Für Mama und Papa

Inhalt

Einleitung

#MeTwo. Jetzt reden wir

#MeTwo. Crashkurs für das eigene Leben

Ankommen in Deutschland. Meine Eltern und ihre Integration

Schule, Theater und der liebe Gott. Neue Perspektiven

Wie ich zum Deutschen wurde. Und zu noch viel mehr

Die Welt verbessern. Kleine und große Schritte in den Sozialaktivismus

Woher kommst du? Eine Frage und ihre Tücken

Hier überall kann ich sein. Heimat im Plural

Rausgehen und loslegen!

Danksagung

Anmerkungen

Einleitung

»Mama, das kann ich ihm nicht sagen.«

»Wieso nicht? Er hat dich schon mehrmals in sein Schloss eingeladen. Nun lädst du ihn ein, ganz einfach.«

»Als ob er meiner Einladung folgt. Er ist schließlich der Bundespräsident. Ich weiß nicht mal, ob er Döner mag.«

»Wir haben auch Schnitzel und Vegetarisches. Schau, Herr Steinmeier kennt deine Herkunft und weiß, was für eine Kultur wir haben. Gastfreundschaft spielt bei uns eine große Rolle. Er ist ja Bundespräsident von uns allen und wird das wissen und schätzen.«

»Okay, Mama, ich versuch’s.«

Nur wenige Tage nach dieser kurzen Unterhaltung mit meiner Mutter nahm ich Anfang Oktober 2018 tatsächlich auf Einladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an einer Veranstaltung im Schloss Bellevue teil. Ich saß mit im Publikum, während auf dem Podium über »Risse und Ressentiments« in der Gesellschaft diskutiert wurde. Als ich den Bundespräsidenten beim anschließenden Empfang traf, war ich doch etwas zu aufgeregt, um ihm die Einladung so direkt zu überbringen. Immerhin sagte ich ihm, dass meine Eltern einen Dönerimbiss besäßen, dass sie ihm dort im Fernsehen folgten und sich gut von ihm repräsentiert fühlten. Nachdem wir ein Foto gemacht hatten, erzählte ich ihm noch kurz, wie die Debatte um #MeTwo verlief. Diese von mir initiierte Twitteraktion war zu dem Zeitpunkt gut zwei Monate alt und hatte bereits hohe Wellen geschlagen. Vermutlich war ich deswegen zu der Veranstaltung eingeladen worden.

Was es mit dem Hashtag genau auf sich hat, was er für mich und viele andere Menschen mit Migrationshintergrund bedeutet, werde ich in diesem Buch schildern. Die gesellschaftliche Diskussion, die er ausgelöst hat, ist unglaublich wichtig und wird weitergehen. Wer gehört zu diesem Land, zu Deutschland? Was bedeutet Integration und wie gelingt sie? Was bedeutet Deutschsein?

Ich bin einer von Millionen Menschen in diesem Land, die sozusagen zwei oder mehr Seelen in der Brust haben. Für uns haben die genannten Fragen eine fundamentale Bedeutung, wie ich anhand der Geschichte meiner Familie und meines eigenen Werdegangs zeigen möchte. Gleichzeitig sind diese Fragen für jede und jeden in Deutschland von Relevanz, geht es doch letztlich darum, wie wir in Zukunft zusammenleben möchten und welche Werte uns wichtig sind.

Keine Frage: Unsere Gesellschaft sieht heute anders aus als vor dreißig, zwanzig, ja sogar nur fünf Jahren. Wir alle spüren, dass sich die Welt um uns herum rasant verändert. Das gilt nicht nur für technologische Entwicklungen, sondern vor allem auch für die biografischen Hintergründe der Menschen, die in Deutschland leben. Deren Spektrum wird zweifellos immer vielfältiger – bunter. Doch ob es uns gefällt oder nicht – es gibt nicht wenige Menschen, die diese Veränderung ablehnen, sei es aus Überzeugung oder aus einem Gefühl der Überforderung heraus. Dann heißt es zum Beispiel: »Das ist nicht mehr das Land, das ich kannte. Überall sehe ich nur noch Fremde.« Der Erfolg populistischer, radikaler Parteien und Demagogen hat vor allem damit zu tun, dass sie sich solche diffusen Ohnmachts- und Frustgefühle zunutze machen und ganz und gar auf Abgrenzung setzen. Ihr Motto lässt sich auf die simple Formel reduzieren: »Wir gegen die«.

Ich bin überzeugt, dass es einen besseren Weg gibt, einen Weg, der nicht auf ein Gegeneinander setzt, sondern auf ein Miteinander, nicht auf Ablehnung und Hass, sondern auf Offenheit und Respekt. Damit jede und jeder Einzelne von uns und damit die Gesellschaft als Ganzes sich weiterentwickeln können, müssen wir lernen, mit Veränderungen umzugehen und uns auf Neues einzulassen. Was wir dafür brauchen, sind Gelegenheiten und Räume, in denen wir reflektieren können und lernen, Ängste abzubauen und Vorurteile zu überwinden.

Nur weil viele sich eine solch tolerante, selbstbewusste und solidarische Gesellschaft erst einmal nicht vorstellen können, heißt das noch lange nicht, dass es naiv und utopisch ist, sie anzustreben. Wenn wir immer nur in der Vergangenheit nach Lösungen wühlen, wird die Gesellschaft von morgen nicht anders aussehen als heute und sie wird es immer schwerer haben, mit dem Wandel klarzukommen. Ich weiß: Die Komfortzone zu verlassen und über den Tellerrand zu schauen, war und ist nie leicht. Es erfordert manchmal Mut und Selbstüberwindung. Doch es lohnt sich! Ich versuche in diesem Buch eine neue Definition von Deutschsein. Es ist gleichermaßen eine bewusste Zumutung, eine Ermutigung und eine Einladung zum Gespräch über all das, was uns verbindet – ob wir nun einen Migrationshintergrund haben oder nicht, ob wir in der Uni oder im Schwimmbad das Gespräch führen, bei der Arbeit oder im Dönerimbiss.