Elke Bräunling

Auf der Zauberwiese


Eine Ostererzählung

Die Osterzeit ist eine spannende Zeit, jedenfalls in Bärsdorf, wo Jan seine Osterferien verbringt. Alte Sitten und Gebräuche versetzen ihn in eine andere Welt, eine zauberhafte "Traumwelt". Vor allem auf der Heidwiese passieren merkwürdige Dinge. Jan kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Oder ist alles nur ein Traum?


Inhalt


Frohe Ostern mit drei Ausrufezeichen
Ein netter kleiner Junge
Eine Schnapsidee
Der Bub' ist da
Ein komischer Brauch
Palmsonntagszauber
Jankas Zauberwiese
Warten auf Janka
Eine seltsame Begegnung
Fräulein 'Rühr-mich-nicht-an'
Paulinas Geschichten
So richtig 'karfreitagsdoof'
Von Traurigsein und Freude
Karsamstagstrubel
Osterwiesenzauber


Elke Bräunling
Auf der Zauberwiese
Eine Ostererzählung
© 2018 Elke Bräunling und Verlag Stephen Janetzko
eISBN: 9783957221964
Titelbild: Paul G. Walter
http://www.elkeskindergeschichten.de/
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1. Frohe Ostern mit drei Ausrufezeichen


Jan ist sauer. Heute ist der letzte Schultag vor den Osterferien, und drei langweilig lange Wochen liegen vor ihm. Er seufzt. Warum bloß haben seine Eltern den Skiurlaub abgesagt? Er hat sich so darauf gefreut.
"Keine Zeit", hat Papa gesagt. "Das Geschäft, verstehst du? Gerade jetzt können wir unmöglich verreisen."
Und Mama hat ihm über den Kopf gestreichelt und gemurmelt:
"Sei vernünftig, Jan. Nächstes Jahr klappt es bestimmt wieder mit unserem Skiurlaub."
Jan will aber nicht vernünftig sein. Nächstes Jahr dauert noch so lange. Er will jetzt mit seinen Eltern zum Skilaufen. Wie jedes Jahr.
Missmutig starrt er zur Tafel.
'Frohe Ostern!!!' hat Herr Himmelsbach mit bunter Kreide auf die Tafel geschrieben.
'Frohe Ostern' mit drei Ausrufezeichen!!!
Frohe Ostern, denkt Jan. Phh. Langweilig würde dieses Ostern werden. Mama würde am Schreibtisch über irgendwelchen Geschäftspapieren sitzen, stöhnen und "Ich-hab'-jetzt-keine-Zeit" sagen. Papa würde herumfahren und bei Bauern und auf Flohmärkten alte Tische, Stühle, Schränke und anderes Zeugs kaufen und reparieren. Auch fürs Geschäft.
"Das sind Antiquitäten", würde er mit seltsam glänzenden Augen sagen. "Kostbar und schön."
Und die Leute, die das olle Zeugs in Papas Laden kaufen, würden verständnisvoll nicken und auch ganz ehrfürchtig tun.
Jan versteht das nicht. Es ist doch nur alter Krempel, den seine Eltern den Leuten verkaufen. Und wegen diesem alten Kram haben sie keine Zeit mehr für ihn. Immer öfter haben sie ihn mit Bruder Karl alleine gelassen. Wenn er wenigstens einen richtigen Bruder oder eine Schwester hätte! Dann wäre jemand da zum Erzählen, zum Spielen und Streiten. Aber er hat nur Bruder Karl, und der kann nicht sprechen und nicht zanken. Nur bellen kann er und fressen und faulenzen und was dicke, faule Bernhardinerhunde sonst noch so tun.
Jan muss wieder seufzen.
Alleinsein ist doof. Und 'Keine-Zeit-haben' auch. Und jetzt haben sie auch noch den Osterurlaub abgesagt. Auch wieder wegen diesem blöden ‚Alte-Krempel-Geschäft’.
Jan wirft einen wütenden Blick auf das 'Frohe Ostern!!!' mit den drei Ausrufezeichen an der Tafel.
"Oh ja, frohe Ostern", brummelt er.
"Wie bitte, Jan?“, fragt Herr Himmelsbach. "Du wolltest etwas zu Ostern sagen?"
Jan erschrickt.
"I-i-ich?“, stottert er, und weil ihm nichts Besseres einfällt, fragt er:
"Was bedeuten die drei Ausrufezeichen?"
Die Klasse fängt an zu lachen, doch Herr Himmelsbach scheint sich zu freuen.
"Wie schön, dass du diese Frage stellst", antwortet er freudig. "Ja, diese Ausrufezeichen! Was könnten sie bedeuten? Ich habe sie geschrieben, damit ihr über Ostern nachdenkt. Na, Jan, was fällt dir denn zu Ostern ein?"
"Skifahren", platzt es aus Jan heraus.
Die Klasse lacht noch mehr, und Herr Himmelsbach sieht Jan verwundert an.
"Skifahren? Sonst kannst du nichts zu Ostern sagen?"
"Nein", sagt Jan und starrt auf die drei Ausrufezeichen. "Sonst nichts."
"Doch", ruft Tom von hinten. "Es gibt Ostereier."
"Und Osterhasen", meint Monika.
"Hihi. Aus Schokolade", kichert Felix. "Eingepackt in buntes Papier."
"So'n Quatsch", mault Jan. "Der Osterhase ist nur eine dumme Erfindung. Den gibt's gar nicht."
"Aber wenigstens gibt es die Geschenke", sagt Anna zufrieden. "Und die sind wichtig."
"Und wie!"
"Oh ja."
"Ich freue mich schon riesig darauf."
Die Klasse ist sich einig.
Herr Himmelsbach aber sieht nicht mehr so erfreut aus.
"Sonst wisst ihr nichts von Ostern?“, fragt er, und seine Stimme klingt nachdenklich.
"Nöö."
"Was denn?"
Robin meldet sich. "Das mit den Osterhasen und den Ostergeschenken, sagt mein Vater, ist nur Geldmacherei. Mit Ostern aber hat das nichts zu tun."
"Und ungesund ist dieser Süßkram auch", ruft Tom.
Herr Himmelsbach nickt.
"Wisst ihr", beginnt er, "das mit Ostern ist so: ..."
Und er erzählt von Festen und Bräuchen, von Trauer und Freude, und was damals in Jerusalem geschehen war.
Jan hört nur mit halbem Ohr zu. Was Herr Himmelsbach sagt, versteht er nicht. Er spürt ein komisches Gefühl im Bauch, wenn er an Ostern denkt. Erst soll man fasten und schrecklich traurig sein wegen dem toten Jesus, ja, und zwei Tage später soll man sich auf einmal riesig freuen und ein Fest feiern mit einem Festtagsmahl, mit Ostereiern, Schokolade-Osterhasen und Kuchen?
Nein, das kann Jan nicht verstehen. Wenn er traurig ist, so ist er traurig, und da kann keiner kommen und sagen "Morgen-musst-du-dich-freuen,-weil-es-im-Kalender-steht!"
Jan schüttelt den Kopf. So einfach geht das nicht. Da kann Herr Himmelsbach noch so viele Geschichten von Jesus und Jerusalem und von der Osterfreude erzählen.
"Ich freue mich nicht wegen Ostern", raunt er Benni, seinem Banknachbarn, zu.
"Wenigstens gibt es Ferien", flüstert Benni zurück. "Wir fahren zu meinen Großeltern. Das tun wir immer an Ostern."
„Und ich“, knurrt Jan, „werde mich zu Tode langweilen.“
Und er nimmt sich vor, ganz besonders traurig zu sein und sich kein bisschen zu freuen. Schon gar nicht wegen Ostern.




2. Ein netter kleiner Junge


Jan ist traurig, als er an diesem letzten Schultag nach Hause kommt. Er muss an Conny aus seiner Klasse denken. Ihre Eltern haben sie von der Schule abgeholt. Mit Skiern auf dem Autodach.
"Die hat's gut", murmelt Jan. "Jetzt sind sie schon auf der Autobahn, und heute abend werden sie in den Bergen sein."
Immer wieder muss Jan an das Auto mit den Skiern denken. Letztes Jahr haben ihn seine Eltern auch von der Schule abgeholt, und dann sind sie gleich losgefahren.
Jan kann sich noch gut daran erinnern.
Und heute? Er stöhnt auf. Wie eine Mauer stehen die Ferienwochen vor ihm. Er fühlt sich so alleine.
Trotzdem geht er nicht zu Frau Simon, die mit dem Mittagessen auf ihn wartet. Er hat keinen Hunger.
"Geh weg!", schnauzt er Bruder Karl an, der ihn vor Wiedersehensfreude beinahe umwirft. "Lass mich in Ruhe!"
Verständnislos blickt der Hund Jan an. Dann zieht er seinen Schwanz ein und verkriecht sich unter die Treppe. Schimpfen mag er nämlich nicht leiden.
Jan streift lustlos durch die Wohnung.
"Was nun?“, brummt er.
Er holt sich eine Cola aus dem Kühlschrank und verzieht sich mit dem Fotoalbum aufs Sofa. Wehmütig blättert er sich durch die Seiten und betrachtet die Fotos vom letzten Osterurlaub. Schön war es gewesen: Jan auf Skiern, Jan im Schnee, Mama auf der Sonnenterrasse, Papa an der Eisbar, dann die Skipiste, der Lift, ja, und der Schneemann, den sie gebaut haben. Und da, Mama und Papa, wie sie lachen. Schon lange haben sie nicht mehr so fröhlich gelacht.