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KLAUS POLLMANN

DIE KASTELLE
DES DRUSUS

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ImPrint eBook, Münster 2013

INHALT

PERSONENREGISTER

GERMANISCHE TITEL UND GÖTTER

GEOGRAFISCHE BEZEICHNUNGEN

DIE KASTELLE DES DRUSUS

PROLOG: DER PLAN DES DRUSUS

CASTRA UBIORUM

MILES GLORIOSUS

WINTER

ALA UBIORUM

ÜBER DEN FLUSS UND IN DIE WÄLDER

THING

…DASS ALLE WELT GESCHÄTZT WÜRDE

GLADIUS GERMANICUS

GLOSSAR

DATIERUNGEN, KALENDER UND DATEN – GELD – HIERARCHIEN IM IMPERIUM – HIERARCHIEN IN DER LEGION – LÄNGENMASSE – ZAHLEN – FACHBEGRIFFE VON A BIS Z

PERSONENREGISTER

Lucius Justinius Marcellus

römischer Centurio

Gnaeus Justinius Marcellus

sein Vater, ehemaliger Primus Pilus

Gaius Justinius Marcellus

sein Bruder, Anwalt in Arausio

Gnaeus Pompeius Trogus

sein Onkel, Bruder der Mutter,

 

Geograph und Historiker

Sextus Pompeius Trogus

sein Onkel, Bruder der Mutter,

 

Geschäftsmann in Lugdunum

Faustus

sein Sklave

Appius Maestus

Freund, Geschäftsmann in Augusta

 

Treverorum

Quintus Sicculus

Freund, Geschäftsmann in Arausio

Augustus

Herrscher des römischen Reiches

Livia Drusilla

seine Frau

Tiberius Claudius Nero

Sohn von Livia Drusilla, Augustus’

 

Stiefsohn

Claudius Drusus Nero

jüngerer Sohn

Antonia

seine Frau

Iullus Antonius

ihr Bruder, Sohn von Augustus’

 

Rivalen Marcus Antonius

Gaius Julius Licinius

Mitarbeiter von Drusus im Stab

Titus Valens

Centurio Supernumarius, Centurio

 

mit Sonderaufgaben im Stab

In der XVIII Gallica

Gaius Furnius der Jüngere

Legat der XVIII Gallica

Gaius Sentius Saturninus der Jüngere

sein Stellvertreter, senatorischer

 

Tribun

Gaius Pomponianus

ritterlicher Tribun, Befehlshaber der

 

Ala Ubiorum

Decimus Paternus

ritterlicher Tribun

Marcus Silanus

ritterlicher Tribun

Gemellus

Primus Pilus

Potitus

Lagerpräfekt

Mucius

1. Piluscenturio der 3. Kohorte

In der 2. Hastatencenturie

Laberius

Optio

Gallus

Signifer

Publius Caedicius

Tesserarius

Marcus Caelius

Legionär

Titus Tarquinius

Legionär

Quintus Pompillus

Legionär

Die Ubierkohorten

Centurio Maternus

Ausbilder der Ubier

Centurio Florus

Ausbilder der Ubier, Lagerpräfekt

Gaius Julius Tasgetix

remischer Ausbilder

Gaius Julius Primus

Decurio Aldermann der Ubier

Marcus Vipsanius Hristo

Sohn des Haldavoo

Marcus Vipsanius Haldavoo,

 

genannt Haldavoo

 

Marcus Vipsanius Haldavoo

 

der Jüngere, genannt Marcus

 

Fugilo

ubischer Führer

Jenseits des Rheins

Sugambrer

 

Melon

Herzog der Sugambrer, Oberhaupt

 

der Wolfssippe

Meinolf

sein Sohn

Ringolf

sein Sohn

Speersippe

 

Gerwin

Aldermann, Häuptling

Gomatrud

seine Frau

Germar

Neffe Sohn von Gomatruds Schwester; Eltern

 

von Eburonen getötet

Gerda

Schwester, verheiratet mit Rickimer, Hunno

 

der Tenkterer

Gerolf

ihr Sohn

Gernot

ihr jüngster Sohn

Rüdiger

Hunno der Syburg

Telma

Tochter

Rutger

Hunno

Ansgar

Schwertträger von Gerolf

Ranulf

Gefolgsmann von Gerwin

Teiwazzippe

 

Agilmar

Aldermann

Tenkterer

 

Makromer

Häuptling der Tenkterer, Gefolgsmann von

 

Melon

Rickimer

sein Sohn

Tungerer

 

Mallobaudes

Händler

GERMANISCHE TITEL UND GÖTTER

In diesem Roman tauchen bei den Germanen verschieden Titel auf: Herzog, Aldermann und Hunno. Aldermann bzw. Eldermann und Hunno bezeichnen eigentlich ein und denselben Rang (siehe Glossar). Der Herzog befehligte den Stamm auf den Kriegszügen. Daneben gab es den Clanchef, das Familien- bzw. Sippenoberhaupt und die „Bürgermeister“, die Dorfvorsteher. Schultheiss, der mittelalterliche Begriff, hat eine Wortherkunft, die aus dem Lehnswesen stammt und kann daher hier nicht verwendet werden. Daher hat der Autor zwischen Aldermann und Hunno eine Unterscheidung durchgeführt, die so nicht gegeben war. Die Römer nennen die Anführer der „Barbaren“ unterschiedslos Häuptlinge oder den Herzog auch schon mal König.

Wotan und Tyr (Tiwaz, Teiwaz)

Das aus der germanischen Mythologie überlieferte Wotan- bzw. Odinbild als Göttervater ist wohl erst in der Zeit der Völkerwanderungen entstanden oder bei der Vereinigung zu den Großstämmen der Sachsen und Franken. Vorher war Tyr der germanische Hauptgott.

GEOGRAFISCHE BEZEICHNUNGEN

Orte

Alteburg

Essen

Aduatuca

Tal bei Eschweiler

Augusta Treverorum

Trier

Augustodunum

Autun

Bagacum

Bavay

Basilia

Basel

Benesbure

Bensberg

Benesburg

Moitzfeld

Bonna

Bonn

Buruncum

Worringen

Caesarodunum

Tours

Castrum Batavorum

Nimwegen

Castrum Noveasium

Neuss

Castrum Ubiorum

Köln

Castrum Vetera

Xanten

Castrum Vindelicorum

Augsburg

Durnomagus

Dormagen

Durocortorum

Reims

Durum

Düren

Gelduba

Krefeld

Icorigium

Jünkerath

Juliacum

Jülich

Lugdunum

Lyon

Lutetia Parisiorum

Paris

Luviniacum

Köln- Lövenich

Massilia

Marseille

Mogontiacum

Mainz

Oppidum Antunnacum

Andernach

Porta

Übergang über den Rhein zwischen

 

Xanten und Nimwegen

Portus Itius

Boulogne

Rigomagus

Remagen

Samarobriva

Amiens

Sugambrerfurt/Ubierfurt

Übergang bei Duisburg

Syburg der Speersippe

Siegburg

Syburg der Teiwazsippe

Dortmund

Tolbiacum

Zülpich

Treva

Hamburg

Tungorum

Tongeren

Vastus, das Verwüstete

Rhein zwischen Xanten und

 

Nimwegen

Berge/Gebirge

Abnoba (Mons)

Schwarzwald

Arduenna (Silva)

Ardennen

Drachenwald

Bergisches Land

Rhetico (Mons)

Westerwald

Taunus (Mons)

Taunus

Sieben Riesen

Siebengebirge

Vosegus (Mons)

Vogesen

Flüsse

Albis

Elbe

Ara

Aar

Danuvius

Donau

Lupia

Lippe

Matrona

Marne

Moenus

Main

Mosa

Maas

Mosella

Mosel

Novesia

Erft

Rhenus

Rhein

Rhodanus

Rhone

Rura

Ruhr

Sequana

Seine

Visurgis

Weser

Mare Barbaricum

Nordsee

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PROLOG DER PLAN DES DRUSUS

LUGDUNUM

„Ich werde den Beinamen Germanicus bekommen und dieser Name wird mein Vermächtnis an dich sein!“ Drusus wiegte seinen Sohn auf dem Arm und kitzelte ihn unter dem Kinn. Der kleine Nero gluckste und quiekte vor Vergnügen. Drusus sah auf, als die gallische Amme den Raum betrat. Er hatte sie geschickt, um nach seiner Frau zu sehen. Sie brauchte heute Abend noch länger, als Frauen normalerweise brauchten, um sich für eine Abendgesellschaft fertig zu machen.

„Die Domina sich leider fühlt krank!“, erklärte die gallische Amme in ihrem eigenwilligen Latein. Sie befreite Drusus geschickt von seinem sabbernden Sohn. Drusus hatte belustigt auf seine feuchte Tunica gesehen. Auf die Worte sah er auf. „Ist es etwas Ernstes? Soll ich nach dem Arzt schicken?“ Die Amme schüttelte mit dem Kopf. „Nur das was normal ist in ersten Wochen einer Schwangerschaft! Dazu Wetter warm, kalt, schwül. Nicht gut für Frauen, die schwanger sind.“ Sie tupfte dem Kleinen den Mund ab. „Der Dominus soll aber Spaß haben für die Abendgesellschaft.“ Drusus gab es auf, den feuchten Fleck mit einem Tuch trocken zu reiben. „Dann sollte ich aufbrechen!“ „Da ist jemand gekommen, um zu sprechen mit dir, der Sohn des Triumvir.“ Drusus erstarrte mitten in der Bewegung. „WER ist da?“, fragte er scharf. Die Gallierin sah ihn verunsichert an. „Der Sohn des Triumvir!“

Triumvir? Das Triumvirat gab es schon seit vielen Jahren nicht mehr und die Bildung des Triumvirats hatte zum Bürgerkrieg geführt.

„Willst du mich zum Besten halten? Wenn das ein Scherz sein soll, so wirst du hier keinen Lacher finden!“ „Er hieß sich selbst so!“ Die Gallierin senkte verlegen den Kopf. „Ich erbitte Entschuldigung, wenn das nicht sein korrekter Titel ist.“

„Er nannte sich selbst so?“ Nun war Drusus vollends verwirrt. „Wo ist er?“ „Er wartet in deinem Schreibgemach.“ Sie zeigte die Richtung an. „Er wollte nicht im Atrium bei deinen Klienten warten!“ Drusus stürmte auf die Tür seines Schreibgemachs zu und riss sie auf. Wer forderte ihn auf diese Weise heraus? Schwungvoll betrat er den Raum und setzte zu einer geharnischten Ansprache an. Die Worte erstarben in seinem Mund, stattdessen starrte er verblüfft den gutaussehenden Mann Anfang Dreißig an, der an seinem Schreibtisch saß. Er war in Drusus’ Karten und Aufzeichnungen vertieft und allem Anschein nach, hatte er sich auch an seinem Weinvorrat gütlich getan.

„Iullus!“ Drusus rang um seine Fassung. Iullus Antonius hob nur kurz den Kopf, als wäre es das Selbstverständlichste, in den Aufzeichnungen des Statthalters zu blättern. Er nickte Drusus zu und deutete auf den Weinkrug. „Schenk dir ein! Der Falerner ist ausgezeichnet.“

„Ich weiß! Ich habe ihn selbst ausgesucht.“ Drusus wartete einen Moment, aber Iullus Antonius machte keine Anstalten aufzustehen. Es schien ihn auch nicht in Verlegenheit zu bringen, dass er es sich hier in Drusus’ Schreibgemach bequem gemacht hatte und ihn zu seinem eigenen Wein einlud. Drusus seufzte schließlich und schenkte sich auch von dem Wein ein.

„Der Sohn des Triumvir … also wirklich!. Wenn ich gewusst hätte, dass du in der Stadt bist, dann hätte ich mir sofort gedacht, dass nur du dich so anmelden konntest.“

Antonius tat erstaunt. „Aber, ich bin doch der Sohn des Triumvir?“

„Gewesen!“

„Gewesen? Ist Marcus Antonius nicht mehr mein Vater? Gab es darüber einen Beschluss?“

„Nein, aber dein Vater ist nicht mehr Triumvir.“ Drusus wusste nicht, ob er über die Frechheit lachen oder ob er brüllen sollte.

„Oh, das habe ich nicht bedacht, sonst hätte ich mich natürlich als Sohn des Ex-Triumvir anmelden lassen.“

„Natürlich“, sagte Drusus leichthin und wechselte entschlossen das Thema. Er hatte keine Lust mehr, mit Iullus dieses Spiel zu spielen. „In Plancus’ Haus solltest du gleich solche Reden nicht führen.“

„Wem könnte ich auf die Füße treten? Deinem Vater oder dem Sohn des alten Wendehalses?“ „Dem Enkel! Der Sohn ist tot und der Enkel legt heute die Toga der Männer an!“ Drusus seufzte. „Du änderst dich nie. Lass mich raten, du weißt auch gar nicht mehr, wo du die Einladung hast!“

Statt einer Antwort kramte Antonius in seiner Toga und zog eine Schriftrolle hervor und hielt sie Drusus hin. Dem fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Das Siegel ist nicht mal erbrochen!“

„Wozu soll ich das Siegel brechen? Wenn es wichtig wäre, hätten meine Sklaven mir es berichtet!“ Antonius hob eine von Drusus’ Landkarten hoch. „Das finde ich viel spannender! Was ist das?“

Statt einer Antwort suchte Drusus etwas in seiner Kleidertruhe und hielt den Gegenstand Antonius hin.

„Weißt du was das ist?“

„Eine Kette?“, feixte Antonius, um dann sofort ernst zu werden:. „Bernstein?“

Drusus drehte den goldgelben Stein im Licht hin und her.

„Genau. Das Gold des Nordens! Und du weißt, dass die Bernsteinsstraße bei Aquileia endet?“

„Ich habe so was gehört. Gibt es aber nicht noch mehr Bernsteinstraßen?“

„Es gibt drei!“ Drusus begann dozierend auf und ab zu gehen. „Die östliche durch das Land der Daker bis in das Mündungsgebiet des Danuvius, die mittlere die Albis entlang nach Aquileia und die westlich zum Rhenus nach Massilia!“

„Und?“

„Die westliche ist seit ein paar Jahren versiegt und die mittlere ist durch Kriege zwischen den germanischen Stämmen unzuverlässig geworden!“

„Und du hast einen Plan, das zu ändern!“ Antonius’ Bemerkung war eine Feststellung, keine Frage.

„Richtig!“ Drusus zeigte auf eine der Landkarten, wo in der Nähe einer blauen Fläche ein Ort eingezeichnet war.

„Hier im Norden, an der Albis, liegt Treva. Von hier gehen die westliche und die mittlere Bernsteinstrasse ab!“ Seine Finger fuhren auf der Karte hin und her.

„Die westliche führt durch das Land der Cherusker zur Visurgis, wo sie sich gabelt. Eine Route geht durch das Land der Sugambrer und die andere durch das Land der Chatten zum Rhenus!“

„Du willst die Sugambrer und die Chatten unterwerfen?“

„Die Chatten!“ Drusus zeigte auf einen Punkt in der Nähe des Danuvius. „Hier leben Reste der Toutonen. Die werde ich mir dieses Jahr noch vornehmen!“

Seine Finger fuhren nach Norden.

Antonius machte eine Geste zur Abwehr des bösen Blicks, seine Stimme klang aber nach wie vor heiter. „Achtung, Senatoren, Achtung, in diesem hier erkenne ich mehr als nur einen Marius!“

Drusus lief rot an. „Das wird nur ein Erkundungsvorstoß, sobald es das Wetter zulässt. Wann das sein wird, wissen nur die Götter!“

„Ist das Wetter dort wirklich so schlimm, wie alle berichten?“

„Je weiter du nach Norden kommst, desto unberechenbarer wird es. Wie mag es da erst auf der Insel Thule sein?“

Antonius lächelte. „Mir scheint es ganz normal warm für Ende April zu sein. Bisschen schwül vielleicht!“

„Vor einer Woche war es noch so kalt, dass wir mit Schnee gerechnet hatten!“ Genug vom Wetter, dachte Drusus und zeigte auf die Karte.

„Nachdem der Census in den Drei Gallien durchgeführt wurde, werde ich mir die Germanen zwischen Mogontiacum und Visurgis vornehmen. Wir stoßen entlang des Danuvius nach Osten vor. Damit haben wir einen kurzen Weg von Gallien nach Makedonien, denn Agrippa wird sich dem illyrischen Problem annehmen!“

„Wie lange wird die Lösung dieser Probleme dauern?“ Antonius leerte den Weinbecher.

„Zwei Feldzüge, vielleicht drei Feldzüge.“ Drusus machte eine wegwerfende Handbewegung. „In fünf Jahren werden wir sagen können: Germania Capta, Germanien ist unterworfen und wir kontrollieren das Ende der westlichen Route!“

Antonius wiegte nachdenklich seinen Kopf.

„Trotzdem hast du das gleiche Problem wie in Aquileia. Irgendein Stamm kann die Bernsteinsstrasse blockieren. Oder willst du einen Stamm nach dem anderen unterwerfen, bis du im Norden angekommen bist?“

„Warum nicht?“, fragte Drusus mit unterdrückter Heiterkeit. „Die Mattiaker und Chatten sind bereits halb unterworfen und sie vollends zu unterwerfen, wird nur ein halbes Jahr dauern. Danach die Cherusker und so weiter. Caesar hat fünf bis sechs Jahre gebraucht, um Gallien zu unterwerfen und er hatte nur den Süden als Ausgangsbasis!“

Er beugte sich über die Karte. Es machte ihm sichtlich Spaß seine Pläne vor Antonius zu diskutieren und ihm seine Gedankengänge zu präsentieren. Er zeigte auf die Siedlungsgebiete der Stämme in der Nähe von Mogontiacum: „Diese Stämme kannst du als Socii oder sogar Foederati ansehen!“ Jetzt deutete er auf zwei Kreuze.

„Ich werde mit je zwei Legionen von Mogontiacum und von Castrum Vindelicorum aufbrechen. Die Stämme zwischen Rhenus und Danuvius, die Kundschafter nennen sie Sueben, gehören einem Verbund an. Das bedeutet, sie werden sich gegenseitig zu Hilfe kommen und wir können sie mit einem oder zwei Schlägen niederwerfen! Sie werden entweder weichen oder sich unterwerfen!“ Drusus hatte die Stimme erhoben und sprach eindringlich. Antonius schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich aber wieder anders. „Ich gehe davon aus, dass sie sich unterwerfen. Der herykanische Wald soll sehr unwirtlich sein. Dieses Gebiet hier, wird der Kern einer Provinz Germanien und da die Germanen keine Städte haben, werden wir in der Nähe von Mogontiacum eine bauen. Weitere werden folgen.“ Drusus dozierte mit leuchtenden Augen.

„Diese Seben…?“, begann Antonius fragend.

„Sueben!“

„Genau Sueben, ist das ein anderer Name für die Sugambrer? Diese sind doch für die Unruhen und Überfälle verantwortlich!“

„Die Sugambrer leben weiter im Norden, nördlich der Chatten!“ Drusus deutete das ihnen bekannte Siedlungsgebiet der Sugambrer auf der Karte an. „Es gib in ihrem Land keine vernünftigen Wege und Stege. Ein Feldzug gegen sie verspricht wenig Erfolg. Die kommen später dran!“

„Mars wird dir helfen, aber …“ Antonius suchte nach Worten. Drusus musste insgeheim lächeln. Antonius tastete sich so vorsichtig an das Thema heran, als ob man einem kleinen Kind erklären musste, dass es auch mit heftigen Armen rudernd nie würde fliegen können.

„Wenn aber die Wege bei den Sugambrern, die in der Nähe des Rhenus leben, keinen Nachschub zulassen, wie soll es dann weiter nördlich werden? Jenseits der sugambrischen Berge. Das ist … ist doch ein Feldzug, der Jahre oder Jahrzehnte dauert!“

Drusus prustete los und Antonius sah ihn verwirrt an.

„Keine Angst, ich leide nicht an der Alexanderkrankheit und ich will keineswegs die Welt erobern. Mein Plan ist einfacher.“ Er drehte die Karte zu Antonius hin. „Wir werden einfach hier im Lande der Bataver vom Rhenus zum Mare Barbaricum einen Kanal graben und dann Treva über das Meer erreichen!“ Er zeigte den Weg entlang der Küste.

„Soweit wir von den mit uns verbündeten Batavern wissen, haben die Stämme hier im Norden keine großen Kriegsschiffe!“

Antonius sah ihn säuerlich an. „Da hast du mich aber schön vorgeführt!“ Er betrachtete die Karte. „Manche würden sagen, dass das Mare Barbaricum zu befahren, auch schon auf die Alexanderkrankheit hindeuten würde!“

„Im Kampf gegen die Veneter musste Caesar Schiffe bauen, die diesem Meer gewachsen sind!“

„Und du hast die Pläne?“

„Nein, aber Zeit, um die richtigen Schiffe zu bauen!“

„Wo lässt du die Schiffe bauen? In Mogontiacum?“

„Nein, im Land der Ubier. Da gibt es ein paar Inseln die sich angeblich für Werften eignen. Darum kümmere ich mich später. Zwei Legionen werden den Kanal graben und eine wird das Holz für die Schiffe schlagen!“

Antonius sah immer noch skeptisch drein. Drusus wurde ärgerlich.

„Marius hat mit seinen Legionen einen Kanal zur Mündung des Rhodanus gegraben und hatte nur ein Jahr Zeit!“

„Du hast wohl recht!“ Antonius sah auf die Karte. „Du brauchst bestimmt ein paar tüchtige Legaten, wenn es gegen die Germanen geht! Dann denk an mich, wenn es soweit ist!“ Antonius stand auf. „Komm, lass uns gehen. Wir wollen den großen Mann nicht länger warten lassen!“

Sie gingen zu Tür. „Hör auf, Plancus zu verspotten. Es gehört sich nicht, jemanden in seinem Haus zum Gespött zu machen.“ Antonius warf Drusus einen schiefen Blick zu. „Ich meinte den allmächtigen Imperator, deinen Vater.“

„Allmächtig ist nur Jupiter!“, unterbrach ihn Drusus hastig. „Hör auf, solche Reden zu führen. Du redest das Unglück über uns ja regelrecht herbei!“ Antonius sah spöttisch auf den Jüngeren und es schien, als ob er etwas erwidern wollte. Dann fragte er aber nur: „Wo ist meine Schwester?“

„Sie fühlt sich nicht wohl!“, beeilte sich Drusus zu antworten, ebenfalls froh, das Thema wechseln zu können.

„Etwas Ernstes?“ Der Ton hatte jeden Spott verloren. „Nein, nur das Übliche während der Schwangerschaft, sagt die Amme.“ „Dann werde ich sie in den nächsten Tagen besuchen!“ Im Atrium schlossen sich die Freunde und Begleiter des Drusus an und geführt von einigen Fackelträgern begaben sie sich zum Haus des Plancus.

Das Haus des Plancus war das größte und schönste in Lugdunum. Lucius Munatius Plancus der Ältere war einer von Caesars Legaten im gallischen Krieg gewesen und von diesem zum Statthalter von Gallia Comata ernannt worden. Wie alle Statthalter hatte er sich schadlos gehalten und sich bei der Gründung der Veteranenkolonie von Lugdunum eines der besten Grundstücke gesichert.

Er hatte in den Bürgerkriegswirren zunächst auf der Seite des Senats gestanden und war dann in das Lager von Marcus Antonius gewechselt, um kurz vor der Schlacht von Actium zu Octavian überzulaufen.

Das hatte sein Vermögen gerettet und er war mit dem Konsulat belohnt wurden und hatte es sogar zum Censor gebracht. Sein Sohn war schon vor Jahren gestorben und so hatte der Enkel Lucius Munatius Plancus im vergangenen Jahr die Leichenrede gehalten, als auch der alte Plancus nach 72 Jahren gestorben war.

Der Enkel war eigentlich ein politischer Niemand und sein Anlegen der Toga der Männer wäre kein gesellschaftliches Ereignis gewesen, wenn nicht Augustus persönlich die Vormundschaft übernommen hätte.

Die Feier am Morgen hatte nur im kleinen Kreise stattgefunden, aber jetzt am Abend gaben die Reichen und Mächtigen ihr Stelldichein.

„So eine Schande“, brummte ein alter grauhaariger Mann neben Drusus und Antonius, den der Streifen an der Toga als Senator auswies. Er sprach zu niemand bestimmtem und brabbelte einfach so vor sich hin.

„Früher waren nur die engsten Freunde und Verwandten bei so einem Ereignis anwesend und jetzt schwirren hier so viele Menschen rum wie Fliegen um einen Scheißhaufen!“

„Wer ist das?“, raunte Drusus Antonius zu. „Der alte Furnius! Warte, das wird lustig!“, flüsterte dieser und sagte dann laut zu dem Greis. „Du hast recht, edler Senator. Was ist aus dem Mos Maiorum geworden, der Sitte der Vorfahren.“

„Verloren, vergangen. Ihr jungen Leute wisst nicht einmal mehr die richtige Anrede. Konsular, nicht Senator. Bist du überhaupt ein Senator?“

Kurzsichtig stierte er auf die Kleidung und die Hände des Antonius um nach dem Ring zu suchen.

„Ich bin der designierte Prätor Urbanus“, bemerkte dieser leichthin. „Ah, der junge Antonius. Ich kannte deinen Vater gut und habe bis zum Ende an seiner Seite gekämpft.“

Furnius zittrige Stimme bekam Feuer. „Und er hätte den Krieg auch gewinnen können, wenn sich die Frauen nicht eingemischt hätten. Frauen sollen sich nicht in die Angelegenheiten der Männer einmischen. Sie sollen an ihrem Webstuhl sitzen und sich um die Hausarbeit kümmern. Sui Iuris für Frauen, wo soll das nur hinführen!“

Drusus schnappte nach Luft und lief rot an. Antonius kam seinem Ausbruch aber zuvor. Er packte Furnius am Arm und zog ihn mit sich. „Hier ist jemand, dem du dies unbedingt erzählen solltest, Konsular.“ Er zerrte den widerstrebenden Greis zu einer Gruppe in ihrer Nähe. „Dame Livia Drusilla, darf ich dir den Konsular Gaius Furnius vorstellen. Er hat interessante Ansichten über das Sui Iuris für Frauen!“

Drusus musste ein Lachen unterdrücken, als er die Panik in Furnius’ Gesicht sah.

Seine Mutter hatte sich zu dem alten Mann umgedreht und musterte ihn kühl. „Furnius? Den Namen habe ich schon mal gehört!“

„Die Furnier sind eine altes plebejisches Geschlecht!“, sagte der Mann mit zittriger Stimme. „Wir haben schon vor vierhundert Jahren einen Volkstribun gestellt!“

„Wer es glaubt!“, raunte Antonius Drusus zu.

„Ach, einer so alten Familie gehörst du an!“ Livias Stimme war kühl. „Du selber warst Legat meines Gemahls in Hispanien und dein Sohn war vor einigen Jahren auch Konsul und dein Enkel ist Legat einer Legion in Belgica!“

„Du bist gut unterrichtet!“ Furnius sah aus, als wollte er das Gespräch auf der Stelle beenden, aber Antonius hielt immer noch seinen Arm. „Erzähl doch mal der Dame Livia Drusilla, warum Frauen nicht Sui Iuris sein dürfen?“

Livias Lächeln blieb liebenswürdig. „Mein Mann ist Statthalter der Drei Gallien und muss einen Census in den Provinzen vorbereiten. Mein ältester Sohn ist designierter Konsul und mein jüngster Sohn hat gerade die rätischen und vindelikischen Stämme unterworfen. Und du meinst, ich darf mich nicht um meine eigenen Angelegenheiten kümmern? Das musst du mir genauer erklären!“ Sie hakte sich bei ihm ein und führte ihn weg.

„Der scheißt sich gerade in die Toga!“, erklang hinter ihnen eine Stimme. Drusus drehte sich zu dem Sprecher um. „Gaius Sentius! Seit wann bist du aus Africa zurück? Willkommen in Lugdunum!“ „Seit ein paar Wochen. Ich begleite meinen Sohn. Darf ich dir Gaius Sentius Saturninus den Jüngeren vorstellen. Er soll Tribun Laticlavius, senatorischer Tribun, bei einer der gallischen Legionen werden. Bei welcher?“ Er sah seinen Sohn fragend an. „Bei der XVIII Gallica?“

Saturninus der Jüngere nickte zustimmend. Drusus ging durch den Kopf, dass Furnius nur ein paar Jahre älter als Saturninus sein konnte. Während der eine aber ein zittriger Greis war, war der andere ein tatkräftiger Mann geblieben. Gerade Prokonsul in Africa gewesen, kümmerte er sich jetzt um die politische Karriere seines Sohnes, wie es schon immer Brauch gewesen war. Drusus sah den Tribun an. „Ah, ja, die Gallica. Sie ist auf dem Marsch nach Norden zum Rhenus!“

„Ärger mit den Germanen?“ Saturninus der Ältere wirkte interessiert, der Jüngere besorgt. „Nein, aber die Legionen müssen beschäftigt werden und außerdem sind sie am Rhenus besser zu versorgen.“

„Ach, ja, beschäftigt. Ich habe so etwas gehört. Du planst einen Feldzug gegen die Germanen?“

Für jemanden der gerade aus Africa angekommen war, war Saturninus erstaunlich gut unterrichtet. Einen Moment überlegte Drusus, ob er das verneinen sollte, dachte sich dann aber: Was soll es.

„Ja, aber südlicher. Das Gebiet der Markomannen und Chatten ist leichter zu erschließen und die Legionen sind dort leichter zu versorgen.“

„Wer ist der Legat der Gallica?“, fragte Saturninus der Jüngere, neugierig, zu erfahren, wer sein Kommandeur sein würde.

„Der Sohn von dem Jammergreis übernimmt die XVIII.“ Drusus deutete auf Furnius, der sich noch immer mit seiner Mutter unterhielt. „Der ist bald vertrocknet“, konstatierte der Tribun trocken. „So, wie der schwitzt, hat er gleich keine Flüssigkeit mehr in sich!“

„Aber die Furnier sind bereits vor 400 Jahren Volkstribune gewesen!“, sagte Antonius und imitierte die zittrige Stimme. Saturninus schnaubte durch die Nase. „Jeder, der nach dem Bürgerkrieg zu Ämtern gekommen ist, behauptet, dass seine Familie schon immer Ämter gehabt habe. Sie rechnen damit, dass keiner mehr lebt, der es besser weiß. Die Generation, die ganze Familienbäume samt Ämtern aufzählen konnte, ist ausgestorben, naja fast!“

„Das wird sich ohnehin bald erledigt haben!“ Antonius zuckte mit den Schultern. „Wenn deine Mutter ihn weiter so freundlich anlächelt, fällt der gleich vor Angst tot um!“

Auf dem Forum von Lugdunum drängte sich die Menge. Sie waren gekommen um den Prozessen beizuwohnen und die Ankündigungen des Magistrats zu hören. Vielleicht gab es ja auch die Möglichkeit, Augustus selber zu sehen. Immerhin weilte der Imperator in einer Villa vor der Stadt und war schon ab und zu in der Stadt gesehen worden. Eine Gruppe junger Männer versuchte sich zur Rostra zu drängen, aber da hier die Menschen am dichtesten standen, war dies ein schwieriges Unterfangen. Entnervt rief schließlich einer der Männer aus: „Macht Platz für den edlen Drusus. Macht Platz für Nero Claudius Drusus, den Legaten des Augustus! Er hat euch eine Ankündigung zu machen.“ Hastig wich die Menge zurück und bildete eine Gasse. Schwer atmend gelangte die Gruppe um Drusus endlich an den Fuß der Rostra.

Die Rostra war ein mannshoher Sockel von dem Ansprachen und Ankündigungen an die Bevölkerung gemacht wurden. Sie hatte ihren Namen von der berühmten Rednertribüne auf dem Forum Romanum. „Das nächste Mal nimmst du einen Liktor mit!“, schimpfte der größte Mann aus der Gruppe, dessen blonde Haare und Knubbelnase seine gallische Herkunft verrieten. Die Toga, die er trug, wies ihn aber als römischen Bürger aus. Drusus lächelte gequält und richtete seine Toga. „Licinius, wie du weißt, steht mir als Legat kein Liktor zu“, bemerkte er entschuldigend. „Und meinen Stiefvater würde der Schlag treffen, wenn er erführe, dass ich einen für meine Bequemlichkeit benötige!“ Die jungen Männer lachten. Der Licinius genannte Gallier, raffte seine Toga und stieg vorsichtig die Treppe der Rostra hinauf. Oben wartete er einen Moment, bis die Menge ein wenig ruhiger geworden war, dann zog er eine Schriftrolle hervor und rief er mit lauter Stimme.

„Ich bin Gaius Julius Licinius. Nero Claudius Drusus, der Legatus Proconsules der Drei Gallien, hat mich beauftragt, euch eine Ankündigung zu machen.“ Bei diesen Worten hob er die Schriftrolle hoch und ein aufgeregtes Raunen ging durch die Menge. Licinius zog die Rolle auseinander und begann vorzulesen: „Im Jahr der Konsuln Marcus Licinius Crassus Frugi und Gnaeus Cornelius Lentulus Augur, werden von dem Statthalter der Drei Gallien, Imperator Caesar Augustus, die ehrenwerten Geschäftsleute der Colonien und Munizipien in den Drei Gallien und der Narbonensis aufgefordert, Societates Publicanorum zu gründen, um sich für öffentliche Ausschreibungen zu bewerben.“

Ein überraschtes Raunen ging durch die Menge. „Im Auftrag von Senat und Volk von Rom sollen diese Gesellschaften in den nächsten fünf Jahren Aufgaben durchführen, die in den Provinzen der Drei Gallien anfallen. Diese Aufgaben sollen nicht mehr nur von Gesellschaften aus Rom und Italien übernommen werden.“

Licinius ließ die Rolle sinken und wartete, bis das Stimmengewirr etwas abgeklungen war. „Die Auflistung der Aufträge wird gemeinsam mit dieser Ankündigung an den nächsten Markttagen überall in den Drei Gallien verlesen und ausgehängt werden.“

„Dürfen sich an den Ausschreibungen und an den Gesellschaften alle beteiligen oder nur diejenigen, die vom Statthalter zugelassen werden?“, rief jemand aus der Menge. „Natürlich dürfen sich alle Römer und Socii an der Ausschreibung beteiligen, gemäß den republikanischen Traditionen und dem Mos Maiorum, der Sitte der Vorfahren.“

CASTRUM UBIORUM

„Nachdem der Rhenus das Land der Räter und Vindeliker verlassen hat, wälzt er sich nach Norden. Auf der Strecke zwischen Basilia und dem Land der Mattiaker, hat der Rhenus kein festes Bett. Es gibt hier viele Auen und Flussarme. Je nach Wasserstand fließt der Rhenus mal durch den einen und dann wieder durch einen anderen. So kann es geschehen, dass im Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt, sich ein Dorf, das sich im Vorjahr auf der rechten Uferseite befand, nun plötzlich auf der linken Flussseite liegt.

Links des Rhenus wird das Land vom Vosegus Mons begrenzt. Hier ist auch die gallische Pforte.

Rechts des Flusses sind die Latrobigen und die Toutonen die mächtigsten Stämme. Während die ersteren zu den Kelten zählen, sind die anderen den Germanen zuzurechnen. Sie sind die Überreste jenes Volkes, welches vor hundert Jahren mehrere römische Legionen vernichtete, ehe es von Gaius Marius besiegt wurde.

Weiter nördlich leben die Nemeter und die Vangionen, bevor der Rhenus dann im Land der Mattiaker zwischen den Bergen verschwindet. Links des Flusses erstreckt sich die Arduenna Silva bis in das Gebiet der Belgen. Rechts des Flusses beginnt der Taunus Mons. Hier, gegenüber dem Oppidum Antunnacum ist auch das Gebiet, in dem die Ubier früher siedelten. Von Antunnacum aus baute Caesar eine seiner beiden Brücken über den Rhenus.

Ab hier fließt der Rhenus zwischen steilen und hohen Bergen hindurch. Der Fluss ist tückisch, voller Strudel und Riffe, und so berichten die Einheimischen, Hexen und Zwerge lockten die Schiffer in den Tod.

Hier mündet die Mosella, die durch das Land der Treverer fließt, in den Rhenus. Die Treverer sind der mächtigste Stamm in der Provinz Belgica, ihr Gebiet erstreckt sich von dem Ara Fluvius und dem Berg des Jupiters bis weit in den Norden. Ein großer Teil des Gebietes der Treverer ist von der Arduenna Silva bedeckt. Der Hauptort der Treverer ist die neugegründete Colonia Augusta Treverorum, die unmittelbar neben dem Oppidum Treverorum gegründet wurde.

(Geographie Galliens, Gnaeus Pompeius Trogus)

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AUGUSTA TREVERORUM, PROVINZ BELGICA

Lucius rann der Schweiß herunter, während er grub und schaufelte. Er musste diesen vermaledeiten Graben fertigstellen. Vier Doppelschritte lang, zwei Doppelschritte tief und zwei Doppelschritte breit waren eigentlich kein Problem, und er grub und grub… Der Wall wuchs und wuchs, aber immer noch war im Boden nur eine flache Mulde. Saxum, der alte, versoffene Legionär, der ihn ausbildete, ließ sein meckerndes Lachen hören. „Los Lucius grab. Graaabbbb!“, höhnte er. „Oder du wirst den Rest deines Lebens hier auf dem Hof arbeiten!“

Alles, nur das nicht, schoss es Lucius durch den Kopf und er hackte verbissen auf die Erde ein. „Ich könnte hier Hilfe brauchen!“, hörte er auf einmal Sergius’ Stimme. Wo kam die auf einmal her? Er sah auf und sah den Hofverwalter neben Saxum auf dem Wall stehen. Dieser war mehr als mannshoch, wieso, bei Plutos Arsch, ging ihm der Graben immer noch nur bis zu den Knien?

„Gleich geht die Sonne unter!“, tönte wieder Saxums Stimme. „Und wenn der Graben bis dahin nicht fertig ist, wirst du wohl für den Rest deines Lebens Weintrauben ernten, stampfen und was man sonst hier draußen auf dem Lande so macht!“

Ich will nicht auf dem Hof, in der Verbannung versauern!, spornte sich Lucius an. Schneller, schneller! Er schaufelte und grub und grub und schaufelte und mit jedem Hub sagte er sich: Alles ist besser, als auf dem Hof zu arbeiten, alles ist besser, als auf dem Hof zu arbeiten!

Lucius fuhr aus dem Schlaf hoch. Verwirrt sah er sich um und sank dann seufzend wieder auf sein Lager. Er hatte die Ausbildung, die sein Vater befohlen hatte, überstanden, er hatte die Ausbildung in der Legion überstanden, er hatte sein erstes Kommando gemeistert und jetzt war er auf dem Weg zu seinem nächsten. Er wusste nicht, was auf ihn zukam, aber alles war besser, als auf dem Hof zu arbeiten. Mit diesem Gedanken schlief er wieder ein.

Die Colonia im Land der Treverer bestand aus zwei Städten, wie Lucius zu seiner Überraschung feststellte. Ein Ort lag oben auf dem Berg und einer unten im Tal. „Das ist ja merkwürdig! Davon habe ich noch nie etwas gehört!“, murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart.

Das Schachbrettmuster der Stadt im Tal war unverkennbar und daher war natürlich sofort klar, dass dies die vor einigen Jahren gegründete Colonia war. Aber was hatte es mit dem Oppidum auf dem Berg auf sich? Wohnten dort die Unzufriedenen? Die Unruhe in diesem Stamm war legendär.

Lucius war sich sicher, dass er seinen Freund Appius Maestus in der Colonia und nicht im Oppidum finden würde und daher würde ihm der Anstieg auf den Berg erspart bleiben. Merkur sei Dank, hatte ihn Quintus’ Brief noch rechtzeitig vor dem Aufbruch erreicht.

Quintus Sicculus grüßt seinen Freund Lucius,

lieber Lucius, ich schreibe dir aus einem heiteren und doch ernsten Anlass. Unser Freund Appius ist in Arausio in Ungnade gefallen. Wie das geschehen konnte? Nun, daran bin ich nicht ganz unschuldig, da Appius mit mir gewettet hatte. Aber der Reihe nach. Wir waren auf die Hochzeit von Torquatus’ Sohn eingeladen und die Zeremonie versprach eintönig zu werden. Du weißt, dass Torquatus zwar nach außen gerne protzt aber im Grunde geizig ist. Auf jeden Fall waren wir als Zeugen dabei, als die Braut ihr „Ubi tu Gaius ego Gaia“ sprach, und während der ewig langen Segenssprüche stieß mich Appius plötzlich an und fragte: Weißt du eigentlich, was dieser Spruch bedeuten soll? Ich hatte natürlich keine Ahnung und meine Frau auch nicht. Sie meinte, sie hätte das bei unserer Hochzeit gesagt, weil alle Frauen es so sagten. Appius behauptete, dass schon zu Ciceros Zeiten, keiner mehr wusste, was dieser Spruch zu bedeuteten hatte. Alle würden ihn aufsagen, weil es immer schon so gewesen sei und der Spruch in einem Buch stünde. Meine Frau meinte dann ganz praktisch, ich solle doch mal bei Gelegenheit die Priester der Juno fragen. Die müssten es doch wissen.

Appius wollte dies tatsächlich tun und ich meinte: „Das traust du dich sowieso nicht!“ Er widersprach heftig und so wetteten wir um eine kleine Amphore Wein. Meine Frau wollte uns davon abbringen aber ihre Einwände gingen in den Talassio-Rufen unter. Appius setzte es tatsächlich in die Tat um. Zu fortgeschrittener Stunde, mit einigem Wein intus, baute er sich vor dem Junopriester auf und fragte, was das „Ubi tu Gaius ego Gaia“ bedeutet? Der Priester sah ihn von oben herab an und meinte salbungsvoll: „Das ist die heilige Formel des Eheversprechens, die schon immer Bestandteil des Mos Maiorum war! Du willst es doch nicht in Frage stellen?“

Wenn er dachte, er hätte Appius damit in seine Schranken gewiesen, so wurde er eines Besseren belehrt.

„Da sei Juno vor!“, erwiderte Appius. „Aber als Vorbereitung auf meine eigene Hochzeit habe ich versucht, die Bedeutung herauszufinden. Aber niemand konnte es mir sagen und da dachte ich, ich frage doch einfach einen Priester der Juno. Oder sollte der es auch nicht wissen?“

Der Priester wurde erst weiß, dann, ich schwöre es dir bei Äskulap, wurde er grün im Gesicht. Ich glaube, er war am Rande einer Panik, weil er wirklich auch nicht wusste, was die Bedeutung ist, und schließlich verfärbte sich sein Gesicht dunkelrot und er brüllte los. Er schrie die ganze Gesellschaft zusammen, vom fehlenden Respekt gegenüber den Göttern und den Traditionen und mehr habe ich nicht verstanden. Es war ein infernalisches Gekreische. Appius wurde aus dem Haus geworfen und sein Vater befahl ein Sühneopfer für Juno und schickte ihn dann nach Augusta Treverorum.

Angeblich sind danach aber so viele Anfragen an den Tempel der Juno gerichtet worden, was denn der Spruch nun bedeuten solle, dass sie einen Aushang machten. In ihm beklagten die Junopriester den Mangel an Respekt gegenüber den Göttern, den diese Fragen belegen würden, und dass sie nicht für Schabernack herhalten würden.

Was würde Appius in der Colonia machen? Appius’ Vater war im Baugewerbe tätig. Würde Appius das Unternehmen seines Vaters leiten?

Für Bauhandwerker gab es in der Colonia sicher genug zu tun. Die Stadt bildete ein Durcheinander aus neu gebauten Insulae, brachliegenden Parzellen und Baustellen. Aus allen Ecken erscholl das Pochen der Hämmer und das Kreischen der Sägen. Wo sollte er hier Appius finden? Wenn man einen Römer suchte, sollte man immer auf dem Forum anfangen. Dieser Weisheit folgend machte sich Lucius auf und schlenderte die Straße entlang. Auf dem Forum angekommen, herrschte dort das übliche Treiben, das an marktfreien Tagen auf einem Forum zu erwarten war.

„Lucius? LUCIUS!“ Er wirbelte herum und sah sich Appius direkt gegenüber, der mit ausgebreiteten Armen auf ihn zukam. Sie fielen sich in die Arme und Appius hämmerte vor Begeisterung auf seinen Rücken. Die Passanten wichen mit einem verärgerten Schnauben zur Seite, aber Lucius kümmerte das nicht.

„Gut siehst du aus!“ Appius hatte sich von ihm gelöst und betrachtete ihn genauer. „Wenn das Leben bei den Adlern einem so gut bekommt, sollten viel mehr unserer jungen Männer diesen Weg einschlagen!“

„Wen meinst du mit jungen Männer?“, fragte Lucius herausfordernd den gleichaltrigen Appius. „Och!“ Appius wurde rot. „Die Tagediebe und Herumstreuner, derer es in Arausio und Lugdunum genug gibt!“

Lucius musterte den Freund nun auch genauer. Er hatte sich verändert. Das einnehmende Lachen war geblieben, aber er wirkte erwachsener, männlicher, als er ihn in Erinnerung hatte. Appius schien es gut zu gehen und man sah ihm die körperliche Arbeit an. Aber die Muskeln standen ihm gut.

„Du siehst auch gut aus. Was machst du hier in Treverorum?“, Lucius klopfte ihm auf den Rücken. „Gibt es in Arausio nichts mehr zu bauen?“

Lucius wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und von der Verbannung anfangen, auch wenn er vor Neugier platzte.

Appius warf sich in die Brust. „Ich leite hier das Familiengeschäft. Vater ist an einem Konsortium beteiligt und ich vertrete hier unsere Interessen.“

Lucius pfiff anerkennend: „Eine große Ehre!“

„Und eine Vorsichtsmaßnahme!“ Appius druckste verlegen herum. „Nach dem Skandal auf der Hochzeit hielt es mein Vater für besser, wenn ich eine Zeit lang nicht mehr in der Stadt bin!“

„Ubi Gaius!“, lachte Lucius. „Da wäre ich gerne dabei gewesen!“

„Das kann ich mir vorstellen. Komm!“ Appius zerrte Lucius so heftig an der Schulter, dass Lucius Angst um seine Tunica bekam. Appius’ Ziel war ein Weinstand, wo er zwei Becher erstand und Lucius einen in die Hand drückte. „Auf gute Gelegenheiten!“ Sie tranken.

„Was für Gelegenheiten?“ Lucius war neugierig, was dieser Trinkspruch zu bedeuten hatte.

„Die Neuordnung Galliens wird mit einem Census abgeschlossen werden. Dabei werden Staatsverträge vergeben werden. Vater hat ein Konsortium gegründet und will einige ersteigern, darunter auch Bauaufträge in Belgica und am Rhenus.“

„Wo genau?“ Lucius beschlich so eine Ahnung.

„Bei den Ubiern!“ Appius strahlte über das ganze Gesicht. „Dort wird gerade eine neue Stadt gebaut und ein Handwerkerdorf errichtet!“

Lucius starrte auf Appius verblüfft herunter. „Bei den Ubiern?“ Er hatte sich bestimmt verhört.

„Ja, bei den Ubiern. Wir werden also Nachbarn!“

Lucius starrte Appius immer noch verdattert an. Appius würde an den Rhenus kommen. Er würde nur wenige Meter von ihm entfernt wohnen und arbeiten.

„Wie lange bleibst du in Treverorum?“, unterbrach Appius seine Gedankengänge.

„Ich wollte morgen weiter. Bis zum Rhenus sind es nur noch wenige Tagesreisen“, entgegnete Lucius immer noch verblüfft.

„Gerrae! Dummes Zeug!“, beschied im Appius. „Morgen ist Gerichtstag, den kannst du ruhig noch bleiben.“

Damit war das für Appius beschlossene Sache und er wechselte das Thema. Er erzählte begeistert von den Plänen und Gelegenheiten, die sich aus dem Census ergeben konnten. Sie blieben natürlich nicht bei einem Becher Wein. Als sie den dritten Becher zur Hälfte geleert hatten, kam jemand auf Appius zugelaufen. Gelaufen? Er rannte, als ob ihm die Furien auf den Fersen wären. Schlitternd kam er vor ihnen zum Stehen.

„Verzeih Herr!“, sprudelte der Läufer schweratmend heraus. „Es gibt Ärger auf der Baustelle! Der Bauleiter sagt, du sollst sofort kommen!“

„Schon wieder?“, seufzte Appius ergeben. „Was ist denn jetzt schon wieder?“

„Die Arbeiter, die vorgestern entlassen wurden, sind wieder da und machen Ärger!“, sprudelte es aus dem Jungen heraus. Appius’ Gesicht verfärbte sich vor Wut.

„Ich komme sofort mit!“, schnauzte er den Jungen an. „Da siehst du, womit ich mich rumschlagen muss. Dieser Bauleiter steckt dauernd in Schwierigkeiten. Sehen wir uns später in den Bädern?“

„Ich begleite dich einfach!“, sagte Lucius kurz entschlossen. Wenn sein Freund Schwierigkeiten hatte, folgte er ihm natürlich. Wobei ein paar entlassene Tagelöhner nicht wirklich nach Schwierigkeiten, sondern eher nach einer kleinen Unannehmlichkeit aussahen.

Trotzdem stürmte Appius durch die Straßen, sodass Lucius Mühe hatte, den Anschluss nicht zu verlieren.

Auf der Baustelle wurde nicht gearbeitet, dafür war die Straße war voller Menschen, die offen herumlungerten und der Baustelle größte Aufmerksamkeit schenkten.

Lucius musterte die Gruppen, die vor der Insula warteten. Hier riecht es nach Ärger, dachte er sofort. Der Junge, der sie geführt hatte, tauchte in der Menge unter.

Eine Gruppe bildeten die Arbeiter, die vor der Insula standen und abwarteten. Ihre Blicke ruhten auf drei muskelbepackten Männern, die mit verschränkten Armen vor ihnen standen und die Arbeiter finster anstarrten.

In meiner Centurie würde ich die ganz sicher im Auge behalten. Lucius tastete nach seinem Dolch. Denen sieht man den Unruhestifter auf eine Meile an.

Eine dritte Gruppe waren zwei Männer, die Arbeitertunicen trugen und vor einem der Läden warteten. Ihre Mienen waren so selbstzufrieden, dass es nicht schwer war, zu kombinieren, dass sie die Ursache für den ganzen Wirbel waren.

Appius warf den drei Schlägern einen besorgten Blick zu, ging aber ohne zu zögern auf den Laden zu. Lucius folgte ihm. Die beiden Arbeiter grinsten frech und sahen Appius herausfordernd an. Appius baute sich vor ihnen auf, stemmte die Hände in die Hüfte und warf ihnen einen vernichtenden Blick zu. Sie wurden unsicher.

„Aus dem Weg!“, schnauzte Appius. Ton, Haltung und Blick strahlten die Arroganz aus, die nur ein Mitglied der Nobilias, der Führungsschicht, aufbringen konnte.

Unsicher sahen sich die beiden Arbeiter erst gegenseitig an, dann Appius, dann Lucius, dann zu den drei Muskelmänner hinüber und schließlich gaben sie mit einem „Ja, Dominus!“ den Weg frei. Sie folgten ihnen aber sofort und blieben neben der Tür stehen.

Auf einer Bank saß ein kleiner, gedrungener Mann und spielte verlegen mit einem Schreibgriffel, während er vor sich auf einen Tisch starrte. Dies musste der unglückselige Bauleiter sein, der den ganzen Schlamassel zu verantworten hatte. Er sah kurz auf und Lucius konnte die Erleichterung in seinem Blick sehen, als er Appius entdeckte. Er sah aber auch die Angst in seinen Augen.

Wovor er Angst hatte, war auch offensichtlich. Ihm gegenüber saß ein drahtiger Mann, unverkennbar ein Iberer, der genüsslich einen Becher Wein schlürfte. Mit seinen langsamen, trägen Bewegungen erinnerte er Lucius an einen Gladiator vor einem Kampf. Er lächelte sie an und neigte den Becher in ihre Richtung.

„Appius Maestus!“ Er gab sich leutselig, aber seine Augen lächelten nicht. „Willkommen, setz dich und trink einen Schluck!“

„Wer bist du und was machst du hier auf meiner Baustelle?“ Appius hielt sich nicht lange mit der Begrüßung auf. Die Augen des Iberers blitzten.

„Crixus schickt mich, um mit unserem Freund Calpurnius hier zu plaudern!“

Der Calpurnius genannte zuckte zusammen, hob kurz den Kopf und starrte dann wieder auf die Tischplatte. Appius war ein wenig erbleicht, fasste sich aber sofort wieder.

„Und was will er von meinem Baumeister?“

Lucius lehnte sich an die Wand, um die beiden Männer an der Tür und den Iberer im Blick zu behalten. Er hatte den Pugio griffbereit, allerdings wäre ihm sein Gladius lieber gewesen. Der Iberer bedachte ihn mit einem stechenden Blick, bevor er sich wieder Appius zuwandte.

„Nun, Calpurnius hat zwei von Crixus’ Männern entlassen und zwar ohne ihn vorher zu informieren.“ Er schüttelte betrübt den Kopf. „Das ist respektlos.“

„Sie waren respektlos, dazu noch faul und gewalttätig. Sie haben einen der anderen Arbeiter verprügelt“, zählte Appius auf und Calpurnius nickte leicht. Der Iberer machte eine wegwischende Handbewegung.

„Und wenn schon. Calpurnius hätte einfach Crixus informieren sollen und es wäre an ihm gewesen dem Abhilfe zu schaffen!“

„Vielleicht, vielleicht auch nicht!“ Appius setzte sich und zuckte mit den Schultern: „Auf jeden Fall ist jedes As für sie verschwendet. Sie taugen allenfalls dazu, Pisse einzusammeln!“

„WAS BILDEST DU DIR EIN, DU…!“ Das Geschrei erstarb, als der Arbeiter den Blick des Iberers bemerkte. Ein Blick der einer Gorgone alle Ehre gemacht hätte, ließ den Pissesammler verstummen. Der Iberer wandte sich mit einem Lächeln wieder an Appius. „Verzeih die Störung. Fahre fort!“

Dieser Iberer war gefährlich wie eine Viper. Er schien direkt aus Milos’ oder Clodius’ Bande zu stammen. Lucius spannte sich unwillkürlich an.

„Dafür hättet ihr hier auch nicht, wie die Gall… äh … die Germanen einfallen müssen.“ Appius fuhr fort, als wäre nichts gewesen. „Crixus hätte mich doch aufsuchen können, um mir in der Angelegenheit direkt seine Sichtweise darzulegen.“

Der Iberer nickte bekümmert. „Ein direktes Gespräch wäre von Anfang an wahrscheinlich das Richtige gewesen. Crixus wäre entzückt, wenn du ihn morgen früh besuchen würdest!“

„Da empfange ich natürlich meine Klienten. Aber danach wäre mir Crixus herzlich willkommen!“

„Ich denke, Crixus wird darauf bestehen, dich als Gast zu empfangen.“

„Nichts würde ich mir mehr wünschen, als ihm einen Besuch abzustatten, aber ich bin mit Arbeit überhäuft. Ich werde tagsüber keine Zeit finden, aber auf unseren Baustellen bin ich anzutreffen!“

Lucius verfolgte gebannt den Wortwechsel. Es war, als würde man einem Schwertkampf beiwohnen. Er zollte seinem Freund höchsten Respekt. Der saß hier mit diesem Schläger in einem Wortgefecht und war nicht bereit, einen Schritt zurückzuweichen. Seine Dignitas würde es nicht zulassen, dass er Crixus wie einen Bittsteller oder Klienten aufsuchen würde. Gleich wie gefährlich sein Gegenüber auch sein sollte.

„Crixus glaubt, dass man ihm Unrecht getan hat!“, erwiderte der Iberer mit einer entschuldigenden Geste. „Und daher würde er sich wie ein Bittsteller vorkommen, wenn er nach deinem Klientenempfang bei dir erscheinen würde.“

Kein Lächeln begleitete die letzten Worte und es folgte ein unangenehmes Schweigen. Appius seufzte übertrieben.

„Eine schwierige Situation, aber ich kann meine Pflichten nicht vernachlässigen!“

„Crixus wird darauf bestehen!“

Das Gesicht des Iberers war steinern geworden und alle falsche Freundlichkeit war von ihm gewichen. Die beiden Arbeiter traten einen halben Schritt vor. Lucius wäre jede Wette eingegangen, dass sie besser in Straßenkämpfen waren als auf einer Baustelle. Lucius löste sich von der Wand, wandte sich ihnen zu und starrte sie mit einem kalten Lächeln an. Sie standen sich nur eine Armlänge entfernt gegenüber. Lucius war sich nicht sicher ob er einem Schlag rechtzeitig ausweichen könnte. Aber es gab jetzt kein Zurückweichen mehr. Am liebsten hätte er eine Hand an den Dolch gelegt, fürchtete aber mit dieser Geste den Kampf auszulösen.

Weder der Iberer noch Appius schienen diese Drohgebärden zu bemerken. Appius betrachtete seine Fingernägel.