Metta Victoria Fuller Victor

Tagebuch eines bösen Buben

Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2022
goodpress@okpublishing.info
EAN 4064066109646

Inhaltsverzeichnis


Wie er es begann
Die Photographien
Die Gesellschaft
Die Flucht
»Er wußte nicht, daß sie geladen war«
Unter dem Tisch
Der kleine Prestidigitateur
Herr Wilkins fährt mit seiner Schwester aus
Er hilft seinen Schwestern auf dem Jahrmarkt
— Die Überraschungs-Gesellschaft
Er geht zur Kirche
Er wird ein Einbrecher
Der letzte Strohhalm
Ein großer Fortschritt
Er wird Kleptomane
Er wird ausgeschlossen
»Mein Gott, es war die Katze!«
Er macht einen Drachen und läßt ihn steigen
Der erste April
Wie er sich sein Ponny verdiente
Er geht zur Hochzeit
Im Löwenkäfig
Er wird enterbt
Ein fatales Experiment
Im Ballon
Auf der Lokomotive
Bei den Wasserfällen
Er beteiligt sich an den Wahlen
Er mischt sich in Politik
Er ist entmutigt

Wie er es begann

Inhaltsverzeichnis

Ich wahr gestern 8Jar alt un Mamma sagte zu mir: »Schorschi, was fir ein Geburtstagspresennt mechstu gern habn?«

Ich sagte »ein Tagbuch«, weil alle meine große Schwestern eins habn un ich dachte, das ich auch schon groß genug dazu bin. Also kaufte Mamma mir eins. Weil ichs aber ganz richtig anfangn wollt', schlich ich henauf in Lilys Zimmer und wollte ein bischen aus ihren henausschreibn, aber sie hat es in ihrn Schreibtisch eingeschperrt un ich brauchte greßlich fiel Zeit einen Schlissl der dazu paßt zu suchn. Wi ich enlich einen gefundn hadte un Lil grad zu Besuch aus war, setzte ich mich nieder un schrib eine Seite ab, so gut als ich konnte.

Ich hab drei Schwestern, die alle ein Tagbuch habn, in das sie jedn Abens heneinschreibn, wenn sie sich die Haare henuntergenommen un in der Lade heneingelegt habn, außer die welche sie eingewiklt habn. Heute Abens also kommt Herr Willi Schmidt, so ein großer heßlicher alter Junggesell, der beina jeden abens zu Lil auf Besuch kommt un iber dem meine Schwestern immer hinter seinen Rickn lachn un ich bin grad in' Sallohn mit mein' Tagbuch un er fragt mich was ich bekommen hab un gibt mir ein Schtick Kandeszucker un ich zeig' ihm mein' Tagbuch un er list es laut for zu Lil un Elsbett die sehr fein aufgeputzt grad in Zimmer warn: »Ich winsche, der alter Willi Schmidt mechte liber zuhaus bleibn. Am Sonntag abens war er wider da. Ich werde ihm nie un nie un nimmermehr auch nur ein bißchen lib habn, aber Mamma sagt, er is reich un ich muß ihm annehmen, wenn er um mich anhelt. Oh wi grausam is es mich zu so einen falschn Schpiel zu feranlassen! Es scheint, als ob mir das Herz brechn mißte. Was fir schreklich große rote Hende er nur hat un er kann fon nichs andern schprechn, als wifiel Häuser er hat un seine Krawatte is fon greßlicher Geschmacklosigkeit. Ich winschte er wirde wegbleibn un dem Ding ein Ende machn. Wi er letztn Sonntag abens fortging wollte er mich kissn aber ich mechte ebnsogern einen Krebs kissn wi ihm. O er is so ferschidn fon meinen sißn, sißn Montague de Jones. O warum is Montague nur ein armer Beamter! Ich kann dises Elend nich lenger mehr ertragn. Montague is eifersichtig un macht mir die bitterste Vorwirfe. O was fir ein Betrug is dises Lebn! Ich bin es mid.«

Lil krisch die ganze Zeit un wollte es packn, aber Herr Schmidt hilt es in der Hehe un las das ganze; dann sagte er zu mir: was schreibst du solchn Unsinn? aber ich sagte es is kein Unsinn, es is aus Lils Tagbuch un ich glaube Lil weiß genug, um sich eins zu haltn — und er nimmt seinen Hut un Schtock und Elsbett sagt zu mir: »Da has du wider was schönes angerichtet, Schorschi!«

Lil wollte mich packn, aber ich bickte mich un lif weg.

Ich hab noch keinen Jungen so leicht in der Patsche kommen gesehn, wi ich. Die ganze Familje is zornig auf mir und sagt ich hab die Heirat hintergetribn un sie um gute hunderttausend Doller gebracht, aber ich seh nich ein, wiso ich schuld sein soll — blos weil ich ein paar Zeiln aus Lils Tagbuch abgeschribn hab?

Eins is sicher — das ibrige fon disn Buch wird fon meiner eigner Erfindung sein, gut oder schlecht. Mir ekln di Narrnsachn in dise Medchentagbicher.

Heit war so ein Lerm deswegn zuhaus, das ich gar nich sah, wi ich mein Essn krign soll, so ging ich fischn. Es war nich trib, so wolltn sie nich anbeißn. Ein Mann kommt forbei un sagt: »Was angebissn, Sehnchen?«

Ich winsche, die Leite mechtn mich nich Sehnchen rufn — es macht mich withend. Deswegen schrie ich: »Ferdammter Fisch!«

Un er sagt: »Was fir ein godtloser Junge!«

Un ich sag: »Ach was, der Fisch is auf den Damm.«

Un er kratzte sich am Kopf un ging weg. Grad biß einer an un ich lehnte mich zuweit heniber und fiel henein. Ich schwamm iber den Damm un flog henein in die Mihle und grad ibers Rad, aber nich früer, wi ich zur Schleise kam, dachte ich, ich glaube, sie wern traurig sein, wenn sie Schorschi nich mehr habn wern, ihm zu scheltn. Ich weiß aber nich mehr was ich dachte, wi sie mich herauszogn, weil ich so totgetrenkt war, wie eine Maus; aber sie rolltn mich auf einer Kiste un blisn mir mit einen Blasbalg in mein innerliches un ich kam zu mir un fragte: »Habt ihr mein Fischzeig gerettet?« Ich weiß nich, warum Mamma weinte, wie sie mich nachaus brachtn, denn da wars ja schon forbei un das sagte ich ihr auch. Ich war greßlich froh, das ich heneingefalln bin, weil sie driber ganz fergeßn habn, auf mir bös zu sein.

Lil brachte mir Budterbrod un sehr gutn Tee un am abens gingen alle henunter und wickltn mich in der Deke ein, das ich glaubte ich muß erschtickn. Deswegen schtand ich auf un zog mein neies Gewand an — das andre war zum trocknen. Un weil sie mich gewiß gescholtn hedtn, das ich aufgeschtandn bin, schlich ich in Sallohn un ferschteckte mich hintern Vorhang fom Feranderfenster. Ich wahr so mid, das ich gleich einschlief un wi ich aufkam, herte ich Schtimmen un bemerkte das es Susann un ihr Ferehrer war, die zusamm am Sofa saßn. Elsbett hakte am Peano am andern End fom Zimmer. Lil war drobn, weil sie wußte, das Herr Schmidt nich mehr kommen wird.

»Wir werdn wartn missn,« sagte er, »filleich ein Jar. Der alter Doktor Bradley braucht einem jungen Mann, um die Fahrtn zu machn un er hat ferschprochn mich auf disn Fall zu nehmen. Kanns du wartn auf mich mein Lib? Du wirst Geduld habn missn,« sagte er.

»Du auch mit mir,« sagte Susann un dann lachtn sie.

»Wir tetn besser es fir dem Moment als tifes Geheimniß zu betrachten,« sagte er.

»Ja,« sagte sie, »wahrhaftig! Es is die beste Polletik lange Ferlobungen geheim zu haltn — es kennte irgend etwas dazwischn kommen, weiß du!«

Un dann schprang sie auf, wi wenn er auf sie geschossen hedt un lif durchs Zimmer un setzte sich noch grade recht auf einen Sessl, weil ein par Leite herein kamen und dann noch ein par. Alle wolltn wissn, wi es dem armen kleinen Schorschi geht un dann kam Mamma und sagte, ich bin weggelaufn un sie is greßlich besorgt ich hab das Dellirum in meinen Kopf un mein Gehirn is filleich angegriffn. So gab ich also dem Vorhang einen Schwups un schprang herfor wi wenn ich Hipf-Frosch schpiln mecht un es wahr zum lachn, wi sie schrien.

»Oh Schorschi, Schorschi!« seifzte die arme Mamma, »du wirst noch mein Tod sein — ich weiß, du wirst.«

»Warstu die ganze Zeit unter den Feranderfenster?« fragte Susann un wird rot un blaß.

»Natirlich,« sag ich un winke ihm und wink' ihr. »Ich wußte, das Erlichkeit die beste Polletik is,« fing ich an, »aber warum is es die beste Polletik es nich zu sagn, wenn ihr ferlobt seid, wi du früer gesagt hast?« Dann warf mich Susann henaus aus den Zimmer un wi wir schon bei der Thir warn schrie ich noch: »Laß mein Arm los! Ich geh schon, brauchst mich nich zu schtoßn. Sag Su, warum bistu so fom Sofa aufgeschprungn, wi di Leite geklinglt habn? Hat Doktor Moor —«

Aber sie hilt mir die Hand forn Mund un schlug die Thir zu.

»Ich mechte dich so gern auspeitschn, als ich je wieder essn mecht, Schorschi,« sagt sie und fengt zum weinen an: »so mit der Thire ins Haus zu falln, du schlechter, schlechter Junge!«

»Mit was fir einer Thire?« frag ich.

»Doktor Moor wird dirs nie ferzeihn!« un schluchst, wi wenn ihr ihr einzges Schtickchen Kandis in Brunnen gefalln wer. »Wir wolltn, das kein Mensch for den nechstn seks Monathn etwas dafon weiß.«

»Es tut mir leid, das ichs getan hab, Susi,« sagte ich, »ich werds auch nimmer tun, wenn du zu weinen aufherst. Aber was hab ich denn eigentlich angeschtellt? Wenn ich gewußt hedt, das der Doktor so leicht erschreckt, so wer ich wirklich nich so schnell herausgeschprungen. Ich mecht so einen Menschn nich heiratn, der so leicht erschreckt. Er mecht fielleich gleich in Ohmach falln, wenn er in der Nacht ein weißes Leintuch zum trocknen aufgehengt siht. Ich glaub nich an Geschpenster, glaubs du?« Wi ich das sag kommt Mamma und schleppt mich wider henauf in mein Bed und sagt Betti — das Stubnmedchen — soll bei mir bleibn bis ich schlaf, un ich bat Betti, das in mein Tagbuch zu schreibn, weil ich so mid un schlefrig wahr. Bettis Libhaber hat rote Haare und schielt. Ich guckte eimal durchs Gangfenster un sah wi er mit ein Aug auf Betti un mit einen auf der Kechin schaute — die is so launisch, wi man nur sein kann — un ich winschte, ich mecht auch schieln, dann kennt ich mit ein Aug ins Buch schaun un mit ein Aug auf Tommy Fuller, wenn er Nadln in die Benke schteckt wo sich die Jungen hinsetzn wolln. Schielaugn wern der greßter Schpaß fir Jungen, die in der Schul gehn missn. Betti gehnt, wi wenn ihr der Kopf abfalln mecht. So muß ich schlissn.

Die Photographien

Inhaltsverzeichnis

Ich bin beina eine Woche zu krank gewesn, um in mein Tagbuch zu schreibn. Ich wahr krank, weil ich mich ertrenkt hab un weil ich aus den Bed aufgeschtandn bin, wi ich schwitzig war. Doktor Moor war zweimal jedn Tag bei mir. Er wahr so gut zu mir, das es mir leid tut, ich hab ihm damals so erschreckt. Ich herte heit früh Elsbett zu Lil sagn, sie ist froh, das ich krank bin un sie hofft, das ich mindestens ein Monath krank sein werd, damit ein bischen Fridn im haus is. Ich mechte nur wissn, warum Medchen ihre kleine Brider nich gern haben. Ich bin doch wirklich gut zu Beß. Wenn ich gesund bin geh ich zweimal in Tag zur Post fir ihr. Ich hab im ganzn nich mehr als drei Brife fir ihr verlorn. Famohs! Bin ich froh, das sie's nich weiß!

Heute nachmittag wahr mir schon so gut, das ich aufschtehn wollte un wi Betti mitn Nachmahl kam, kroch ich aus dem Bed un ferschteckte mich hinter der Thir. Ich hadte Mammas Schahl um un wie sie hereinkam, schprang ich herfor un bellte wi wenn ich ein großer schwarzer Hund wer — un dise unforsichge Persohn leßt die Tasse auf der Erde falln. So eine Bescheerung! Di Porzlanschale gebrochn, die Suppe aufn Teppich ferschidtet un die ganze Familje kam heraufgelaufn, weil sie so schrie, wi wenn das Haus in Feier wer. Ich wußte nicht, das Betti so eine Gans is. Alle scholtn sie mich — das tun sie immer. Ich glaube, wenn ich gesund bin, werd ich dafonlaufn un ein Biffljeger wern oder auf ein Schiff gehn. So is ein Junge nie behandlt worn — so ungerech.

Heut erlaubtn sie mir in der Decke eingewiklt im Lehnschtuhl zu sitzn. Aber das wahr mir bald fad, so bat ich Betti mir ein Glas Eiswasser zu holn um meinem Durscht zu leschn un wi sie draußn war, tummlte ich mich un lif weg in Lils Zimmer heniber um mir alle di Fotografin fon di hibschn junge Menner anzuschaun, die sie in der Lade hat. Die Medchen warn alle im Sallohn druntn, weil Fräuln Miller zu Besuch da wahr. Betti kam mich suchn aber ich verschteckte mich im Kabenett hinter einen altn Reifrock. Wi sie weg wahr kam ich wider hervor un unterhilt mich wirklich sehr gut. Einige fon di Fotografin warn rickwerts beschribn, wi zum Beischpil: »Eingebildeter Narr!« »Oh wi siß!« »Er wollte, ich nich!« »Ein herziger Schatz!« »Was fir ein Mund!« »Portreht eines Affn!«

Zwei Dutzn dafon, welche ich kannte, schteckte ich ein, um ein bischen Schpaß zu habn, wenn ich gesund bin. Ich machte die Lade wider zu, sodas Susann nich merkt, das ich sie genommen hab. Mir wahr, als ob ich nimmer in das heßliche Zimmer zurickgehn kennt, so fad war es mir schon un ich dachte ich kann mir hir die Zeit fertreibn un schpiln, ich bin ein junges Medchen. So zog ich also Susis altes Kideparih an un einem Unterrok mit einen langen Schlepp' un ihr blauseidnes Kleid, nur war es nich groß genug um der Taillje. In der Lade fand ich ein paar kleine Lockn die machte ich mir auf der Schtirn mit Gummirabi fest un dann sah ich etwas rotes in einer Schale un ferbte mir die Wangen damit. Wi ich fertig wahr, rutschte ich am Treppngelender hinunter un plumpste grad auf Fräuln Miller, di sich fon meine Schwestern empfehln wollte. So ein Geschrei, das sie machtn!

»Mein bestes blauseidnes, du Teufl fon einen Jungen!« sagte Su.

Fräuln Miller drehte mich zum Licht un sagte so siß wi Honig: »Woher has du nur di hibschn rotn Wangen, Schorschi?« Susann machte mir ein Zeichn, aber ich ferschtand sie nich.

»Ich fand etwas rotes in Susanns Lade,« sagte ich un sie lechlte so recht hemisch un sagte: »Oh!«

Meine Schwester sagt, sie is eine greßliche Schwetzerin un wird in der ganzn Schtatt erzehln, daß sie sich schminkn was gar nich wahr is weil die Schale zufellig dort wahr um Rosn auf Kartnpapir zu machn, un das is nichs schlechtes.

Ich blib in Susanns Kleid hengen, wi ich die Schtige henauf gehn wollte un riß dem Vorderteil mittndurch. Sie war so ergerlich, daß sie mich orfeigte.

»Aha Susi,« sagte ich zu mir, »du weißt nichs fon die Fotografin die ich aus deiner Lade genommen hab!«

Manche Leite glaubn kleine Jungen habn nur Ohrn um sie zu orfeign — meine Schwestern wengstens tuns. Wenn sie nur wißtn was fir finstere und deßprahte Gedankn kleine Jungen habn, mechtn sie sorgsamer mit ihnen umgehn — es regt sie auf, wi wenn man mitn Schtock in der Kotlake herumrihrt.

Ich gab nach — aber warte nur bis morgn! Heut lißn sie mich zum Frühschtick henunter kommen. Ich hadte alle dise Bilder in meine Taschn geschteckt un wi ich aufpasse das ich unbemerk wegschleichn kann, sagt Lily: »Was macht denn deine Taschn so herausschtehn?«

»Oh ferschidnes!« sagte ich, und sie lachte.

»Ich hab geglaubt, du hast filleich Bicher und Kleider eingeschteckt un willst weglaufn un ein indjanischer Heiptling wern,« sagte sie.

Ich ferried nichs, sondern sagte: »Ich will in den Hinterhof gehn un ein bischen schpiln.«

Gut, ich lif also in der Schtadt henunter un hadte einem prachfolln Schpaß. Ich ging zu alle Orgenahle fon die Fotografin.

»Halloh Schorschi! Wider gesund?« sagte der erster zu den ich ging.

Oh du mein Gott! Wenn ich groß genug bin wird mein Schnurbart nich so aufgewikst sein wi seiner, hoff ich. Er is in einen Ladn un ich bettelte ihm, mir eine hibsche Krawatte zu schenken un wi er fragte: »Sin deine Schwestern gesund?« fischte ich seine Fotografih heraus un gab sie ihm.

Es war die mit »Eingebildeter Narr!« auf dem Rickn geschribn. Die Medchen hadten seinen Schnurbart doplt solang ausgezogn un ihm iber das ganze Gesicht lachn gemacht. Er wurde so rot wi Feier un dann schrie er zu mir: »Wer hat das getan, du Nichsnutz?«

»Ich glaube die Geschpenster,« sagte ich so erns wi eine Nachteile un machte das ich fortkam, weil er auschaute wi wenn gleich das Gewidter losgehn mecht.

Der nechster Platz, wo ich hin kam, wahr eine Matrjahlwarnhandlung wo ein andrer junger Mann wahr. Er hadte rotes Haar un Sommerschprossen aber er schien sich selbs fir einer Schönheit zu haltn.

Ich sagte: »Halloh Peters! Gutn Morgn!«

Er sagte: »Ich winsch ebnfalls, Schorschi. Iß du Rosinen gern? Da, nimm dir.«

Jungen, die drei hibsche Schwestern habn, gehts iberall gut, bemerke ich. Ich nahm mir eine große Hanfoll Rosinen un ein par Nisse un setzte mich zum essn auf den Ladntisch, bis ich auf einmal, wi wenn mirs grad einfalln mecht, in der Tasche greif, seine Fotografih henausnehm, drauf schiele un sage: »Das siht aber ganz so aus wie sie, sag ich!«

»Laß sehn!« sagte er.

Ich wollte ers lang nich un dann gab ich sie ihm. Die Medchen hadtn Sommerschprossn iber das ganze Gesicht gemacht. Das wahr die, bei welcher sie auf dem Rickn geschribn hatn »Er wollte, ich nich«. Sie hadtn sein Haar so rot angemahlt wi einen Hahnenkamm. Er wurde ganz bleich, wi er es in der Näe sah.

»Das is eine brennende Schande,« sagte ich, »fir dise Damen, sich so iber ihre Ferehrer lustig zu machn.«

»Schau das du fortkommst!« sagte Peters.

Ich packte noch schnell ein Bindl Rosinen und ferschwand ruig. Er wahr withend! Herr Hofmann is ein Avokat un hat ein Bihro auf den Platz bein Gerichtshaus. Ich kenn ihm sehr gut, weil er offt zu uns kommt. Er is ein greßlich komischer Mensch un so schteif, man mechte glaubn, er schaut ob der Mond aus grinen Käs gemacht is, wi di Leite sagn, weil er so in der Luft guckt. Er hat eine tife, tife Schtimme beina bis in seine Schtifl henunter. Das Hertz schlug mir wi ich hinkam, so firchtete ich mich. Aber ich wollte den Schpaß doch bis zuend sehn un so fragte ich ihm: »Is das Wunderthir heite ausgeschtellt?«

»Was meins du?« fragte er un schaute auf mir henunter.

»Susann sagte, wenn ich ins Bihro fon Herrn Hofmann geh, so kann ich sehn wofon das das Bild is,« sag ich un gib ihm seine eigne Fotografih beschribn mit »Das große Wunderthir«. Es is greßlich schpaßig, die Gesichter der Leite zu sehn, wenn sie ihre eigne Fotografihn anschaun. In einen Nuh hob er dem Fuß auf, aber ich wich ihm noch grad zurecht aus. Ich herte ihm etwas brummen wi »anzeign wegn Beleidegung«. Ich glaube er sollte sie liber wegn effentlicher Gewalttetigkeit anzeign, weil sie mich immer orfeigt. Ich winschte sie mecht eingeschperrt wern, da gescheh ihr recht.

Wenn ich noch lenger schreib, so komm ich nich for Mitternach ins Bed. Ich muß schon gehnen wie in schterbender Fisch. So, lebwohl mein Tagbuch, bis nechstesmahl. Die Bilder hab ich alle noch formittag zurickgegebn. Ich glaube, das wird einen Schpektakl gebn. Ich muß beina zerplatzn for lachn, wenn ich an dem Menschn denk dem ich »Das Portreht eines Affn« zurickgegebn hab. Er schaute so wunderlich aus. Ich glaube er weinte. Wi ich zum Essn nachaus kam, queltn sie Mamma grad, ihnen zu erlaubn, nechste Woche Gesellschaft zu gebn. Ich glaube nich, das einer fon die junge Menner kommen wird, die Medchen werdn auf ihnen ferzichtn missn. Mir ligt garnix dran. Was nehmen sie sich solche Freiheitn mit meine Ohrn heraus, wenn sie wolln, ich soll gut zu ihnen sein.

P.S. Ich wette die Ohrn klingen ihnen heite wi mir noch nie.

Die Gesellschaft

Inhaltsverzeichnis

Oh Godt! Oh Godt! Was fir eine Welt is das! Kleine Jungen sin zum Ferdruß geborn, wi di Funkn zum in der Heh flign. Es is iber einer Woche seit ich das Herz gehabt hab in mein Tagbuch zu schreibn. Armes Tagbuch! Du Zeige meines gebrochenen Herzns, zu dir komme ich um Trohst. Auf deine Bletter will ich mein Leid aufschreibn. Es schmerzt mich noch jetz, grad auf den Sessl zu sitzn, aber deinetwegn will ichs zu ertragn suchn.

Es kommt alles fon den Tag her, wo ich den Menschn ihre Fotografihn zurickbrachte. Die Medchen queltn also die Mamma grad, eine Gesellschaff zu gebn un Mamma ferschprach es ihnen enlich, sodas sie sehr lustig wahrn un anfingn die Liste von denen herauszuschreibn, die sie einladn wolltn. Sie wahrn alle drei so ämsig wi Bihnen und ich war ganz braf un saß auf einen Sessl un herte ruig zu weil ich so mid wahr, wi es auf eimal klinglt un nimand andrer hereinkommt als Tante Betsey die in Hoppertown wohnt un uns zweimal in Jar besucht. Meine Schwestern warn ganz außer sich, weil sie wußtn, das sie eine Woche dableibt un bei der Gesellschaff sein wird. Lily machte ein böses Gesicht wi sie es herte.

»Heßliche alte Persohn,« sagte sie, »immer kommt sie zur ungelegestn Zeit.«

»Sie bleibt sicher hir,« sagte Elsbett, »wenn sie dafon hert, un wird wider ihr altes grines Seidnkleid tragn mit den gelbn Kopfputz un ihre lila gewirkte Handschuhe.«

»Sie wird uns greßlich langweiln,« sagte Susann. Ich glaube Tante Betsey is reich, aber so altmodisch, das man glaubn mechte, si is grad aus der Arche gekommen mit die Thire zu zwei un zwei nur Tante Betsey muß allein gehn weil sie eine alte Jungfer is. Wi ich also herte, das sie hofftn sie wird nich zur Gesellschaff bleibn, hoffte ich es wirklich auch. Um die Wahrheit zu sagn, ich hadte ein schlechtes Gewissn wegn dise Fotografihn di ich aus Rache zurickgegebn hab. Oh es is schrecklich ein schlechtes Gewissn zu habn, es wägt wi Blei. Ich winsche ich hedte es nich getan aber es nitzt nichs um fergossener Milch zu weinen un so hab ich beschlossn etwas fir meine Schwestern zu tun, um es gut zu machn.

Nach dem Tee wahr ich allein mit der Tante im Vorsaal un sagte zu ihr: »Tante, mechst du meine Schwestern gern glicklich machn?«

»Was meins du?« fragte sie.

»Weil, wenn du wolltest,« sag ich, »bitte fahr nachaus befor Gesellschaff is. Sie wolln dich den Abend nich hir habn. Ich herte sie so sagn. Erzehl aber nich das ich dirs gesagt hab, Tante, sondern fahr nur ruig nachaus den Tag for nechstn Donnerstag un ich wer dir mein Lebnlang dankbar sein.«

Ich glaube es wahr nich schön fon ihr, zornig zu wern, wenn ich so heflich zu ihr redete — un ganz gemein war es, gleich heneinzulaufn um es zu erzehln, wenn ich sie ausdriklich gebetn hadte, es nich zu ferratn, was sie aber tat so schnell sie nur konnte, un den nechstn Tag wahr sie auf und davon un sagte sie wird uns nie un nie un nimmermehr besuchn.

Aber das is noch nich alles. Es scheint mein Papa hadte Geld fon ihr ausgeborgt, weil die Zeitn so schlecht sin un sie machte ihm Forwirfe, das er Gesellschaffn mit ausgeborgten Geld gibt. Der ganzer Zorn fon alle fiel auf mir armen 8Jar altn Jungen. Un noch was andres fiel auf mir. Ich will dir nich di Schande antun, libes Tagbuch un heneinschreibn, was, es is genug wenn ich sag das sie das Kind ferdorbn habn, obwohl sie dem Schtock nich schpartn. Betti bedauerte mich un machte mir ein weiches Kissn aus einen altn Polster. Ich will nich ausgehn, damit die Jungen nich merkn es is was passihrt — die Zeit fergeht greßlich langsam. Ich mechte mir nichs draus machn Robinson zu sein. Wenn ich eimal groß wer, un einen kleinen Jungen hab, ich wer ihm nich so behandln. Ich mechte ihm nich beschtrafn fir etwas, was er gar nich tun wollte, sondern ihm dreimal in Tag mit Schaumkuchn fittern un seine eltern Schwestern nich so grob zu ihm schprechn lassn, als wer er ein Monstrem.

Die ganze Zeit war ich nich ruig wegn die Fotografihn. Ich glaubte jedn Augnblick, es muß herauskommen, was ich angeschtellt hab. Ein Tag nach den andern ferging, enlich kam der Gesellschaffsabend. Betti zog mir mein neies Gewand an, band mir meine schönste Krawatte um un schittete mir einen Liter parfehm auf mein Taschntuch, meine Schwestern predigtn mir eine halbe Schtunde, wi ich mich benemen muß wenn ich nich zubett geschikt wern will un lissn mich enlich in Sallohn kommen. Das ganze Haus war beleichtet, iberall warn Bukehs un ein Mann war da zum Klawirschpiln. Der Mund wesserte mir, wenn ich an dem Gefrornen dachte un den Kuchn, die Oranschen und das Scheleh, die Hihner un belegte Butterbröder die in Schpeißzimmer warn. Die Medchen schautn greßlich hibsch aus, in Weiße Kleider, die Loknwikl herausgenommen, die Augn hell un Blumen im Haar.

Die Gesellschaff kam an. Alle die jungen nobln Damen aus den Ort die zu uns kommen flegn, kamen — die Uhr schlug nein — der einzger Herr der da war, war Doktor Moor, der Susann heiratn wird. Meine Schwestern fingn an unruig auszuschaun. Ich zidterte in meine Schue.

Der Kerl bei den Peano schpilte un schpilte. Ein par fon die Medchen faßten sich um der Taillje und walztn herum aber es schin ihnen nich sehr zu gefalln. Die Uhr schlug halb zehn!!!

Oh wi mein schlechtes Gewissn mich henunterdrickte! Ich sagte zu mir selbs: »Die Bombe is geladn, die Lunte angeschteckt, jetz kann sie platzn!«

Die Geste fingen zu wispern an un meine Schwestern schautn aus als ob sie sich am libstn in ein Mausloch ferkrichn wolltn. Dann klinglte es auf eimal draußen sehr laut — alle Gesichter glentzn, aber es wahr nur Betti, die eine Karte brachte un sie meinen Schwestern gab. Es war aber keine »Absage« nur eine Fotografih, die sie beschribn hadtn un die in ihrer Schreibtischlade zu sein flegte. Die Glocke klinglte nocheimal — noch eine Foto! Na, die Ssene!

Die Glocke klinglte noch zwanzigmal un jedesmal wahr es eine andere un noch eine un noch eine.

Zuletz kamen zwei junge Menner. Ich wußte augnblicklich warum sie kamen. Auf ihre Kartn war geschribn: »Oh du herziger Junge« un »Zu schön, zu prechtig, um zu dauern!«

Der wahr in einen Schuhgeschefft aber er ferschtand dem Witz nich.

Sie tanzten ein par Lanzjehs mit drei Herrn un finf Damen.

Fräulein Hopkins kicherte die ganze Zeit un meine Schwester weinte beina. Das Nachtessn war ausgezeichnet, aber ich wußte die Gesellschaff wahr ferdorbn. Ich fihlte mich so unruig, das ich bei der finften Tasse Gefrornes aufhern mußte.

»Wenn ich wißte, wer es getan hat,« herte ich Susi zum Dokter sagn, »ich könnte ihn ermordn! Un ich wirde es auch! Ein gemeiner, feigherziger ränkischer Scherz! Ich hasse solche Scherze! Sie sind nun alle böse auf uns. Wir kennen es nie mehr gutmachn. Wir werdn in einer andre Schtadt zihn missn. Ich werd es nie mehr wagn, mich auf der Schtraße zu zeign. Ich winsche ich kennte herausfindn, wer es tat!«

»Filleich kann Schorschi hir uns Auskunff gebn,« sagte der Dokter un schaute mir scharff ins Gesicht.

»Oh nein,« sagte ich. »Hechstens wars Hektor. Ich hab ihm ein par Fotografihn zum kaun gegebn, filleich hat er sie auf der Schtraße falln lassn.«

»Dann hadtest du sie also?!« sagte sie ganz heftig. Das Unglick war geschehn. Ich lif dafon un legte mich schlafn. Ich wollte nich dabei sein, wi di Leite weggingn. Ich lag un denkte un denkte lange Zeit. Ich wußte, das mich jetz wider Prigl erwartn. Ich habe mich noch nich fon die Wirkungen der forign erholt. Mir schin als kennte ich die harte Prifung nich iberschtehn die mich in der Frih erwartet. Ich konnte keinem Momment schlafn. Ich war entschlossn fortzurennen. Tante Betsey wohnte nur finfzig Meiln per Bahn fon unsern Ort. Ich wahr einmal dort. Ich hadte zwei Doller in meiner Schparkasse. Der Mond schin so hell wi Tag. Ich schtand auf, un zog mich an, nahm meine Schparkasse kroch die Schtige henunter so leise wi eine Maus, machte mir die Thir auf un war draußn.

Ich lif so schnell ich nur konnte zum Deppoh. Es wurde schon hell. Ein Lastzug schtand auf der Weiche un blis Dampf aus. Ich paßte di Gelegenheit ab un kroch in einem leern Wagn.

Zimlich bald klinglte es — wir warn am Weg!

»Lebt wol meine Freinde!« sagte ich. »Ihr werdet euch nich mehr mit disn bösn Jungen ergern. Er geht un wird sich duckn, bis der Sturm voriber is!«

Dann machte mich das Wackln fon den Wagohn sehr schlefrig un ich dachte, ich will ein bischen schlafn un ich werde morgn erzehln, wi ich aufwachte.

»Wer is das?« fragte eine raue Schtimme.

»Ich bins, der kleiner Schorschi,« sagte ich. »Ich will meine Fart bezahln. Hir is meine Schparkasse mit zwei Doller drin, nehmen sie sich henaus wifil sie bekommen.«

Ein großer Mann mit einer Laterne schaute mir sehr erns an.

»Wi komms du da herein?« fragte er.

»Ich lief fon zuhaus weg, weil ich immer etwas anschtell. Ich sollte gepriglt werdn, weil ich den jungen Leitn di Fotografihn zurickgegebn hab, auf di meine Schwestern geschribn hadtn. Sind sie der Bremser?«

»Natirlich!« sagt er un lacht. »Wo wills du auschteign?«

»Hoppertown,« sag ich. »Un ich glaub ich wer dortbleibn bis ich groß bin, weil sons meine Schwestern alle als alte Jungffern schterbn.«

Der Bremser war sehr freinlich un setzte sich mir gegniber un sagte das ich ihm erzehlen soll. Wir unterhiltn uns gans gut un er erklärte mir alles am Wagn. Ich glaube, ich mechte auch Bremser wern wenn ich groß bin.

Die Flucht

Inhaltsverzeichnis

Ich hab letztn Abens zimlich kurz abgebrochn, weil eine Maus in meinen Schlafzimmer kam un ich fersuchte sie zu fangen. Ich zerbrach mein Lawor wi ich einen Schu auf ihr hinschmis. Aber die Maus erwischte ich nich.

Also gut, der Bremser un ich unterhiltn uns sehr gut. Ich erzehlte ihm fon meine Schwestern, fon Tante Betsey un fon allen. Es tat ihm leid um mir; er wollte kein Geld fon mir fir der Fart nehmen. Er sagte wi er in meinen Alter war bekam er jedn Abens reglmeßig Prigl un ich soll mich nur dran gewehnen un mir nix draus machn.

»Der Frosch gewehnt sich dran geschundn zu wern,« sagte er, »hindre nur die Ferlobungen deiner Schwestern nich, wenns dir meglich is; Ferehrer sin heuer rar. Der Krig in Europa hat unter die Menner aufgereimt.«

Den Bremser werd ich bis zu meinen Todestag libhabn, er war so gut zu mir. Es war filleich nein Uhr formittag wi wir zu den Platz kamen, wo ich ausschteign wollte; wir schittltn uns noch die Hende un sagtn Adjeh, wi wenn wir schon alte Freunde wern. Ich glaube ich wers aufgebn Biffljeger zu wern un liber Bremser sein, wenn ich groß bin. So ein famohses Lebn! Man kann ganz umsons fahrn sofiel man will.

Bei den Deppoh warn ein par Jungen, die sehr erschtaunt wahrn, mich aus den Lastzug ausschteign zu sehn. Sie schtelltn sich mir for und ich dachte ich kennte noch ein bischen schpiln, befor ich Tante Betsey sage, das ich hergekommen bin, um bei ihr zu bleibn.

Ich fand aber, das es sehr schlechte godtlose Jungen warn, die gar keine Erziung hadtn. Sie nahmen mir meine Schparkassa weg zerrissn mir mein neus Gewand un warfn mit Schmuz, so das ich mich nich anschaun lassn konnte. Ich dachte an etwas, das in einen Buch fon mir schteht: »Nimm dich for fremde Hunde inach!«

Es war schon Midtag wi ich zu Tante Betsey kam. Ich hatte nich bemerkt das ich hungrig wahr bis ich die gebackenen Pastehtchen roch. Sie aß ganz allein zu Midtag, wi ich herein kam.

»Großer Godt! Schorschi Hacker!« schri si un liß ihr Messer so fest aufn Teller falln, das ein Stick fom Rand herausbrach. »Woher komms du? Was ist mit deinen Gewand geschehn? Wer hat dir das Gesicht so zerkratzt? Das ist doch —!«

»Tante Betsey,« sagte ich, »ich will nich lügn, ich bin dafongelaufn.«

»Dafongelaufn! Dafongelaufn fon deinen libn Heim, fon deinen gutn Papa, deiner theiern Mamma, deinen brafen Schwe—«

Hir herte sie pletzlich auf, wi wenn ihr was im Hals schteckn geblibn wer. Sie erinnerte sich gewiß, wie sie sie nich zur Gesellschaff habn wolltn.

»Ich wundre mich nich,« sagte sie dann, »dise Medchen sin genug, um jedermann aus dem Haus zu treibn. Erzehl mir alles, mein armes Kind!«

Ich erklehrte ihr also die ganze Geschichte. Ich sagte ihr auch, das mir das Hertz blutet, das ich sie damals bei uns so bös gemacht hab. Wi ich ihr fon die Fotografihn erzehlte, glänztn ihre Augn, so erfreut wahr sie, das meine Schwestern in der Patsche warn.

»Es wahr nich recht fon dir, Schorschi,« sagte sie, »aber Bubn bleibn nun eimal Bubn. Es freut mich, das du zu mir gekommen bist. Geh nur hinaus in der Kiche un wasche dich und dann komm schnell zurick sonst wern die Hihnchen kalt.«

»Versprichs du mir, Tante, ihnen nich zu schreibn, wo ich bin?«

»Wenn sies nich erfahrn, bis ichs ihnen schreib,« sagte sie kurz, »wirst du bei mir bleibn, bis du groß bist.«

Man siht sie hadte einem Haß auf meine Leite, weil ich ihr erzehlt hadte, daß sie sie nich zur Gesellschaff wolltn. Sie schtopfte mich so foll, das ich schon bein dridtn Schtick Pastehte nich mehr weiter konnte un besserte mir meine Jacke aus un wahr so gut zu mir als man nur sein kann.

Lange for fier Uhr kam fon Papa ein Tellergramm: »Ist Schorschi dort?«

Tante tellergrafiert zurick: »Was meins du?«

So wußtn sie also nich ob ich war oder nich.

Ich habe fergessen zu sagn, das ich mein Tagbuch mitgebracht hadte in mein Taschntuch eingebundn un ein reines Hemd un ein par Schtrümpfe.

Es war Tante Betseys Lawor das ich zerbrach, wi ich das Mäuschen fangen wollte. Es wahr aus so schpaßgen blauen Porzllan — das Lawor, nich das Mäuschen — un Tante wahr sehr bös. Ich firchtete sie wird mich deswegn nachaus schickn.

Ich bin nun schon 2Tag hir, sie behelt mich nur um meine Leite zu ergern, aber oh! sie laßt mich arbeitn, wi ein Schklafe. Es wird mir schon zu fad. Ich muß Schnitzl aufklaubn un sogar die Fisoln aufbindn — eine waare Schande! bei uns zuhaus macht das die Kechinn. Sie leßt mich nich mit die andern Jungen schpiln. Zwei mahl hab ich mich schon zum Deppoh geschlichn um den Bremser zu suchn, er soll mich mit zuricknehmen. Er wird es tun, das weiß ich sicher. Heimweh is etwas schreckliches.

Fier lange, lange Tage un Nechte! Wi langsam die Zeit kricht, wi eine Schneke! Ich bin deschpart, kein Geld, keine Freinde un keine Gelegnheit den Bremser zu sehn. Heut hab ich zwelf Virtl Heidlbeern klaubn missen un mein Schtolz fertragt eine solche Ernidregung nich.

Oh kennt ich noch eimal die Heimath meiner Kindheit sehn ich were ein brafer Junge! Umsons sin dise traurige Gedankn! Warte! — Hurrah! Ich hab eine Ideh! Ich wills nich in mein Tagbuch schreibn, weil ich glaube das Tante Betsey es list wenn ich nich zuhaus bin.

Oh glicklicher Junge! Wider zuhause! Trenen ferdunkln meine Augn, wenn ich an die Ssene denk, wi mein Fater mich in Triumf nachaus brachte. Meine Mutter schluchste, meine Schwester kißtn mich, selbs di Kechin weinte un Betti hilt sich die Schirze for die Augn. Die ganze Schtadt hat solches Aufsehns fon mir gemacht als ob ich der armer Kaptehn Roß wer. Bein Deppoh warn eine große Menge Leite um mich zu erwartn. Nein so was! Papa wahr so zornig auf der Tante, das er kein Wort mit ihr redete, wi er mich holn kam, weil alle Leite sagtn ich muß tot oder geschtohln sein. Wi ich das Geld zum tellergrafihrn bekam, war so: sie schickte mich Heidlbeern klaubn zum einmachn, aber ich verkaufte sie un ging zum Deppoh un tellergrafihrte:

»Ich bin bei Tante Betsey — bitte, bitte, komm un hol mich nachaus. Dein Sohn Schorschi.«

Meine Schwestern sin greßlich libe Medchen. Ich will nie, nie wider so lang ich leb etwas thun, was sie ergert. Ich bin fest beschlossn den Fater unsres Lands zum Forbild zu nehmen und wenn ich groß wer, ein berihmter un guter Mensch zu sein.

Der neuer Predger kam heut Abens zu uns zum Tee. Er heißt Ehrwirdn Nebnezer Slokum. Er is 26Jar alt wi er selbs gesagt hat. Er is bleich tregt weiße Fatermerder un hat Medchen un Zuckerbeckerein sehr gern, wi ich bemerke. Er patschte mir aufn Kopf — ich kann es nich ausschtehn am Kopf gepatscht zu wern, das paßt fir Jungen fon drei oder fier. Ich denke er macht sich angenehm zu Lil aber sie will ihm nich habn. Die einzge Sehle auf der Erde um die sich Lil kimmert is Montag de Jones. Heut formidtag trug ich ihm 1Brif hin. Sie gab mir ein 10Centschtick wenn ich ferschprech niemandn dafon zu sagn. Er schrib einen andern zurick un gab mir auch 10Cent. Lil wartete in Hof, wi ich zurickkam. Sie schtekte dem Brif schnell in der Tasche un lif henauf. Was hat das zu bedeitn?