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Der exzellente Butler Parker
– 25 –

Parker lässt die "Hyäne" zappeln

Günter Dönges

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-706-3

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Agatha Simpsons beeindruckende Fülle bebte vor Energie und Tatendrang. Josuah Parker hatte in ihrem Auftrag eine professionelle Videoausrüstung erstanden, und am Abend sollten die ersten Milieustudien entstehen. »Halten Sie hier, Mister Parker«, wies Mylady ihren Butler an. »Das ist eine hübsche Szene, die ich aufnehmen möchte.«

Drei leichtgeschürzte Damen, die im gelben Schein einer trüben Gaslaterne nach Freiern Ausschau hielten, blickten argwöhnisch herüber, als Parker sein altertümliches Vehikel am Straßenrand ausrollen ließ. Aus der halboffenen Tür der Spelunke »Zum Blauen Mond« drang laute Musik.

Ein Kameraobjektiv auf Mitglieder der Halb- und Unterwelt wirkte wie das rote Tuch auf den Stier. Parkers diesbezügliche Warnungen hatte die passionierte Detektivin aber lachend in den Wind geschlagen, denn für einen kleinen Zwischenfall war Mylady immer zu haben ...

»Ohne ein angemessenes Honorar dürften die Damen kaum bereit sein, sich von Mylady ablichten zu lassen«, gab der Butler zu bedenken, während er seiner fülligen Herrin diskret beim Aussteigen half.

»Unsinn! Das würde die Produktionskosten nur unnötig in die Höhe treiben, Mister Parker«, entgegnete Agatha Simpson, deren Reichtum ebenso sagenhaft war wie ihre Sparsamkeit. »Im übrigen werden es die Mädchen zweifellos als Ehre empfinden, in meinem Film auftreten zu dürfen.«

Zu Myladys maßloser Enttäuschung pfiffen die Damen vom horizontalen Gewerbe jedoch auf diese Ehre und wandten sich demonstrativ ab, sobald die Kamera zu surren begann.

Dafür wurde die Aufmerksamkeit der Regisseurin von vier Männern gefesselt, die aus der Tür der Spelunke traten. Kurz entschlossen schwenkte sie mit der Kamera hinüber und hielt fest, wie zwei von ihnen in einen weißen Ford Kombi stiegen, der vor dem »Blauen Mond« parkte. Die beiden anderen blieben auf den Eingangsstufen stehen und sahen dem davonfahrenden Wagen nach.

Es war purer Zufall, daß die Männer vor der Rückkehr in die Kneipe die filmende Lady gewahrten. Doch dieser Zufall hatte Konsequenzen, die über einen »hübschen, kleinen Zwischenfall« weit hinausgingen ...

Im Laufschritt kamen die Unbekannten über die Straße, und ihre Mienen signalisierten Absichten, die alles andere als freundlich waren.

Agatha Simpson dachte freilich nicht daran, sich durch die athletisch gebauten Gestalten irritieren zu lassen. Sie hatte die Kamera auf der Motorhaube von Parkers hochbeinigem Monstrum abgestützt und achtete streng darauf, die unfreiwilligen Darsteller nicht aus dem Sucher zu verlieren.

»Her mit der Kamera!« brüllte einer der Angreifer im Laufen.

»Schluß mit dem Unfug!« schrie der Begleiter.

Der Butler zeigte jedoch keinerlei Verständnis für das unhöflich geäußerte Verlangen und sorgte in seiner gelassenen Art dafür, daß weder Lady Agatha noch das teure Gerät Schaden nehmen konnten. Dazu benutzte er seinen schwarzen Universal-Regenschirm, den er stets am angewinkelten Unterarm trug.

Der erste der Männer, ein breitschultriger Mittvierziger mit aufgeschwemmtem Vollmondgesicht und fettigen, aschblonden Haarsträhnen, streckte gerade die Hand nach der Kamera aus, als ein eindeutig unangenehmer Druck in der Magengrube ihn unvermittelt zusammenfahren ließ.

Wie ein Degen hatte Parker dem Mann sein altväterlich gebundenes Regendach waagerecht entgegengestreckt. Eingehend massierte die bleigefütterte Spitze das sensible Verdauungsorgan des ungestümen Angreifers, der daraufhin spontan seine Pläne änderte.

Würgend und röchelnd knickte der Mondgesichtige in der Hüfte ein und legte eine Art Kosakentanz aufs Pflaster. Die nächtliche Darbietung war jedoch nur von kurzer Dauer und wirkte geradezu rührend in ihrer Unbeholfenheit. Blaß vor Anstrengung brach der ungeübte Tänzer die Show ab und legte sich winselnd der älteren Dame zu Füßen.

Sein Komplize, ein knapp dreißigjähriger Hüne mit buschigen Brauen und einem Prachtexemplar von Nase, ließ sich dadurch freilich nicht entmutigen. Mit wütendem Knurren wollte er Lady Simpson ans Leder, die noch immer unbeirrt weiterfilmte.

Da wurde es der resoluten Dame allerdings zu bunt.

»Sie stören, junger Mann!« grollte Mylady gereizt, ließ die Kamera sinken und holte gleichzeitig zu einer ihrer berüchtigten Ohrfeigen aus.

Der Angreifer gab nur einen Jaulton von sich, als Myladys muskulöse Rechte temperamentvoll seine Wange streichelte. Verdutzt taumelte er zurück und verdrehte fassungslos die Augen.

Der Unbekannte schluckte einige Male heftig und rieb wimmernd die roten Striemen, die Lady Agathas Finger hinterlassen hatten. Erst dann fand er die Sprache wieder.

»Die Kamera her!« zischte er und maß seine Peinigerin haßerfüllt. »Sie haben kein Recht, uns zu filmen.«

»Möglicherweise darf man Sie höflich darauf aufmerksam machen, daß Sie ein Recht am eigenen Bild nur beanspruchen können, wenn es sich um Aufnahmen handelt, die zur Veröffentlichung vorgesehen sind«, schaltete der Butler sich ein. »In diesem Fall handelt es sich jedoch um Studien, die Mylady keineswegs und mitnichten einem größeren Kreis zugänglich machen möchte.«

»Ist mir doch egal«, keifte der Geohrfeigte. »Wird’s bald?«

Mit einem routinierten Griff des Profis langte er in den Ausschnitt seiner Jacke. Doch Parker, der mit einer Zuspitzung gerechnet hatte, kam den feindseligen Absichten des Unbekannten zuvor und durchkreuzte sie nachhaltig.

Blitzschnell wie man’s ihm kaum zugetraut hätte, ließ er seinen schwarzen Universalschirm vom angewinkelten Unterarm senkrecht in die Höhe steigen und faßte mit ihn mit der schwarz behandschuhten Rechte an der Spitze. Anschließend erlaubte er dem bleigefüllten Bambusgriff, vernehmlich auf die Schädeldecke des Gegners zu pochen.

Den Mann mit der Adlernase irritierte diese Behandlung derart, daß er prompt den langläufigen Revolver zu Boden fallen ließ, den er aus seiner Schulterhalfter gezogen hatte. Sein Gesicht nahm augenblicklich die Farbe der Kreidefelsen von Dover an.

Der schmerzlich verzerrte Mund formte wilde Flüche, doch über die Lippen kamen nur blubbernde Laute, die vom heiserem Stöhnen unterbrochen wurden. Aber obwohl der Gangster auf schwankenden Beinen nur mühsam das Gleichgewicht halten konnte, gab er sich noch nicht geschlagen.

Mit gesenktem Kopf visierte er den Butler aus blutunterlaufenen Augen an und wollte im nächsten Moment mit bloßen Fäusten auf die schwarz gekleidete Gestalt losgehen. Mitten im Angriff verließen ihn jedoch die Kräfte.

Heftiges Zittern durchlief den Körper des Mannes, während seine Knie langsam nachgaben. Japsend sackte er in sich zusammen und streckte sich zu einem Nickerchen auf dem Straßenpflaster aus.

»Wer auf künstlerischem Gebiet seinen Weg machen will, darf mit Neidern und Störenfrieden nicht zimperlich umgehen, Mister Parker«, belehrte die Lady ihren Butler, ohne die friedlich schlummernden Gestalten zu ihren Füßen eines Blickes zu würdigen.

»Darf man davon ausgehen, daß Mylady noch weitere Drehorte anzufahren gedenken?« erkundigte sich Parker.

»Ich denke, für heute reicht es, Mister Parker«, entschied die ältere Dame. »Ich werde jetzt in mein Studio zurückkehren, um das Material auszuwerten.«

»Wie Mylady meinen«, erwiderte der Butler mit einer angedeuteten Verbeugung und half seiner Herrin in den Fond des Wagens.

Die drei leichtgeschürzten Damen, die die handfesten Meinungsverschiedenheiten aus sicherer Entfernung verfolgt hatten, standen wie angewurzelt unter der Laterne. Sie überquerten erst zögernd die Straße, als Parkers hochbeiniges Monstrum schon um die nächste Ecke bog.

*

Aus der nächsten Arbeit im Studio war nichts geworden. Lady Simpson hatte den Buttler zwar angewiesen, ihr noch den sogenannten Kreislaufbeschleuniger in Form eines erlesenen Kognaks hinaufzubringen, aber das hochprozentige »Medikament« hatte eher als Kreislaufbremser gewirkt.

Jedenfalls dröhnten Parker, als er eine Stunde später nach seiner Herrin sehen wollte, Geräusche entgegen, die ihn unwillkürlich an ein Sägewerk denken ließen. In würdevoller Haltung stieg er die geschwungene Freitreppe hinauf, die Myladys großzügige Wohnhalle mit ihren privaten Gemächern im Obergeschoß verband, und schritt weiter durch das Studio.

Der mit allen Raffinessen ausgestattete Raum war verwaist. Offenbar hatte sich die ältere Dame derart hingebungsvoll der Therapie ihres Kreislaufes gewidmet, daß sie nicht mal dazu gekommen war, die Kassette aus der Kamera zu nehmen.

Parker stellte die Kognakflasche und den Schwenker auf ein silbernes Tablett, ehe er den kleinen Handgriff nachholte. Anschließend schaltete er das Abspielgerät ein und spulte die Kassette bis zum Anfang zurück.

Als er zehn Minuten später das Licht im Studio löschte und mit dem Tablett in der Hand die Küche ansteuerte, hatte er das Band zweimal hintereinander aufmerksam studiert. An zwei oder drei Stellen hatte er das Bild angehalten, um jedes Detail erfassen zu können.

Er hatte sich natürlich Gedanken gemacht, und als er seinen Wohnraum im Souterrain betrat, war ihm schon klar gewesen, daß wieder mal turbulente Tage ins Haus standen ...

Gerade holte er die knusprige Hirschkalbpastete aus dem Backofen, die Lady sich zum Frühstück gewünscht hatte.

»Sie haben doch hoffentlich daran gedacht, daß ich heute und morgen strenge Diät halten will, Mister Parker?« fragte die Hausherrin, während sie den Kristallkelch mit Hummercocktail auslöffelte, den der Butler zum Auftakt serviert hatte.

»Darf man Myladys Äußerung so verstehen, daß Mylady von dem Genuß der Pastete abzusehen wünschen«? erkundigte sich Parker.

»Ein Häppchen werde ich probieren, Mister Parker«, entschied Agatha Simpson, nachdem sie einige Sekunden mit sich gerungen hatte. »Außerdem ist Wild ja ausgesprochen mager und setzt nicht an.«

»Eine Feststellung, der man keinesfalls widersprechen möchte, Mylady«, ließ der Buttler sich vernehmen, während er eine ansehnliche Scheibe vorlegte. Anschließend trat er in seiner unnachahmlichen Art einen halben Schritt zurück.

Die ältere Dame war bei geräucherten Fasanenbrüstchen angelangt und hatte nur noch eine opulente Käseplatte vor sich, als die Haustürglocke läutete.

»Das ist wirklich ärgerlich«, ereiferte sich die Hausherrin und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, daß das Porzellan klirrte. »Kann ich denn nicht mal einen bescheidenen Imbiß zu mir nehmen, ohne daß Mister McWarden unangemeldet hereinschneit und mir mit seinen Blicken förmlich die Bissen vom Teller zieht?«

»Falls Mylady keine Ein wände erheben, würde man sich zur Tür begeben und nachsehen, wer Einlaß begehrt«, bot Parker gelassen an.

»Wer sollte es denn sonst sein – außer McWarden?« fauchte die passionierte Detektivin. »Sagen Sie ihm, daß ich ihn erst heute nachmittag empfangen werde, Mister Parker.«

»Myladys Wünsche sind meiner Wenigkeit immer Richtschnur«, versicherte der Butler und begab sich gemessenen Schrittes in Richtung Diele. Chief-Superintendent McWarden hatte in der Tat schon oft das Pech, gerade dann hereinzuplatzen, wenn Lady Simpson zu Tisch saß. Jedesmal hatte sie ihn ihren Unmut deutlich spüren lassen. Aber der einflußreiche Yard-Beamte, der unmittelbar dem Innenminister unterstellt war und eine Spezialabteilung zur Bekämpfung des organisierten Bandenwesens leitete, war zum Glück nicht nachtragend.

Jedenfalls ließ sich McWarden regelmäßig im Hause Simpson sehen. Oft galten seine Besuche aber weniger der Hausherrin als Josuah Parker, dessen ausgewogenes und fachkundiges Urteil er seit Jahren schätzte. Dafür ertrug er Myladys boshafte Sticheleien mehr oder weniger gelassen.

Woher Myladys Angst rührte, McWarden könnte ihr den letzten Bissen und das letzte Glas vor dem Mund wegschnappen, hätte Parker noch nicht ergründet. Er wußte nur, daß seine Herrin dem Chief-Superintendenten mit diesem Verdacht Unrecht tat. Aber das behielt er – höflich wie er war – für sich.

Diesmal waren Lady Agathas Befürchtungen aber doppelt grundlos. Es war nämlich gar nicht McWarden.

»Man erlaubt sich, einen ausgesprochenen angenehmen Morgen zu wünschen, Miß Porter und Mister Rander«, sagte der Butler, während er die Besucher einließ, »Ist Mylady sehr beschäftigt, oder können wir eine Viertelstunde hereinkommen, Parker?« erkundigte sich Mike Rander.

»Mylady ist gerade damit befaßt, strenge Diät zu halten, Sir«, teilte Parker mit. »Deshalb wurde man angewiesen, Mister McWarden auf keinen Fall einzulassen. Ihr Besuch dürfte Mylady jedoch uneingeschränkt genehm sein, falls man sich nicht gründlich täuscht«

»Wir werden Mylady schon nichts wegessen«, schmunzelte Rander, der die kleinen Sorgen der Detektivin seit Jahren kannte.