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Nr. 85

 

Kampf in der Arena

 

von W. K. Giesa

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde.

Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten.

Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß.

Mythors Pläne werden jedoch durchkreuzt. Als er aus dem magischen Schlaf erwacht, in den er nach dem Kampf gegen die Namenlose versetzt wurde, findet er sich in einem Verlies inmitten von Bestien wieder. Auf ihn wartet der KAMPF IN DER ARENA ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mythor – Der Sohn des Kometen als Arenakämpfer.

Scida, Kalisse und Gerrek – Mythors Getreue.

Ciffa – Die beste Arenakämpferin von Spayol.

Kaneile – Eine Kamize.

Gudun, Gorma und Tertish – Die Amazonen der Burra müssen sich verantworten.

1.

 

Das Vogelwesen sprang.

Mit einem erstickten Aufschrei rollte Mythor sich zur Seite und kam dabei ungewollt auf das Gläserne Schwert zu liegen, das in der Scheide steckte. Doch selbst wenn er es hätte ziehen können, wäre er zu langsam gewesen – der Zauberbann der Hexe Sosona war noch nicht völlig abgeklungen.

Das Mischwesen, halb Vogel und halb Frau und dabei fast elf Fuß hoch aufragend, fegte förmlich heran. Mythor sah schon die scharfen Klauen in seinen Körper schlagen, als der Sprung des Ungeheuers jäh gestoppt wurde.

Kreischend prallte es gegen etwas und taumelte zurück.

Die Flamme der Fackel bewegte sich unruhig im Luftzug und ließ die Umrisse verwischen. Aber deutlicher als zuvor sah Mythor jetzt seine Umgebung und entdeckte, was ihm vorher entgangen war.

Dünne, aber unglaublich stabile Eisenstäbe trennten das Vogelwesen von ihm.

Erleichtert atmete er auf. Das Mischwesen begann wieder zu kreischen und rannte ein zweites Mal gegen das Gitter an. Aber auch diesmal hielt das Eisen.

Mythor richtete sich halb auf, die Hände auf das Schwert gestützt, und schüttelte sich, als könne er die Lähmung damit endgültig verscheuchen. Das Leben floss nur allmählich in ihn zurück.

Nach einer Weile wurde das seltsame Wesen ruhiger. Mythor konnte nicht entscheiden, ob es mehr Mensch oder mehr Tier war. Der Unterleib war der eines Raubvogels, gefiedert und mit zwei stämmigen Krallenbeinen und erinnerte den Gorganer unwillkürlich an die Laufvögel der Inshal-Krieger. Der Oberkörper war weiblich, besaß erstaunlich gut ausgeformte Brüste und war mit einem weichen, leicht schillernden Flaum überzogen. Statt der Arme hatte das Wesen Flügel, die jedoch mit einer Kette verbunden waren. Das Vogelwesen konnte wohl heftig flattern, aber nicht seine volle Spannweite entfalten und fliegen. Das Gesicht war menschlich und flaumhaarbewachsen, groß und rot die Augen, aber unverkennbar vogelartig die Mundpartie, die ausladend und verhornt geformt war und an den Schnabel eines Vogels gemahnte, versehen mit zwei Reihen mörderischer Zahnkämme.

Unwillkürlich musste Mythor an Gerrek, den Beuteldrachen, denken, der einmal ein Mensch gewesen war, ehe die etwas versponnene Hexe Gaidel ihn in ein schrulliges Drachenwesen ohne Flügel verwandelte. War dieser Kreatur möglicherweise etwas Ähnliches zugestoßen?

Beim Ertönen der Kreischlaute aber wurde Mythor an ein Tier erinnert; Gerrek vermochte sich wenigstens und leider – bei Erain! – nur allzu deutlich in menschlicher Zunge zu verständigen. Hier aber ...

Und wieder zögerte der Gorganer, sich zu entscheiden. Denn trotz allem steckte etwas hinter dem Kreischen. War es eine Sprache, wie Menschen sie nicht verstehen konnten? Besaß dieses Zwitterwesen doch einen Funken Verstand?

Der Sohn des Kometen erhob sich langsam und stand dann schwankend auf den Beinen. Die düstere Halle, die keine Fenster besaß, war von einer Unzahl von Tierkäfigen ausgefüllt, und in einem dieser Käfige befand sich nun auch Mythor.

Er sah an sich herunter. Man hatte ihn der Kleidung entledigt, die vor ihm Kunak, der ehemalige »Beutesohn« der Amazone Scida, getragen hatte, aber das war schon im Schiff Sturmbrecher gewesen, als Burra ihn niedergeschlagen und von zwei Tritonen an Bord ihres Kampfschiffs bringen ließ. Nur das Gläserne Schwert Alton war ihm gelassen worden, als die Hexe Sosona ihn unter den Bann der Bewegungslosigkeit zwang.

Der Ring!, durchfuhr es Mythor. Er ist fort!

Er konnte sich nicht erinnern, wann und wo er ihn verloren hatte. Suchend sah er sich um, aber hier im Käfig befand sich der Ring nicht, auch nicht in den benachbarten Abzäunungen.

Niedergeschlagenheit erfasste ihn. Mit dem Ring war ihm die letzte Erinnerung an Vina genommen worden, die erste Hexe, die er in der südlichen Welt Vanga kennengelernt hatte. Sosona hatte Vina heimtückisch ermordet.

Im angrenzenden Käfig begann das Vogelwesen wieder zu kreischen. Mythor schüttelte den Kopf.

Wohin hatte man ihn gebracht? Was sollte hier mit ihm geschehen? Warum hatte man ihn in einen Tierkäfig gesteckt, zwischen allen Arten von gefährlichen Bestien?

 

*

 

Schritte näherten sich. Gudun hob den Kopf. »Endlich«, sagte sie. »Es wurde auch langsam Zeit.«

Gorma grinste sie spöttisch an. »Vielleicht ist es auch nur der Diener, der den Nachtisch bringt.«

Die Schritte verhallten vor der Tür, dann wurden Riegel entfernt. Die Tür flog auf. Fünf Kriegerinnen der Matria standen wachsam auf dem Gang.

»Kommt! Die Matria will euch sehen!«

»Zeit wird's auch«, murmelte Gudun mit einem raschen Seitenblick zu Tertish.

Die drei Amazonen verließen ihre Gefängniszelle in den Kellerräumen des Palasts. Seit ein paar Tagen waren sie hier unten eingesperrt, nachdem man sie unter starker Bedeckung aus der Sturmbrecher geholt hatte. Der Beuteldrache Gerrek hatte beobachtet, dass die Hexe Sosona den totgeglaubten Mythor nächtens von den Eaden, den Traumverlorenen, in deren Tempel schaffen ließ. Sie hatte damit ihr eigenes Spiel eingeleitet; tatsächlich sollte sie Mythor heimlich nach Burg Anakrom schaffen. Die Amazonen hatten deshalb in der darauffolgenden Nacht dem Tempel, bekannter unter der Bezeichnung Traumpalast, einen unerlaubten Besuch abgestattet; trotz aller Vorsichtsmaßnahmen waren sie anscheinend beobachtet worden. Die Matria, die Landesmutter von Ganzak, hatte sie daraufhin festnehmen und in ihren Palast der sieben Stufen und sieben Tore bringen lassen.

Jetzt endlich wurden sie geholt, um vor die Landesmutter gebracht zu werden. In ihnen nagte die Ungewissheit. Was hatte die Matria mit ihnen vor? Die Eaden waren tabu, durften nicht einmal in den Straßen Spayols angesprochen werden, seit sie verwirrt einherliefen und nach Fronjas Träumen suchten, die sie nicht mehr wie früher empfangen konnten. Und sie – sie hatten es sogar gewagt, den Traumpalast zu überfallen!

Dass sie ungeschoren davonkommen würden, glaubten sie nicht mehr. Nur das Maß der Strafe war noch ungewiss.

 

*

 

Mythor lehnte sich an die Steinwand, die hinter ihm aufragte. Rechts oder links die Gitterstäbe zu berühren, war ihm ein wenig zu gefährlich. Sowohl die Vogelfrau mochte durch das Gitter nach ihm hacken als auch das Getier auf der anderen Seite.

Jemand kam. Zuerst sah er im Halbdunkel nur die Umrisse einer Gestalt. Eine Frau näherte sich. Als sie in den Schein einer Fackel trat, konnte Mythor sie genauer sehen. Sie war untersetzt, aber was ihr an körperlicher Länge fehlte, steckte in der Breite. Sie war muskelbepackt und trug eine schwarze Lederkluft, die fettig glänzte. Ihre wadenhohen Stiefel besaßen eisendorngespickte Sohlen, daher das Knallen und Klappern ihrer Schritte. Die Frau trug keinen Helm, aber Handschuhe. Über den Knöcheln waren ebenfalls Dorne angebracht.

Vor seinem Käfig blieb sie stehen und musterte ihn ausgiebig. Mythor hielt ihrem prüfenden Blick stand.

»Du könntest mir Kleidung besorgen«, schlug er anstelle einer Begrüßung vor. »Nur mit dem Schwert fühle ich mich ein wenig nackt.«

Die Frau hob die Schultern. »Du hast lange gebraucht, um zu erwachen. Ein paar Tage. Aber du siehst kräftig aus, Bestientöter. Wie heißt du?«

Mythor überlegte. Zwar hatte Zaem deutlich zu erkennen gegeben, dass sie seinen wirklichen Namen kannte und diesen auch Burra und ihren Kriegerinnen gegenüber erwähnt, aber er war nicht sicher, ob diese Enttarnung bereits in der ganzen Welt bekannt war.

»Man nennt mich Honga«, sagte er. »Und wie heißt du?«

Ihr Gesicht umwölkte sich. »Du bist ganz schön frech für dein Alter und deine Sorte. Ein Mann spricht nicht ungestraft zu mir, ohne aufgefordert zu sein!«

Mythor grinste. Er fühlte sich wieder in Bestform. Der magische Bann Sosonas war völlig von ihm abgefallen.

»Ich glaube, es wird Zeit, dass du einen richtigen Mann kennenlernst, Kleine«, sagte er.

Ihr Gesicht lief tiefrot an.

»Was glaubst du, mit wem du sprichst?«, brüllte sie. An ihrem Gürtel hing ein Schlüsselbund. Mit einem dieser Schlüssel öffnete sie das Schloss der Gittertür. Dann stürmte sie in den Käfig. In einer kurzen Scheide steckte ein Schlagstock, den sie herausriss und gegen Mythor schwang. Der Gorganer duckte sich unter dem Hieb zur Seite, schnellte sich wieder hoch und hatte wie durch Zauberhand Alton in der Faust, das Gläserne Schwert.

Doch noch schneller war die Frau. Sie wieselte mit einer unglaublichen Beweglichkeit um Mythor herum, und ihr Schlagstock landete auf seiner Hand. Der Schmerz zwang ihn, das Schwert fallen zu lassen. Der nächste Schlag schleuderte ihn gegen das Käfiggitter. Sofort begann die Vogelfrau wieder zu kreischen und sprang heran. Mythor rollte sich zur Seite und entging dem Schnabelhieb. Da setzte die Frau ihm leicht den eisendornbewehrten Schuh auf die Brust.

»Ich kann fest auftreten«, sagte sie.

»Fahr zu Drudin auf den Meeresgrund«, fauchte er und riss an ihrem Standbein. Sie strauchelte, blieb aber auf den Beinen. Mythor sprang wieder auf. Doch ehe er wieder angreifen konnte, hatte sie Alton in der Hand und streckte es ihm entgegen; um ein Haar hätte er sich selbst aufgespießt.

»Bist du eine Amazone?«, keuchte er.

Sie schüttelte den Kopf und lachte laut. Es war kein gutes Lachen, spürte er.

Sie verließ den Käfig rückwärts, schloss ab und warf ihm dann das Schwert zu – die Klinge voran. Er trat einen Halbschritt zur Seite, ließ Alton an sich vorbeizischen und fing das Schwert am Griff auf. Fast hätte ihm das halbmondförmige Endstück die Hand aufgerissen.

»Du bist schnell«, sagte die Frau langsam und sah ihn wieder prüfend an. »Wo hast du kämpfen gelernt? Nicht einmal die aus dem Land der Wilden Männer sind so schnell wie du, und von ihnen sind schon einige in der Arena gestorben.«

Arena!, durchfuhr es ihn. Kämpfe ... Tiere?

Sollte er in einer Arena gegen Bestien kämpfen? Und wie hatte sie ihn genannt? Bestientöter!

»Ich lernte«, sagte er langsam, »das Schwert zu führen und zu kämpfen von einer Amazone. Überrascht dich das?«

»Ja«, gestand sie. »Aber ...«

Sie zögerte einen Moment, dann fuhr sie fort: »Was weißt du?«

Er warf einen Blick in die Runde. »Von dem hier? Nichts! Wo bin ich? Was soll ich hier? Wer bist du?«

»Langsam«, sagte sie. »Das hier sind die Tiergehege der Arena von Spayol. Du gehörst zu meiner Kampfgruppe und wirst dein Können in der Arena beweisen müssen. Und ich bin Kaneile, deine Kamize.«

»Was bedeutet das?«, fragte er. »Und was ist Spayol?«

»Spayol ist die Hauptstadt der Insel Ganzak mit dem größten Freihafen Vangas«, sagte sie.

Ganzak!, durchfuhr es ihn. Die Insel, die Burra von Anakroms Heimat ist!

»Kamizes«, fuhr Kaneile fort, »nennt man die Führerinnen von Kampfgruppen. Ich bin eine von ihnen. Es gibt zehn Kampfgruppen, die die Spiele der Arena bestreiten. Eine Kampfgruppe besteht aus Menschen und Tieren. Letztere meiner Gruppe«, sie deutete in die Runde, »siehst du hier.«

Er funkelte sie an.

»Und was tue ich hier?«, fragte er.

»Du bist hier«, verriet sie höhnisch, »damit die lieben Tierchen sich an deinen Anblick gewöhnen. Schließlich habe ich dich als Bestientöter eingekauft, und da müssen meine Bestien schon wissen, von wem sie getötet werden sollen.«

Mythor grinste. »Was ist, wenn ich keine Lust habe, Bestien zu töten?«

Kaneile erwiderte sein Grinsen.

»Dann, mein lieber Honga, werden die Bestien Lust haben, dich zu töten. Denke stets daran.«

Sie wandte sich zum Gehen.

»He, was ist mit Kleidung?«, rief er ihr nach.

»Man wird sie dir bringen. Auch etwas zu essen. Die Tiere mögen Haut und Knochen nicht, du wirst also nicht Hunger leiden. Etwas Fleisch muss schon an dir dran sein ...«

 

*

 

»Ihr also seid die Frevlerinnen, die es gewagt haben, den Traumpalast mit ihrem überfallartigen Eindringen zu entweihen«, sagte Sogia. Die Matria saß in ihrem mit rotem Samt ausgelegten Sessel. Unten vor den Stufen, die zum Podest führten, auf dem der Sessel stand, hatte sich eine Reihe von Kriegerinnen postiert, die die Leibwache der Matria waren. Davor standen Tertish, Gudun und Gorma.

»Von Kriegerinnen, die auf Burg Anakrom geschult wurden, hätte ich eigentlich anderes erwartet«, sagte die Matria. Ihr Gesicht war von Falten durchzogen, sie war von der Verantwortung gezeichnet. Ganzak war eine riesige Insel, die seinerzeit von der Zaubermutter Zaem unter den zehn Amazonengeschlechtern aufgeteilt worden war, die ihr, die damals noch die weiße Hexe Raem war, mit ihren Heeren zu Hilfe kamen, als es galt, die Streitmächte der Namenlosen zu vernichten. Bis heute war diese Feudalherrschaft auf Ganzak erhalten geblieben, und die zehn Sippen wählten aus ihren Reihen die regierende Matria. Sogia entstammte dem Geschlecht derer von Fulom, hatte die Interessen aller zehn Länder zu vertreten und war Unparteiische, Schlichterin und Oberste Richterin in Streitfragen. Sie wurde von der Sitra, der Obersten Eade, beraten.

Doch auf den Rat und das Orakel der Sitra war derzeit nicht sonderlich viel Verlass, seit die Eaden ihre eigenen Schwierigkeiten hatten, Fronjas Träume wiederzufinden. Und Sogia hatte nicht geringe Sorgen. Eine Sorge war das große Heer, das im Süden Ganzaks zusammengezogen wurde und um dessen Bestimmung nur Zaem wusste, die andere, nicht geringere Sorge war die Fehde zwischen Horsik und Narein. Alle Schlichtungsversuche der Matria waren bislang fehlgeschlagen.

Schwere Zeiten zogen heran.

Und der Gipfelpunkt aller Dreistigkeiten war zweifellos der Überfall auf den Traumpalast!

Matria Sogia sah nach rechts und nach links. Dort standen die Anführerinnen der beiden Gesandtschaften. Nakido von Horsik und Skasy von Burg Narein hatten Grund, bei dieser Verhandlung anwesend zu sein. Nakido hatte mit ein paar ihrer Kriegerinnen die Matria unterstützt, als sie ihre Wachtruppe zum Traumpalast entsandte, und Skasy war ursprünglich von Nakido beschuldigt worden, hinter dem Überfall zu stecken.

Skasy hob jetzt die Hand.

»Ihr seid Amazonen der Burra von Anakrom?«, vergewisserte sie sich. Als Tertish nickte, fuhr sie fort: »Der Name Burra hat einen guten Klang in Narein. Ich würde trauern, könntet ihr keinen triftigen Grund für euer Fehlen nennen.«

»Fehlen?«, zischte Nakido. »Verbrechen nenne ich so etwas!«

Skasy wandte den Kopf. »Dich fragt aber niemand!«

Die Matria hob die Hand.

»Tertish, Gudun und Gorma ... ihr seid angeklagt, den Traumpalast bei Nacht überfallen zu haben. Ich frage euch:

Was habt ihr zu eurer Rechtfertigung vorzubringen? Welchen Grund gibt es für euer Tun?«

Tertish trat einen Schritt vor und streckte der Matria ihren linken Arm entgegen, der seit dem Kampf mit einem Dämon steif war.

Die geöffnete linke Hand bot sich der Matria dar.

»Dies«, sagte Tertish langsam, »ist eine Folge des Grundes.«

Kaum merklich weiteten sich die Augen der Landesmutter. Neben ihr gab Skasy einen unterdrückten Laut der Überraschung von sich.

In Tertishs Hand glühte das Sternblutmal.

2.

 

Mythor konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, wie lange es gedauert hatte, aber es war eine erhebliche Zeit verstrichen, bis endlich jemand erschien und ihm nicht nur Essen und Trinken, sondern auch Kleidung brachte. Es war ein Mann, dessen nackter Rücken vernarbt war von den Wunden zahlreicher Peitschenhiebe und der in jeder einzelnen seiner Bewegungen nichts anderes als Unterwürfigkeit und absoluten Gehorsam ausdrückte. Zu seinem nicht gelinden Entsetzen stellte Mythor fest, dass man dem Mann die Zunge abgeschnitten hatte.

Gerrek hat da noch ein vergleichsweise gutes Schicksal getroffen,