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Band 71/72

 

Eine Sonne entartet

 

Weltraumfalle Sternenland

 

W. K. Giesa

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Rückentext

Eine Sonne entartet

Das Suprahet – eine überkosmische Gefahr

Vorspiel

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

Nachspiel

Nachwort

Weltraumfalle Sternenland

Biografie eines Genies

Die Weltraumfalle

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

Die Götter von den Sternen

Nachwort

Vorschau

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Abenteuer Wissenschaft

Die Geschichte des Solaren Imperiums der Menschheit ist eine, in der das Unbekannte mutig erkundet wird. An dieser Erkundung nehmen nicht nur tapfere Raumfahrer teil, sondern auch geniale Wissenschaftler – so wie Tyll Leyden, der einst dem Geheimnis der mysteriösen Oldtimer auf die Spur gekommen ist.

Beim Ausschlachten eines außer Dienst gestellten Raumschiffes werden Sternkarten entdeckt, die Leyden im Planetarium der mysteriösen Oldtimer erstellt hat. Als er diese Karten wieder in die Hände bekommt, macht er eine bestürzende Entdeckung: Eine Sonne entartet und macht ihr System zur Todesfalle ...

Im Juni 2332 öffnet sich das Tor in eine andere Welt. Raumschiffe und Menschen verschwinden spurlos. Tyll Leyden hat eine Idee – doch bevor er sie beweisen kann, verschlägt es auch ihn in ein anderes Universum ...

Inhaltsverzeichnis

 

 

Erstes Buch

Eine Sonne entartet

 

Zweites Buch

Weltraumfalle Sternenland

 

 

 

Eine Sonne entartet

 

Menschen im Schauer tödlicher Strahlen – ein System wird zur Todesfalle

Das Suprahet – eine überkosmische Gefahr

 

Im Jahre 2326 der christlichen Zeitrechnung stoßen die Terraner im Zuge der Suche nach den von der Superintelligenz ES ausgestreuten Zellaktivatoren auf einen sehr sonderbaren Himmelskörper: Impos, den dritten von 17 Monden des Riesenplaneten Herkules im Zentrum der Milchstraße. Da der Explorer EX-2215 das System entdeckt, wird seine Sonne als EX-2115-485 bezeichnet.

Tatsächlich findet der terranische Hyperphysiker Tyll Leyden auf Impos einen Zellaktivator. Zudem erforscht er die Anlage eines lange verschollenen Volkes mit einer hochstehenden Supertechnologie, das den Namen »Oldtimer« erhält. Die Oldtimer errichteten auf Impos ein virtuelles Planetarium, mit dem ein vollständiges und höchst detailgenaues Abbild der Milchstraße dargestellt werden kann.

Es stellt sich heraus, dass auf Impos zudem ein kosmisches Überwesen gefangen ist, das vor 1,2 Millionen Jahren von den Oldtimern dort festgesetzt worden war. Dieses »Ungeheuer« wird als halb vier- und halb fünfdimensional umschrieben und weist unüberschaubare Ausmaße auf, es »verschlang« gleichsam ganze Sternensysteme. Als Überlagerungsempfänger vermochte es vierdimensionale Materie in Hyperenergien zu verarbeiten, von denen es sich ernährte.

Durch den Gravitationsstoß des Gravestog-Geräts auf Eysal, der durch die versehentliche Vernichtung des Zellaktivators Anne Sloanes durch Lemy Danger in Gang gesetzt wird, droht Anfang 2327 ein Wiederaufleben dieses Wesens, das den Namen Suprahet erhält. Es ist eine Abkürzung für »supraheterodynamisches Wesen«. Zudem wird spekuliert, dass ES das Wiedererwachen des Suprahets vorhergesehen hat und deshalb aus der Milchstraße geflohen ist. In letzter Konsequenz wird das gesamte Sonnensystem im Jahr 2327 durch eine Vorrichtung zerstört, die von den Oldtimern auf Impos installiert worden ist; seine Masse verschwindet im Hyperraum.

Es soll noch rund tausend Jahre dauern, bis die Terraner die Hintergründe über die Herkunft des Suprahets sowie die Flucht von ES herausfinden. Noch länger wird es dauern, bis die Oldtimer als die Querionen identifiziert werden, ein Hilfsvolk der Kosmokraten ...

 

(Aus: Hoschpians unautorisierte Chronik des 14. Jahrhunderts NGZ; Kapitel 3.0.3, Zwischen den Zwiebelschalen: Geisteswesen, die keine Superintelligenzen sind)

Vorspiel

 

In einer Entfernung von 52.419 Lichtjahren von Terra umkreiste der Riesenplanet Herkules seine Sonne vom G-Null-Typ, die unter der Nummer EX-2115-485 in den terranischen Sternkatalogen verzeichnet war. Mit seinem Durchmesser von über 2,2 Millionen Kilometern war Herkules ein Phänomen in der Galaxis und der einzige bekannte Planet, der größer als seine Sonne war.

Drei Monde umliefen ihn in ewigem Rhythmus, drei Welten von Erdgröße und mit Sauerstoffatmosphären. Auf einem dieser drei planetengroßen Monde, Impos, lebten Menschen.

Seit Monaten gab es hier eine terranische Forschungsgruppe, die es sich zum Ziel gemacht hatte, das legendäre Planetarium der Oldtimer und den Maschinenpark im Singenden Berg zu erforschen. Beide Ziele waren kaum zu erreichen. Es gab keine Anhaltspunkte, eine Technik zu begreifen, die vor 1,3 Millionen Jahren entstanden war und bis auf den heutigen Tag reibungslos funktionierte.

Dagegen verblasste alles! Akonen, Arkoniden – ihre Technik war Stückwerk gegen dieses Gigantische, dem die Menschen im Singenden Berg gegenüberstanden.

Tyll Leyden war Chef der wissenschaftlichen Teams auf Impos. Tyll Leyden war auch der Mann, der das Planetarium im achttausend Meter hoch aufragenden Singenden Berg entdeckte und einen Zellaktivator dazu, den ES, das unsterbliche Wesen von Wanderer, vor seiner Flucht hier deponiert hatte.

Der neunundzwanzigjährige Astronom und Physiker sah gar nicht wie ein großer Entdecker aus, auch nicht wie ein Teamchef. Mit seiner unglaublich phlegmatischen Haltung schuf er sich unter seinen Kollegen keine Freunde. Leyden kehrte seine Autorität als Teamchef nie heraus, er wandte nie Druck an, und erreichte dennoch seltsamerweise immer wieder das, was er wollte. Und er hielt strikt seine Frühstückspause ein.

Neben seiner Arbeit fand er immer wieder Zeit, einem eigenartigen Drang nachzugeben. Dieser Drang zog ihn fast unwiderstehlich ins Planetarium, gleichgültig ob dort gerade Kollegen tätig waren oder nicht. Leyden konnte sich an diesem technischen Wunderwerk nicht sattsehen, dessen konstruktiven Aufbau niemand begriff.

Vor dem mächtigen Portal parkte er seinen Gleiter und legte die nächsten hundert Meter zu Fuß zurück. Neben einem Maschinensatz, der leise summte und nach mehr als einem Dutzend Jahrmillionen immer noch einwandfrei zu funktionieren schien, betrat er einen markierten Kreis. Ein unsichtbares Kraftfeld trug ihn in die Höhe.

Als er eine Sperre durchbrach, war er von unten nicht mehr zu sehen. Über ihm erstrahlte jetzt das eigentliche Planetarium, das fast den ganzen Felsendom ausfüllte. Obgleich Leyden schon nicht mehr zählen konnte, wie oft er hier bereits aufgetaucht war, hielt er immer wieder von neuem den Atem an, wenn er die Sternenpracht unvermittelt vor sich sah.

Eine Galaxisspirale!

Ein Abbild unserer Milchstraße, vor Urzeiten von einem Sternenvolk geschaffen, das spurlos verschwunden war. Nur ein Standbild blieb zurück, das humanoid und doch auf irgendeine Weise nicht menschlich war.

Dieses Modell der Galaxis wurde von Antigravfeldern gehalten. Helle Lichtpunkte in verschiedenen Farben und Größen symbolisierten Sterne. Kleinere Punkte stellten die Planeten der Sonnensysteme dar, Dunkelwolken waren Staubschleier in diesem künstlichen Weltraum. Leyden hätte sich nicht sonderlich gewundert, selbst Raumschiffe durch diese Milchstraße fliegen zu sehen, aber dafür reichte der Maßstab nun doch nicht mehr aus.

Das Fantastischste war, dass dieses Modell über die Jahrmillionen hinweg jede Veränderung der Milchstraße mitmachte! Jeder Stern im bekannten Teil der Galaxis befand sich an genau der Stelle, an der er auch in Wirklichkeit zu finden war. Vergleiche mit modernsten Sternkarten bewiesen es. Den letzten Beweis erbrachte Tyll Leyden selbst, als er mit einem Gedankenbefehl forderte, die Galaxis so zu sehen, wie sie sich dem Betrachter vor 1,2 Millionen Jahren bot.

Schlagartig setzte eine gegenläufige Rotation ein, und Kollegen glaubten schon, dass Leyden mit seinem Gedankenbefehl alles zerstörte, aber dann zeigte sich ihnen allen das Modell der Galaxis in jenem Aussehen, wie es sich einst den Erbauern des Planetariums bot.

Das Planetarium, das auf Gedankenbefehle reagierte, konnte noch mehr! Es zeigte Tyll Leyden, wie die Milchstraße von der Erde aus betrachtet aussah!

Die Erde selbst hatte er im Sternendschungel längst gefunden und bewundert, aber weit mehr zog es Tyll Leyden in die unbekannten Regionen.

Wie schon öfters ließ er sich von einem Traktorstrahl durch das Sternengewimmel transportieren und führte einen Apparatesatz mit sich. Er wollte weitere Sternkarten anfertigen. Es war zu einem Hobby geworden. Die Teams gingen systematisch vor. Leyden entwickelte seine eigene Systematik, die niemand durchschaute, und arbeitete im Alleingang, wenn seine sonstige Arbeit ihm Zeit dazu ließ.

Er bewunderte diese phantastische Supertechnik und vergaß die Probleme außerhalb dieses Systems. An Schreckwürmer und kahlgefressene Planeten verschwendete er nur wenige Gedanken.

Drei Kollegen, die rund hundert Meter von ihm entfernt eine Dunkelwolke vermaßen, sahen ihn scheinbar frei in der Luft schweben. »Da knipst er wieder«, brummte Gaston Corbaire. »Was er sich von diesem unsystematischen Vorgehen verspricht?«

»Leyden ist ein Chaot!«, behauptete sein Kollege, Dr. Wurys.

Die Dunkelwolke interessierte sie im Moment nicht mehr. Ihr Auftrag lautete, die Ausdehnung dieser Wolke in Richtung Zentrum der Milchstraße auszumessen, weil sich dorthin noch kein Explorerschiff der Solaren Flotte gewagt hatte, und die Karten der alten Arkoniden stimmten auch nicht in jedem Punkt mit der Wirklichkeit überein.

Das Planetarium schon!

Irgendwann in den letzten Wochen hatte jemand die Behauptung aufgestellt, die zehntausend Raumer starke Explorerflotte könne getrost zum Alteisen geworfen werden, wenn die dort tätigen Forscher stattdessen das Planetarium der Oldtimer durchforsten würden!

»Meinen Sie?«, hatte Tyll Leyden schulterzuckend gefragt. »Dann fordern Sie doch die Experten von den Explorern an, aber entwerfen Sie zugleich einen Plan, diese über eine Million Wissenschaftler auf Impos anzusiedeln und mit allem zu versorgen, was sie zum Leben und zur Unterhaltung benötigen! Und anschließend geben Sie einen Auftrag an die Elektroniker weiter, Speichergehirne zu konstruieren, die mit dieser Datenflut auch fertig werden!«

Der andere kapitulierte. Leyden ging schulterzuckend zur Tagesordnung über. Ihm spukte ein anderer Plan im Kopf herum, aber er blieb ein Phantom. Leyden war Realist genug, sich vorzustellen, dass es hier nicht lange weitergehen würde. Seit dem 4. August 2326 spielte der Riesenplanet Herkules verrückt. Sein Schwerpunkt wanderte, und das musste über kurz oder lang Auswirkungen auch auf Impos nach sich ziehen. Was dann nach den Gravitationsschwankungen und möglicherweise Mondbahnänderungen von dem Achttausender-Massiv mit dem Planetarium darin übrigblieb, wagte Leyden nicht vorauszusagen. Aber irgendwo musste auch die phantastische Technik der Oldtimer ihre Grenzen haben.

War es so etwas wie Torschlusspanik, die Leyden immer wieder zum Planetarium zog, die ihn auf eigene Faust Sternkarten anlegen ließ? Er konnte es sich selbst nicht sagen, und das war ihm unheimlich.

Leyden setzte seine Apparate wieder ein. Ein bestimmter Punkt im modellierten Sternendschungel faszinierte ihn aus unerklärlichen Gründen. Warum wurde dieser Stern schwarz dargestellt statt in einer realitätsnahen Farbe?

Leyden machte seine Aufnahme, und dann gab er dem Planetarium den Gedankenbefehl, in diesem abgeschlossenen Bereich die Sterne so zu zeigen, wie sie vor hunderttausend Jahren aussahen. Warum er sich dafür interessierte, begriff er selbst nicht.

Vor ihm schien ein Teil der Milchstraße explosionsartig auseinanderzufliegen. In einem isolierten Hohlkugelbereich von hundert Metern Durchmesser formten sich Sternkonstellationen um.

Tyll Leyden kratzte sich ausgiebig das Genick und betrachtete »seine« Sonne, die jetzt nicht schwarz war.

Es war der Moment, in dem sein Funkgerät ansprach. Einer der Wissenschaftler bat ihn wegen einer dringenden Angelegenheit zu sich.

»Himmel, warum hat man ausgerechnet mich dazu verurteilt, hier den großen Boss zu spielen?«, brummte Leyden verärgert, packte seine Siebensachen und gab dem Planetarium den Gedankenbefehl, in diesem Sektor wieder den aktuellen Stand herzustellen. Dem Phänomen durcheinanderwirbelnder Lichtpunkte schenkte er keinen Blick mehr. Er ließ sich von dem Traktorfeld wieder zurückholen, und hundert Meter weiter setzten drei Astronomen ihre Tätigkeit fort.

»Was mag er sich davon versprochen haben, da ein paar Sonnen durcheinanderzuwirbeln?«, fragte Dr. Wurys. Aber darauf konnte ihm niemand eine Antwort geben.

Tyll Leyden auch nicht; er dachte schon wieder an völlig andere Probleme.

Am 4. Januar 2327 wurde der Mond Impos evakuiert. Terra gab die wissenschaftlichen Schätze einer äonenalten Vergangenheit auf. Die Umwandlung des Riesenplaneten Herkules in das Suprahet war eingeleitet und nicht mehr zu stoppen, und auf Tyll Leydens Empfehlung wurde das System EX-2115-485 durch Gravitationsbomben aus dem Einsteinuniversum geschleudert. Leyden selbst war einer der letzten, die mit dem Kreuzer der Städteklasse LHASA Impos und das EX-System verließen. Weit draußen im Weltraum stieg er mit seinen Unterlagen auf die ERIC MANOLI, Perry Rhodans Flaggschiff, über, um von dort aus den Untergang eines Menschheitstraums zu beobachten.

Ein paar Tage später vermisste er eine graue Kunstledermappe. Aber da sie seines Wissens nichts Wichtiges enthielt, weinte er ihr keine Träne nach.

An eine schwarz dargestellte Sonne im nun für immer dahingegangenen Planetarium dachte er schon längst nicht mehr.

1.

 

Die Space-Jet mit der Seriennummer T-150008/2318 hatte ihren letzten Flug getan. Ingenieur Dacosta verglich die eingestanzte Nummer mit der auf seiner Auftragsfolie, nickte knapp und lehnte sich an das Teleskopbein des diskusförmigen Kleinraumers.

»Stimmt«, sagte er. »Na, dann können wir ja anfangen, Freunde ...«

»Häh?« Francis Pellet, sein Kollege in der Abwrackabteilung der Werft, legte die Hand hinter das linke Ohr. »Ich verstehe dich nicht! Ist ein wenig zu laut hier!«

Dacosta winkte und lief die ausgefahrene Rampe der Space-Jet hinauf. Pellet folgte ihm. Erst als das Trennschott zur Glaskanzel der oberen Polkuppel sich zischend hinter ihnen schloss, riss der ungeheure Lärm der Maschinenhalle abrupt ab und machte halbwegs menschenwürdiger Ruhe Platz.

Auch im 24. Jahrhundert war das Schallproblem in Werkshallen kaum in den Griff zu bekommen.

Dacosta machte eine ausholende Bewegung. »Nett, der Kahn. Dass der auf der Schrottliste steht, begreife ich nicht. Sieht fast aus wie neu. Was wir sonst zum Abwracken hereinbekommen, na danke! Diesmal dürfte fast alles noch verwertbar sein.«

»Wo kommt die Untertasse denn her?«, fragte Pellet und sah durch die Panoramakuppel nach draußen. Draußen war übertrieben; das Gelände war überdacht. Überall wimmelte es von Robotern und einigen Menschen, die den Einsatz dieser Maschinen koordinierten. Hier gab es keine Fließbänder wie auf der gegenüberliegenden Seite des umfangreichen Werftkomplexes, in dem Space-Jets hergestellt wurden. Das Abwracken geschah individuell, weil Kleinraumer, die auf der Schrottliste standen, manchmal so deformiert waren, dass sie in keine Bandnorm passten.

Dacostas und Pellets Aufgabe war es, sich einen Überblick zu verschaffen und zu entscheiden, ob das betreffende Objekt komplett eingeschmolzen oder erst demontiert wurde, um diese oder jene Aggregate in die Generalüberholung zu schicken. Der Rest flog dann in Einzelteilen in die Schmelzbirnen. Und hin und wieder fanden sich auch noch persönliche Gegenstände, die jemand vergessen hatte. Roboter machten damit kurzen Prozess, weil derlei Dinge nicht in ihrem Programm enthalten waren.

Dacosta flegelte sich in den Pilotensitz und legte die Füße auf das Schaltpaneel. Dann begann er in seinem Folienheft zu blättern.

Er bekam große Augen.

»Kommt von der LHASA, Städtekreuzer«, sagte er. »Vor vier Jahren außer Dienst gestellt und seither nicht mehr geflogen? Das gibt es doch gar nicht! Die T-Serie wird doch erst seit fünfeinhalb Jahren gebaut. Demnach war das Ding nagelneu. Hier ... Baujahr, Monat ... das ist doch wohl ein Witz!«

»Zeig her«, sagte Pellet missmutig. »Tatsächlich ... fast vier Jahre ist's her. Na, wie die mit den Steuergeldern umgehen bei der Flotte, geht ohnehin auf keine Kuhhaut mehr. Aber die Verwertung freut sich. Von dem Kahn ist ja noch alles brauchbar. Im Gegensatz zu dem da drüben.« Er deutete durch die Klarsichtkuppel auf eine Space-Jet, die rund fünfzig Meter entfernt lag, keine Teleskopbeine mehr besaß und einen durchgehenden Strahlschusstunnel aufwies. »Typ Kaufhaus.«

»Wieso Kaufhaus?«, murmelte Dacosta geistesabwesend.

Francis Pellet grinste. »Durchgehend geöffnet«, verriet er.

Dacosta schüttelte sich. Er stellte sich vor, er hätte sich just in jenem Moment im Inneren des Raumers befunden, als der Strahlvolltreffer ihn erwischte, und dabei kam ihm die Sache gar nicht so lustig vor. Aber Schrottraumer dieser Art wurden selten in letzter Zeit. Die großen kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre waren vorbei, das Blues-Problem fand eine allseits befriedigende Lösung.

»Schön, gehen wir das Ding durch, ob sich noch Dinge finden, die nicht mit verschrottet werden sollen«, brummte Dacosta. Seine Hände spielten mit den Steuerschaltern. Die Maschinerie der Space-Jet sprach nicht mehr darauf an; der Kleinraumer war technisch tot.

In einer Ablage wurde Pellet fündig; es war das einzige Teil an Bord, das jemand vergessen zu haben schien. Eine graue Kunstledermappe, auf deren Cover jemand handschriftlich den Namen Leyden vermerkt hatte.

»Die Mediziner waren hier«, grinste Pellet und klopfte auf die flache Mappe. »Die Liste aller Krankheiten an Bord ...«

»Sag mal, piept's bei dir schon fröhlich?«, fragte Dacosta ungnädig.

»Na, hier steht doch was von Leiden«, sagte Pellet und klappte die Mappe auf. »Oha, Sternkarten ...«

Eine halbe Stunde später gaben sie die Space-Jet zur Verwertung frei. Über sein Steuergerät gab Dacosta einer Gruppe Roboter die entsprechenden Anweisungen. Pellet trug immer noch die Mappe unter dem Arm. »Was machen wir jetzt mit diesem Ding hier?«

»Wie üblich ans Schiff zurückgeben, von dem die Jet stammt. Was sonst?«

»Also die LHASA ... na, hoffentlich landet die bald mal wieder auf Terra ...«

 

Drei Wochen später lag die LHASA wieder auf dem Raumhafen von Atlan Village, Terrania. Der Kugelraumer kam von einem Einsatz im Imperium der Arkoniden zurück. Der Zweite Offizier konnte allerdings mit der grauen Mappe herzlich wenig anfangen. Er fragte bei seinem Kommandanten nach. »Haben wir eigentlich jemals einen Mann an Bord gehabt, der Leyden hieß und mit einer Space-Jet flog?«

Er legte dem Kommandanten die graue Mappe auf den Tisch. »Gefunden in einer der sieben Space-Jets, die wir vor gut vier Jahren ausmusterten ...«

»Leyden ... hm ...«

Der Name kam dem Kommandanten des Städtekreuzers bekannt vor. »Irgendwoher kenne ich ihn, bloß in der Besatzung war er nie! In der SJ gefunden? Hm ...«

Der Kommandant klappte die Mappe auf. Sternfotografien sprangen ihm holografisch entgegen. Da zündete es bei ihm.

»Doch nicht der Leyden ... diese wandelnde Schlafmütze! Ach du lieber Himmel! Erinnern Sie sich nicht mehr an Herkules? Impos? Dieses Molkex-System, das vor ein paar Jahren aus dem Universum gefegt werden musste? Ja, vier Jahre ist es wohl her. Januar '27. Den Winter vergesse ich nie! Ja, und da nahmen wir diesen Leyden an Bord. Kein Durchsetzungsvermögen, der Mann. Wer den zum Teamchef auf Impos machte, konnte wohl nicht gründlicher danebengreifen. Na ja, wohl ein Protektionskind vom Chef, denn mit dem war er ja dauernd zusammen und stieg dann auch mit einer Space-Jet zur MANOLI um.«

Mit dem Chef war Rhodan gemeint. Aber der Kreuzerkommandant hatte mit einer Annahme noch nie so weit danebengelegen wie mit der, dass Leyden Rhodans Protektionskind sei.

Der Kommandant klappte die Mappe wieder zu. »Schicken Sie das Ding den Eierköpfen zu. Irgendwie wird es Leyden wohl wieder erreichen. Die Wege der Bürokratie sind auch bei Wissenschaftlern lang und weit. Aber wenn Sie Leyden zufällig einmal über den Weg laufen sollten, bestellen Sie ihm keinen Gruß von mir. Ich konnte den Mann damals nicht ausstehen.«

Damit unterschied sich der Kommandant in nichts von nahezu allen Kollegen Leydens, aber privat hatte Leyden sehr viele gute Freunde.

Der Zweite Offizier nahm die Mappe wieder an sich und beschloss, sie weiterleiten zu lassen. Welche Zeitbombe er da aus der Hand gab, ahnte er nicht einmal.

 

»Mein Gott, Leyden!«, sagte Dr. Katrin Calvert verärgert. »Schaffen Sie das eigentlich vielleicht auch noch mal, beim Gehen die Füße anzuheben? Das ist ja furchtbar!«

Tyll Leyden, der Schlurfende, blieb stehen und drehte sich um. Schulterzuckend sah er die Physikerin an, die in einem anderen Team arbeitete als er.

»Zuviel der Ehre, liebe Kollegin. Die Anrede ›Eminenz‹ dürfte durchaus genügen.«

Erst, als er schon außer Sicht war, begriff die Expertin, wie Leyden seine spöttische, aber todernst vorgetragene Antwort meinte. »Idiot«, brummte sie missmutig.

»Sprechen Sie von Leyden?«, fragte jemand launig hinter ihr. Huan Cheng lächelte ihr zu.

»Von wem sonst?«, gab die vierzigjährige Physikerin zurück. »Wenn sich hier jemand über einen anderen ärgert, ist der andere doch nie ein anderer als Leyden! Wann lernt dieser Mensch endlich mal, sich vernünftig zu bewegen?«

»Leyden hat eben die Ruhe weg! Kommen Sie auch frühstücken?«

»Eben das hatte ich vor, bis mir Leyden über den Weg lief.«

»Hören Sie auf, sich zu ärgern. Frühstücken Sie erst einmal. Leyden tut's auch gerade.«

Das munterte Katrin Calvert nicht gerade auf. Als sie die Kantine des Forschungszentrums betraten, saß Tyll Leyden an einem kleinen Tisch am Rand des Raumes und frühstückte.

»Das Frühstück ist meine Hauptmahlzeit«, hatte er einmal gesagt, und entsprechende Mengen ließ er vor sich auffahren. In aller Gemütsruhe machte er sich darüber her.

Seit zwei Jahren gehörte er zum astronomischen Forschungszentrum in Terrania. Davor, raunten sich die Kollegen zu, sollte er ein paar Jahre auf einer Explorer Dienst getan haben, Chef auf dem legendären Mond Impos gewesen sein und sich danach noch auf einigen anderen Planeten herumgetrieben haben. Selbst sprach er darüber nicht. Gesprächig war er noch nie gewesen, und er trat auch der Gerüchteküche nicht entgegen, die von ihm behauptete, er sei nur aufgrund mangelnder Fähigkeiten nicht in leitender Stellung verblieben.

Die Wahrheit war, dass Leyden an keiner leitenden Stellung interessiert war. Ihn interessierte seine Arbeit und nicht die Verantwortung über eine Menge Kollegen und ein entsprechend höheres Gehalt. Damit konnte man sich nur Ärger einhandeln, und Ärger hatte er auf Impos genug gehabt.

Er war kein Chef-Typ. Er war damit zufrieden, in einem Team zu arbeiten und sich mit wissenschaftlichen Problemen zu befassen. Dass dieses Team im Lauf weniger Wochen von fünf auf drei Kollegen zusammengeschrumpft war, weil die nicht mit seiner mundfaulen und phlegmatischen Art zurecht kamen, nahm er hin.

Zwölf Physiker frühstückten gerade; Tyll Leyden war der dreizehnte. Die anderen hatten zu tun und stellten ihre Arbeit über die Pause. Tyll Leyden genoss den würzigen Geschmack eines Llark, eines fliegenden Fisches von einer Kolonialwelt, der eine Delikatesse war, sofern man nur das Bauchfleisch verzehrte. Schneeweiß musste es allerdings sein.

Beim zweiten Llark-Toast runzelte Leyden die Stirn. Kaum merklich beugte er sich vor. »Nanu?«, hörten einige ihn murmeln. »Das geht doch nicht ...«

Huan Cheng, eine graue Kunstledermappe unter dem Arm, trennte sich just in diesem Moment von Dr. Katrin Calvert und kam zu Leydens Tisch. »Hallo, Tyll.«

»Hallo, Cheng«, sagte Leyden. »Schauen Sie sich diese Sauerei an. Der Llark ist nicht weiß, sondern grau.«

»Tyll, ich habe etwas für Sie«, sagte Huan Cheng, sein Teamchef. »Gerade per Boten gekommen. Das gehört doch Ihnen.« Und damit legte er die graue Mappe vor Leyden auf den Tisch.

»Wenn mein Name darauf steht, wird es wohl so sein«, sagte der junge Physiker und Astronom mit dem schmalen Gesicht und dem aschblonden, zurückgekämmten Haar. »Ich glaube, ich werde den Llark reklamieren müssen. Probieren Sie mal! Der ist doch nicht mehr gut?«

Huan Cheng seufzte. Seine Neugierde, was es mit der Mappe auf sich hatte, die von einem Raumschiff namens LHASA stammen sollte, würde wohl an diesem Tag nicht befriedigt.

Tyll Leyden beendete sein Frühstück pünktlich. Den Llark hatte er reklamiert. Mit der Mappe unter dem Arm kehrte er an seinen Arbeitsplatz im Trakt achtundzwanzig des riesigen Gebäudekomplexes am Rand von Terrania zurück. Er fragte sich, was das für eine graue Mappe war, auf der sein Name stand.

Leyden besaß ein kleines Büro mit Fenster. Er setzte sich auf die Schreibtischkante und öffnete die Mappe. »Sternkarten ... nein, Sternfotografien!«

Da setzte die Erinnerung ein. Holografische Sternfotografien hatte er doch damals im Planetarium der Oldtimer angefertigt!

»Wie man sieht, geht doch nichts auf der Welt verloren«, brummte er und vertiefte sich in die Bilder. Schweigend ging er sie der Reihe nach durch. Die Vergangenheit holte ihn ein. Er glaubte sich wieder nach Impos versetzt, ins Planetarium. Niemand hatte die Vernichtung des Systems mehr bedauert als er selbst, der diese Vernichtung empfohlen hatte. Empfehlen musste, weil sonst die Rückentwicklung des Riesenplaneten Herkules in das sterneverschlingende Suprahet nicht mehr zu stoppen gewesen wäre. Aber er wäre froh gewesen, wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, Impos und den Singenden Berg mit all seinen Schätzen zu erhalten.

Aus der Traum ...

Leyden träumte ihn weiter. Er vertiefte sich in die dreidimensionalen Bilder von Sternsektoren. Warum er damals ausgerechnet diese Gebiete aufgenommen und gewissermaßen katalogisiert hatte, konnte er nicht mehr sagen. Er war einfach einem Impuls seines Unterbewusstseins gefolgt.

Da war die Folie mit der schwarzen Sonne. Leyden widmete ihr erhöhte Aufmerksamkeit, wie damals auch. Hatte er nicht ein Experiment gemacht, das ihm diese Sonne vor hunderttausend Jahren zeigte? Da war sie normal!

Und jetzt schwarz, auch im Bild schwarz. Das musste doch seinen Grund haben. Schwarze Sonnen gab es nicht, allenfalls schwarze Löcher. Aber als ein schwarzes Loch wäre dieser Stern anders gekennzeichnet gewesen.

Leyden beschloss, sich mit diesem Stern ein wenig zu befassen. Die Oldtimer taten nichts grundlos, und 1,2 Millionen Jahre nach ihrem Verschwinden galt das gleichermaßen für die Relikte ihrer Supertechnik.

Da zuckte er zusammen. Jemand sprach ihn an. Leyden wandte sich um und sah Huan Cheng vor sich, seinen Teamchef.

»So versunken, Tyll? Ist das der Inhalt der Mappe?«

Leyden nickte nur. Wieder einmal gab er seinem Chef Grund sich zu wundern. Jeder andere hätte überrascht gefragt, wie Huan in das Büro gekommen sei. Leyden ging einfach darüber hinweg. So einfach, dass Huan sich selbst zu einer Erklärung genötigt sah. »Ich glaube, Sie haben mein Klopfen überhört, Tyll. Was sind das für Sternkarten?«

»Fotografien«, erwiderte Leyden. »Cheng, haben Sie schon einmal eine schwarze Sonne gesehen?«

»Ein Black Hole? Gesehen noch nicht, erfreulicherweise. Ich lege auch keinen Wert darauf.«

»Eine schwarze Sonne, nicht Loch«, korrigierte Leyden sanft. »Hier ...«

Huan Cheng starrte auf die Fotografie, die ihnen holografisch entgegensprang. »Ich verstehe zwar nicht viel von Astronomie, aber ich denke, da wird sich jemand einen Scherz erlaubt und diesen Stern umgefärbt haben. Vielleicht als Hinweis.«

Leyden nickte nur und schwieg sich weiter aus.

Als Hinweis, dachte er. Aber worauf?

Darauf musste es eine Antwort geben!

2.

 

»Näher herangehen?«, fragte der hochgewachsene Mann mit der samtbraunen Haut.

Vor ihnen glühte das Zentralgestirn auf dem Panoramaschirm. Die riesige Projektionsfläche wurde von einem feinmaschigen grünen Netzwerk überzogen; Koordinatenlinien, die sich dreidimensional durch die Projektion zogen. Zahlensymbole wurden eingeblendet. Die Filter arbeiteten mit Maximalleistung und absorbierten über neunundneunzig Prozent der gleißenden Sonnenhelligkeit. Dennoch war die Sonne als grell glühende Scheibe zu erkennen. An den Rändern schossen weite, hohe Protuberanzen in die Raumschwärze hinaus.

Die Frau auf dem mittleren der fünf schweren Kontursessel schüttelte den Kopf und beugte sich leicht vor. »Orbithöhe einfrieren. Sonden eins bis tausend ab.«

Ein anderer Mann ließ seine Finger nahezu spielerisch über eine Reihe von Sensortasten gleiten. Der Druckkörper der TRIAN-zhan erzitterte unter dem Abschuss von tausend Sonden. In einer langen Reihe, wie die Leuchtspurgeschosse aus einer altertümlichen Maschinenwaffe, jagten die Objekte davon und wurden von der Energieortung als Lichterspur über die Projektion geblendet.

»Robotkontrolle übernehmen.«

Die Stimme der Kommandantin war kühl und beherrscht. Nichts an ihr verriet ihre Erregung. Nie war ein Raumschiff der Sonne so nahe gekommen wie die TRIAN-zhan. Es hatte nie einen Grund dafür gegeben.

Im Laufe der nächsten drei Stunden jagten die Sonden davon und fächerten teilweise fast lichtschnell auseinander und bremsten dann ab, um vorher exakt berechnete Positionen einzunehmen. Sie bildeten jetzt eine Halbschale um die Sonne herum. Aber diese Schale war ein extrem dünnes Netz. Was waren schon tausend Sonden?

»Tausend Millionen Sonden würden gerade ausreichen, aber auch nur ganz knapp ... bloß reicht unsere industrielle Kapazität in hundert Jahren noch nicht dafür aus.«

Der Hochgewachsene wandte den Kopf. Er lachte leise. »Ja, Songar ...«, sprach er den Mann an, der die Worte geäußert hatte. »Ha, wenn wir keine Gelder für Rüstung ausgeben würden, würde es reichen. Das wollten Sie doch damit ausdrücken.«

»Darf ich das nicht?«, fragte Songar ruhig.

Die Kommandantin, Tira von Asoyth, schüttelte den Kopf. »Songar, Khes ... wir sind nicht hier, um politische Diskussionen zu führen. Wir sollen feststellen, in welcher Hinsicht die Sonne sich verändert.«

»Und das schaffen wir doch mit den paar lahmen Sonden in tausend Jahren nicht«, behauptete Songar.

Khes, der Hochgewachsene, wollte etwas entgegnen, aber mit einem scharfen Blick brachte ihn die Kommandantin zum Schweigen.

Ein anderer Raumfahrer erhob sich aus seinem Kontursitz und ging durch die Zentrale zu einer Bildschirmgalerie, die für den Betrieb des Schiffes zweitrangig war. Einige Männer und Frauen in schneeweißen Overalls saßen hier vor kleinen Instrumententafeln.

»Können Sie die Sonden erfassen?«, fragte der Offizier leise.

»Ja. Aber es dauert noch einige Zeit, bis sie ihre endgültigen Positionen erreicht haben und ...«

Es war der Moment, in dem die Sirenen im Schiff aufheulten.

Drei Leuchtleisten in der Raumüberwachungszentrale wechselten von gelb auf rot. Für die Dauer von zehn Sekunden ertönte ein durchdringendes Summen.

Lan von Starny, der Schichtführer, hob den Kopf. »Was ist?«, brüllte er bereits, ehe er sich selbst orientierte. »Bericht!«

»Kontakt zur TRIAN-zhan abgerissen. Störstrahlung überlagert die Frequenzen.«

Lan von Starny sprang auf. »Ortungen?«

»Nichts, Herr ...«

»Überprüfen«, befahl der Schichtführer. »Funkfrequenzen wechseln. Feststellen, auf welcher Wellenlänge die Störstrahlen arbeiten. Wellenberge absorbieren, Wellentäler unterlegen!«

Der hat gut reden, dachte die junge Frau, die für die Funkverbindung mit dem Forschungsraumer zuständig war. Ihre Hände glitten über die Sensortasten. Die verwirrende Fülle an Informationen auf den unzähligen Bildschirmen beachtete sie gar nicht. Sie arbeitete nach Gefühl.

»Was ist, wenn die TRIAN-zhan in eine Protuberanz geflogen ist?«, fragte jemand im Hintergrund. Niemand antwortete darauf. Es war unmöglich. So nahe war das Schiff der Sonne nicht.

Der Frequenzsucher wanderte. Die digitalen Ziffern vor der Funkerin wechselten ständig in gleichbleibendem Rhythmus. Wenn man auf der TRIAN-zhan die Störung ebenfalls bemerkte und so schlau war, gleichfalls die Frequenz zu wechseln, mussten Sender und Empfänger zwangsläufig irgendwann wieder zusammenkommen.

»Diese verdammte Sonne gefällt mir schon seit vielen Monaten nicht mehr«, sagte Lan von Starny leise. »Was bei den Göttern geht da draußen im Weltraum vor?«

»Das Schiff ist nicht gefährdet«, hörte die Funkerin sich selbst sagen. »Die Schutzschirme widerstehen jeder Strahlung. Der Raumer könnte durch eine Protuberanz hindurchfliegen und käme doch unbeschadet davon ...«

Starny grinste. »Sagen die Leute, die die Schirme entwickelt haben. Aber ob die Protuberanz das im Ernstfall auch weiß, dass sie nicht durch den Schirm kommt ...?«

»Meinen Sie das ernst, von Starny?«

Der Schichtführer winkte ab. »Noch kein Kontakt? Keine Ortung? Mann, das Schiff muss doch festzustellen sein.«

»Ortung! Wir haben sie. Unverändert in alter Position ... nicht, nicht mehr! Korrektur! Die TRIAN-zhan ändert ihren Kurs ...«

»Anfunken! Warum klappt das denn immer noch nicht?«

»Weil ich kein Echo bekomme!«, explodierte die Funkerin. »Und solange ist es Nonsens, die TRIAN-zhan anzurufen ...«

Starny ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. »Was ist da oben bloß los? Die Störungen können doch nicht alle Frequenzen zugleich überlagern!«

Niemand antwortete ihm darauf. Jemand war so schlau, die Auswertung der überlichtschnellen Ortung auf den großen Panoramaschirm unter der gewölbten Zentrale-Decke zu schalten. Die Falschfarbenprojektion zeigte in stilisierter Wiedergabe dreidimensional die Sonne und die innersten Planeten und dicht neben dem Zentralgestirn einen Lichtpunkt, der die TRIAN-zhan symbolisierte. Zahlen wurden eingeblendet und gaben die neuen Positionswerte an. Mit dem bloßen Auge war die Positionsänderung des Kugelraumers nicht festzustellen. Dafür war der Schirm nicht groß genug.

»Sie ziehen sich von der Sonne zurück ...«

»Störstrahlung ebbt ab!«

»Dann werden wir ja gleich feststellen, was an Bord der TRIAN-zhan los ist ...«, hoffte Lan von Starny.

Die Hölle war los!

»Strahlungseinbruch!«, meldete die synthetische Stimme der Hauptüberwachung. »Schutzschirme lassen unbekannte Strahlungskomponente durch. Schutzschirme lassen unbekannte Strahlungskomponente durch ...«

Die Sirenen heulten immer noch. Die Kommandantin hob die Hand.

»Kurswechsel! Orbitdistanz um eine Lichtminute vergrößern!«

Songars Hände flogen förmlich über die Steuerschalter. Im Raumschiffsinneren brüllten die Konverter und Speicherbänke auf und durchbrachen mit Macht die Schaltisolation, als die Triebwerke Maximalenergie abriefen.

Der Kugelraumer schwang herum. Vier Wissenschaftler in ihren weißen Overalls begannen verzweifelt zu toben. Die Verbindung zu den tausend Sonden riss mit diesem Gewaltmanöver ab. Tira von Asoyth ignorierte den Zorn der Wissenschaftler. Ihr Anliegen war die Sicherheit des Schiffes. Der Strahlungseinbruch konnte harmlos sein, aber auch aller Tod bedeuten.

»Ortung! Wo bleiben die Informationen über Strahlungsart und -stärke?«, wollte sie wissen.

»Auswertung läuft noch ...«

»Warum stellt denn niemand die verdammten Sirenen ab?« Khes presste die Hände gegen die Ohrmuscheln. Die Kommandantin grinste nur.

Songar drehte den Kopf. »Orbitdistanz bereits um fünf Lichtminuten vergrößert ...«

»Gut, weiter«, presste Tira hervor.

»Strahlung lässt nach!«

»Verlangsamen«, reagierte die Kommandantin. »Ortung, wie lange brauchen Sie noch? Muss ich erst selbst hinüber kommen und Ihnen Dampf machen?«

»Achtung, legen Auswertung auf Ihr Display!«, wehrte sich der Verantwortliche. Augenblicke später schaltete sich die Anzeige auf einem Bildschirm vor der Kommandantin um. Sie lächelte nur. Die aufgezeichneten Diagramme waren ihr unbekannt. Nur die Stärke vermochte sie abzulesen.

Sie beugte sich vor. »Das gibt's doch nicht ...«

Khes erblasste. »Unfassbar ... als ob wir direkt in der Sonnenkorona gewesen wären! Unmöglich!«

Tira von Asoyth lehnte sich zurück. »Hauptkontrolle?«

»Keine Strahlungseinwirkung mehr. Schirme sind dicht«, bemerkte der Computer.

»Maschinen stopp. Gegenwärtige Orbithöhe einfrieren.«

»Eingefroren«, meldete Songar kurz und lehnte sich wieder zurück. Als Pilot der TRIAN-zhan hatte er eine Glanzleistung vollbracht. Zwar wurde jedes einzelne Manöver, jede Schaltung von Rechenanlagen unterstützt, aber dennoch war Songar in der Bedienung der Schalter um einiges schneller als jeder andere Pilot der kleinen Raumflotte von Asoyths Planet.

»Verbindung zu den Sonden so schnell wie möglich wieder herstellen«, verlangte die Kommandantin. »Computerunterstützung gewährt. Der Ausweichkurs der TRIAN ist gespeichert. Rufen Sie die Daten ab und bauen Sie die Datenstrahlen wieder auf. Ich möchte wissen, was die Sonden aufgenommen haben.«

Sie erhob sich. »Khes, übernehmen. Ich bin drüben in der Astro zu finden.«

Der hochgewachsene Asoyther nickte und schaltete Anzeigen und Kontrollen von Tiras Arbeitsplatz zu seinem herüber. Die Kommandantin verließ die Zentrale.

Ihre Schritte hallten über den in sanftem Blaulicht schimmernden Korridor, während sie zur Abteilung Astrophysik hinüber ging, die ebenfalls in der Zentralebene des Kugelraumers lag.

Was war mit Asoyths Stern los? Eine Strahlungseruption dieser Stärke hatte es noch nie zuvor gegeben ... noch nie in der dreitausendjährigen Geschichte des Systems. Damals, als die Familie Asoyth dieses System in Besitz nahm und besiedeln ließ, war die Sonne stabil. Der dritte Planet eignete sich bestens, Leben zu tragen und wurde entsprechend stark besiedelt – bis der Großtransmitter explodierte und die Verbindung zum Heimatsystem abschnitt.

Aus welchen Gründen er nicht wieder repariert und in Betrieb genommen wurde, war heute ebenso wenig bekannt wie die Tatsache, weshalb niemand sich die Mühe gemacht hatte, ein Raumschiff zu entsenden, um nach der Kolonie zu sehen. Vielleicht gehörte all das zu einem großangelegten politischen Intrigenspiel, über dessen Zusammenhänge und Hintergründe heute niemand auf Asoyths Planet mehr informiert war.

Wichtig war nur, dass sich irgendetwas an der Sonne veränderte. Als die Astrophysiker diese Veränderung feststellten, war sie schon fortgeschritten, aber die Bodenstationen waren nicht in der Lage, die Art der Veränderung zu erkennen oder zu erklären.

Somit fiel es der Raumflotte zu, die Sonne aus nächster Nähe zu erforschen. Im Asoyth-System gab es etwa dreißig Raumschiffe, die Patrouillenflüge unternahmen oder bestimmte Rohstoffe von den anderen Welten heranschafften. Aber seit dem Ausfall des Großtransmitters hatte niemand mehr das System verlassen, auch nicht mit Raumschiffen. Die Antriebe der Raumer waren nicht geeignet, die nächstliegenden Sterne aufzusuchen.

Asoyth kapselte sich ab und folgte damit dem Vorbild der Heimatwelt und der anderen Kolonien, nur hatten die noch untereinander Verbindung. Asoyth war aber auch von ihnen isoliert.

Tira von Asoyth, zur Entdeckerfamilie gehörend, die seit ewigen Zeiten Raumoffiziere und Planetenräte stellte, betrat die Astro-Abteilung, ohne sich anzumelden. Niemand sah auf. Die hier beschäftigten Frauen und Männer waren mit der Auswertung der Fremdstrahlung beschäftigt.

Die Kommandantin stellte keine Frage. Sie beobachtete nur. Es war nicht ihre Art, die Arbeit der Besatzung zu überwachen, aber sie gab sich in diesem Fall ihrer persönlichen Neugierde hin.

Sie brauchte niemanden anzutreiben. Sie sah aber auch, dass alles seine Zeit brauchte. Auch die Erforschung der Strahlenart, die von der Sonne kam.

Der Chefwissenschaftler bemerkte ihre Anwesenheit, trat auf sie zu und neigte grüßend den Kopf.

»Ich möchte fast behaupten, dass dieser Strahlungseinbruch uns mehr genützt hat als der Abschuss der tausend und später noch einmal ein paar tausend Sonden«, erklärte er. »Wir sehen zwar noch keine Vergleichsmöglichkeiten, aber wir hatten hier alles aus erster Hand.«

»Was mich vordringlich interessiert«, sagte Tira, »ist, wie die Strahlung die Schirme durchschlagen konnte.«

»Unsere Forschungen konzentrieren sich augenblicklich auf den Hyperbereich«, erläuterte der Chef der astrophysikalischen Abteilung.

»Rufen Sie die Speicherungen der Computer ab. Schirmkapazität, Emissionen, Dichte und Ausdehnung, Nebenstrahlungen ... bedienen Sie sich. Ich werde veranlassen, dass die Geheimhaltungssperren aufgehoben werden, damit Sie freien Zutritt zu den Daten haben.«

»Was halten Sie davon, wenn wir uns mit den Biologen kurzschließen, Kommandantin?«

»Sie meinen, dass die Strahlung auch auf den biologischen Organismus einwirkt?«

»Und vielleicht noch nachwirkt«, befürchtete der Wissenschaftler.

»Tun Sie alles, was möglich ist«, sagte Tira. »In diese Richtung bewegten sich auch meine Gedanken. Wir müssen erfahren, was mit der Sonne geschieht – und ob das, was geschieht, gefährlich für uns alle ist. Ich habe seit ein paar Wochen ein sehr ungutes Gefühl, wenn ich Asoyths Stern sehe.«

Und, dachte sie, wir müssen erfahren, ob dies eine natürliche Entwicklung der Sonne ist – oder ob sie von Fremden manipuliert wird ...

3.

 

Huan Cheng betrat wieder einmal Leydens Arbeitsraum, ohne anzuklopfen. Von dem Physiker war keine Spur zu sehen. Verwundert sah Huan sich um.

»Mister Leyden?«

Mister Leyden antwortete nicht. Mister Leyden glänzte durch Abwesenheit. Teamchef Huan sah etwas verärgert auf die Uhr. Leyden hatte noch keinen Feierabend und hielt sich an feste Zeiten und Termine.

»Aber wo treibt er sich herum?«, murmelte Huan Cheng. »Sollte er bei Kollegen sein und ...«

Er wollte gerade zum Sprechgerät gehen und durchrufen, als die Tür sich hinter ihm wieder öffnete. Leyden trat ein, ein paar Bandspulen und einen Stoß Folien unter dem Arm. »Sie hier, Huan? Na dann ... Ich wollte mich ohnehin einmal mit Ihnen unterhalten.«

»Ich mich auch mit Ihnen, Kollege Leyden«, sagte Huan bissiger als nötig. »Drei Abteilungen haben sich bei mir darüber beschwert, von Ihnen mit Arbeit eingedeckt worden zu sein.«

Leyden hob die Schultern und ordnete die Spulen sorgfältig in Regalfächer. Auf jeder Spule brachte er ein Kennsymbol an. Dann schlurfte er zu seinem Drehsitz und ließ sich hinter seinem Arbeitstisch nieder, auf dem die Folien gelandet waren. Zwei waren verrutscht, und Huan konnte einen Blick auf die darunterliegenden werfen.

Seit wann beschäftigte sich Leyden mit Sternmutationen?

»Leyden«, sagte Huan und beugte sich mit grimmigem Gesichtsausdruck vor, »wer hat Ihnen den Auftrag erteilt, sich mit Sternmutationen zu befassen?«

Tyll Leyden rückte den Folienstapel gelassen zurück. »Ich interessiere mich auch nicht für Ihre Partner beim Freitagabendkegeln, Kollege Huan«, sagte er.

»Das ist also Ihr Hobby?«, zischte Huan, der allmählich die Geduld verlor. Er hatte bisher schützend die Hand über diesen jungen Physiker gehalten, aber Leydens letzte Eskapaden sprengten jeden Rahmen.

»Nicht direkt mein Hobby, aber mich interessiert's«, stellte Leyden richtig.

Huan sank in einen Sessel. »Leyden, Leyden«, murmelte er. »Wie kommen Sie dazu, mit einer Privatsache drei andere Abteilungen unseres Instituts zu behelligen? Die Hyperphysik, Astrophysik und Strahlungsforscher ... sind Sie eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Leyden, Sie sind Mitarbeiter in meinem Team und als solcher nicht befugt, eigenmächtig Aufträge an andere Abteilungen zu geben ...«

»Deshalb tragen die ja auch meine Unterschrift und nicht Ihre, Kollege Huan. Aber sind Sie nur gekommen, um mit mir zu streiten? Unser Gespräch könnte wesentlich schönere Früchte tragen. Wissen Sie zufällig, welche EXPLORER derzeit in Solnähe stehen und keinen festen Auftrag haben?«

Huan schwante Böses. »Leyden ...«, murmelte er. »Wollen Sie damit andeuten, dass Sie einen Raumer benötigen?«

Tyll Leyden nickte wortlos.

Huan griff sich an den Kopf. »Ihnen ist doch nicht mehr zu helfen ... und Ihre Erklärung zu den Aufträgen an die anderen Abteilungen steht auch noch aus.«

Tyll Leyden zuckte mit den Schultern. »Fragen Sie die Damen und Herren doch mal, ob sie vorher ausgelastet waren. Waren sie? Wohl kaum. Und deshalb wundert es mich, dass sie sich über zuviel Beschäftigung beklagen. Dabei ist das Thema doch wirklich interessant.«

Es klang wie das Donnergrollen eines nahenden Gewitters, als Huan sich nach dem fraglichen Thema erkundigte.

»Sie brachten mir doch vor ein paar Tagen eine Mappe, erinnern Sie sich, Kollege Huan? Nun, damit beschäftige ich mich und setzte damit eine Arbeit fort, die ich auf Impos begann und nicht beenden konnte.«

»Leyden, Sie sind hier nicht auf Impos«, knurrte Huan. »Ich habe mir nebenbei erlaubt, Ihre Aufträge bei Astrophysik, Hyperphysik und Strahlungsforschung zu stoppen. Die Experten haben mit ihren eigenen Problemen zu tun.«

»Und die erschöpfen sich im Kartenspiel«, kommentierte Leyden trocken. »Sie sind der Teamchef.«

»Sie sind der Teamchef«, äffte Huan wütend nach. »Wie nett, dass Sie das auch schon erkannt haben. Wie weit sind Sie mit Ihrer Arbeit an meinem Auftrag?«

Wortlos griff Leyden nach einem Folienhefter und reichte ihn Huan. »Bitte, Kollege Teamchef. Ich betrachte meinen Anteil an diesem Arbeitsprojekt als abgeschlossen. Ich hätte Ihnen die Unterlagen ohnehin gleich überreicht. Aber wenn Sie mir einen großen Gefallen tun wollen, erkundigen Sie sich doch bitte nach einem sonnennahen EXPLORER ohne Festauftrag.«

Huan murmelte etwas, das außer ihm glücklicherweise niemand verstand, und verließ Leydens Arbeitsraum. Die Tür krachte hinter ihm ins Schloss. Mit weit ausgreifenden Schritten und knallenden Sohlen eilte Huan über den Korridor zu seinem Büro. Leydens Behauptung, mit seiner Teil-Arbeit fertig zu sein, hielt er für einen dreisten Bluff. Als Arbeitstier hatte er den Physiker und Astronomen noch nie erlebt. Aber als er dann die Unterlagen durchblätterte, musste er feststellen, dass Leyden nicht bluffte.

Er war tatsächlich fertig! Und das schneller als die Kollegen, die an anderen Teilbereichen arbeiteten.

Huan drückte auf die Ruf taste des Interkoms, der ihn mit Leyden verbinden sollte. Aber der meldete sich aus seinem Arbeitsraum wieder nicht.

»Dann eben nicht«, knurrte Huan und dachte an Tyll Leydens Privatbeschäftigung. Sternmutationen ... ob das etwas mit der schwarzgefärbten Sonne auf der Sternfotografie von Impos zu tun hatte?

Tyll Leyden zeigte seinen Unmut nicht, dass Huan seine Privatbeschäftigung blockierte. Weil er selbst sein Arbeitspensum hinter sich hatte, es zum Dienstschluss aber noch zu früh war, entschloss er sich, der Astrophysik noch einen Besuch abzustatten. Zwei der Sternfotografien von Impos nahm er mit, schloss seinen Arbeitsraum ab und machte sich auf den Weg zu den Kollegen.

Die drehten Däumchen, wie er es nicht anders erwartet hatte. Als Leyden eintrat, konnte er lange Gesichter bewundern. Auf sein »Hallo« gab es keine Antwort, aber wohl nur deshalb, weil es so müde klang.

Leyden sah sich um. Der Abteilungsleiter war nirgends zu sehen. Vermutlich hockte er in der Kantine und überprüfte anstelle der Eigenschaften fremder Sonnen die exotischer Spirituosen. Leyden konnte es nur recht sein. Er erkundigte sich nur, ob der Cru-Analysator frei verfügbar sei.

»Leyden, was wollen Sie denn an dem Gerät? Weiß Ihr Teamchef, dass sie hier sind?«

Leyden blieb ehrlich. »Er weiß es nicht, aber weil ich mit meiner Arbeit fertig bin, braucht er es auch nicht zu wissen. Kann ich den Cru benutzen?«

»Wenn Sie sich damit auskennen ...«

Heilige Sterne, dachte Tyll. Die Astrophysiker mussten tatsächlich nichts zu tun haben, wenn der Cru verfügbar war. Die beiden Fotografien in der Ledermappe unter den Arm geklemmt, begab sich Leyden in einen Raum des langgestreckten Traktes, in dem der Cru stand.

Leyden kannte sich damit aus.

Der Cru war Arkon-Technik. Vor ein paar tausend Jahren hatten arkonidische Spezialisten diesen Analysator entwickelt, der anhand von Fotografien, die mit einer bestimmten Aufnahmetechnik hergestellt wurden, Sterne in ihrer Struktur zu erfassen und zu zerlegen, wobei das Hauptgewicht auf dem Hyper-Bereich lag, also alles, was höher dimensioniert war als das Einstein-Universum.

Tyll Leyden orientierte sich kurz, schaltete die Maschine ein und programmierte sie auf das, was er von ihr erwartete. Dann schob er die erste Fotografie ein.

Der Cru arbeitete lautlos. Leyden überflog die Kontrollleuchten, die ihm anzeigten, wie der Analysator die dreidimensionale Abbildung des Sterns erfasste.

Gespannt wartete der Astronom und Physiker Leyden. Die große Bildwiedergabe blieb noch dunkel. Der Cru versuchte die Sternfotografie zu erfassen.

Als nach drei Minuten immer noch keine Grunddaten kamen, wurde Leyden unruhig. Nach der siebten Minute hielt er den Cru für defekt und wollte ihn wieder abschalten, als jemand den großen Arbeitsraum betrat.

»Sie hier, Leyden?«, staunte Mengs. »Können Sie denn mit dem Cru umgehen?«

»Der Cru ist defekt!«, behauptete Leyden und erzählte seine Geschichte. Mengs legte die Stirn in Falten und entsann sich, dass der arkonidische Analysator vor ein paar Stunden noch einwandfrei funktioniert hatte.

Mengs hatte nichts zu tun. Er saß auf einer Arbeitsplatte, ein Bein über das andere geschlagen, und fischte nach einer Zigarettenpackung in der Brusttasche. Als er Leyden ein Rauchstäbchen anbieten wollte, lehnte der Physiker ab.