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Hans Cousto

Das Weltkulturerbe Psychonautik

Ein drogenpolitisches Manifest

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© 2017 Nachtschatten Verlag

Umschlaggestaltung: Sven Sannwald

Layout: Elena-Maria Bloch

Korrektorat: Nina Seiler

Druck: AZ Druck & Datentechnik GmbH, Kempten

Printed in Germany

ISBN: 978-3-03788-356-3

eISBN: 9783-03788-641-0

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische digitale Medien und auszugsweiser Nachdruck sind nur mit Genehmigung des Verlags erlaubt.

Inhalt

Einleitung

1. Manipulation versus Information

1.1 Zur Gefährlichkeit von Haschisch und Gras

1.2 Manipulation statt Information seitens der Weltgesundheitsorganisation

1.3 Manipulation seitens der deutschen Bundesregierung

1.4 Auswirkungen der Manipulationen auf die Rechtsprechung

1.5 Recht und Ethik

1.6 Zensur in der Schweiz

2. Das Weltkulturerbe der Psychonautik – ein drogenpolitisches Manifest

Grundsatzerklärung

2.1. Psychedelische Zustände und Psychonautik

2.2 Weltkulturerbe

2.3 Psychonautik als Weltkulturerbe

2.4 Das durch die Konvention geschützte immaterielle Kulturerbe

2.5 Ziele des Übereinkommens

2.6 Überlieferung des psychonautischen Weltkulturerbes

Quellen und Literaturhinweise

Einleitung

Dieses drogenpolitische Manifest wurde mit der Zielsetzung verfasst, die Riten der Psychonautik als immaterielles Weltkulturerbe dem Schutz der UNESCO zu unterstellen, wobei die politische Verantwortung für den Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen der WHO entzogen und durch die UNO an die UNESCO übertragen werden soll.

Der grundlegende Gedanke dabei ist, dass die Gebraucher psychotrop wirkender Substanzen nicht als krank betrachtet werden dürfen, sondern als Nutzer dieser Substanzen, die damit ihre Wahrnehmung steigern oder erweitern wollen. Dabei ist es völlig unerheblich, ob die Substanzen zur Erweiterung des Bewusstseins oder zur Steigerung des Wohlgefühls im Rahmen von Meditationen oder bei Tanz, Ekstase und anderen Lustbarkeiten eingenommen werden.

Im Jahre 1952 definierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Sucht als einen „Zustand periodischer oder chronischer Intoxikation, die für das Individuum und für die Gesellschaft schädlich ist und hervorgerufen wird durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge”, wobei für das Vorliegen einer Sucht das unbezwingbare Verlangen zum fortgesetzten Konsum, Dosissteigerung und psychische und/oder physische Abhängigkeit als charakteristisch galten. Unter dieser Prämisse gestaltete die WHO ihre Drogenpolitik.

Der Jurist Sebastian Scheerer stellt zu dieser Definition fest, dass sie vor allem aus Besorgnis über den Opiatkonsum zustande gekommen sei und auf die meisten anderen Substanzen nicht so recht passe. „So wurden Kokain und Cannabis rechtlich als Suchtstoffe behandelt, obwohl sie die Definitionsmerkmale der Sucht gar nicht erfüllten. Auch die barbiturathaltigen Schlafmittel und die stimulierenden Amphetamine schienen in den fünfziger Jahren einerseits dringend einer intensiven Kontrolle zu bedürfen, andererseits aber nach dem damaligen Stand des Wissens keine Sucht zu verursachen.” Die WHO habe daher 1957 zusätzlich den Begriff der Gewöhnung eingeführt, um den aufgetretenen Widersprüchen und Irritationen entgegenzutreten. Doch auch dieser Schachzug sollte nicht alle Ungereimtheiten bei der Begriffswahl beseitigen, so dass man sich bei der WHO 1964 dazu entschloss, auf den Begriff Sucht gänzlich zu verzichten und statt dessen von Abhängigkeit zu sprechen, und zwar in ihrer Zweigliedrigkeit als psychische oder physische Abhängigkeit.

Man erkannte also bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert, dass die Säulen, auf denen die Drogenpolitik aufzubauen war, auf wackligen Füßen standen, und versuchte dann mit neuen Begriffsdefinitionen dieses Manko zu umschiffen. Doch auch die neue Kategorisierung löste zahlreiche Irritationen aus. So fragte man sich, warum die Khat-Pflanze, deren Gebrauch fast ausschließlich auf den Jemen und Osten Afrikas beschränkt ist, als eigene Kategorie aufgenommen wurde; warum für die beiden Halluzinogene LSD und Cannabis gleich zwei getrennte Abhängigkeitskategorien eingerichtet wurden; und nicht zuletzt, warum man eigentlich Alltagsdrogen, wie etwa Nikotin oder Koffein, gar nicht erst thematisiert hatte. Solche und ähnliche Fragen wurden von der WHO allerdings nicht erklärt, so dass zahlreiche Experten auf dem Gebiet der internationalen Drogenpolitik wohl zu Recht konstatieren, alle Definitionen der WHO seien stets vom Leitmotiv geprägt gewesen, eine plausible Verbindung der vorherrschenden wissenschaftlichen Ansätze mit der terminologischen Erklärung und Begründung der internationalen Suchtstoffabkommen herzustellen, da immer wieder neue Substanzen deren strengen Kontrollen unterworfen wurden. So musste der Suchtbegriff immer weiter und notwendigerweise auch immer vager gefasst werden. Offiziell wurde mit der Definition von 1964 die begriffliche Aufspaltung in psychische und physische Drogenabhängigkeit festgeschrieben und mit ihr ein substanzzentriertes Verständnis des Suchtbegriffs, der aber in seiner Präzisierung so undeutlich war, dass diese Definition wohl als eine strategische gedeutet werden muss, mit der„endlich der Weg frei war zur Einbeziehung aller irgendwie verdächtigen Stoffe in zukünftige Kontrollabkommen”.

Forscher des Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu (RIVM) in Bilthoven (Niederlande) haben im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport im Jahr 2009 die Gefährlichkeit von Drogen für das Individuum wie auch für die Gesellschaft untersucht. Sie kamen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Konsum von Alkohol in jeder untersuchten Kategorie gefährlicher ist als der Konsum von Cannabis. Professor David Nutt (Independent Scientific Committee on Drugs, ISCD) und Dr. Leslie A. King (Fachberater der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, EMCDDA) haben im Herbst 2010 in London eine Studie zur Gefährlichkeitsbewertung von Drogen vorgestellt. Alkohol wurde dabei als gefährlichste Droge angesehen und erhielt 72 „Gefährlichkeitspunkte”, Cannabis lag im Mittelfeld und erhielt 20 Punkte, und LSD wie auch die Zauberpilze wurden als eher ungefährlich eingestuft und erhielten 7 respektive 5 Punkte. Die Diskrepanz zwischen den Vorgaben im Betäubungsmittelgesetz und der wissenschaftlichen Realität ist unübersehbar.

Das hier vorliegende drogenpolitische Manifest zeigt einen realistischen Ansatz auf, wie dieses alte Dilemma überwunden werden kann.

Berlin, im November 2016
Hans Cousto

1.Manipulation versus Information

Bis Mitte der sechziger Jahre blieb Europa weitgehend von der in Amerika wütenden Drogenrepression verschont, obwohl auch die meisten europäischen Staaten in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts Betäubungsmittelgesetze in Kraft gesetzt hatten. Als jedoch „Flower-Power” zum Leitmotiv einer weltumspannenden Jugendkultur wurde und überall immer mehr Hippies sich in freier Natur zu Musikfestivals („open air and for free”) trafen, dort Haschisch rauchten, sich Zauberpilze, Meskalin und LSD einverleibten und so Einblicke in andere Sphären gewannen, sahen konservative Politiker die traditionellen Werte der Gesellschaft gefährdet und riefen zum gnadenlosen Kampf gegen diese neue Jugendkultur auf.