JOSEPH VON EICHENDORFF
(1788–1857) zählt zu den bedeutendsten Dichtern der deutschen Romantik, und seine Gedichte gehören ebenso wie seine Novellen (Aus dem Leben eines Taugenichts) zum unverlierbaren Bestand deutscher Literatur. Er studierte Rechtswissenschaft und Philosophie in Halle, Heidelberg und Berlin, lernte Achim von Arnim, Clemens Brentano und Friedrich Schlegel kennen, hörte Vorlesungen bei Schleiermacher und Fichte. Von 1813 bis 1815 nahm er an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil. Danach trat er in den Staatsdienst ein, aus dem er 1844 entlassen wurde. Nach Aufenthalten in Danzig, Wien, Berlin und Dresden zog er sich 1855 in das schlesische Neiße zurück.
HERAUSGEBER
Hans-Joachim Simm, Dr. phil., geboren 1946, lebt als freier Publizist bei Frankfurt am Main. Er war bis 2009 Leiter des Insel Verlags, des Verlags der Weltreligionen und der Buchreihe »edition unseld«. Er gab zahlreiche Werkausgaben deutscher Dichter und Schriftsteller und diverse Anthologien heraus.
Eichendorffs Gedichte gehören zu den bekanntesten Werken der deutschen Romantik, und seine in volkstümlichem Ton verfaßten Lieder sind bis heute einem breiten Publikum vertraut. Eichendorff wußte um die Vergänglichkeit, um die Unwiederbringlichkeit von Kindheit und Jugend, um den Verlust seines Paradieses. Er wußte, dass seine romantische Welt bedroht war von einem dunklen Untergrund, dass die Welt des schönen Scheins zerfiel. Gerade deswegen beschwor er sie immer wieder.
Eichendorffs Lieder wurden häufig als Wanderburschenlieder, als reine Natur- und Stimmungsbilder missverstanden. Doch den Bildern von Wald und Heimat, Dämmerung und Nacht, Gärten und Bäumen, rauschenden Wassern und Quellen kommt eine tiefere Bedeutung zu; hinter den formelhaften Wendungen dieser Lyrik verbirgt sich eine komplexe Symbolik. Eichendorff hat die verwir- rende Welt des Traums und der Realität, einer oft als chaotisch empfundenen Wirklichkeit, nicht nur evoziert, er hat sie auch zu bannen versucht, hat sie mit den Mitteln der poetischen Sprache einer göttlichen Macht unterstellt, der seine Dichtung Ausdruck verleihen soll. Dieses Anerkennen einer höheren Ordnung führt zu einer heiteren, versöhnlichen Lebenszugewandtheit, die alle Melancholie und Trauer letztlich überwindet.
Es war, als hätt’ der Himmel
die Erde still geküsst
Gedichte
Herausgegeben von Hans-Joachim Simm
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ES GEHT WOHL ANDERS, ALS DU MEINST
Gedankensplitter
EWIG’S TRÄUMEN VON DEN FERNEN
Gedichte 1807–1810
HÜTE DICH, BLEIB’ WACH UND MUNTER
Gedichte 1811–1815
WOHIN ICH GEH’ UND SCHAUE
Gedichte 1816–1830
KOMM’ TROST DER WELT, DU STILLE NACHT
Gedichte 1831–1836
GENUG GEMEISTERT NUN DIE WELTGESCHICHTE
Gedichte 1837–1843
WO WERD’ ICH SEIN IM KÜNFT’GEN LENZE?
Gedichte 1844–1857
Zu dieser Ausgabe
Alphabetisches Verzeichnis der Gedichtüberschriften und -anfänge
In wildem Wechsel treibt das flüchtge Leben.
Bang schwebt der Schiffer auf den fliehenden Wogen,
Vorüber Land und Menschen fortgezogen,
Es muß wohin die vollen Segel streben.
In Dämmrung sieht er noch die Heimat ragen,
Cypressen aus vergeßnen Blumenwogen;
Herüber schimmert’s hold wie Regenbogen,
Er steht allein – und kann nur sehnend klagen;
Nichts weilt, doch aus der Erinnrung süßen Schmerzen,
Da blühen wieder die verklungnen Zeiten;
Ob auch die lieben Stunden längst vergangen,
Ruht doch ihr stilles Bild in träum’nden Herzen
Frühlingen gleich von Zauberschein umfangen,
Freundlich durchs ganze Leben zu geleiten.
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
Der Liebende steht träge auf,
Zieht ein Herrjemine-Gesicht
Und wünscht, er wäre tot.
Der Morgen tut sich prächtig auf,
So silbern geht der Ströme Lauf,
Die Vöglein schwingen hell sich auf:
„Bad, Menschlein, dich im Morgenrot,
Dein Sorgen ist ein Wicht!“
Wie nach festen Felsenwänden
Muß ich in der Einsamkeit
Stets auf dich die Blicke wenden.
Alle, die in guter Zeit
Bei mir waren, sah ich scheiden
Mit des falschen Glückes Schaum,
Du bliebst schweigend mir im Leiden,
Wie ein treuer Tannenbaum,
Ob die Felder lustig blüh’n,
Ob der Winter zieht heran,
Immer finster, immer grün –
Reich’ die Hand mir, wackrer Mann.
O Gegenwart, wie bist du schnelle,
Zukunft, wie bist du morgenhelle,
Vergangenheit so abendrot!
Das Abendrot soll ewig stehen,
Die Morgenhelle frisch drein wehen,
So ist die Gegenwart nicht tot.
Der Tor, der lahmt auf einem Bein,
Das ist gar nicht zu leiden,
Schlagt ihm das andre Bein entzwei,
So hinkt er doch auf beiden!
Wohl vor lauter Sinnen, Singen
Kommen wir nicht recht zum Leben;
Wieder ohne rechtes Leben
Muß zu Ende geh’n das Singen;
Ging zu Ende dann das Singen:
Mögen wir auch nicht länger leben.
Wie so leichte läßt sich’s leben!
Blond und rot und etwas feist,
Tue wie die andern eben,
Daß Dich jeder Bruder heißt,
Speise, was die Zeiten geben,
Bis die Zeit auch Dich verspeist!
Im beschränkten Kreis der Hügel,
Auf des stillen Weihers Spiegel
Scheue, fromme Silberschwäne –
Fassend in des Rosses Mähne
Mit dem Liebsten kühn im Bügel –
Blöde Bande – mut’ge Flügel
Sind getrennter Lieb’ Gedanken!
„Hinaus, o Mensch, weit in die Welt,
Bangt dir das Herz in krankem Mut!
Nichts ist so trüb in Nacht gestellt,
Der Morgen leicht macht’s wieder gut.“
Mein Schatz, das ist ein kluges Kind,
Die spricht: „Willst du nicht fechten:
Wir zwei geschiedne Leute sind;
Erschlagen dich die Schlechten,
Auch keins von beiden dran gewinnt.“
Mein Schatz, das ist ein kluges Kind,
Für die will ich leben und fechten!
So Wunderbares hat sich zugetragen:
Was aus uralten Sagen
Mit tief verworrener Gewalt oft sang
Von Liebe, Freiheit, was das Herz erlabe,
Mit heller Waffen Klang
Es richtet sich geharnischt auf vom Grabe,
Und an den alten Heerschild hat’s geschlagen,
Daß Schauer jede Brust durchdrang.
Jeder nennet froh die Seine,
Ich nur stehe hier alleine,
Denn was früge wohl die Eine:
Wen der Fremdling eben meine?
Und so muß ich, wie im Strome dort die Welle,
Ungehört verrauschen an des Frühlings Schwelle.
Hier bin ich, Herr! Gegrüßt das Licht,
Das durch die stille Schwüle
Der müden Brust gewaltig bricht,
Mit seiner strengen Kühle.
Nun bin ich frei! ich taum’le noch
Und kann mich noch nicht fassen –
O Vater, du erkennst mich doch,
Und wirst nicht von mir lassen!
Eitelkeiten in dem sünd’gen Busen,
Nahest du der heil’gen Kunst,
Und geschminket betteln deine Musen
Um des Erdengeistes Gunst.
Falsche Metze und kein Mann!
Spitz’ und kitzle nur den Witz,
Aus dem Himmel fällt der Blitz,
Der zerschmettern dich und zünden kann!
(Ahnung und Gegenwart)
Frei, ihr Kanaillen, sag’ ich, sollt ihr sein,
Doch nicht, wie ihr es wollt, ihr Dumme, Blinde,
Versunken in des Aberglaubens Schein,
Nein, so wie ich’s heut’ eben dienlich finde.
Wie? Niedrig wir, ihr hoch; wir arm, ihr reich?
Planierend schwirrt die Schere dieser Zeit;
Seid niedrig, arm, wie wir, so sind wir gleich
Und die Misere wird doch etwas breit.
Inmitten steht die Sonn’ und wandelt nicht,
Ringsum sehnsüchtig kreisen die Planeten,
Die deckt heut Nacht, die will der Morgen röten,
Doch ewig heiter strahlt das ew’ge Licht.
Es rast der Sturm in der Historie Blättern,
Und jeder schnappt sich schnell draus sein Fragment.
Doch deutle nur! Der Herr in Zorneswettern
Geht über dich hinweg und führt’s zu End.
Du wunderst wunderlich dich über Wunder,
Verschwendest Witzespfeile, blank geschliffen.
Was du begreifst, mein Freund, ist doch nur Plunder,
Und in Begriffen nicht mit einbegriffen
Ist noch ein unermeßliches Revier,
Du selber drin das größte Wundertier.
Herbstlich alle Fluren rings verwildern,
Und unkenntlich wird die Welt.
Dieses Scheidens Schmerzen sich zu mildern,
Wenn die Zauberei zerfällt,
Sinnt der Dichter, treulich abzuschildern
Den versunknen Glanz der Welt.
Selig Herze, das in kühnen Bildern
Ewig sich die Schönheit hält!
Dein Wille, Herr, geschehe!
Verdunkelt schweigt das Land,
Im Zug der Wetter sehe
Ich schauernd Deine Hand.
O mit uns Sündern gehe
Erbarmend in’s Gericht!
Ich beug’ im tiefsten Wehe
Zum Staub mein Angesicht,
Dein Wille, Herr, geschehe!
Schweigt der Menschen laute Lust:
Rauscht die Erde wie in Träumen
Wunderbar mit allen Bäumen,
Was dem Herzen kaum bewußt,
Alte Zeiten, linde Trauer,
Und es schweifen leise Schauer
Wetterleuchtend durch die Brust.
Es schauert der Wald vor Lust,
Die Sterne nun versanken,
Und wandeln durch die Brust
Als himmlische Gedanken.
Gewalt’ges Morgenrot,
Weit, unermeßlich – du verzehrst die Erde!
Und in dem Schweigen nur der Flug der Seelen,
Die säuselnd heimzieh’n durch die stille Luft. –
Auf das Wohlsein der Poeten,
Die nicht schillern und nicht goethen,
Durch die Welt in Lust und Nöten
Segelnd frisch auf eig’nen Böten.
Es geht wohl anders, als du meinst,
Derweil du rot und fröhlich scheinst
Ist Lenz und Sonnenschein verflogen,
Die liebe Gegend schwarz umzogen;
Und kaum hast du dich ausgeweint,
Lacht Alles wieder, die Sonne scheint –
Es geht wohl anders als man meint.
Was ist mir denn so wehe?
Es liegt ja wie im Traum
Der Grund schon wo ich stehe,
Die Wälder säuseln kaum
Noch von der dunklen Höhe.
Es komme wie es will,
Was ist mir denn so wehe –
Wie bald wird alles still.
Die fernen Heimathöhen,
Das stille hohe Haus,
Der Berg, von dem ich gesehen
Jeden Frühling in’s Land hinaus,
Mutter, Freunde und Brüder,
An die ich so oft gedacht,
Es grüßt mich alles wieder,
In stiller Mondesnacht.
Waldeinsamkeit!
Du grünes Revier,
Wie liegt so weit
Die Welt von hier!
Schlaf’ nur, wie bald
Kommt der Abend schön,
Durch den stillen Wald
Die Quellen gehn,
Die Mutter Gottes wacht,
Mit ihrem Sternen-Kleid
Bedeckt sie Dich sacht
In der Waldeinsamkeit,
Gute Nacht, gute Nacht! –
Drüben von dem sel’gen Lande
Kommt ein seltsam Grüßen her,
Warum zagst du noch am Strande?
Graut dir, weil im falschen Meer
Draußen auf verlornem Schiffe
Mancher frische Segler sinkt?
Und von halbversunknem Riffe
Meerfei nachts verwirrend singt?
Wagst du’s nicht draufhin zu stranden,
Wirst du nimmer drüben landen!
Hast du doch Flügel eben
Und das gewalt’ge Wort;
Halt’ hoch dich über dem Leben,
Sonst geht’s über dich fort.
Gleichwie auf dunklem Grunde
Der Friedensbogen blüht,
So durch die böse Stunde
Versöhnend geht das Lied.
Laß nur die Wetter wogen!
Wohl übers dunkle Land
Zieht einen Regenbogen
Barmherzig Gottes Hand.
Auf dieser schönen Brücke,
Wenn alles wüst und bleich,
Gehn über Not und Glücke
Wir in das Himmelreich.
Trennung ist wohl Tod zu nennen,
Denn wer weiß, wohin wir gehn,
Tod ist nur ein kurzes Trennen
Auf ein baldig Wiedersehn.
Von allen guten Schwingen
Zu brechen durch die Zeit,
Die mächtigste im Ringen,
Das ist ein rechtes Leid.
Ein’ Gems auf dem Stein,
Ein Vogel im Flug,
Ein Mädel, das klug,
Kein Bursch holt die ein.
Viele Boten geh’n und gingen
Zwischen Erd’ und Himmelslust,
Solchen Gruß kann keiner bringen,
Als ein Lied aus frischer Brust.
Für Alle muß vor Freuden
Mein treues Herze glüh’n,
Für Alle muß ich leiden,
Für Alle muß ich blüh’n,
Und wenn die Blüten Früchte haben,
Da haben sie mich längst begraben.
Bau nur auf Weltgunst recht
Und paß’ auf jeden Wink und Gruß,
Wirst dabei nimmer fröhlich werden!
Es hat’s kein Hund so schlecht,
Der hinter seinem Herren muß,
Nicht frei spazieren kann auf Erden.
Wo ruhig sich und wilder
Unstete Wellen teilen,
Des Lebens schöne Bilder
Und Kläng’ verworren eilen,
Wo ist der sichre Halt? –
So ferne, was wir sollen,
So dunkel, was wir wollen,
Faßt alle die Gewalt.
Fängt die Sonne an zu stechen,
Tapfer schießen Gras und Kräuter
Und die Bäume schlagen aus:
Muß des Feinds Gewalt zerbrechen,
Nimmt der Winter schnell Reißaus,
Erd’ und Himmel glänzen heiter;
Und wir Musikanten fahren,
Lustig auf dem Fluß hinunter,
Trommeln, pfeifen, blasen, geigen
Und die Hörner klingen munter.
Komm zum Garten denn, Du Holde!
In den warmen, schönen Tagen
Sollst Du Blumenkränze tragen,
Und vom kühl krystall’nen Golde
Mit den frischen, roten Lippen,
Eh’ ich trinke, lächelnd nippen.
Ohne Maß dann, ohne Richter,
Küssend, trinkend singt der Dichter
Lieder, die von selbst entschweben:
Wunderschön ist doch das Leben!
Brech der lustige Sonnenschein
Mit der Tür Euch in’s Haus hinein,
Daß alle Stuben so frühlingshelle!
Ein Engel auf des Hauses Schwelle
Mit seinem Glanze säume
Hof, Garten, Feld und Bäume,
Und geht die Sonne Abends aus,
Führ’ er die Müden mild nach Haus.
Andre haben andre Schwingen,
Aber wir, mein fröhlich Herz,
Wollen grad’ hinauf uns singen,
Aus dem Frühling himmelwärts!
Wir wandern nun schon viel hundert Jahr,
Und kommen doch nicht zur Stelle –
Der Strom wohl rauscht an die tausend gar,
Und kommt doch nicht zur Quelle.
Weit in das Land die Ström’ ihr Silber führen,
Fern blau Gebirge duftig hingezogen,
Die Sonne scheint, die Bäume sanft sich rühren,
Und Glockenklang kommt auf den linden Wogen:
Hoch in den Lüften Lerchen jubilieren,
Und, so weit klar sich wölbt des Himmels Bogen,
Von Arbeit ruht der Mensch rings in die Runde,
Atmet zum Herren auf aus Herzensgrunde.
Was ich wollte, liegt zerschlagen,
Herr, ich lasse ja das Klagen,
Und das Herz ist still.
Nun aber gib auch Kraft, zu tragen,
Was ich nicht will!
Ein Adler saß am Felsenbogen,
Den lockt’ der Sturm weit über’s Meer,
Da hatt’ er droben sich verflogen,
Er fand sein Felsennest nicht mehr,
Tief unten sah er kaum noch liegen
Verdämmernd Wald und Land und Meer,
Mußt’ höher, immer höher fliegen,
Ob nicht der Himmel offen wär’.
Wann der Hahn kräht auf dem Dache,
Putzt der Mond die Lampe aus,
Und die Stern’ ziehn von der Wache,
Gott behüte Land und Haus!
Wie der Strom sich schwingt
Aus den Wolken, die ihn tränken,
Alle Bäche verschlingt,
Sie in’s Meer zu lenken –
Drein möcht’ ich versenken
Was in mir ringt!
Tritt nur mit in mein Schiff!
Wo wir landen oder stranden,
Erklinget das Riff,
Bricht der Lenz aus dem Sande,
Hinter uns dann in’s Branden
Versenk’ ich das Schiff!
Es ist kein Blümlein nicht so klein,
Die Sonne wird’s erwärmen,
Scheint in das Fenster mild herein,
Dem König wie dem Armen,
Hüllt Alles ein in Sonnenschein
Mit göttlichem Erbarmen.
Mein Gott, dir sag’ ich Dank,
Daß du die Jugend mir bis über alle Wipfel
In Morgenrot getaucht und Klang,
Und auf des Lebens Gipfel,
Bevor der Tag geendet,
Vom Herzen unbewacht
Den falschen Glanz gewendet,
Daß ich nicht taumle ruhmgeblendet,
Da nun herein die Nacht
Dunkelt in ernster Pracht.
Der jagt dahin, daß die Rosse schnaufen,
Der muß im Staub daneben laufen;
Aber die Nacht holt beide ein,
Setzt Jenen im Traume neben die Rosse
Und den Andern in seine Karosse –
Wer fährt nun fröhlicher? der da wacht,
Oder der blinde Passagier bei Nacht?
Wenn die Wogen unten toben,
Menschenwitz zu Schanden wird,
Weist mit feur’gen Zügen droben
Heimwärts dich der Wogen Hirt.
Sollst nach keinem Andern fragen,
Nicht zurückschaun nach dem Land,
Faß das Steuer, laß das Zagen!
Aufgerollt hat Gottes Hand
Diese Wogen zum Befahren
Und die Sterne, dich zu wahren.
Die handeln und die dichten,
Das ist der Lebenslauf,
Der Eine macht Geschichten,
Der Andre schreibt sie auf,
Und der will beide richten;
So schreibt und treibt sich’s fort,
Der Herr wird Alles schlichten,
Verloren ist kein Wort.
Wie wird nun Alles so stille wieder!
So war mir’s oft in der Kinderzeit,
Die Bäche gehen rauschend nieder
Durch die dämmernde Einsamkeit,
Kaum noch hört man einen Hirten singen,
Aus allen Dörfern, Schluchten, weit
Die Abendglocken herüberklingen,
Versunken nun mit Lust und Leid
Die Täler, die noch einmal blitzen,
Nur hinter dem stillen Walde weit
Noch Abendröte an den Bergesspitzen,
Wie Morgenrot der Ewigkeit.
Schnapp’ Austern, Dukaten,
Mußt dennoch sterben!
Dann tafeln die Maden
Und lachen die Erben.
Wie schön und wunderbar,
Da kaum noch der Tag brach an!
Seit nun alles so nüchtern und klar,
Hab ich keine Freude mehr dran.
Altes Haus mit deinen Löchern,
Geiz’ger Bauer, nun Ade!
Sonne scheint, von allen Dächern
Tröpfelt lustig schon der Schnee,
Draußen auf dem Zaune munter
Wetzen unsre Schnäbel wir,
Durch die Hecken ’rauf und ’runter,
In dem Baume vor der Tür
Tummeln wir in hellen Haufen
Uns mit großem Kriegsgeschrei,
Um die Liebste uns zu raufen,
Denn der Winter ist vorbei!
Es träumt ein jedes Herz
Vom fernen Land des Schönen.
Dorthin durch Lust und Schmerz
Schwingt wunderbar aus Tönen
Manch’ Brücke eine Fei, –
O! holde Zauberei!
Scherz im Ernst und Ernst im Scherz,
Also hält’st du’s mit den Dingen,
Daß des Lebens Kampf und Schmerz
Selber heiter muß erklingen.
Alter Dichter, junges Herz,
Sollst noch lang auf Erden singen
Und dereinst dich himmelwärts
Jubelnd, wie die Lerche, schwingen.
Es rief der welsche Hahn
Und schlug mit seinen Flügeln,
Da hebt’s zu krähen an
Auf allen deutschen Hügeln.
Den neuen Tag bricht an
Der Herr auf allen Höhen;
Da will der Hahn sich blähen
Und meint, er hätt’s getan
Mit seinem heisern Krähen.
Magst du zu dem Alten halten
Oder Altes neu gestalten,
Mein’s nur treu und laß Gott walten!
So lange Recht regiert und schöne Sitte,
Du schlicht und gläubig gehst in sich’rer Mitte,
Da trittst du siegreich zwischen Molch und Drachen,
Und wo du ruhst, da wird ein Engel wachen.
Doch wenn die Kräft’, die wir „Uns selber“ nennen,
Die wir mit Schaudern raten und nicht kennen,
Gebundne Bestien, wie geklemmt in Mauern,
Die nach der alten Freiheit dunkel lauern –
Wenn die rebellisch sich von dir lossagen,
Gewohnheit, Glauben, Sitt’ und Recht zerschlagen,
Und stürmend sich zum Elemente wenden:
Mußt Gott du werden oder teuflisch enden.
Wie Du auch die Kraft magst wenden;
Was die tiefste Seele will,
Niemals wirst Du’s hier vollenden
Und die Sehnsucht wird nicht still.
Ewig’s Träumen von den Fernen!
Endlich ist das Herz erwacht
Unter Blumen, Klang und Sternen
In der dunkelgrünen Nacht.
Schlummernd unter blauen Wellen
Ruht der Knabe unbewußt,
Engel ziehen durch die Brust,
Oben hört er in den Wellen
Ein unendlich Wort zerrinnen,
Und das Herze weint und lacht,
Doch er kann sich nicht besinnen
In der dunkelgrünen Nacht.
Und der Frühling will sich bläuen,
Aus der Grüne, aus dem Schein
Ruft es lockend: Ewig Dein! –
Aus der Minne Zaubereien
Muß er sehnen sich nach Fernen,
Denkend der alten Wunderpracht
Unter Blumen, Klang und Sternen
In der dunkelgrünen Nacht.
Heil’ger Kampf nach langem Säumen,
Wenn süßschaudernd an das Licht,
Lieb’ in dunkle Klagen bricht!
Aus der Schmerzen Sturz und Schäumen
Steigt Geliebte, Himmel, Fernen,
Endlich ist das Herz erwacht
Unter Blumen, Klang und Sternen
In der dunkelgrünen Nacht.
Und der Streit muß sich versöhnen,
Und die Wonne und den Schmerz
Muß er ewig himmelwärts
Schlagen nun in vollen Tönen:
Ewig’s Träumen von den Fernen!
Endlich ist das Herz erwacht
Unter Blumen, Klang und Sternen
In der dunkelgrünen Nacht.
Es saß ein Kind gebunden und gefangen,
Wo vor der Menschen eitlem Tun und Schallen
Der Vorzeit Wunderlaute trüb verhallen;
Der alten Heimat dacht’ es voll Verlangen.
Da sieht sie draußen Ströme, hell ergangen,
Durch zaub’risch Land viel Pilger, Sänger wallen,
Kühl rauscht der Wald, die lust’gen Hörner schallen,
Aurora scheint, so weit die Blicke langen. –
O laß die Sehnsucht ganz Dein Herz durchdringen!
So legt sich blühend um die Welt Dein Trauern
Und himmlisch wird Dein Schmerz und Deine Sorgen.
Ein frisch Gemüt mag wohl die Welt bezwingen,
Ein recht Gebet bricht Banden bald und Mauern:
Und frei springst du hinunter in den Morgen.
Wie in einer Blume himmelblauen