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Dr. Norden Bestseller
– 327 –

Ein Mädchen macht Karriere

Patricia Vandenberg

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-710-0

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»Wenn es doch endlich mal schneien würde!« Wie oft hatten das Danny und Felix Norden gesagt in diesem Winter, der gar kein richtiger Winter gewesen war. Oft hatten Fee Norden und die gute Lenni nach den Sträuchern im Garten geschaut, die schon im Januar zu treiben begonnen hatten, und auch Primeln hatten sich im Schutz der Hauswand früh hervorgewagt.

Aber dann war er doch noch gekommen, der Winter, und in den Bergen waren sie im Schnee erstickt. Allerdings stand schon Ostern vor der Tür, und betrübt erzählte Anneka den Zwillingen, daß das Osterhäschen durch den Schnee wohl gar nicht den Weg zu ihnen finden würde.

Jan und Désirée, noch keine zwei Jahre, machten sich darüber allerdings keine Gedanken, und ihnen machte es auch nicht allzuviel aus, als sie mal am Wochenende bei Lenni bleiben mußten, weil Daniel und Fee Norden nun doch mal mit den drei »Großen« in die Berge wollten, damit sie das Skifahren nicht ganz verlernten.

Hinauf nach Königsleiten sollte es gehen, wo die Mordecks, gute Bekannte von den Nordens, ein Ferienhaus besaßen. Deren Nachbarn stellten der Familie Norden das ihre für die eine Nacht gern zur Verfügung. Fee war das recht, denn mit den Kindern war es immer besser, wenn sie für sich sein konnten.

Obgleich Fee nicht um die kleinen Zwillinge besorgt sein brauchte, denn Lenni kam mit ihnen blendend zurecht, fiel ihr die Trennung nicht leicht. Aber Lenni meinte, daß ihr ein Wochenende bei herrlichem Wetter auch mal guttun würde, und für die Kleinen war es in den verschneiten Bergen doch nicht so unterhaltsam.

Das Wetter war herrlich. Schon am Morgen des Samstages, an dem sie losfuhren, kam die Sonne strahlend empor und tauchte die schon so nahe scheinenden Berge in ein Lichtspiel, das faszinierend war.

»Föhn«, sagte Fee lakonisch.

Ja, der Föhn ließ die Berge so nahe erscheinen, aber weit war die Fahrt auch nicht. Und es war nicht so viel Verkehr, wie Daniel gefürchtet hatte.

»Ich glaube, die Menschen haben zu lange vergeblich auf den Winter gewartet, und nun zieht es sie in den sonnigen Süden«, meinte Daniel.

»Wo das Wetter laut Wetterbericht aber bedeutend schlechter sein soll«, warf Fee ein.

»Man kann sich halt nicht mehr nach dem Wetterbericht richten«, sagte Anneka tiefsinnig, »sondern eben bloß danach, wie es Petrus will.«

»Petrus«, brummte Danny, aber als Felix ihn anstieß, sagte er nichts mehr. Für Anneka gab es neben dem lieben Gott auch Petrus und andere Heilige, und das wollte man ihr nicht nehmen. Für ihre Brüder war sie die kleine Schwester.

An der Grenze gab es keinen Aufenthalt, aber dann mußten die Schneeketten angelegt werden. Und da bekamen sie unerwartet Hilfe.

»Kann ich helfen, Herr Dr.

Norden?« fragte ein junger Mann, der hinter ihnen angehalten hatte. Es war Poldi Brugger, ein Patient von Dr. Norden, und wie dieser wußte, ein glänzender Skifahrer.

»Das ist aber nett von Ihnen, Poldi«, sagte Daniel.

»Sie sind doch auch immer nett«, erwiderte Poldi munter. »Sagen Sie bloß, daß Sie auch nach Königsleiten wollen.«

»Wollen wir«, erwiderte Daniel, und die Kinder stimmten ein.

»Ist ja toll, daß du auch da bist, Poldi«, sagte Danny hocherfreut, »da kannst du uns gleich wieder mal was beibringen.«

»Hoppla, wie haben wir es denn«, wurde er von Fee ermahnt. »Spannt Poldi nicht gleich ein. Er hat sicher etwas anderes vor.« Sie hatte so eine Ahnung, daß Connie der Anlaß für Poldies Anwesenheit war, denn seine Skikurse hielt er meist am Spitzing ab.

Er verdiente sich damit ein zusätzliches Taschengeld. Eigentlich hatte er es nicht nötig, denn sein Vater besaß zwei Fleisch- und Wurstfabriken, aber der hätte es natürlich auch gern gesehen, wenn Poldi dafür Interesse gezeigt hätte. Aber Poldis Wunsch war es von jeher gewesen, Sportmedizin zu studieren, und weil er das auch durchsetzte, wollte er seinen Eltern nicht allzusehr auf der Tasche liegen, obgleich die sich damit abgefunden hatten, daß ihr Sohn unbeirrbar sein Ziel verfolgte. Freilich verstand er sich auch deshalb mit dem Arztehepaar Norden so gut.

Praktisch veranlagt war Poldi obendrein. Die Schneeketten waren schnell montiert, und Daniel gab gern zu, daß er das so schnell und fachmännisch nicht geschafft hätte.

»Ein Bein richtig einzugipsen ist schwieriger«, meinte Poldi lächelnd. Dann ging die Fahrt weiter, aber jetzt fuhr Poldi voraus, der alle Tücken des Passes kannte, und Daniel folgte.

Es war noch ein steiles Stück zu bewältigen, bis sie dann vor Mordecks Haus hielten, um das sich Schneeberge türmten.

»Wird Connie auch da sein?« fragte Danny.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Poldi, und jetzt lächelte er nicht.

»Ist sie aus Amerika zurück?« fragte Felix. »Da ist sie bloß Dritte geworden.«

»Das ist doch auch toll«, meinte Anneka.

»Und außerdem hat sie dieses Jahr schon dreimal gesiegt«, erklärte Danny. »Stimmt doch, Poldi?«

»Ja, es stimmt«, bestätigte Poldi.

Nun kamen Karl und Janet Mordeck aus dem Haus, und die Gäste wurden mit großem Hallo begrüßt.

»Fein, daß du auch gekommen bist, Poldi«, sagte Janet. »Wir rechnen auch mit Connie. Sie will mit ein paar Freunden kommen.«

Ein Schatten fiel über Poldis Gesicht, aber das nahm nur Fee wahr, die sich über Poldi und Connie einige Gedanken machte, denn sie wußte um diese innige Freundschaft und auch um Poldis Beständigkeit.

»Es wird heute abend eine fröhliche Runde geben«, sagte Janet in ihrem drolligen, noch nicht abgelegten kanadischen Akzent. Fünfundzwanzig Jahre lebte sie nun schon in ihres Mannes Heimat, und sie fühlte sich ganz zu Hause, aber der Akzent war ihr geblieben, obgleich sie sonst perfekt deutsch sprach. Sie hatten sich beim Skifahren in Kanada kennengelernt. Zu Goldmedaillen hatten sie es beide nicht gebracht, aber sie waren einstimmig der Meinung gewesen, daß der schönste Sieg ihre Liebe war, die bald mit der Heirat besiegelt worden war.

Mit großem Elan und kreativen Ideen hatten sie eine Firma für Sportbekleidung aufgebaut, und heute waren sie auch ganz oben. Dazu hatten sie auch noch das Glück, daß ihr Sohn Sebastian sich sehr für das Unternehmen engagierte. Und ihre Tochter, Connie? Nun, man würde sehen, wieviel Ausdauer sie beweisen würde, denn sie haderte rasch mit sich und auch mit anderen, wenn sie nicht an der Spitze lag. Ehrgeizig waren Karl und Janet für ihre Tochter nicht. Das war nur sie selbst, und die Eltern ließen sie gewähren.

Mit diesem manchmal übersteigerten Ehrgeiz war Poldi Brugger nicht einverstanden, aber er hütete sich, dies auch laut zu sagen, denn Connie konnte schnell aufbrausen, und sie setzte ihren Kopf sowieso immer durch.

Er war ein willkommener Gast im Hause Mordeck. Janet brachte die Familie Norden hinüber zum Nachbarhaus, aber Poldi hatte den Buben vorher noch versprochen, sie bald zum Skifahren abzuholen, denn der herrliche Sonnenschein mußte ausgenutzt werden.

Gemütlich würden es auch die Nordens haben. Das Haus war geräumig und hübsch eingerichtet, es war warm, und Fee fand alles vor, was nötig war, um ihren Mann und die Kinder auch gut zu versorgen. Sie wollte es lieber langsam angehen lassen, während sich Daniel schon sehr unternehmungslustig zeigte. Und als Poldi kam, um sie abzuholen, blieb nur Anneka bei ihrer Mami.

»Wir gehen lieber an den kleinen Hang, damit Anneka sich erst einfährt«, sagte Fee, denn sie wußte, daß ihre Kleine keine solche Draufgängerin war. Auch Fee war lieber vorsichtig, obgleich sie eine sehr gute Skliläuferin war. Aber als Mutter von fünf Kindern riskierte man nicht mehr soviel wie in den jungen Jahren, in denen sie Daniel manchmal hatte zeigen wollen, daß sie auch mit ihm mithalten konnte.

Mit Anneka ging es aber besser, als Fee gemeint hatte. Was dem zarten Kind an Kraft fehlte, ersetzte sie durch Wendigkeit, und bei ihnen ging es sehr fröhlich zu, als sich Janet zu ihnen gesellte.

»Skifahren macht Spaß«, sagte Janet. »Früher war ich ja auch fast so verrückt wie Connie, von jemand muß sie das ja haben, aber mit den Jahren wird man ruhiger.«

Später sagte sie noch mehr, als Anneka sich mit anderen Kindern vergnügte und sie mit Fee allein sprechen konnte.

Fee spürte, daß Janet allerhand auf dem Herzen hatte. Sie machte sich Gedanken um ihre Tochter, die nicht nur eine sehr talentierte Skiläuferin, sondern auch ein bildhübsches Mädchen war.

In ihrer natürlichen Art, frei von aller Eitelkeit, obgleich auch sie sich immer noch sehen lassen konnte, sagte sie, daß sie nicht so gefährdet gewesen sei wie Connie.

»Wir hatten zu Hause nicht viel Geld, und ich hatte drei Geschwister, und es waren überhaupt noch andere Zeiten. Meine Eltern waren heilfroh, daß Charlie es so ernst meinte und sie einen gutsituierten Schwiegersohn bekamen. Und ich war heilfroh, daß Charlie mich mitnahm und ich nicht lange um ihn zittern mußte. Poldi meint es doch auch ernst, aber Connie merkt das anscheinend gar nicht, und einmischen will ich mich nicht, sonst geht sie gleich auf wie eine Dampfnudel.«

Es klang ungemein drollig, wie sie das herausbrachte, aber zum Lachen war es Fee momentan gar nicht zumute.

»Hat sie denn jetzt einen anderen Freund?« fragte sie.

»Es ist wohl nicht ein Freund, aber so ein Reporter, der dauernd dabei ist. Allerdings auch ein anderes Mädchen. Sie kommen beide mit, wenn Connie heute kommt, sollte sie es sich nicht doch anders überlegen. Das regt mich eben auf, daß sie so rastlos geworden ist. Ich werde es nie bereuen müssen, daß ich meinen Charlie geheiratet habe, deshalb wünsche ich ja auch so sehr, daß Connie auch solches Glück erlebt. Aber die Beständigkeit hat allein Sebastian in sich.« Sie machte eine kleine Pause, und dann sah sie Fee erwartungsvoll und bittend an.

»Können Sie mir raten, wie ich mich verhalten soll, Fee? Sie sind eine so kluge, einfühlsame Frau.«

»Es ist schwer zu raten, Janet. Als Mutter muß man diplomatisch sein. Letztlich kann man keinem eine Entscheidung abnehmen, und oft schon hat gutgemeintes Zuraten keine Früchte getragen. Und es ist ja auch nicht vorauszusagen, ob Poldi wirklich der richtige Partner für Connie wäre. Ich mag ihn sehr gern, aber er packt alles, was er tut, sehr ernst an.«

»Ich weiß es, und wir wären glücklich, wenn er unser Schwiegersohn werden würde. Mir ist bange, was sie da für Leute mitbringt, aber wenn wir nein sagen würden, käme sie vielleicht gar nicht.«

»Warten wir es ab, Janet«, sagte Fee.

Anneka wurde jetzt müde. Die kalte Luft, die herunterbrennende Sonne, waren gleich ein bißchen viel auf einmal. Janet mußte auch für das Abendessen allerhand vorbereiten, aber Fee sagte gleich, daß sie im Gasthof essen würden.

»Das ist die Idee«, meinte Janet, »dann hat alles nicht so einen ganz persönlichen Anstrich, und wenn uns Connies Freunde nicht gefallen, bringen wir sie auch im Gasthof unter.«

Dagegen war nichts zu sagen. Fee fand, daß es eine gute Lösung war.

*

Daniel und die Buben hatten mit Poldi die Zeit ausgenutzt. Sie kamen erst gegen sechzehn Uhr zurück von der Piste, und sie hatten Poldi überredet, mit zu ihnen zu kommen.

Anneka hatte eine Stunde geschlafen und war nun wieder ganz munter. Fee hatte Kaffee und Tee zubereitet. Kuchen hatten sie von zu Hause mitgebracht, und den ließ auch Poldi sich schmecken. Ihm war nicht anzumerken, daß ihn etwas bedrückte. Er lobte Danny und Felix und sagte, daß sie bestimmt nichts verlernt hätten. In den zwei vorhergehenden Wintern, wo bessere Schneeverhältnisse geherrscht hatten, waren sie Poldis gelehrigste Schüler gewesen, wobei festzustellen war, daß Danny sehr viel Talent mitbrachte. Er wollte das Lob gleich ausnutzen.

»Wie wäre es denn, wenn ich auch aufs Skigymnasium gehen würde, Papi. Und ich könnte ja auch Sportmediziner werden wie Poldi. Ich finde das sehr interessant.«

»Laß dir noch ein bißchen Zeit«, erwiderte Daniel nachsichtig.

»Und dann bist du ja nie zu Hause«, sagte Anneka betrübt. »Das würde ich mir aber sehr überlegen.«

Daran hatte Danny freilich noch nicht gedacht, und er fragte Poldi, wie es denn bei ihm gewesen sei.

»Bist du gern in dem Internat gewesen?« fragte er.