Jodocus Temme

Der Leichensee und andere Geister-Geschichten

e-artnow, 2016
Kontakt: info@e-artnow.org
ISBN 978-80-268-6776-0

Inhaltsverzeichnis


Der Leichensee
Schlom Weißbart
Der gestohlene Brautschatz
Das lebendig vergrabene Kind
Weihnachts-Heiligerabend
Auf der Eisenbahn
Rosa Heisterberg
Ein Gottesgericht
Der erste Fall im neuen Amte
Er betet
Das Testament des Verrückten
Volkesstimme
Der Unheimliche
Eine Brautfahrt
Der Proceß Leuthold
Die Geschwister
Die schwerste Schuld
Deutsche Herzen, deutscher Pöbel
Ein Beamtenleben
Ein Vertheidiger
Ein Polterabend
Der Zeuge
Nobles Blut
Pater Canisius
Der Richter
In der Propstei
Der Teufel
Auf Waltersburg
Der alte Mann im Gollenberge

Auf Waltersburg.

Novelle.

Inhaltsverzeichnis

1. In Schloßhof und Park.

Auf dem Schloßhofe der Waltersburg standen zwei Männer beisammen, die man auf den ersten Blick für Herren aus dem Schlosse hätte halten können, die sich aber bei näherer Betrachtung als Diener desselben darstellten. Sie befanden sich beide in vorgerücktem Alter; dem Einen war, wie von der Bürde des Alters, der Rücken bereits gekrümmt, und sein Haupt glänzte silberweiß; dem Anderen war das blonde Haar, das er gescheitelt und hinter den Ohren sorgfältig geringelt trug, nur erst grau gemischt; bei gerader Haltung hatte er ein behäbiges Ansehen, während an Jenen die den Körper austrocknenden Tage des Alters schon seit ein paar Jahren herangetreten sein mußten. Die Kleidung Beider war eine sorgfältige, schwarz vom Kopfe bis zu den Füßen, nur die Halsbinden waren weiß, schneeweiß, wie die baumwollenen Handschuhe, mit denen ihre Hände bekleidet waren. In dem Gesichte des Aelteren gewahrte man nur die stille Ergebenheit des Dieners, dem die Treue ein Lebenselement, der Gehorsam zur Lebensgewohnheit geworden. Er war der Diener der Schloßherrin, der Jüngere der des Schloßherrn.

Das Schloß Waltersburg hatte in früheren Zeiten der Stein von Waltershausen geheißen; bis in diese alte Zeit leitete der gegenwärtige Besitzer des Schlosses seinen Stammbaum zurück, wie auch seine Gemahlin einem alten Geschlechte angehörte. Die Ehe war kinderlos.

Die beiden Diener standen in lebhafter Unterhaltung wartend vor dem Portale des Schlosses. Sie waren die einzigen lebenden Wesen, die man auf dem weiten Schloßhofe sah. Auf diesem und in dem großen Prachtschlosse, wie in den Nebengebäuden herrschte die tiefste Stille, und diese Einsamkeit und Stille bildeten den Gegenstand der Unterhaltung der Beiden.

»Lange wird es hier nicht so bleiben,« bemerkte der Jüngere.

Der Aeltere schwieg.

»Heute Abend schon,« fuhr Jener fort, »vielleicht noch früher, wird es hier unruhig genug aussehen.«

Der Aeltere hatte auch darauf keine Erwiderung.

»Es war immer so still und ruhig hier, und nun auf einmal dieser Lärm, diese Angst –«

»Immer?« unterbrach ihn der Aeltere. »Es gab auch Zeiten hier –« Er brach ab.

»Ja, ja,« stimmte der Andere bei, um sofort doch zu widersprechen. »Es gab hier wohl Zeiten, in denen kein rechter Friede da war –«

»Um den Unfrieden im Hause darf der Diener sich nicht kümmern,« fiel der Aeltere ein, »am wenigsten aber soll er davon sprechen.«

Er sprach strenge. Der Andere gab sofort nach.

»Ich wollte nur sagen, daß die Ruhe hier im Schlosse niemals gestört wurde. Das Leben ging immer seinen ruhigen Gang, den einen Tag wie den anderen. Und nun auf einmal soll das vorbei sein –«

Nochmals unterbrach ihn der Aeltere und diesmal strenger als vorher.

»Soll? Hast Du darüber zu bestimmen?«

»Aber,« entgegnete der Jüngere, »Sie können doch nicht leugnen, Friedrich, daß die Bauern rund um uns her nahe daran sind, zu revoltiren, daß sie die Edelsitze stürmen und plündern und auch Schloß Waltersburg von ihnen bedroht wird. Der Bauernadvocat wühlt schon seit drei Tagen unten im Dorfe, macht die Bauern unruhig, widerspenstig. Selbst der Pfarrer, der die Liebe Aller hat –«

Der alte Friedrich mußte doch noch einmal darein reden.

»Liebe!« sagte er. »Liebe der Bauern! Der Bauer muß durch Furcht in Ruhe und Gehorsam gehalten werden, und wenn er die Säbel und Karabiner der Husaren sieht, so – und er wird sie hier oben finden.«

Der Jüngere mußte sein Recht behalten.

»Wir müssen,« sagte er, »doch die Husaren haben, und da ist es mit der Ruhe hier vorbei.«

Die Unterredung der Beiden wurde abgebrochen, da ein Herr aus dem großen Portale des Schlosses trat. Er war ein hübscher Mann, vielleicht in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre, zart gebaut und von frischem, gesundem Aussehen. Sein feines, fast mädchenhaftes Gesicht zeigte Gutmüthigkeit in jedem Zuge. Er schien einen Spaziergang machen zu wollen, denn er blickte beim Heraustreten in den Schloßhof zum Himmel hinauf, wie um das Wetter zu prüfen, richtete dann den Blick in die Ebene hinunter, die weit ausgebreitet vor ihm lag, und stützte sich dabei auf ein spanisches Rohr, das ihm zum Spazierstock diente. Der stattliche Mann war der Schloßherr, Freiherr Adalbert von Waltershausen, auch Stein von Waltershausen genannt.

Bei seinem Erscheinen hatten die beiden Diener sich getrennt. Der alte Friedrich, der Kammerdiener der Schloßherrin, trat zur Seite nach dem Schloßportal zurück, wohl um seine Herrin zu erwarten, während Konrad sich zu seinem Gebieter, dem Schloßherrn begab, um dessen Befehle in Empfang zu nehmen. Es entstand dann auf dem Schloßhofe eine bewegungslose Stille. Der Baron rührte sich nicht, die beiden Diener rührten sich nicht, und erst nach einer Weile wurde die Stille unterbrochen.

Ein feingebauter, noch junger Mann trat aus dem Schlosse in den Hof. Auf den ersten Blick glaubte man, er stehe erst in den zwanziger Jahren, gar in deren Anfange, dann aber mußte man ihn älter finden. Die knabenhafte Röthe seines glatten Gesichts und eine kindliche Gutmüthigkeit in den weichen Zügen gaben ihm ein jugendlicheres Aussehen, einzelne Umrisse um den Mund und in den Augenwinkeln ließen freilich auf ein reiferes Alter schließen. Er war der Baron Kurt von Waltershausen, der jüngste Bruder des Schloßherrn. Alles an ihm war gewählt und elegant. Freundlich grüßend ging er an dem alten Diener Friedrich vorbei zu dem wartenden Schloßherrn.

»Hört man noch nichts?« fragte er den Bruder.

»Es ist Alles ruhig,« war die Antwort.

»Es wird schon kommen,« versicherte mit einer eigenthümlichen Bestimmtheit und Wichtigkeit der Baron Kurt.

Der Schloßherr achtete auf die Worte nicht.

»Du kommst allein?« fragte er. »Ohne Emma?«

»Wir werden sie im Parke finden,« erwiderte er.

Der Schloßherr, der Baron, wie er ohne Hinzufügung seines Taufnamens genannt wurde, zeigte Verwunderung über diese Antwort.

»Wer sagte es Dir?« fragte er.

»Ihre Kammerfrau, als ich sie in ihrem Zimmer suchte, um sie zu der Promenade abzuholen.«

»Sie war nicht in ihrem Zimmer?«

»Sie sei schon vorausgegangen, theilte die alte Lene mir mit.«

»Sonderbar!« sprach der Baron für sich. »Konrad,« wandte er sich dann zu seinem Kammerdiener zurück, »rufe den Friedrich hierher!«

Konrad ging zu dem alten Friedrich, der noch wartend an dem Portal stand, und kehrte mit ihm zurück.

»Ging meine Frau aus?« fragte der Baron den alten Diener.

»Die gnädige Frau,« antwortete dieser, »befand sich nicht ganz wohl, bedurfte der frischen Luft und suchte den Park auf.«

»Allein?«

»Allein, Euer Gnaden! Wenn die gnädige Frau ihre Migräne hat, so fühlt sie das Bedürfniß, sich von jeder Gesellschaft zurückzuhalten.«

»Ja, ja! Ertheilte sie Ihnen keine Befehle?«

»Sie befahl mir nur, wenn der gnädige Herr nach ihr fragen werde, zu berichten, daß sie den Park aufgesucht habe. Sie hoffte aber vor der Promenadenzeit schon zurück zu sein.«

Um drei Uhr Nachmittags wurde im Schloß die Tafel aufgehoben, und um vier Uhr fand eine gemeinschaftliche Promenade der Herrschaft statt, welche etwa eine Stunde zu dauern pflegte. Das Leben im Schlosse war ein nach der Uhr geregeltes.

»Um welche Zeit,« fragte der Baron noch, »ging die gnädige Frau aus?«

»Es ist noch nicht sehr lange her.«

Die Antwort wurde mit einer gewissen Befangenheit gegeben, wie denn das Benehmen des alten Kammerdieners von Anfang an nicht ohne Befangenheit gewesen war. Mit bekümmertem Gesicht zog er sich wieder auf seinen Posten am Schloßportale zurück.

»Mich wundert nur,« nahm Baron Kurt das Gespräch wieder auf, »daß es noch immer so still bleibt.«

Der ältere Bruder antwortete darauf nicht.

»Die Bauern,« fuhr der Andere fort, »sind doch schon seit dem Morgen versammelt, und zum Abend soll es losgehen. Da müßte man etwas von ihnen hören.«

»Wenn es losgeht, werden wir es schon hören,« entgegnete der Baron.

»Mögen wir es nur nicht zu spät hören!«

Der Baron schwieg darauf wieder.

»Ja, ja,« meinte der jüngere Bruder, »Du bist immer so ruhig. Ich kann es nicht sein.«

»Sei auch Du ruhig, Kurt!«

»Bei der Gefahr, die uns droht?«

»Ja! Du bist nicht der Mann, darin zu handeln, und auch ich bin es nicht. Ueberlassen wir Alles Emma und dem alten Bannhart! Emma ist klug und muthig, und unser Haushofmeister hat schon manchen Krieg mitgemacht und in blutigen Schlachten gekämpft; er wird den Kopf nicht verlieren.«

Der Baron hatte mit einer Energie gesprochen, die um so mehr auffallen mußte, je mehr sie gegen sein sonstiges schlaffes, apathisches Wesen abstach.

»Was nur Emma in dem Parke macht?« fragte Baron Kurt. »Gerade jetzt?«

»Sie wird Anordungen zu treffen haben,« meinte der Baron.

»Allein?«

»Mit Bannhart, der schon vor längerer Zeit das Schloß verließ.«

»Ja, sie hat Muth.«

»Machen wir jetzt unsere Promenade!« forderte dann der Baron den Bruder auf.

Kurt hatte auf einmal Bedenken.

»Hm, lieber Adalbert, auch heute die Promenade? Bleiben wir doch lieber im Schlosse!«

»Warum?« fragte der Baron.

»Dem Schlosse könnte Gefahr drohen.«

»Welche Gefahr?«

»Ein Ueberfall der Bauern.«

»Wir Beide könnten ihn nicht abwenden, Bruder Kurt.«

»Nein, nein! Aber draußen sind wir noch weniger sicher. Wir könnten bei jedem Schritt überfallen werden.«

Es lag wohl keine Logik in dem Einwande des guten Baron Kurt. Der Baron Adalbert dachte dennoch über ihn nach.

»Gehen wir doch!« sagte er. »Zu Emma! Sie könnte in Gefahr gerathen. Sie ist allein mit Bannnhart fort.«

»Könnten wir ihr helfen?« fragte jetzt Kurt.

»Wir müssen doch den Muth haben.«

Der jüngere Bruder sann einen Augenblick nach.

»Ja, Adalbert!« sagte er dann entschlossen. »Wir wollen den Muth haben. Es ist ein Ritterdienst gegen eine Dame. Die Chronik unseres edlen Hauses –«

Er schwieg.

»Gehen wir!« forderte der Baron Adalbert ihn auf.

»Wohin?«

»In den Park.«

»Ah, und wo finden wir sie in dem Park? Er ist groß.«

»Wir suchen sie.«

Der Baron sagte das, indem er nach dem Parke hin sich in Bewegung setzte, und Kurt konnte nicht zurückbleiben. Beiden folgte der Kammerdiener Konrad.

Schloß Waltersburg war ein Prachtgebäude. Ausgeführt in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, trug es nicht den Baustil jener Zeit und war dadurch zu einem einfachen, edlen und großartigen Bau geworden, bestimmt für die Dauer von Jahrhunderten, für jedes Jahrhundert ansprechend. Es lag auf einer vorspringenden Anhöhe, die lange Façade frei, mit einem weiten Blick über den größten Theil des Parkes hinweg, in ein längeres Thal, auf das Dorf Waltershausen, auf Fluren und Weiden, auf den hohen Wald hinter dem Dorfe, auf die blauen Berge, die hinter dem Wald am fernen Horizont sich erhoben. Seine drei anderen Seiten waren von dichter Waldung umgeben, und ein geräumiger vergitterter Hof umzog das Schloß mit seinen Nebengebäuden nach allen Seiten.

Die beiden Brüder hatten den Park betreten; sie gingen schweigend weiter, den Diener immer in der gemessenen Entfernung von zehn Schritten hinter sich. Rings um sie her herrschte tiefe Stille, in der Nähe, wie in der Ferne, in dem Schlosse hinter ihnen, in dem Dorfe, das vor ihnen im Thale lag. Wühlte da unten der Bauernadvocat, so war es bis jetzt nur ein stilles Wühlen, das freilich um so gefährlicher werden, um so größeren Lärm, um so dringendere Gefahr nach sich ziehen konnte.

Die beiden schweigenden Spaziergänger lenkten ihre Schritte dem Dorfe zu. Sie kamen an Alleen, an grünen Rasenplätzen, an blauen Weihern, an dunklen Bosquets vorüber. An der Mündung einer Allee machte der Baron plötzlich Halt, er hatte hineingeblickt; ein einzelner Mann kann darin näher.

»Bannhart!« sagte der Baron verwundert. »Allein? Ohne Emma? Erwarten wir ihn!«

Sie warteten auf denn Nahenden. Der Mann ging langsam, in Gedanken, wie es schien, aber auf einmal stand er still, er hatte die beiden Brüder gesehen – er stutzte.

»Was hat Bannhart?« fragte sich der Baron.

»Gehen wir ihm entgegen!« meinte Kurt.

»Wir erwarten ihn,« entschied der Schloßherr.

Der Haushofmeister setzte sich wieder in Bewegung und erreichte bald die Herrschaft. Er war eine ganz eigene Persönlichkeit. Daß er nahe an siebenzig Jahre zählen mußte, konnte man ihm nachrechnen, wenn auch Niemand, er selbst vielleicht eingeschlossen, sein Geburtsjahr kannte. Bei der Husarenschwadron, in welcher der Freiherr von Waltershausen, der Vater der auf der Waltersburg lebenden Brüder, als Lieutenant gestanden hatte, diente Bannhart als Unterofficier. Der tüchtige und erfahrene Mann wurde der Unterweiser des jungen, unerfahrenen Lieutenants. In den vielen blutigen Kriegen jener Zeiten hatten sie manche gemeinschaftliche Gefahr zu bestehen, und bald hieb der Unterofficier den Lieutenant, bald der Lieutenant den Unterofficier heraus. Der Unterofficier wurde Wachtmeister, und der Lieutenant avancirte zum Rittmeister – sie blieben verbunden, der Rittmeister wurde etatsmäßiger Stabsofficier, zuletzt Oberst und Commandeur des Regiments, aber der Wachtmeister konnte nicht weiter avanciren. Verbunden blieben die Beiden gleichwohl auch jetzt, und als der Oberst mit dem Charakter als General seine Entlassung nahm, erbat er auch für den Wachtmeister Bannhart den Abschied mit dem Gesuch, ihm den Grad eines Lieutenants zu verleihen, was dem tapferen und angesehenen General von Waltershausen nicht abgeschlagen wurde – er und sein Lieutenant blieben weiter mit einander verbunden. Sie gingen nach der Waltersburg, der General machte hier seinen alten Waffen- und Kriegsgefährten zu seinem Haushofmeister, damit er von den Strapazen des langjährigen Kriegsdienstes ausruhen konnte, und der Lieutenant konnte, auch wenn die vornehmste Gesellschaft da war zur Tafel und zu anderen Haus- und Familienfesten zugezogen werden. Freilich mußte er immer seinen Soldatenrock tragen, gewöhnlich die Interimsuniform, wie auch der General sie trug.

Die Stellung des Lieutenants im Schlosse erlitt durch den Tod des Generals keine Veränderung; denn sie war eine gewohnheitsmäßige und Allen unentbehrliche geworden. Der alte Herr hinterließ drei Söhne, von denen wir zwei kennen gelernt haben, sie bedurften einer kräftigen, zuverlässigen männlichen Stütze, welche sie an dem Lieutenant Bannhart auch fanden. Ein dritter Bruder war noch da, der zweitgeborene, Freiherr Ottokar, er wurde dem Soldatenstande gewidmet, gleich seinem Vater, und ihm wurde der alte Bannhart zugleich Instructeur.

Kehren wir in den Park zurück!

Der Haushofmeister hatte die beiden Freiherren erreicht. Er war trotz der Mitte seiner sechsziger Jahre eine derbe, kräftige, hochaufrechte Wachtmeister-Gestalt, der Rücken ungebeugt, das Gesicht starkknochig, das etwas struppige Haar grau, nicht weiß, die Haltung stramm, der Gang fest, die Interimsuniform von unten bis oben zugeknöpft. Es mußte heute etwas Ungewöhnliches an ihm wahrzunehmen sein; denn der Baron Adalbert fragte ihn sofort:

»Was ist Dir begegnet, Bannhart?«

Die beiden Brüder durften »Du« zu ihm sagen – eine Gewohnheit aus ihrer frühesten Knabenzeit. Für alle anderen Bewohner des Schlosses war er »der Herr Lieutenant«, der Schloßherrin gegenüber hatte er freilich wieder eine besondere Stellung.

In dem knorrigen Gesichte des Lieutenants zeigte sich bei dieser Frage eine gewisse Verlegenheit; er schlug die Augen nieder.

»Begegnet ist mir wohl nichts, Herr Baron, aber muß man nicht in jeder nächsten Minute etwas erwarten?«

Er sprach ungewiß, die Augen konnte er noch nicht wieder erheben.

»Vernahmst Du etwas?« fragte der Baron.

»Noch ist es ruhig da unten im Dorfe – es scheint wenigstens so.«

»Sahst Du meine Frau? Wir suchen sie.«

Die Verlegenheit des alten Mannes steigerte sich durch diese Worte des Barons zu einer auffallenden Angst.

»Gehen Sie nicht weiter, Herr Baron!« ermahnte er, bat er.

Der Baron blickte ihn verwundert an.

»Aber warum nicht? Ist sie im Park? Sahst Du sie?«

Bannhart hatte sich gefaßt, in der Einsicht, daß er durch Unvorsichtigkeit etwas verrathen hatte, was er sorgfältig hatte verbergen wollen.

»Herr Baron,« erwiderte er, »ich bitte Sie, kehren Sie um! Jeder Schritt weiter kann Sie in Gefahr bringen. Der Bauernadvocat ist schon seit drei Tagen im Dorfe, wühlt und hetzt die Bauern auf, und jetzt sind sie im Dorfkruge beisammen, schon den ganzen Tag. Jeden Augenblick können sie sich gegen das Schloß in Bewegung setzen. Ihr nächster Weg ist durch den Park, und sie haben hier zugleich den Vortheil, sich unbemerkt nähern zu können. Bedenken Sie, wenn die Menschen betrunken, aufgeregt, Ihnen hier begegneten!«

Die Mahnung war nicht ohne Wirkung geblieben. Der Baron Adalbert sann still nach. Kurt aber rief lebhaft:

»Laß sie kommen! Es sind Bauern. Sie sollen Respect vor ihrer Herrschaft haben.«

Der eigenthümliche Muth des zarten Herrn mit dem knabenhaften Gesichte konnte zwar den älteren Bruder nicht entflammen, kaum seine natürliche Ruhe stören, aber sie weckte die Erinnerung in ihm an den Zweck, der ihn in den Park geführt, den er wenigstens dem Bruder angegeben hatte.

»Meine Frau ist im Park, und sie könnte in Gefahr gerathen. Wir müssen sie aufsuchen.«

»Ja, ja!« bestätigte der Baron Kurt.

Die Angst des alten Lieutenants hatte sich vermehrt.

»Sie werden sie nicht im Parke finden,« erwiderte er ängstlich. »Kehren Sie mit mir um! Ich versichere Sie, es ist am besten so.«

Seine Dringlichkeit schien den Baron um so zäher gemacht zu haben.

»Ich kann meine Frau nicht im Stich lassen.«

»Und ich meine Schwägerin nicht,« rief der Baron Kurt.

»Aber wo wollen Sie die gnädige Frau suchen?«

»Zunächst im grauen Pavillon. Sie geht am liebsten dahin.«

Durch das Gesicht des Lieutenants zog eine flüchtige Blässe. »Sie werden sie dort nicht finden,« rief er.

»Und woher weißt Du das?«

Der Lieutenant hatte keine Antwort.

»Gehen wir zu dem Pavillon!« drängte der Baron Kurt den Bruder und nahm dessen Arm. Beide gingen weiter in die Allee hinein, aus welcher der alte Bannhart gekommen war, und der Diener folgte ihnen. Bannhart sah ihnen mit den Zeichen des Schrecks nach. Nach einer halben Minute setzte er seinen Weg fort, dem Schlosse zu. – –

Der alte Bannhart hatte wohl Veranlassung gehabt, die beiden Brüder, besonders den Baron Adalbert, von einem Aufsuchen der Baronin in dem grauen Pavillon zurückzuhalten. Eine Viertelstunde vorher hatte in der Nähe dieses Pavillons sich etwas zugetragen, von dem der alte Soldat, wenn auch nur zum Theil, so doch immerhin genugsam Zeuge geworden war, um sich zu sagen, daß großes Unheil entstehen müsse, wenn außer ihm noch irgend Jemand Kenntniß davon erhalte.

Eine einsame Dame ging in der Nähe des grauen Pavillons unter hohen Bäumen und zwischen dichten Gebüsch auf und ab, eine auffallend schöne Frau, eine hohe Gestalt, die Gesichtszüge fein und edelgeformt. Sie war nicht mehr ganz jung; die erste Hälfte der zwanziger Jahre hatte sie jedenfalls überschritten, und für Augenblicke konnte man sie sogar für älter halten. Wie das Glück verjüngt, so machen Kummer, Schmerz und Gram den Menschen vor der Zeit alt. Kann doch eine einzige Nacht voll Angst und Schmerz den rüstigsten Mann in einen Greis verwandeln.

Die ganze Erscheinung der Dame verrieth einen tiefen inneren Schmerz, aber sie verrieth noch mehr, aus den großen dunkeln Augen, aus der Gluth, die sich plötzlich durch ihre bleichen Wangen ergoß, leuchtete eine wilde, unbezähmbare Leidenschaft hervor, die dieses schöne Weib zu verzehren drohte. Sie schritt unruhig, hastig umher. Plötzlich machte sie eine Pause; sie horchte auf, sie glaubte einen Schritt, ein Geräusch zu vernehmen. Jähe Gluth durchströmte ihr Gesicht. Allein Niemand näherte sich – sie hatte sich getäuscht, ihre Wangen wurden wieder bleich, und um ihre Mundwinkel zuckte der Schmerz. Unruhig, hastig schritt sie weiter.

In diesem Moment hatte der alte Bannhart sie gesehen und eine Weile beobachtet. »Arme, unglückliche Frau!« mußte er sich mitleidig sagen und dabei doch mißbilligend das graue Haupt schütteln. Er durchstreifte den Park, um sich von der Bewegung und den etwaigen Schritten der Bauern zu überzeugen, von denen noch zum Abend ein Ueberfall erwartet wurde.

Lange stand er unschlüssig, ob er seine Gegenwart der Dame zu erkennen geben, ob er sie anreden, sie mit sich zum Schlosse zurücknehmen solle. Sie war die Schloßherrin, die Gemahlin des Freiherrn Adalbert.

»Nein,« sagte er sich zuletzt. »Ich würde Oel in diese wilde Flamme gießen.«

Er konnte aber auch nicht zurückkehren; denn er mußte wissen, was sich weiter begeben werde. Der Hufschlag eines Pferdes wurde laut. Er ertönte aus dem Dickicht der Waldung, und zwar von einem Wege her, der zum Abholen des Holzes aus dem Walde diente und meistens nur den Arbeitsleuten des Schlosses, freilich auch den Gutsjägern, bekannt war. Die Schloßherrin wußte, wer ihn jetzt ritt. Der Weg war holperig, mitunter steil; er führte aus dem Thale, in das hinein sich die Waldung erstreckte, zu der Anhöhe hinauf, wo Wald und Park sich vereinigten. So konnte denn das Pferd nur langsam näher kommen. Die Schloßherrin eilte ihm entgegen, mit klopfendem Herzen, mit fliegendem Athem, mit wogender Brust. Bei einer Biegung des Weges stand sie vor dem Pferde, vor dem Reiter.

»Ottokar!«

Die Stimme versagte ihr, und ihr Gesicht war schneeweiß, alles Blut war ihr zum Herzen gedrungen – sie war dem Umsinken nahe.

Der Reiter sprang vom Pferde, er warf dem Thiere die Zügel über den Hals und fing die Sinkende auf. Beide lagen einander in den Armen.

Sie waren ein schönes Paar, die Freifrau von Waltershausen und der Husarenrittmeister Freiherr Ottokar von Waltershausen. Sie, die feine, elegante, bleiche Dame, er, der gewandte, kräftige, elastische Soldat, dem die knappe Uniform wie angegossen saß, aus dessen Augen die Kühnheit blitzte, dessen ganzes Aeußere den sicheren männlichen Muth zeigte. Sein Gesicht trug die Formen und Züge seiner beiden Brüder, aber wie war er ein ganz Anderer, als diese, von denen der Eine träge Apathie, der Andere gar den Mangel an Geist zu Tage legte!

»Ottokar!«

»Emma! Endlich durfte ich Dich wiedersehen. Jahrelang warst Du grausam.«

»Ich war es nur gegen mich.«

»Gegen uns Beide war es das Geschick.«

»Es wird, es muß es bleiben, so lange wir leben. Aber laß uns diesen Augenblick genießen, Ottokar! Die nächste Stunde gehöre nur uns!«

Sie führte ihn auf dem Wege unter die Bäume des Waldes zurück. Sie gingen fest umschlungen und das Pferd folgte auf ein Zeichen des Officiers klug und gehorsam in einer Entfernung von wenigen Schritten.

Emma von Bartenfeld war die Nichte der verstorbenen Generalin von Waltershausen und eine Waise, ihr Vater war als armer Officier gestorben, und ihre Mutter hatte sie schon früher verloren. Die Tante nahm sich der Waise an, nahm sie zu sich. Emma wuchs auf und wurde mit ihren beiden Vettern Adalbert und Kurt erzogen. Die Brüder, in geistiger Beziehung von der Natur stiefmütterlich ausgestattet, konnten eine öffentliche Laufbahn nicht verfolgen und waren nur für ein stilles, zurückgezogenes häusliches Leben bestimmt. Dafür suchte die Mutter sie auszubilden; dazu gab sie ihnen die stille, gemüthvolle, mit reichen Geistesgaben ausgestattete Nichte zur Gesellschafterin und Erzieherin, aber dem Erbherrn Adalbert sollte sie später noch mehr werden. Bei seiner Unselbständigkeit bedurfte er einer verständigen und willenskräftigen Führerin.

»Emma,« sagte die Tante eines Tages, »willst Du ihm die sichere, treue Lebensgefährtin werden? Willst Du, kannst Du mir und ihm dieses Opfer bringen?«

»Dir könnte ich jedes Opfer bringen, liebe Tante; denn Dir verdanke ich Alles. Aber Adalbert hat ein stilles, bescheidenes, genügsames Herz, die selbstlose Gutmüthigkeit, und ich bringe kein Opfer, wenn ich seine Gattin, Deine Tochter werde.«

Die Generalin umarmte die Nichte, die künftige Schwiegertochter. »Möge er auch Deinem Herzen theuer werden können, meine Emma!« sagte sie.

»Ich werde ihn lieben.«

»Versuche es!«

Ich werde ihn lieben. Das achtzehnjährige Mädchenherz hatte es versprochen, hatte den Willen, das Versprochene zu halten. Da brachte der General seinen zweiten Sohn Ottokar auf Urlaub mit sich nach Hause. Er war Officier, junger Lieutenant in dem Regimente seines Vaters, und als Nachgeborener sollte er, gemäß der Gewohnheit des Adels, eine militärische Laufbahn einschlagen, worauf ihn sein ganzes Wesen auch hinzuweisen schien. Er hatte eine kräftige, gewandte, wohlgebaute Gestalt, einen kühnen Muth, ein feuriges Temperament und verband damit Geist und Edelmuth.

So sah Emma ihn; so sah sie ihn im Contraste zu seinen Brüdern. Und Ottokar Waltershausen konnte in dem still waltenden, verständigen und anspruchslosen schönen Mädchen nur das Opfer erblicken, das einer gewiß wohlgemeinten, aber unglücklich ersonnenen Combination gebracht wurde.

War es ein Wunder, daß die Beiden sich liebten, um so inniger und heißer sich liebten, als sie ihre Gefühle nicht austauschen, nicht einmal zeigen dürften, um so gewaltiger und verzehrender sich liebten, als endlich doch in einer glücklichen und doch so unglücklichen Stunde die Herzen sich fanden, sich einander entdecken mußten? Wohl trennten sie sich dann mit dem Schwure, sich ewig zu lieben, aber sich nie wiederzusehen. Den Schwur hielten sie. Sie sahen sich in vielen Jahren nicht wieder, und ihre Liebe war um so inniger geblieben, zu einer stillen verschwiegenen, um so süßeren Sehnsucht angewachsen.

Da wurde auch die Waltersburg von einem jener Bauernüberfälle bedroht, die damals wie eine furchtbare Volksepidemie durch das ganze deutsche Land sich zogen, die mit ihren Gewaltthätigkeiten, Plünderungen, Zerstörungen noch heute in dem Gedächtnisse Vieler leben. Man mußte sich bei Zeiten dagegen zu sichern suchen. Der Rentmeister, der erste Beamte des Schlosses, begab sich zu seinem Herrn.

»Herr Baron, überall im Lande haben die Bauern sich gegen ihre Gutsherrschaften empört, sie überfallen die Schlösser, plündern sie, stecken sie gar in Brand, verlangen Erlaß aller Abgaben, Befreiung von Diensten –«

»Man liest es in den Zeitungen,« unterbrach der Baron den Beamten. »Aber unsere Bauern haben sich noch völlig ruhig verhalten.«

»Nichts, Euer Gnaden, steckt mehr an, als der Geist des Aufruhrs. Es dürften daher mindestens Vorsichtsmaßregeln geboten sein.«

»Ich denke,« unterbrach ihn nochmals der Baron, wir sind hier sicher. »Das Schloß ist fest, denn es ist auf allen Seiten von dem vergitterten Hofe eingeschlossen.«

»Wir dürften doch in einer gefährlichen Lage sein, Euer Gnaden. Das Gitter würde dem ersten Anpralle weichen, und die entfesselte Menge, einmal im Schloßhofe, könnte schon an Thüren und Fenstern Verwüstung genug anrichten.«

»Sie hätten nichts davon, Heimann.«

»Sie hätten ihre Zerstörungswuth befriedigt, Rache ausgeübt.«

»Aber, mein lieber Heimann, die Bauern sind ja noch vollkommen ruhig.«

»Aeußerlich, Euer Gnaden. Der durch seine Hetzereien berüchtigte Bauernadvocat ist schon seit drei Tagen im Dorfe.«

»Heimann,« sagte der Baron, »lassen Sie den Menschen arretiren! Geben Sie sofort dem Dorfschulzen den Befehl dazu!«

»Gnädiger Herr, wir würden dadurch den Aufruhr in helle Flammen treiben.«

»Aber was fangen wir denn an?«

»Dürfte ich mir erlauben, Euer Gnaden einen Vorschlag zu machen, so würde ich unterthänig anheim geben, zur Sicherheit des Schlosses von der Regierung ein Militärcommando hierher zu erbitten.«

»Ah, mein Bruder Ottokar!« rief der Baron.

Der Rentmeister hielt den neuen Gedanken seines Herrn fest, er hatte damit einen Anker für seinen Zweck gewonnen.

»In der That!« sagte er. »Wenn Euer Gnaden mir den Befehl ertheilen würden, so könnte ich noch heute abreisen, den Oberpräsidenten um das Commando bitten und zugleich den Wunsch Eurer Gnaden zu erkennen geben, daß das Commando unter den Befehl des Herrn Baron Ottokar gestellt würde.«

»Thun Sie das, besorgen Sie Alles, lieber Heimann!«

»Darf ich noch eine Bitte unterthänig hinzufügen?«

»Sprechen Sie!«

»Kein Dritter darf von der Sache wissen. Wir liefen sonst Gefahr, daß die Aufrührer etwas erführen und sofort losbrächen.«

»Sie haben Recht, Heimann. Kein Wort darüber soll über meine Lippen kommen, nicht einmal Kurt gegenüber. Darf auch meine Frau nichts wissen?«

»Es würde die gnädige Frau unnöthig beunruhigen.«

»Ja, ja!«

»Ich darf also unverzüglich abreisen?«

»Auf der Stelle, und kommen Sie sobald wie möglich zurück!«

Der Rentmeister reiste unverzüglich in die Hauptstadt der Provinz ab, hatte hier zunächst eine Besprechung mit dem Rittmeister Ottokar von Waltershausen, dessen Regiment zu der Garnison der Stadt gehörte, und fand ihn zu der Expedition bereit. Er brachte seine Anträge bei dem Oberpräsidenten der Provinz vor und erhielt deren Genehmigung in allen ihren Theilen. Mit dieser Nachricht war er in der Nacht wieder auf der Waltersburg. Hier hatte der brave Mann, der Vertraute aller Geheimnisse des Schlosses, zunächst eine schwere Aufgabe zu erfüllen. Er sah noch Licht in dem Zimmer der Baronin, ließ sich durch ihre alte Kammerfrau sofort bei ihr melden und wurde angenommen. Sie erwartete ihn mit bleichem Gesicht.

»Ich komme aus der Stadt, gnädige Frau.«

»Ich weiß es.«

»Sie wußten es?«

»Ich errieth es.«

Ein Seufzer, ein trauriges Lächeln begleiteten ihre Worte.

»Sie wollten,« fuhr sie fort, »uns Hülfe holen gegen einen Ueberfall der Bauern. Sie erhielten sie?«

»Ich erhielt sie.«

»Und Sie wollen mir Nachricht bringen – über den Officier, der das Commando führt?«

»Der Herr Baron Ottokar.«

»Ich hatte es erwartet. Wann wird mein Schwager eintreffen?«

»Morgen gegen Abend.«

»Haben Sie meinem Manne schon die Meldung gemacht?«

»Bei dem gnädigen Herrn sah ich kein Licht mehr.«

»Und bei mir sahen Sie es noch? Ich danke Ihnen. Haben Sie noch eine besondere Mittheilung für mich?«

»Nein, gnädige Frau.«

»So habe ich eine Bitte an Sie.«

»Befehlen Euer Gnaden!«

»Ich hätte mit meinem Schwager, bevor er sich im Schlosse vorgestellt hat, wenige Worte zu sprechen. Geheim! Niemand darf davon erfahren. Werden Sie es vermitteln?«

»Gnädige Frau,« sagte der Beamte, »Sie kennen meine Treue, meine Verschwiegenheit. Befehlen Sie über mich!«

»Wohlan! Machen Sie meinem Manne Ihre Meldung! Beordern Sie dann einen reitenden Boten, der sich bereit halte, in der nächsten Viertelstunde auf dem Wege zur Stadt zu sein, und kehren Sie darauf zu mir zurück!«

»Zu Befehl, Euer Gnaden!«

Der Rentmeister ging kopfschüttelnd zu dem Baron, den er, nach dem früher erhaltenen Befehle, sofort mußte wecken lassen.

»Aber sie ist eine brave Frau,« sagte er sich und war doch nicht beruhigt.

Er ließ den Baron wecken und theilte ihm den Erfolg seiner Sendung mit. Der Baron rieb sich vergnügt die Hände.

»Das ist ja reizend, mein lieber Heimannn. Jetzt mögen die Bauern kommen! Treffen Sie alle Anstalten für die Aufnahme der Husaren – die Appartements für meinen Bruder stehen doch bereit?«

»Zu Befehl, gnädiger Herr!«

Der Baron schlief weiter. Der Rentmeister bestellte den reitenden Boten, kehrte zu der Baronin zurück und empfing von ihr ein versiegeltes Billet ohne Aufschrift.

»Legen Sie es in ein Couvert, das von Ihrer Hand die Adresse meines Schwagers trägt!«

Nach einer Viertelstunde war der Bote mit dem Billet auf dem Wege zu der Hauptstadt der Provinz. Es war Mitternacht vorüber, als er abritt.

Nachdem an dem Tage, welcher dieser Mitternacht folgte, die Mittagstafel im Schlosse beendigt worden war und die Schloßherrschaft eine Stunde später ihre gewöhnliche Nachmittagspromenade antreten wollte, war die Schloßherrin nicht zu finden und es hieß, sie sei in den Park gegangen, wahrscheinlich um mit dem Haushofmeister Bannhart irgend etwas anzuordnen.

Im Parke war sie, und der Herr Bannhart war auch da, aber nur zufällig hatte er sie hier getroffen und zwar nicht sie allein, sie hatte ihn nicht gesehen, und er war nach langem Kampfe mit sich zum Schlosse zurückgekehrt. Das war der Moment gewesen, wo der Baron Adalbert und der Baron Kurt ihm auf dem Rückwege begegnet waren, wo er sie vergebens zurückzuhalten gesucht, sich zum grauen Pavillon zu begeben, denn dorthin hatte die Schloßherrin den Rittmeister geführt.

Die Beiden gingen Arm in Arm, fest umschlungen, in dem stillen weiten Walde, in dem sie sich allein glaubten, in dem sie die Nähe eines Menschen nicht ahnen konnten. Die Herzen, die an einander schlugen, hatten sich geöffnet. Sie hatten sich seit einer Reihe von Jahren nicht gesehen, in keiner unmittelbaren Verbindung mit einander gestanden; nur durch Dritte hatte Eins von dem Andern Nachricht erhalten, auch Grüße, kalte Grüße durch Dritte. Und ihre Herzen schlugen so heiß für einander, und sie konnten es sich nicht sagen. Heute endlich konnten sie es. Aber durften sie es?

»Das Schicksal war grausam gegen uns Beide,« hatte er gesagt.

»Es ist noch so,« erwiderte sie.

»Auch heute, Emma?«

»Immer! Es muß so bleiben.«

»Nein, nein, Emma! Du beschiedest mich hierher, und Du liebst mich, wie ich Dich liebe. Wir haben uns wiedergefunden, und nichts kann, nichts soll uns mehr von einander trennen. Keine Macht! Wir gehören nur uns an. Nur uns! Sage auch Du es mir!«

Seine Augen leuchteten in dunkler Gluth, und er umschlang sie mit seinen Armen, preßte sie an sein Herz. Ihre Wangen erglühten – sie zitterte.

»Du gehörst mir, Emma. O, sage es, sage es!«

»Mein Ottokar!« flüsterte sie leidenschaftlich.

Dann bedeckte Leichenblässe ihr Gesicht; sie zitterte nicht mehr; – sie riß sich von ihm los und stieß ihn zurück. Ein lauter Schrei entfuhr ihren Lippen.

»Ich bin eine ehrliche Frau, ich will es bleiben.« Ein Strom von Thränen entstürzte ihren Augen.

Einen Moment war der Rittmeister, der kräftige Mann, der tapfere Soldat, wie erstarrt, wie von einem schweren Schlage zerschmettert. Dann raffte er sich auf.

»Emma, verzeihe mir!«

»Nie!« rief sie. »Nicht Dir, nicht mir!«

»Emma, meine geliebte, theuerste Emma!«

»Ottokar,« unterbrach sie ihn. Sie war ruhig geworden; ihr Gesicht war noch mit Leichenblässe bedeckt, aber es zeigte Festigkeit und Klarheit, und fest und klar fuhr sie fort: »Wir haben eine schwere Minute hinter uns, wir haben sie überwunden, und sie soll wie eine ewige Scheidewand zwischen uns stehen. Gieb mir Deine Hand darauf!«

Sie hielt ihm ihre Hand hin, und er legte die seinige hinein; er konnte es nur zögernd thun. Sie blickte ihn fest mit klaren Augen an, und er mußte scheu seinen Blick zur Seite wenden. Sie zog ruhig ihre Hand aus der seinigen zurück.

»Gehen wir zum Schlosse!« sagte sie.

Sie schlugen den Weg dahin ein. Ihr Gesicht blieb leichenblaß, und dunkle Röthe bedeckte das seinige. Sie sprachen kein Wort mit einander. Es war ein seltsamer Anblick, dieses schöne Paar; stumm und kalt gingen sie neben einander her, keinen Blick wechselnd, zweien Menschen gleich, die sich völlig fremd sind. Und die Liebe zu einander brannte in ihren Herzen. Das Roß des Officiers folgte ihnen, fromm wie ein Lamm, mit klugen Augen, als ob es Alles wisse.

2. Eine Bauernversammlung.

Im Kruge von Waltershausen war fast die gesammte erwachsene männliche Einwohnerschaft des Dorfes versammelt. Die geräumige Gaststube hatte kaum die Hälfte der Zuströmenden aufnehmen können; man hatte sich daher zu der Kegelbahn begeben, die unmittelbar hinter dem Hause lag. Die Bauern Waltershausens gehörten zu den wohlhabendsten der Gegend; denn die Fluren des Dorfes lieferten reiche Erträge an Getreide jeglicher Art, und der vortreffliche Stand der Waldungen sicherte ihnen einen Handel mit Brenn- und Nutzholz, der bis über die Landesgrenzen hinaus eine Berühmtheit erlangt hatte. Die Abgaben der Bauern waren gering. Außer den allgemeinen Staatsabgaben, hatten sie nur an die Gutsherrschaft aus der Waltersburg einen mäßigen Zins und an den Pfarrer geringe Kalenden sowie für seine besonderen Amtshandlungen Gebühren nach dem Belieben eines Jeden zu entrichten. So hatten sie seit Menschengedenken gute Tage gehabt, und sie hatten es dankbar anerkannt, waren zufrieden gewesen, hatten sich nicht überhoben, weder gegen die Gutsherrschaft noch gegen den Pfarrer. Zu Unzufriedenheit gegen diesen wie gegen jene hätten sie auch sonst keine Veranlassung gehabt. Der alte General von Waltershausen war zwar ein rauher Soldat, der manchmal aufbrausen konnte, aber er war auch ein Mann von strengem Rechtssinn und frommen und mildem Gemüth, der keinem Menschen Unrecht thun, keinen bedrücken konnte. Sein Sohn Abalbert hatte bei aller Apathie und Beschränktheit das mildeste Herz von der Welt, was aber den Pfarrer des Dorfes betraf, so war er der Vater der Armen, der Tröster der Unglücklichen, der Stifter und Erhalter des Friedens in der ganzen Gemeinde. »Wir würden für unsern Pfarrer Reif durch’s Feuer gehen,« sagten die Leute laut, und für seine blasse, unglückliche Tochter hatten sie eine stille Verehrung, wie für eine Heilige, wenn sie auch den Grund ihres Unglücks nicht kannten, vielleicht gerade weil sie ihn nicht kannten.

Die guten Tage, wenigstens die zufriedenen Tage der Bauern in Waltershausen sollten mit einem Male ein Ende nehmen.

Ein revolutionärer Geist hatte das deutsche Volk erfaßt. Jahrhunderte lang hatte es den Druck erduldet, die Fesseln getragen, durch welche die politische Unmündigkeit aufrecht erhalten werden sollte. Jetzt gelangte es zu dem Bewußtsein seiner Mündigkeit, und wälzte den Druck von sich, zersprengte die Fesseln. Wenn ein Strom, lange eingedämmt und in seinem Laufe gewaltsam eingehalten, seine Dämme endlich durchbricht, zersprengt und zerwühlt, so stürzt er unaufhaltsam weiter; seine Fluthen reißen nieder, was ihnen im Wege ist, zerstören Aecker, Wiesen und Weiden, Wälder, Dörfer und Städte. Sie können nicht anders; es muß so sein – es ist ein Naturgesetz.

Der Bauernstand war viele und lange Jahre der gedrückte Stand auch in deutschen Landen und zwar wohl ganz besonders in deutschen Landen. Bauernkrieg, Bauernaufruhr, Bauernunruhen sind vielfache Episoden in der deutschen Geschichte; sie bilden die grausamsten, die zerstörendsten, die traurigsten Phasen dieser Geschichte. Wie konnte es auch anders sein? Hatten doch die reichen Klöster von ihren »eigenbehörigen« Bauern das lateinische Sprüchwort: »Rustica gens optima flens, pessima ridens«. Wir werden bald eine deutsche Uebersetzung der Worte kennen lernen. Und eine wie unendlich bessere Lage hatte der Klosterbauer gegenüber dem »eigenbehörigen« Amts- oder Gutsbauer!

Die Bauernunruhen gingen in der Zeit, aus der wir erzählen – sie liegt kaum zwei Generationen hinter uns – wie eine entsetzliche Epidemie durch deutsche Lande; sie verbreiteten sich von Dorf zu Dorf, von Kreis zu Kreis, von Provinz zu Provinz. Sie waren in erster Linie gegen die Gutsherren gerichtet, in zweiter Linie gegen die Pfarrer.

Das Dorf Waltershausen war lange von ihnen verschont geblieben. Da eilte eines Tages durch das Dorf die Nachricht, der Bauernadvocat sei da, sei im Kruge; er bringe eine neue Lehre mit, das Bauernvolk frei, reich und glücklich zu machen. Er wolle die Lehre auch den Bauern in Waltershausen, seinen Landsleuten, verkünden; wer sie hören und frei, reich und glücklich werden wolle, brauche nur zu ihm in den Krug zu kommen. Wer wäre da nicht gekommen?!

Doch! Es gab in dem Dorfe manche, besonders ältere Leute, die an dem Spruche festhielten: »Neue Lehr’, Irrlehr’!« und die von den neuen Propheten um so weniger etwas wissen wollten, als sie auch einen anderen Satz anerkannten: »Daß der Prophet in seinem Vaterlande nicht gelte.« Aber die älteren Leute sind überall die wenigeren, und der Verständigen sind noch weniger.

Georg Hausmann, ein früh verlebter, früh verkommener Mensch, mit einem grauen, aufgedunsenen Gesicht, mit frechen, falschblickenden Augen, halb städtisch halb bäuerisch gekleidet, war ein Kind des Dorfes. Schon als Knabe trotzig und aufsässig in der Schule, dann ebenso als Bursch in der Kinderlehre beim Pfarrer, hatte er später noch weniger gut gethan, als Faulenzer und Zecher in den Kneipen herumgelungert, betrogen und gestohlen und der Bestrafung sich endlich durch die Flucht entziehen müssen. Lange hatte man dann nichts von ihm gehört, bis man erfuhr, er habe in der Fremde sein Glück gemacht; er sei Schreiber bei einem Advocaten geworden, dessen rechte Hand er sei. Freilich kamen dann wieder andere Nachrichten über ihn; es hieß, der berühmte Advocat sei ein berüchtigter Rabulist; Georg Hausmann habe ihm bei seinen schlechten Streichen geholfen, dann ihn selbst betrogen und bestohlen, wie seine früheren Herren, diesmal habe er aber seiner Strafe sich nicht entziehen können; er sitze im Zuchthause. Dann hörte man wieder nichts von ihm, bis er plötzlich im Dorfe erschien und den Bauern sich selbst als Advocat vorstellte, der ihnen an Ausführung ihrer Rechte gegen die Bedrückungen der Gutsherrschaft behülflich sein wolle. Die Bauern in Waltershausen wollten nichts von ihm wissen. Er mußte seinen Wanderstab weiter setzen, und man vernahm, daß der Bauernadvocat – so nannte man ihn jetzt – in einer anderen Gemeinde sein Glück gemacht habe. Da brachen die Unruhen im Lande aus. Georg Hausmann erschien wieder im Dorfe und wurde jetzt der Prophet seiner Heimath.

Er war nicht allein gekommen. Ein junger, feiner, bildschöner fremder Herr sei in seiner Begleitung, hieß es. Gesehen hatte Niemand den Begleiter. Allein an demselben Abend, an dem der Bauernadvocat eintraf, war noch spät im Kruge ein Fremder erschienen, der ein Nachtquartier und Nachtessen bestellt, sich sogleich in sein Zimmer verfügt und dieses nicht wieder verlassen hatte. Nur die aufwartende Magd wollte seiner einen Augenblick ansichtig geworden sein; sie versicherte, daß er sehr vornehm, aber auch sehr blaß aussehe.

Zum Kruge hatte Georg Hausmannn die Bauern auf den Tag nach seiner Ankunft eingeladen, er habe ihnen eine Ansprache zu halten, und sie über ihre Menschenrechte zu belehren. Er hatte noch alte Bekannte im Dorfe, die zu seinen Diensten waren. Wo fände ein verkommener Aufwiegler nicht solche verkommene Genossen? So hatte denn mehr als das halbe Dorf im Kruge sich eingefunden; die Neugierde hatte dazu beigetragen; denn Alles wollte zugleich den geheimnißvollen, vornehmen Fremden sehen. Die Meisten waren wohl zugleich mit Mißtrauen erschienen, aber sie waren doch da. Und Georg Hausmann, wenn er sie auch allein, ohne seinen geheimnißvollen Begleiter empfing, hatte sogleich Worte für sie, die sie noch nicht gehört hatten.

»Meine theueren und geehrten Landsleute, der Bauer ist lange ein Sclave gewesen, der Knecht Anderer, der Pflug und der Dreschflegel für Andere, für Blutsauger, die er mästen mußte, während er selbst hungert und darbt. Das muß anders werden. Auch der Bauer soll ein Mensch werden und Menschenrechte haben. Er soll nicht mehr der Diener hochmüthiger Edelleute, habsüchtiger heuchlerischer Pfaffen sein. Fort mit solchem Gezücht! Fort, fort!«

Jedes Wort Hausmnann’s war ein Blitz, der einschlug und zündete, und er hätte sicher damit sein Spiel zu gewinnen vermocht, denn die Menge ist leicht zu verführen, aber er wollte noch ein besonderes Spiel; er wollte ein Schauspiel aufführen.

»Von Eurer Schloßherrschaft hier, von Euren geistlichen Herrn soll Euch ein Anderer sprechen. – Ah, da ist er. Da kommt er gerade zur rechten Zeit – mein hochverehrter Reisegefährte und Freund.«

Ein Fremder war in dem Augenblicke in die Versammlung eingetreten, ein feiner, bildschöner junger Mann, wie man ihn schon geschildert hatte. Sein vornehm geschnittenes Gesicht war bleich und trug das Gepräge tiefer Melancholie. Seine Haltung war eine edle, seine Kleidung eine gewählte. Er war still eingetreten, als ob er nicht bemerkt sein, nicht die geringste Störung verursachen wollte. Als Georg Hausmann auf ihn aufmerksam machte, erröthete er und schlug die Augen nieder, die Blicke aller Anwesenden richteten sich auf ihn. Um so interessanter war seine Erscheinung den Bauern, und ihre Mienen teilten es einander mit. Er ließ sich in einem Winkel nieder.

Georg Hausmann fuhr in seiner Anrede fort: »Mein hochverehrter Freund! Der Freund jedes Armen, Unterdrückten, Mißhandelten, der selbst so viele Mißhandlungen erdulden mußte! Laßt Euch von ihm erzählen! Doch nein! Das Herz würde ihm brechen. Höret von mir seine Schicksale, seine Leiden! Er ist der Sohn eines hohen, angesehenen Beamten. Auch ihn, den studirten Mann, erwartete eine ausgezeichnete Laufbahn im Staatsdienste. Da machte er die Bekanntschaft einer Dame, die jung und schön war, vielen Verstand hatte und ein gutes Herz zeigte, das aber in Wahrheit voll Tücke, Bosheit und Hinterlist war. Sie fing den arglosen jungen Mann in ihren Netzen, heuchelte ihm Liebe, entzündete sein Herz, betörte seinen Verstand, das Alles, damit er ihr zum Deckmantel diene für ein lasterhaftes Leben, das sie mit einem andern Manne führte. Ihr, meine verehrten Landsleute, kennet die Dame, kennet den Mann. Ich nenne sie Euch hier nicht öffentlich; Zorn und Wuth, die ich nicht in Euch heraufbeschwören will, würden Euch ergreifen. Aber mein Freund – nein, auch er soll sie Euch nicht nennen, es wäre seiner unwürdig, als Denunciant vor Euch aufzutreten. Und doch müssen Euch Beweise erbracht werden. Erwählt daher aus Eurer Mitte zwei Männer, die ältesten und verständigsten, zu denen Ihr das meiste Zutrauen habt! Sendet sie zu mir, und sie sollen die Namen von mir erfahren, Namen, über die sie, über die Alle erschrecken werden, welche sie hören. Das aber nachher. Jetzt berathen wir zunächst über Euch, über Eure Lage, über den Druck, unter dem Ihr gehalten werdet, und über die Mittel, Euch ein anderes Leben zu verschaffen, Euch die Freiheit, ein würdiges Dasein wieder zu geben. Zwei Feinde hat der Bauer, den Gutsherrn,dem sein Leib eigen ist, und den geistlichen Herrn, der ihm die Seele unterjocht, vergiftet. Wißt Ihr, wie sie über den Bauer denken? Sie haben ein Sprüchwort, welches heißt: ›Wenn der Bauer lacht, er seinen Herrn veracht’; wenn er weint, ist er unser Freund.‘ Wenn Euch wohl zu Muthe ist, wenn Ihr Freude in und am Leben habt, dann sieht der Edelmann und der Pfaff Euch als seine Feinde an, wenn es Euch aber schlecht geht, wenn Ihr ihnen zinsen und schaarwerken und selbst mit Weib und Kindern darben und hungern müßt, dann seid Ihr ihre lieben Freunde. Soll das ferner so bleiben? Wollt Ihr das noch immer geduldig auf Euch nehmen, wie Ihr es schon so lange gethan habt? Es hängt nun von Euch ab, freie Menschen zu werden. Es ist so leicht. Ihr habt nur zu thun, wie es Hunderte, wie es Tausende von Gemeinden im deutschen Vaterlande schon gethan haben. Ziehet auf das Schloß zu Eurem Gutsherrn, leget ihm eine Urkunde zum Unterschreiben vor, worin er feierlich, für alle Zeiten, für sich und seine Nachkommen, verspricht, daß Ihr freie Leute sein sollt, keine Abgaben mehr an ihn zu entrichten und ihm keine Dienste mehr zu leisten habt! Und will er nicht unterschreiben, nun, so greift zu Eurer letzten Kraft!«

»Und unsere letzte Kraft ist?« fragten die Bauern, die mit offenem Munde und leuchtenden Augen zugehört hatten.

»Wißt Ihr, was der rothe Hahn ist?«

Die Bauern wußten es und sahen sich doch unter einander erschrocken an. Der Bauernadvocat aber fuhr ruhig fort: