TOBIAS SCHRADER

DIE

GÖTTINER SIEBEN

BAND 2

FALSCHE FÜNFZIGER

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Die G7 –

das sind Kröte, Jonas, Würmchen, Xiaoli, Lukas, Maike und ihr Hund Sir Gustav Lancelot, die dem Verbrechen den Kampf angesagt haben.

Der Name „Göttinger Sieben“ geht auf sieben Göttinger Professoren zurück, die im 19. Jahrhundert Mut und Zivilcourage gegenüber dem König von Hannover zeigten so wie heute die G7 gegenüber den Gangstern.

Die Göttinger Sieben - ihr Name ist Programm.

Ach ja, was man noch wissen sollte…

Die Geschichte spielt natürlich in Göttingen. Die Stadt liegt in der Mitte Deutschlands; genauer in Südniedersachsen an der Grenze zu Hessen und Thüringen.

Sie hat ca. 125 000 Einwohner, gehört zu den schönsten Städten Deutschlands… und hat natürlich die besten Detektive der Welt.

Inhaltsverzeichnis

  1. Eine interessante Rückfahrt
  2. Blüten tauchen auf
  3. Ein Plan wird gemacht
  4. Die Recherche beginnt
  5. Ein weiterer Anlauf
  6. Kröte auf neuer Spur
  7. Gefangen in der Wohnung
  8. In der Fälscherwerkstatt
  9. In der Höhle des Bären
  10. Befreiung

Eine interessante Rückfahrt

»Wir sind gleich zu Hause«, sagte Lukas. An seiner Tonlage konnte jeder im Auto merken, dass er genervt war.

»Ich halte es bis dahin nicht mehr aus«, antwortete Kröte.

»In zwei Kilometern ist eine Autobahnraststätte, da machen wir eine Pause«, sagte Jonas. »Weshalb musstest du auch drei Würstchen mit Pommes frites in der Halbzeitpause essen?«

Die drei kamen von einem Fußballspiel in Hannover und waren auf dem Weg zurück nach Göttingen. Die Brüder Jonas und Lukas waren große Fußballfans, und seitdem der 18jährige Lukas ein eigenes Auto besaß, fuhren beide gelegentlich ins Stadion der Landeshauptstadt, um ihre Lieblingsmannschaft Hannover 96 zu sehen.

Kröte interessierte sich weniger für Fußball, sondern vielmehr für das Essen rund um das Stadion. Er hatte während der Halbzeitpause einen Würstchentest gemacht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass ihm die zweite Thüringer Wurst am besten geschmeckt hatte. Den Namen der Würstchenbude wollte er sich für den nächsten Stadionbesuch merken.

Endlich fuhr Lukas von der Autobahn ab. Es war bereits dunkel und der alte gelbe Golf steuerte eine der öffentlichen Toiletten am Rastplatz an. Noch bevor Lukas den Wagen anhielt, löste Kröte seinen Gurt. Dann eilte er auf ein altes Backsteingebäude zu, in dem er die Toiletten vermutete.

Hastig stieß er die Tür auf, drückte im Laufen den Lichtschalter und ging in eine der Toilettenkabinen. Die Neonröhre flackerte kurz, aber das Licht erlosch sofort wieder. Kröte genügte es, um sich zu orientieren und auf einer der Toilettenbrillen Platz zu nehmen.

Von draußen hörte er die Stimmen von Jonas und Lukas.

»Der ist auf der Damentoilette verschwunden«, sagte Lukas. »Gleich sprengt er die Schüssel.«

Beide kicherten, während Kröte im Dunkeln nach dem Toilettenpapier tastete.

»Das darf doch nicht war sein«, fluchte er. Er wollte gerade die Toilettentür öffnen, um in einer anderen Kabine zu suchen, als er plötzlich erneut Stimmen hörte.

»Lass uns hier reingehen«, sagte eine männliche Stimme, die so quakig klang, als würde sie zu einem Frosch gehören. »Da sieht uns niemand«.

»Auf das Damenklo?«, brummte ein anderer zögernd. Er hatte eine tiefe Stimme. Das Alter der Männer ließ sich schwer schätzen.

»Ja. Da ist das Licht kaputt.«

Die Schritte der Männer kamen näher. Schnell zog Kröte die Kabinentür zu.

»Hier hört uns auch keiner. Welche Frau geht schon mitten in der Nacht auf eine nicht beleuchtete Toilette?«, fragte der Frosch.

Kröte hielt den Atem an. Plötzlich blitzte ein Lichtstrahl auf. Der Lichtkegel wanderte im Raum hin und her.

»Siehst du. Hier ist niemand. Die Toiletten sind auch nicht verschlossen.«

»Aber stinken tut das hier. Das ist die wahre Freude«, murrte die tiefe Stimme unzufrieden.

»Halt mal die Taschenlampe.« Einer der beiden Männer raschelte mit einer Tüte. »3000 Euro für 300 Euro. Wenn du alles ausgegeben hast, bekommst du neue«, sagte der Frosch.

»Okay. Leuchte mal auf meine Jacke.«

Unter der Kabinentür sah Kröte wie der Lichtkegel der Taschenlampe erneut wanderte.

»Oh Mann, die Jacke muss ich Montag in die Reinigung bringen.«

»Pass auf, wenn du da bezahlst! Sonst haben die gleich deine Adresse.«

»Kann ja auch mal regulär bezahlen.«

Die Schritte entfernten sich. Die Tür klappte zu. Als die Männer außer Hörweite waren, besorgte Kröte sich das dringend benötigte Papier aus der Nachbarkabine, betätigte die Wasserspülung, wusch sich die Hände am Waschbecken und rannte zu seinen Freunden, die im Auto auf ihn warteten.

»Du siehst erleichtert aus«, stellte Jonas fest und zwinkerte Kröte fröhlich zu, der ins Auto stieg.

»Sehr witzig«, erwiderte Kröte. »Ich habe gerade zwei Ganoven beim Geschäft belauscht.«

»Du meinst, während du dein Geschäft verrichtet hast?«, fragte Lukas. Er grinste und startete seinen gelben Golf.

Kröte verdrehte die Augen und erzählte seinen beiden Freunden, was sich auf der Damentoilette abgespielt hatte.

»Vielleicht warst du so mit dem Druck in deinem Darmtrakt beschäftigt, dass du Halluzinationen hattest und dir die Stimmen eingebildet hast«, sagte Lukas und gab Gas. »Wir haben jedenfalls niemanden gesehen.«

»3000 Euro für 300 Euro!«, sagte Kröte. »So hat er das gesagt.«

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Jonas.

»Entweder verkauft jemand Geld oder du hast dich verhört«, sagte Lukas.

»Vielleicht sind es Sonderprägungen von Münzen, deren offizieller Wert 300 Euro beträgt, aber deren Sammlerwert bei 3000 Euro liegt«, sagte Jonas.

»Das könnte schon sein«, sagte Lukas. »Für die Euromünzen, die in Andorra, Monaco und Vatikanstaat geprägt werden, zahlen Sammler ja auch den vielfachen Preis.«

»Münzen im Wert von 300 Euro könnten ganz schön schwer sein«, sagte Kröte.

»30 Sonderprägungen von 10 Euro Stücken ließen sich tragen«, erwiderte Jonas. »Aber für ein legales Geschäft hätten sie sich ja wohl auch kaum auf einer Damentoilette getroffen.«

»Vielleicht hast du dich geirrt und er hat 3000 Euro für 300 Gramm eines Rauschgiftes bezahlt«, sagte Jonas.

»Ich meine zweimal das Wort Euro gehört zu haben.«

»Mir fällt nichts ein, was sich so ähnlich wie Euro anhört«, sagte Jonas.

»Euro, Euro, Euro,…«

»Mir auch nicht«, überlegte Lukas.

»Kein Mensch tauscht 3000 Euro gegen 300 Euro ein«, sagte Jonas.

»Selbst wenn es sich um Sondermünzen handelt. Wer geht dafür nachts auf eine Toilette an der Autobahnraststätte?«, fragte Lukas. »Auch noch auf die Damentoilette!«

»Der eine wusste, dass das Licht auf dem Klo kaputt ist«, sagte Kröte.

»Der wollte da extra hin.«

»Die wollten nicht gesehen werden. Keine Zeugen. Aber warum?«, fragte Lukas.

Kröte kramte einen Kugelschreiber aus seiner blauen Jeansjacke und schrieb Stichwörter auf, um das von ihm belauschte Gespräch später besser nachvollziehen zu können. >Die Göttinger Sieben und das geheimnisvolle Gespräch auf dem Damenklo<, dachte Kröte. Gemeinsam mit seinen Klassenkameraden Würmchen, Xiaoli, Maike und deren Hund Gustav bildeten sie die Göttinger Sieben, die sich zum Ziel gesetzt hatten, Geheimnissen auf die Spur zu kommen.

»Hast du eigentlich eine Taschenlampe im Auto?«, fragte Kröte.

»Warum?«

»Weil wir zurückfahren könnten, um zu schauen, ob die beiden etwas verloren haben.«

Lukas kramte im Handschuhfach.

»Jonas guck bitte mal, ich kann die Lampe nicht finden.«

»Hier ist eine.«

Jonas zog sie aus dem Handschuhfach und schaltete sie an.

»Mist! Die Batterien sind leer!«

»Habt ihr noch Geld für Batterien?«, fragte Kröte.

»Wir könnten bei einer Tankstelle welche kaufen und zurückfahren, um nach Spuren zu suchen.«

»Was meinst du denn, was wir da finden?«, fragte Lukas.

»Ich weiß auch nicht. War nur so eine Idee.«

»Hast du ein anderes Auto auf dem Parkplatz des Rasthofs gesehen?«, fragte Kröte.

»Ich habe nicht darauf geachtet«, sagte Lukas.

»Und du?«

»Ich natürlich auch nicht. Ich hatte andere Probleme.« Die Freunde lachten.

»Ich denke, es gibt nichts für uns zu tun. Wir haben keine Ahnung, wie die Männer aussehen, welche Autos sie fahren und wissen gar nicht, um was es bei dem Gespräch ging«, sagte Lukas.

»Richtig«, sagte Jonas. »Wir sollten die Sache vergessen!«

Blüten tauchen auf

»Wisst ihr, was gestern meiner Schwester Zerou passiert ist?«, fragte Xiaoli als sie am Montagmorgen die Klasse betrat. »Sie hat im Blumenladen Falschgeld angenommen.«

Maike guckte sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Woher weißt du, dass es Falschgeld war?«

»Als sie den Geldschein wieder herausgeben wollte, hat ihn einer der Kunden reklamiert. Daraufhin haben sie den Schein mit einem Teststift markiert und festgestellt, dass das Papier nicht von der Europäischen Zentralbank stammt.«

»Und dann?«, fragte Jonas.

»Dann hat sie die Polizei gerufen.«

»Und?«

»Dann ist sie von der Polizei vernommen worden und sollte die Kunden beschreiben, die bei ihr eingekauft haben. Natürlich konnte sie sich nicht mehr an alle erinnern, die mit einem 50-Euro-Schein bezahlt haben.«

»Das ist aber ärgerlich«, sagte Kröte. »Um wie viel Uhr hat sie dem Kunden den Schein ausgehändigt?«

»Mittags«, antwortete Xialoi. »Da das Geschäft erst um zehn Uhr öffnet und morgens keine 50-Euro-Scheine in der Kasse lagen, muss er zwischen zehn und zwölf Uhr gekommen sein.«

»Woran hat denn der Kunde erkannt, dass es Falschgeld war?«, fragte Jonas.

»Das Papier der Scheine ist dünner und der Sicherheitsfaden ist gedruckt«, erklärte Xiaoli.

»Wie viele Kunden haben denn am Sonntag bis zur Mittagszeit eingekauft?«, fragte Kröte.

»Fünfzehn«, sagte Xiaoli. »Davon haben vier mit einem Fünfzigeuroschein bezahlt. Man kann doch an den Kassenbelegen sehen, mit welchem Betrag bezahlt wurde.«

»Aber man kann auch mit zwei Zwanzigern und einem Zehner bezahlen«, wandte Würmchen ein und schob seine Brille zurecht. Er hatte das Gespräch mit großen Ohren verfolgt.

»Das stimmt. Aber sie ist sich sicher, dass nur vier mal mit einem 50-Euro-Schein bezahlt wurde.«

»Kann sich deine Schwester an die vier Kunden noch erinnern?«, fragte Jonas.

»Erinnern kann sie sich nur recht vage. Zwei von ihnen kannte sie und hat sie länger beraten. Die anderen beiden Käufer kannte sie nicht.

»Gibt es keine Videokamera im Laden?«, fragte Jonas.

»Nein. Gibt es nicht.«

»Vielleicht hat der gesuchte Kunde den nachgemachten Schein selbst irgendwo erhalten und ist nicht der Fälscher«, sagte Jonas.

»Kann sein«, brummte Kröte nachdenklich und kratzte sich am Kinn.

»Heute Nachmittag muss Zerou noch einmal zur Polizei, um ein Protokoll zu unterschreiben.«

»Da kommen wir gleich mit«, schlug Jonas vor.

Kröte schüttelte den Kopf. Zu gern wäre er mit zur Polizei gegangen, um mehr über das Auftauchen des Falschgeldes zu erfahren, aber er hatte Bedenken. »Wenn wir dort alle gemeinsam hingehen, erfahren wir bestimmt nichts.«

»Ich schlage vor, dass Xiaoli ihre Schwester begleitet und dass Maike einmal ihren Vater fragt, ob der etwas über das Falschgeld erfahren hat.«

»Gute Idee!«

»Arbeitet denn dein Vater noch bei der Göttinger Polizei im Raubdezernat?«, fragte Xiaoli.

Maike nickte.

»Ich bin sicher, dass er Kontakt zu den Kollegen hat, die für die Aufklärung dieses Falles zuständig sind«, sagte Kröte.