschlechterrollen auferlegten Fesseln zu sprengen, aus beglückender Sexualität Lebensfreude und Vitalität zu schöpfen und so gemeinsam den Weg der Spiritualität zu gehen.

Was ist Tantra?

Tantra gehört zu den Grundlagen des Hinduismus und beschäftigt sich mit dem zentralen Thema der göttlichen und kosmischen Urenergie. Im Tibetischen Buddhismus beschreibt Tantra die spirituelle Entwicklung des Menschen, die von seiner Fähigkeit abhängt, im sinnlichen Erleben die Dualität des irdischen Daseins zu überwinden.

Dies geschieht, wenn es ihm mit Hilfe besonderer Riten und Meditationen gelingt, die kosmische Kraft in sich zu erwecken, wobei dem Geschlechtsverkehr eine besondere Rolle zufällt.

Tantrische Rituale gab es bereits vor fast 5000 Jahren; zum ersten Mal wurden sie vor über 2000 Jahren schriftlich bezeugt – in über hundert Bänden. Sie wurden im Laufe der Zeit ergänzt, und diese Erweiterungen heißen „Tantra“.

Überdies bedeutet „Tantra“ auch „Gewebe, Zusammenhang, Kontinuum“, was darauf verweist, dass die vielfältigen Aspekte des Ego und der Welt in einem verwobenen Netz zusammengehören.

Dualität überwinden

Das Tantra geht, wie die meisten östlichen Philosophien, von der Dualität aus, die unser Sein vom Beginn der Geburt an prägt. Ziel ist, diese Zweiheit, dieses Getrenntsein, zu überwinden.

Das Dualitätsdenken findet seine Entsprechung im chinesischen und taoistischen Yin und Yang. Jedes Phänomen kann nur vor dem Hintergrund seines Gegenteils existieren; hell gehört untrennbar zu dunkel, Tag zu Nacht, heiß zu kalt, männlich zu weiblich, positiv zu negativ ... Yang zu Yin.

Auf der Ebene unseres irdischen Daseins ist diese Zweiteilung schwer aufzulösen, und doch streben wir Menschen unaufhörlich nach der Überwindung der Dualität auf einer höheren Ebene, nach dem Erlebnis des Einsseins.

Die Vervollkommnung des Sex im Tantra ist ein Weg zu diesem höheren Ziel: dem Erreichen des Einheitsgefühls, dem Verschmelzen des Einzelnen mit der kosmischen Energie.

Aus der vollendeten Vereinigung des hinduistischen Gottes Shiva und seiner Göttin-Gemahlin Shakti geht eine neue Einheit hervor, die auf spiritueller Ebene als ekstatische Erfüllung und Harmonie empfunden wird. Der weise Osho sagte: „Sexualität und Spiritualität sind die beiden Enden einer einzigen Energie.“ („Tantra, Spiritualität & Sex“)

Im Tantra ist der Unterschied zwischen Profanem – Sex – und Heiligem – Spiritualität – aufgehoben. Auf Abbildungen sind Shiva und Shakti in inniger Umschlingung als das Urpaar von Mann und Frau dargestellt. Sie symbolisieren die kosmischen Archetypen von männlicher und weiblicher Energie, gleichzeitig aber auch unsere eigenen inneren Kräfte.

Beim Liebesritual wird die Frau zu Shakti, der Kreativität und schöpferische Kraft innewohnen, der Mann zu Shiva, Träger reiner Bewusstheit. Tantra sieht den Menschen ganzheitlich: Die negativen Aspekte werden neben seinen positiven nicht unterdrückt, seine dunklen Seiten nicht zugunsten seiner hellen verdrängt.

Die männlichen Anteile in der Frau finden ebenso ihr Recht wie die weiblichen im Mann. Das Streben nach sexueller Vereinigung ist Ausdruck der menschlichen Sehnsucht, die Polaritäten zu überwinden und in der Verschmelzung mit dem anderen Geschlecht die eigenen Anteile im anderen wiederzufinden.

Diesem Streben liegt auch die Sehnsucht nach der Rückkehr zur ursprünglichen Quelle zugrunde, dem Einssein im Mutterleib und davor – und danach – dem Einssein mit der kosmischen Energie.

Die Aufhebung der Dualität, Advaita genannt, ist ein Zustand, in dem der Mensch frei von Angst und Leiden ist, sich ganz dem Moment hingeben und im Kosmos zu Hause fühlen kann. Advaita in der sexuellen Ekstase wird mit Hilfe von Visualisierungen und Meditationstechniken angestrebt – und durch die perfekte Kommunikation und Vereinigung mit einem Liebespartner.

Hierzulande verbindet man mit Tantra oft die Vorstellung von exotischen Stellungen und ausschweifenden Sexualpraktiken. Dabei geht es in der tantrischen Liebeskunst eher um die energetische Verbindung zweier Liebender, die sich auf der feinstofflichen Ebene vollzieht und eine heilende Wirkung hat.

Energie vermehren

Tantra lehrt, wie man als Liebespaar seine Energien multipliziert und ständig erneuert, so dass die innige Partnerbeziehung sich nicht im Laufe der Zeit erschöpft, sondern das Feuer der Leidenschaft genährt wird.

Für die bleibende intensive Nähe zwischen Mann und Frau ist die sexuelle Vereinigung ein Weg; daneben gibt es noch andere Möglichkeiten, tiefgehende intime, sinnliche und ekstatische Erfahrungen zu machen, die auf altes Erfahrungswissen zurückgehen.

Wichtig allerdings ist die bewusste Pflege der Beziehung, der wachsame, respekt- und liebevolle Umgang miteinander und die Bereitschaft, sich dem ekstatischen Energiestrom mit Hilfe bestimmter innerer wie äußerer Übungen zu öffnen.

Erfüllte Sexualität wird in Liebe transformiert, und diese erfährt eine Transformation in Meditation und göttliche Erkenntnis.

Der innere Kanal

Die tantrische sexuelle Ekstase ist nicht mit dem genitalen Orgasmus zu verwechseln, der auf dem kurzzeitigen Höhepunkt sexueller Aktivität von Ejakulation begleitet wird.

Der Tantra-Meister Osho behauptet sogar: „Tantra ist das Unsexuellste, was es gibt, obwohl es sich grundsätzlich mit Sex beschäftigt.“ Gleichwohl wird ein koitales Erlebnis angestrebt, bei dem die Partner über lange Zeit beisammen sind und alle Freuden sexuellen Erlebens auskosten.

Anstatt sich im einmaligen Orgasmus zu verbrauchen, spenden Mann und Frau einander immer mehr Energie, so dass sie auch nach mehreren Orgasmen nicht erschöpft sind, sondern Einheitserlebnisse haben, die als „Talorgasmus“, „Wellenreiten“, „Fliegen“, „heilige Kommunikation“ bezeichnet werden.

Wie ist das möglich? Um das zu begreifen, müssen wir uns mit der fernöstlichen Vorstellung von den Energiezentren unseres Körpers befassen, den Chakras.

Chakras – Energiezentren im feinstofflichen Körper

Das Sanskrit-Wort „Chakra“„“„“„“