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EIN WORT ZUVOR

»Unser Kind ist so schwierig«, stöhnen immer mehr Eltern. Oft suchen sie Hilfe bei Erziehungsberatungsstellen: Streit, Ungehorsam, aggressives Verhalten und heftige Wutanfälle gehören in vielen Familien zum Alltag. Etwa ein Viertel der Kindergartenkinder zwischen drei und sechs Jahren bereitet laut Studien erhebliche Probleme. Doch auch Kleinigkeiten wie Chaos im Kinderzimmer oder Lügengeschichten können zum Dauerstress werden.

Ein Kind zu erziehen ist kein Kinderspiel, und die heutigen Lebensumstände machen es oft nicht leichter. Enge Wohnungen, kaum Möglichkeiten zum Spielen und Toben, optische und akustische Reizüberflutung: keine optimalen Bedingungen für kleine Menschen. Hektik im Alltag statt gemütlicher Stunden mit den Eltern, Fastfood statt Familienessen, Fernsehen und Computer statt Sandkiste und Bäumeklettern, Konsum statt Abenteuer – all das hinterlässt Spuren bei Kindern. Auch vergessen wir oft, dass sie keine kleinen Erwachsenen sind. Sie können manches einfach noch nicht begreifen und haben andere Bedürfnisse als wir. Und sie brauchen klare Regeln, Grenzen und unantastbare Werte.

Eltern müssen eindeutig Stellung beziehen, jeden Tag aufs Neue – auch wenn es oft anstrengend ist. Doch früher oder später zahlt es sich aus. Dieses Buch vermittelt Ihnen das nötige Wissen über Ihr Kind und seine Entwicklung, damit Sie es auch in Stresssituationen besser verstehen. Es enthält viele praktische Anregungen für den Erziehungsalltag, damit Sie typische Situationen leichter meistern. All das hat sich vielfach in unserem eigenen Erziehungsalltag bei unseren insgesamt sechs Kindern bewährt.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg, Geduld, Durchhaltevermögen sowie eine Portion Humor – für mehr Spaß am Familienleben!

Petra Stamer-Brandt

Monika Murphy-Witt

ERZIEHEN – ABER WIE?

Kap1

Kinder zu haben ist so schön – und manchmal so schwer! Da ist es gut zu wissen, was die Kids im Alter von zwei, vier oder sieben Jahren ganz besonders brauchen.

KINDER VERSTEHEN LERNEN

Kap1.1

Familienleben könnte so schön sein. Doch neben den vielen wunderbaren Glücksmomenten gibt es auch immer wieder Phasen, in denen scheinbar alles schief läuft. Allzu oft gibt es Ärger mit den Kindern, Zank und Streit – und das meist wegen Kleinigkeiten: Die Kids können nicht still sitzen, sind laut und ungehorsam, verbreiten überall Chaos und geben ständig Kontra. Solche Phasen müssen alle Eltern durchstehen. Einige wichtige Dinge über die kindliche Entwicklung zu wissen hilft ihnen dabei.

»Wie sollen wir unser Kind erziehen?«, fragen sich viele Eltern. Doch leider gibt es keine exakten, wissenschaftlich belegten Vorgaben dazu, was in der Erziehung richtig oder falsch ist.

Es gibt nur Erkenntnisse über die Entwicklung von Kindern: was in welchem Alter in ihnen vorgeht, was sie schon können, was man noch nicht erwarten darf. Dieses Wissen hilft uns Großen, kleine Leute besser zu verstehen und entsprechend auf sie zu reagieren. Kinder wollen akzeptiert werden – so wie sie sind. Dieses Streben nach Eigenständigkeit macht es uns Eltern nicht immer leicht. Es erfordert viel Einfühlungsvermögen und Geduld.

Erziehung sollte immer vom Kind ausgehen. Das setzt viel Liebe, aber auch Ihr Vertrauen in die eigenen elterlichen Fähigkeiten voraus. Beobachten Sie Ihr Kind genau, lernen Sie es kennen. Kinder haben ein Recht darauf, schrittweise ihre ureigene und unverwechselbare Individualität zu entwickeln. Wir können und müssen ihnen Erziehung und Bildung nicht »eintrichtern«. Sie finden – mit entsprechender liebevoller Unterstützung – ihren individuellen Weg in der Regel ganz allein. Verlassen Sie sich auf Ihre Intuition. Sie sind die Expertin, der Experte für Ihr Kind. Ihr Gefühl, Ihr Wissen über Ihr Kind sagen Ihnen meist genau das Richtige. So werden auch Sie Ihren Erziehungsweg finden.

Hoch hinaus

Stellen Sie sich vor, wie Ihr Kind Stufe für Stufe eine Treppe erobert. Dabei kann es vorkommen, dass es eine Stufe überspringt, etwas länger auf einer verweilt oder mal eine erklommene Stufe wieder hinuntergeht – so wie es gerade gut ist. Behalten Sie dieses Bild im Kopf.

Die kindliche Entwicklung

Seit sich die Menschen mit Psychologie beschäftigen, versuchen sie, die kindliche Entwicklung in Phasen einzuteilen. Lange Zeit glaubte man, dass jedes Kind in einem gewissen Zeitraum bestimmte Entwicklungsstufen durchläuft und dabei kontinuierlich Lernfortschritte macht, die aufeinander aufbauen (Phasentheorie). Heute weiß man, dass das so nicht stimmt. Denn die Entwicklung eines Kindes geht zwar Schritt für Schritt langsam die Treppe hinauf, verläuft aber bei jedem Menschen anders. Und es kann dabei zu Stillständen, Sprüngen oder Rückschritten kommen.

Die Phasentheorie bietet lediglich einen Orientierungsrahmen, um Verhaltensweisen richtig einzuordnen. Die Übergänge von einer Entwicklungsstufe zur nächsten sind fließend und bei jedem anders. Jedes Kind hat sein ganz eigenes Entwicklungstempo.

Jedes Kind ist einzigartig

Das »Durchschnittskind« mit der idealtypischen Entwicklung gibt es wie gesagt nicht: Kinder entwickeln sich individuell. Eines läuft schon mit 8 Monaten und ist mit 18 Monaten trocken, ein anderes läuft erst mit 15 Monaten und trägt als Vierjähriges immer noch eine Windel – beginnt aber in diesem Alter vielleicht schon zu lesen und einfache Rechnungen zu lösen. Beides ist möglich, beides kann in Ordnung sein.

Die Entwicklung hängt nicht nur vom Kind selbst ab, sondern auch von anderen Faktoren: vom Umfeld (Elternhaus, Freunde, Verwandte, Kindergarten ...), von der Gesundheit, der Geschwisterkonstellation und vielem mehr. Manche Kinder entwickeln sich kontinuierlich, andere starten langsamer als ihre Altersgenossen und überholen sie dann plötzlich. Stillstand und Rückschritte, aber auch Sprünge in der Entwicklung sind völlig normal.

STABILITÄT FÜRS LEBEN

Die ersten Lebensjahre sind für jedes Kind besonders wichtig, sie prägen es für seine gesamte Zukunft. Wenn Sie Ihrem Kind gerade in dieser Zeit eine verlässliche und stabile Beziehung geben, stehen Sie beide auf der Gewinnerseite.

Das erste Lebensjahr

Ihr Kind wird nie wieder in seinem Leben so viel lernen wie im ersten Lebensjahr. Im Säuglingsalter – das ist die Zeit zwischen der Geburt und den ersten Schritten – lernt Ihr Kind zu sehen, zu riechen, zu hören, zu schmecken, zu greifen und zu sitzen, sich umzudrehen, zu krabbeln, auf Berührung zu reagieren, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und vieles mehr.

Manche seiner Sinne sind jetzt noch nicht so gut ausgeprägt; Gleichgewichtssinn, gezieltes Greifen und koordiniertes Sehen müssen noch gelernt werden. Aber riechen und schmecken kann Ihr Kind im ersten Lebensjahr schon fast perfekt.

Das zweite Lebensjahr

Gegen Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Lebensjahres lernt ein Kind zu laufen und zu sprechen. Und es beginnt damit, die Welt um sich herum zu entdecken – zuerst die überschaubare häusliche Umwelt seiner Familie.

Wahrscheinlich dreht sich bei Ihrem Kind um den ersten Geburtstag herum fast alles ums Laufen. Es lernt außerdem zu sprechen und beginnt, komplexere Handlungen willentlich durchzuführen.

Die motorische Entwicklung

Jetzt probiert Ihr Kind alle erdenklichen Bewegungen aus. Es will auf jeden Stuhl klettern, jede Treppe erklimmen. Es testet aus, wie sein eigener Körper funktioniert, und erforscht die Welt – auch außerhalb des Kinderzimmers. Ihr Kind möchte jetzt toben, klettern, hüpfen, balancieren, schaukeln und viel laufen. Das tut es auch, ohne müde zu werden. Dabei lernt es, seine Bewegungsabläufe zu koordinieren, das Gleichgewicht zu halten, Augen und Hand zu kontrollieren und mit Gefahren umzugehen.

Diese Zeit ist für viele Eltern recht anstrengend. Ständig möchte das Kind auf dem Rücken der Eltern reiten, Schrankfächer ausräumen, auf die Küchenanrichte klettern oder durch die frisch gemachten Betten toben. Freuen Sie sich über den Bewegungsdrang Ihres Kindes: Er gehört zur gesunden motorischen Entwicklung. Doch kleine Leute nutzen jede Gelegenheit, sich zu erproben: Keine Treppe und keine Fensterbank ist vor ihnen sicher. Achten Sie deshalb auf Kindersicherungen. Unterschätzen Sie die Bewegungsfähigkeit Ihres Sprösslings nicht.

Lust an der Bewegung

Auf dem Spielplatz, im Garten, beim Waldspaziergang erfährt Ihr Kind etwas über die Schwerkraft und über seine Körperempfindungen. Es entwickelt Bewegungssicherheit, lernt seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen und seinen Körper ebenso zu beherrschen wie ein kleines Stück der Welt.

Die geistige und sprachliche Entwicklung

Während Ihr Kind anfangs Handlungen erwachsener Vorbilder nachahmt, beginnt es gegen Ende des zweiten Lebensjahres, Informationen zu verarbeiten und eigene Lösungen zu suchen. Es kann sich zum Beispiel vornehmen, einen Turm zu bauen und dafür die Bauklötze herzuschaffen, einen Platz frei zu räumen und Schritt für Schritt den Turm aufzubauen. Kippt der um, wird ein neuer Versuch gestartet, und die Erfahrungen der ersten Bauphase fließen in den neuen Versuch ein. So lernt das Kind allmählich, seine Handlungen zu koordinieren. Dafür benötigt es ein gut entwickeltes Tastempfinden. Die Basis dafür wird jetzt gelegt. Denn nun kann Ihr Kind auch Berührungen lokalisieren und Ihnen ziemlich genau sagen, wo es berührt wurde. Hat es einen sicheren Tastsinn und das Gespür für den eigenen Körper, gelingt es ihm, mit Gegenständen sicher umzugehen. Ungeschickte Kinder, denen alles aus der Hand fällt oder die ständig Dinge umstoßen, haben oft einen schlecht ausgeprägten Tastsinn.

Auch für die Entwicklung seiner Intelligenz braucht Ihr Kind Anreize: Es benötigt Zeit und Raum, um seine eigenen Erfahrungen machen zu können. Denken Sie immer daran, dass Ihr Kind durch eigene Erfahrungen lernen will und kann. Haben Sie Geduld und bieten Sie ihm nicht ständig Ihre Lösungen an.

Ein zweijähriges Kind ist fähig, einfache Aufforderungen und Hinweise zu verstehen und auch zu befolgen. Es kann 30 bis 50 Wörter sprechen und noch viel mehr verstehen. Es verwendet Zwei- bis Drei-Wort-Sätze, etwa um kleine Erlebnisse verständlich zu erzählen. Beim Betrachten eines Bilderbuches kann es beschreiben, was es sieht. Für die Sprachentwicklung ist es jetzt besonders wichtig, gemeinsam viele Bücher anzuschauen, Geschichten zu erzählen und vorzulesen. Nutzen Sie jeden Anlass für ein Gespräch. Ihr Kind spricht jetzt auch nicht mehr von sich in der dritten Person.

Ihr Sprössling ist noch weit davon entfernt, unabhängig zu sein. Ihre Aufgabe ist es jetzt, einen Spagat zu vollführen: ihm Freiheit zu gewähren, trotzdem aber noch Unterstützung und Ermunterung zu geben. Reagieren Sie mit möglichst viel Verständnis und Geduld und erhalten Sie bewusst eine zärtliche Beziehung aufrecht.

TIPP: Darauf kommt’s jetzt besonders an

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Die soziale Entwicklung

Im zweiten Lebensjahr wird sich Ihr Kind seiner selbst bewusst: Es lernt, sich als ein von Mutter und Vater unabhängiges, eigenständiges Wesen wahrzunehmen. Es macht die Erfahrung, dass es viele Dinge ohne Hilfe bewältigen und entdecken kann.

Ihr Kind erkennt sich irgendwann selbst im Spiegel. Es weiß: Das bin ich! Und es erfährt jetzt: Es kann sein eigener Herr sein, Nein sagen und widersprechen. Mit knapp zwei Jahren kommen viele Kinder in die »Trotzphase«. Heute sprechen Pädagogen eher vom »Autonomiealter«. Denn inzwischen weiß man, dass das widerspenstige Verhalten ein Zeichen dafür ist, dass das Kind jetzt selbstständig wird. Das alles sind wichtige Voraussetzungen, um Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen. Ihre Aufgabe ist es, Ihr Kind in diesem Prozess zu bestätigen.

Ihr Nachwuchs beginnt nun allmählich, sich von Ihnen zu lösen. Dies ist der erste Schritt, um sicher und selbstständig zu werden. Das Kind spielt jetzt zwar noch vorwiegend allein und eher neben als mit anderen Kindern, aber es liebt die Gesellschaft anderer – auch wenn es mit seinen zwei Jahren noch keine dauerhaften sozialen Beziehungen aufbauen kann.

EIN GUTES ZEICHEN

Trotzig sind Kinder nur gegenüber Menschen, denen sie vertrauen, bei denen sie sich sicher und geborgen fühlen. Zwischen Ihnen und Ihrem kleinen Trotzkopf »stimmt« es also!

Das dritte und vierte Lebensjahr

Ihr Kind kann sich nun immer besser verständlich machen und zu anderen Kontakt aufnehmen. Sein Gehirn arbeitet schon hervorragend und ist ganz besonders aufnahmefähig. Wie ein Schwamm saugt Ihr Kind alle neuen Informationen auf. Es ist neugierig auf sich und die Welt, kann aber noch nicht alles verarbeiten. Spielen ist nach wie vor seine Hauptbeschäftigung und wird es auch noch einige Jahre bleiben.

Die motorische Entwicklung

Ihr Kind möchte jetzt mit allen Dingen hantieren, alles ausprobieren. Das klappt noch nicht immer perfekt, aber Übung macht bekanntlich den Meister. Es lernt nach und nach, sicher mit Gegenständen wie Messer und Gabel, Schere, Buntstiften, Farben und Pinsel, Schaufeln, Reißverschlüssen, Haken und Ösen, der Abwaschbürste, Knöpfen und Schnürsenkeln umzugehen.

Seine Sinnesorgane funktionieren immer perfekter. Ihr Kind kann eine Blumenzwiebel einpflanzen, einen Papierflieger falten, Toilettenpapier richtig benutzen, ein riesiges Loch in Ihr Blumenbeet buddeln und auf einem Baumstamm balancieren.

MAGISCHES DENKEN UND REALITÄT

Ihr Kind ahnt nun vielleicht, dass es Osterhasen und Weihnachtsmann nicht gibt. Es malt dem Weihnachtsmann einen Wunschzettel, begrüßt ihn ehrfürchtig vor dem Kaufhaus – und erzählt im Kindergarten, dass es ihn nicht gibt. Ganz normal in diesem Alter!

Die geistige und sprachliche Entwicklung

Ihr Kind spricht jetzt schon recht gut. Es verfügt am Ende des vierten Lebensjahres über einen Wortschatz von etwa 1500 bis 2000 Wörtern und hat die Grundlagen seiner Muttersprache erworben. Es kann seine Interessen und Wünsche durch Sprache richtig und gut ausdrücken.

Ihr Kind verfügt nun über ein autobiographisches Gedächtnis, es kann sich an Vergangenes erinnern und sich darauf beziehen. Es malt einfache Figuren und erkennt die Struktur von Ereignissen.

Im dritten bis vierten Lebensjahr erfasst Ihr Kind schon viele sachliche Zusammenhänge. Gleichzeitig befindet es sich noch in einer magischen Phase: Die meisten Kinder können jetzt Realität und Fantasie noch nicht immer auseinanderhalten, wie es ab etwa fünf Jahren gelingt. Hexen, Zauberer, Feen, Märchen und fantastische Geschichten üben noch einen unwiderstehlichen Reiz aus.

Die soziale Entwicklung

Ihr Kind ist um seinen dritten Geburtstag wahrscheinlich trocken. Im Kindergarten spielt es mit anderen Kindern. Alle Spielpartner sind »Freunde«, aber diese wechseln noch schnell. Echtes Zusammengehörigkeitsgefühl gibt es in den kleinen Spielgruppen noch nicht. Was sich bereits entwickelt, sind unterschiedliche Rollen: Manche Kinder sind still und zurückhaltend, andere schon recht dominant. Ihr Sprössling nimmt wahr, dass Kinder verschieden sind und unterschiedliche Gefühle und Standpunkte haben.

Die Standardaussagen Ihres Kindes sind jetzt wahrscheinlich »Nein« und »Das kann ich selbst«. Bis zum Alter von vier Jahren dauert das Autonomiealter an. Selbst ein bisher folgsames Kind entwickelt sich jetzt zum Neinsager und besteht darauf, notfalls verstärkt durch Wutausbrüche, seinen Willen durchzusetzen. Grund dafür ist die Entwicklung des Ich- oder Selbstbewusstseins. Ihr Kind probiert aus, ob und wie es etwas erreichen kann. In seinem natürlichen Durchsetzungs- und Geltungsdrang und einem starken Streben nach Unabhängigkeit will es sich in der Familie und unter Kindern beweisen und behaupten. Dazu braucht es unbedingt Gelegenheit – und Sie brauchen viel Feingefühl.

Wie du mir …

Zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr entdeckt Ihr Kind erste Geheimnisse im Umgang mit anderen Menschen: Wenn ich freundlich bin, reagieren die anderen in der Regel auch freundlich. Wutausbrüche wecken dagegen den Zorn der anderen.

TIPP: Darauf kommt’s jetzt besonders an

Das fünfte bis siebte Lebensjahr

Die Phase des unbegründeten Widerstandes geht nun bei den meisten Kindern langsam zu Ende, Ihre elterlichen Wünsche und Anforderungen stoßen also nicht mehr ausschließlich auf Widerstand. Ihr Kind ist verständiger und versöhnlicher geworden.

TIPP: Kleine Aufgaben fürs Selbstvertrauen

Auch wenn das Spiel immer noch im Vordergrund steht, möchte Ihr Kind jetzt trotzdem auch schon kleine Aufgaben selbstständig erledigen. Es will Verantwortung tragen und braucht Lob und Anerkennung. Das stärkt sein Selbstbewusstsein ungeheuer.

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Die motorische Entwicklung

Zwischen dem sechsten und siebten Lebensjahr verändert sich auch das äußere Erscheinungsbild Ihres Kindes. Es schießt in die Höhe, Arme und Beine werden länger, das kleinkindhafte, etwas gedrungene Bild verliert sich, und die ersten Milchzähne fallen aus. In dieser Zeit der körperlichen Veränderung, die bis zu einem Jahr dauert, schwankt Ihr Kind häufig zwischen vitalem Übermut mit überschießender Kraft und ausgeprägter Passivität. Der Bewegungsdrang erfährt noch einmal einen gewaltigen Schub, so dass er sich häufig durch besondere Zappeligkeit und Balgereien bemerkbar macht. Die Kinder wollen jetzt ständig etwas erleben, am liebsten aufregende Abenteuer. Ihr Tatendrang ist kaum zu bremsen, und sie wollen ihren Bewegungsradius ausdehnen.

Geistige und sprachliche Entwicklung

Alle geistigen Funktionen arbeiten jetzt auf Hochtouren. Ihr Kind kann denken, sich erinnern, Fantasien entwickeln, seinen Willen lenken, und es lernt, immer besser mit seinen Antrieben und Gefühlen umzugehen. Es entwickelt jetzt ein relativ gutes Zeitgefühl. Der Grundstock an Kenntnissen und Fertigkeiten für die Anforderungen des Schullebens ist gelegt. Ihr Kind strebt danach, etwas zu leisten. Es möchte endlich zur Schule, möchte dort etwas lernen und dafür gelobt oder belohnt werden. Ob das Aufpassen auf einen jüngeren Bruder oder der Bau einer Kanalanlage in der Sandkiste – Ihr Kind begreift das als seine Arbeit.

Inzwischen führt Ihr Sprössling wahrscheinlich richtige Dialoge und gibt auf Nachfragen präzise Antworten. Im siebten Lebensjahr beherrscht er rund 24000 Wörter passiv und 5000 aktiv.

Ihr Kind nimmt sich jetzt endgültig als eigenständige Person wahr und hat ein Bewusstsein für seine eigene Existenz. Es beginnt logisch zu denken, Zusammenhänge zu erkennen, Wissenselemente zu verknüpfen. Ausdauer, Konzentrations- und Wahrnehmungsfähigkeit sind gut entwickelt. Genauigkeit und Sorgfalt beginnen eine Rolle zu spielen. Ihr Kind kann sich hingebungsvoll und ausdauernd – bis zu drei Stunden lang – mit einer Sache beschäftigen, wenn sie interessant genug ist. Und es entwickelt einen Sinn für Regeln. Deshalb fällt es ihm jetzt auch leichter, Regeln zu befolgen, da es deren Sinn nachvollziehen kann.

Soziale Entwicklung

Das Zusammenspiel der Kinder bekommt in diesem Alter eine neue Qualität. Sie spielen jetzt auch in größeren Gruppen miteinander, erfinden dabei ihre eigenen Regeln und kontrollieren deren Einhaltung selbstständig. Rollenspiele erfreuen sich in dieser Phase großer Beliebtheit.

Das Gefühlsleben kleiner Leute bezieht sich nicht mehr nur auf die eigene Person, sondern auch auf die Familie und Freunde. Ihr Kind kann Mitgefühl entwickeln und andere trösten, sich mit ihnen freuen oder leiden. Die egoistische Haltung des Kleinkindes verliert sich allmählich. Das werden Sie auch als Eltern spüren. Ihr Kind wird Ihnen seine Zuneigung nun wieder deutlich zeigen – wenn auch nicht unbedingt in der Öffentlichkeit!

TIPP: Darauf kommt’s jetzt besonders an

Was Kinder wirklich brauchen

Viele Eltern fühlen sich heute überrollt von Anforderungen und Vorgaben – und fragen sich verunsichert: Was ist denn nun wirklich wichtig für unsere Kinder? So viel ist es im Grunde gar nicht, was ein Kind braucht. Die zehn wichtigsten Punkte haben wir hier zusammengestellt. Damit Kinder glücklich sind – und Sie als Eltern sicher sein können, dass Sie auf dem richtigen Weg sind.

WICHTIG

Kritisieren Sie Ihr Kind im Zorn nie auf abwertende Weise, etwa mit einem entnervten »Das kapierst du einfach nicht, oder?«. Damit schaden Sie seinem Vertrauen zu Ihnen und zu sich selbst. Besser: die kritische Situation mit einer knappen Aufforderung beenden und später in Ruhe ein faires Gespräch führen.

1. Kinder brauchen uneingeschränkte Liebe.

Sie müssen die Erfahrung machen, dass ihre Eltern zu ihnen stehen – ohne Wenn und Aber. Auch wenn Sie einzelne Verhaltensweisen Ihres Kindes ablehnen, muss es wissen: Mama und Papa lieben mich trotzdem. Drücken Sie Ihre Enttäuschung darüber aus, dass Ihr Sohn das nagelneue Dreirad zu Schrott gefahren hat. Kritisieren Sie auch, aber mit Bedacht: »Mir gefällt nicht, dass du deinen kleinen Bruder geschlagen hast« statt »Du bist ein böses kleines Mädchen.« Nutzen Sie jede Gelegenheit, Ihrem Kind immer wieder zu zeigen und zu sagen: »Ich habe dich sehr lieb.«

2. Kinder brauchen stabile Bindungen.