Enzyklopädie für Reisen in innere Welten
BAND 1
Impressum
Stanislav Grof
Der Weg des Psychonauten
Enzyklopädie für Reisen in innere Welten
Band 1
Nachtschatten Verlag AG
Kronengasse 11
CH-4500 Solothurn
Tel: 0041 32 621 89 49
Fax: 0041 32 621 89 47
info@nachtschatten.ch
www.nachtschatten.ch
© 2019 beim Autor
© 2019 Nachtschatten Verlag AG für die deutsche Ausgabe
Redaktion: Roger Liggenstorfer
Projektbetreuung: Markus Berger
Übersetzung: Chris Heidrich, Nina Seiler
Lektorat: Markus Berger, Agnes Halski
Korrektorat: Jutta Berger, Inga Streblow
Layout: Nina Seiler
Umschlaggestaltung: Sven Sannwald
Druckerei & Verlag Steinmeier & Co. KG, Deiningen
Printed in Germany
ISBN: 978-3-03788-577-2
eISBN: 978-3-03788-601-4
Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische digitale Medien und auszugsweiser Nachdruck sind nur mit Genehmigung des Verlags erlaubt.
Alle Bilder in diesem Buch sind der amerikanischen Originalausgabe entnommen.
Zum Titelbild: «Shiva Nataraja erschien in meinen wichtigsten psychedelischen Sitzungen, und ich betrachte ihn als meinen ganz persönlichen Archetyp. Ich hatte auch viele außergewöhnliche auf Shiva bezogene Erfahrungen mit Swami Muktananda, beschrieben in When the Impossible Happens.» STANISLAV GROF
Widmung
Für Brigitte,
die Liebe meines Lebens und meine andere Hälfte,
die Licht, Shakti, Inspiration, Begeisterung
und bedingungslose Liebe in meine Welt gebracht hat,
wunderbare Ehefrau und ideale Gefährtin
auf inneren und äußeren Reisen –
in tiefer Dankbarkeit und Bewunderung für das,
was Du bist und wofür Du stehst.
»Der Ausdruck Psychonaut ist gut gewählt, weil der
Innenraum der Seele genauso unendlich und geheimnisvoll
ist wie der äußere Weltraum und weil die Kosmonauten
des äußeren wie des inneren Weltraums nicht dort verbleiben
können, sondern auf die Erde, ins Alltagsbewusstsein
zurückkehren müssen. Auch verlangen
beide Fahrten eine gute Vorbereitung, damit sie mit einem
Mindestmaß an Gefahr durchgeführt werden können
und zu wirklich bereichernden Unternehmen werden.«
Eintauchen in die Geheimnisse des Seins Deepak Chopra
Vorwort Richard Tarnas
Einleitung Stanislav Grof
Dank
1. Die Geschichte der Psychonautik: Antike, indigene und moderne Technologien des Heiligen
Holotrope Bewusstseinszustände
Psychonauten der Altsteinzeit
Native Spiritualität und Übergangsriten
Die antiken Mysterien von Tod und Wiedergeburt
Spirituelle Praktiken der großen Religionen
Der rituelle Gebrauch psychedelischer Arzneimittel
Das wissenschaftliche Interesse an psychedelischen Pflanzen
Albert Hofmann und die goldene Ära der Psychonautik
Die ethnomykologische Forschung von Gordon und Valentina Pavlovna Wasson
Alberts »Wunderkind«
Die Vertreibung der Psychonautik in den Untergrund durch eine irrationale Gesetzgebung
Die Shulgins und die Ära der Entheogene
Die weltweite Renaissance des Interesses an der Psychedelika-Forschung
Die Suche nach dem mandschurischen Kandidaten
Psychonautik im Labor
Literatur
2. Revision und Wiederbezauberung der Psychologie: Das Erbe eines halben Jahrhunderts Bewusstseinsforschung
Holotrope Zustände entdecken: Reise in die Vergangenheit
Des Kaisers neue Kleider: Kampf mit dem vorherrschenden Paradigma
Holotrope Bewusstseinszustände und die Psychiatrie
Moderne Bewusstseinsforschung und ein neues Paradigma
Psychologie der Zukunft: Lehren aus der modernen Bewusstseinsforschung
Die Natur des Bewusstseins und seine Beziehung zur Materie
Neue Landkarte der menschlichen Psyche: Wie oben, so unten
Von Freud zum kosmischen Bewusstsein
Postnatale Biographie und das individuelle Unbewusste
Die perinatale Ebene des Unbewussten
Erste Perinatale Grundmatrix: PGM I Urvereinigung mit der Mutter
Zweite Perinatale Grundmatrix: PGM II Kosmische Verschmelzung, Ausweglosigkeit oder Hölle
Dritte Perinatale Grundmatrix: PGM III Der Kampf zwischen Tod und Wiedergeburt
Vierte perinatale Grundmatrix: PGM IV Die Erfahrung von Tod und Wiedergeburt
Der transpersonale Bereich der Psyche
Optische Holographie und das mystische Weltbild
Literatur
3. Landkarten der Psyche in der Tiefenpsychologie: Auf dem Weg zu einer Integration der Methoden
Sigmund Freud
Die berühmten Abtrünnigen
Alfred Adler
Wilhelm Reich
Otto Rank
Carl Gustav Jung
Sándor Ferenczi
Literatur
4. Die Struktur emotionaler und psychosomatischer Störungen
Freuds klassische Psychoneurosen
Angsthysterie (Phobien)
Konversionshysterie
Zwangsneurose
Depressionen, Manie und suizidales Verhalten
Alkoholismus und Drogenabhängigkeit
Sexuelle Störungen und Abweichungen
Psychosomatische Erscheinungsformen psychischer Störungen
Autistische und symbiotische kindliche Psychosen, narzisstische Persönlichkeitsstörungen und Borderline-Störungen
Die Psychodynamik psychotischer Zustände bei Erwachsenen
Literatur
5. Spirituelle Krisen: Verständnis und Behandlung von transformativen Krisen
Auslöser spiritueller Krisen
Die Diagnose spiritueller Krisen
Verschiedene Formen spiritueller Krisen
Die schamanische Initiationskrise
Das Erwachen der Kundalini
Erfahrungen von Einheitsbewusstsein (»Gipfelerfahrungen«)
Seelische Erneuerung durch die Rückkehr zum Zentrum
Die Krise der psychischen Öffnung
Erfahrungen aus vergangenen Leben
Kommunikation mit geistigen Führern und »Channeling«
Nahtoderfahrungen (NTE)
Begegnungen mit UFOs und Erfahrungen von Entführungen durch Außerirdische
Besessenheitszustände
Alkoholismus und Drogensucht als spirituelle Krise
Die Behandlung spiritueller Krisen
Literatur
6. Holotropes Atmen: Eine neue Methode der Selbsterforschung und Therapie
Wesentliche Komponenten des Holotropen Atmens
Die heilende Kraft des Atems
Das therapeutische Potenzial von Musik
Die Anwendung von lösender Körperarbeit
Unterstützender und nährender Körperkontakt
Das Malen von Mandalas: Die Ausdruckskraft der Kunst
Der Ablauf von holotropen Sitzungen
Das Mandala-Malen und die Nachbearbeitungsgruppen
Nachbereitung und Anwendung ergänzender Techniken
Das therapeutische Potenzial des Holotropen Atmens
Biologische Mechanismen beim Holotropen Atmen
Literatur
Über den Autor
Die wissenschaftliche Revolution, die vor 500 Jahren begann und zu unserer heutigen Zivilisation und modernen Technologien geführt hat, hat in den letzten 100 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Die Erforschung des Weltraums, digitale Technologien, virtuelle Realität, künstliche Intelligenz und Kommunikation in Lichtgeschwindigkeit sind für uns heute selbstverständlich geworden. Doch trotz all dieser Fortschritte entzieht sich uns die Natur der grundlegenden Wirklichkeit. Recherchiert man im Internet zu den offenen Fragen der Wissenschaft, so ist festzustellen, dass die beiden wichtigsten Fragen zur Natur der Realität unbeantwortet bleiben: Woraus besteht das Universum? Was ist die biologische Grundlage des Bewusstseins? Es ist offensichtlich, dass diese beiden Fragen miteinander verknüpft sind. Um das Sein verstehen zu können, müssen wir uns dessen bewusst sein!
Mehr als jeder andere Mensch, der mir in den Sinn kommt, hat Stan Grof in den letzten 60 Jahren Pionierarbeit geleistet, um unser Verständnis der inneren Realität und ihrer Beziehung zum Erleben der so genannten äußeren Realität zu erweitern. Dieser Band ist eine systematische Entdeckungsreise, von den persönlichen bis hin zu den transpersonalen und den transzendenten Bereichen des Seins. Wer in die Geheimnisse des Seins eintauchen und sie erleben möchte, kommt um dieses monumentale Werk nicht herum.
Welche Bedeutung haben Leben und Tod? Wie beeinflusst das Geburtstrauma unsere Lebenserfahrung? Gibt es andere Erfahrungsbereiche, die über unseren »Traum« im Wachbewusstsein hinausgehen? Warum ist es zur Linderung unseres persönlichen und kollektiven Leidens notwendig, dass wir sie kennen? Wie heilt sich die Menschheit von dem Trauma, das sie sich selbst zugefügt hat? Wie überwinden wir unsere Angst vor dem Tod? Was ist unsere wahre Natur jenseits der Erfahrung von Körper, Geist und Universum?
Stan Grof ist ein Riese unter uns, und wir haben das Glück, auf seinen Schultern zu stehen. Ihn als Einstein des Bewusstseins zu bezeichnen, wäre (sogar noch) untertrieben. Ich persönlich bin ihm zutiefst dankbar, dass er den Weg gewiesen hat. Zukünftige Generationen werden ihn für immer dafür anerkennen, dass er uns hilft, aus unserer kollektiven Hypnose, die wir Alltagsrealität nennen, aufzuwachen.
Wir alle spüren heute, dass die Menschheit und Erdengemeinschaft vor einem bedeutenden Scheideweg stehen, dessen Herausforderungen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können – ökologisch, spirituell, psychologisch, sozial und politisch. Unsere Zeit ist geprägt von einer Atmosphäre der Krise, des radikalen Wandels, und vielleicht ist sie reif für den »Austausch der Götter«, von dem C. G. Jung am Ende seines Lebens sprach. Die Grundprinzipien und Symbole, die unsere Zivilisation geprägt haben, durchlaufen eine tiefgreifende Veränderung.
Es scheint, dass die Menschheit in diesem Prozess die völlige Auflösung ihrer alten Identität und Weltanschauung durchlebt, eine Art symbolisches Sterben und Verwandeln, das vielleicht notwendig ist, um Sterben und Untergang im wörtlichen Sinn zu vermeiden. Welten werden durch Weltanschauungen erschaffen und sind von unserer individuellen und der kollektiven Psyche geprägt; deshalb hängt unsere kollektive Zukunft davon ab, dass es genug Individuen und Gemeinschaften gibt, die bereit sind, diesen tiefen Wandel und das Erwachen mitzumachen, um den Wiedereintritt unserer Zivilisation in die größere Lebensgemeinschaft zu unterstützen, von der sich der moderne Homo sapiens im Grunde getrennt vorstellt.
Wahrscheinlich gibt es heute kaum jemanden, der über ein so breites und tiefgreifendes praktisches Wissen über tiefe psychologische Transformationsprozesse und außergewöhnliche Bewusstseinszustände verfügt wie Stanislav Grof. Seit über sechzig Jahren arbeitet Grof mutig mit Tausenden von Menschen zusammen, die ihre inneren Tiefen im Dienste der Heilung, des spirituellen Erwachens, der Befreiung von Geist und Seele und der Öffnung ihrer Wahrnehmung erkundet haben. Die vorliegende Arbeit fasst diese außergewöhnliche Lebenszeit der Erfahrung und des angesammelten Wissens über einen Bereich zusammen, den die meisten Psychologen und Psychotherapeuten heute kaum kennen, geschweige denn erforschen und angemessen verstehen können.
Grofs erweiterte Kartographie der Psyche, basierend auf sechs Jahrzehnten klinischer Erfahrung und Tausenden von Sitzungsberichten, brachte ein neues und viel tieferes Verständnis der Ätiologie emotionaler und psychosomatischer Störungen hervor. Durch die Einführung von Konzepten wie den COEX-Systemen, den Perinatalen Grundmatrizen (PGM) und den Inhalten des transpersonalen Bereichs des Unbewussten, gelang es Grof, die Ideen von Sigmund Freud, C. G. Jung, Otto Rank, Wilhelm Reich sowie Karl Abraham, Sándor Ferenczi, Melanie Klein und anderen miteinander zu verbinden und in ein umfassendes Verständnis der menschlichen Psyche einzufügen.
Einerseits ermöglichte Grofs sorgfältige Analyse der verschiedenen Ebenen der Psyche und ihrer Rolle in der Ätiologie emotionaler Störungen die Erkenntnis, dass Freuds grundlegendes Gespür für den Einfluss unbewusster Erinnerungen an frühe Lebenserfahrungen und Traumata auf die wachsende Psyche richtig waren. Grofs Forschung hat jedoch auch aufgezeigt, dass Freuds Interpretationen durch sein oberflächliches Modell der Psyche, das sich auf die postnatale Biographie und das individuelle Unbewusste beschränkt, beeinträchtigt wurden. Durch die Anerkennung der psychotraumatischen Auswirkungen körperlicher Verletzungen, Krankheiten, der biologischen Geburt und einer Vielzahl transpersonaler Einflüsse (von den Ahnen überlieferte, kollektive, ethnische, karmische, phylogenetische und archetypische) konnte Grof etliche pathologische Symptome und Syndrome viel einleuchtender und klinisch fundiert erklären.
Viele von Freuds weniger überzeugenden und problematischen Erklärungen – für Phobien, Suizidversuche, den Todestrieb, die Vagina dentata, den Kastrationskomplex, verschiedene sexuelle Störungen, Mystik und die »ozeanische Entgrenzungserfahrung« – konnten korrigiert und in einen größeren Zusammenhang gestellt werden, nachdem man sich von seinen reduktionistischen konzeptionellen Einschränkungen befreit hatte. Diese tiefgreifende Erweiterung unseres Verständnisses der menschlichen Psyche und der komplizierten Matrix der daran beteiligten Faktoren ist an sich schon eine befreiende theoretische Klarstellung. Aber sie eröffnet auch neue Perspektiven für die Selbsterforschung und Psychotherapie, indem sie eine Reihe therapeutischer Methoden ermittelt, die für eine kompetente erfahrungsorientierte Therapie und Selbsterforschung genutzt werden können.
Während Grof zahlreiche Fachartikel und Bücher für die psychiatrische und akademische Welt geschrieben hat, wendet er sich mit der vorliegenden Arbeit direkt an die vielen Leser, die sich intensiv für die innere Selbsterforschung und die Vertiefung ihres gewöhnlichen Bewusstseins einsetzen – die »Psychonauten«, wie im Titel dieser Enzyklopädie. Dies sind Menschen, die erkennen, dass eine solche Erforschung und Vertiefung nicht nur ihrer eigenen Heilung und Bewusstseinserweiterung, sondern auch der Heilung und dem Wandel der größeren menschlichen und irdischen Gemeinschaft dienen kann, in die wir alle eingebettet sind.
Es ist Vielen klar geworden, dass ohne die in unserer Kultur weit verbreiteten wirksamen Einweihungsstrukturen zu wenige Menschen die Möglichkeit haben werden, mit diesen unbewussten Kräften und tieferen archetypischen Inhalten und Bestimmungen in Berührung zu kommen, die einen Zugang zu einem größeren, beseelten Kosmos ermöglichen und Vertrauen in die mächtigen Wandlungsenergien schenken, die bereits in die kollektive Psyche eindringen – egal, ob unsere regulären führenden Ich-Strukturen bereit sind, sie zu verarbeiten oder nicht.
Im Laufe seines langen Berufslebens ist es Grof maßgeblich gelungen, die großen Einweihungsmethoden alter und indigener Weisheitstraditionen in den zeitgenössischen modernen Kontext zu integrieren; vor allem aber wurden sie exakt mit präzisen psychiatrischen und psychoanalytischen Formulierungen verknüpft, die auf jahrzehntelanger, einzigartiger klinischer Erfahrung basieren. Darüber hinaus hat Grof diese Forschung und Erfahrung mit einer Vielzahl revolutionärer Fortschritte in anderen Bereichen verbunden – Quantenphysik, Systemtheorie, Religionswissenschaften, Anthropologie, Mythologie, Thanatologie, archetypische Astrologie, esoterische Studien, neues Paradigmendenken in etlichen Bereichen –, und er arbeitet eng mit vielen führenden Behörden in diesen Grenzgebieten zusammen. Das Ergebnis ist die Arbeit eines Meisterlehrers und -heilers, ein Buch, das uns allen viele Jahre lang als unschätzbare und dauerhafte Quelle der persönlichen Veränderung dienen kann.
Grof besaß zunächst keine Reiseführer oder Karten. Er betrat die Tiefen der Unterwelt und die Höhen der oberen Welten und hielt den Raum für unzählige andere bereit – Tag für Tag, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt. Diese Arbeit war mutig, mitfühlend, gewandt im buddhistischen Sinne – und brillant. Sie wurde schließlich auch für viele Bereiche außerhalb der Psychologie wichtig – für Geschichte, Kosmologie, Wissenschaftsphilosophie, Ökologie, Politik, Friedensbewegungen, Feminismus, Sexualität und Geburtspraktiken sowie die Evolution des Bewusstseins.
Doch alles begann mit Grofs stiller, heldenhafter Arbeit im privaten Schmelztiegel der Psychotherapie mit einzelnen, oft leidenden und tief gestörten Frauen und Männern. Zu dieser Aufgabe brachte er spirituelle Zentriertheit, Geduld und Weisheit mit, die durch seine eigenen Selbsterforschungsreisen geformt wurden. Mit der Zeit bestätigte Grofs Werk nicht nur die heiligen Tiefen der menschlichen Psyche, sondern auch die der Anima Mundi selbst, der Weltenseele, der Heiligkeit allen Seins. Er vertraute darauf, dass sich großer Verlust und Trauma in große Heilung und spirituelles Erwachen entfalten können, dass das Sterben zu neuem Leben führt. Und er übertrug dieses Vertrauen auf Tausende von anderen, die heute diese wichtige Arbeit auf der ganzen Welt verrichten.
Richard Tarnas, Juli 2018
Meine Entscheidung, diese Enzyklopädie zu schreiben, wurde durch mehrere Umstände ausgelöst. Der erste davon war die Erkenntnis, dass ich bereits weit in mein neuntes Lebensjahrzehnt vorgerückt bin, eine Zeit, in der Forscher eher zurückblicken und versuchen, das Entdeckte zu überprüfen und zusammenzufassen. Sechs meiner Lebensjahrzehnte habe ich der Erforschung der von mir so genannten holotropen Zustände gewidmet – einer großen und wichtigen Untergruppe außergewöhnlicher Bewusstseinszustände, die therapeutisches, transformatives, heuristisches und evolutionäres Potenzial haben. Da es sich um einen Vorstoß in neue Gebiete handelt, die von der etablierten Psychiatrie und Psychologie noch nicht entdeckt und erkannt wurden, ist es unrealistisch zu erwarten, dass ich alle seit Beginn dieser Suche angesammelten Informationen immer bereits in der endgültigen Form präsentieren kann.
Als ich tiefer in die neuen Bereiche der Psyche vordrang und meine Ergebnisse in einer Reihe von Büchern festhielt, entwickelte sich auf gewisse Weise ein neues Verständnis in mir. Die Grundtatsachen blieben zwar gleich, aber meine verschiedenen Erkenntnisse gewannen eine etwas andere Bedeutung. In den ersten Jahren meiner psychedelischen Forschung stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass alle Phasen der biologischen Geburt in allen Einzelheiten in unserer unbewussten Psyche aufgezeichnet sind. Diese Entdeckung stellte alles infrage, was man mir im Medizinstudium beigebracht hatte. Sobald ich von der Echtheit dieser Erkenntnis überzeugt war, setzte ich meinen Forschungsschwerpunkt auf die Bedeutung des Geburtstraumas in verschiedenen Bereichen – eines neuen Verständnisses emotionaler und psychosomatischer Störungen, dem rituellen und spirituellen Leben der Menschheit, menschlicher Gewalt und Gier, Sexualität, Tod und Sterben sowie der Interpretation von Kunstwerken.
Rückblickend war es keine wirkliche intellektuelle Meisterleistung, die außergewöhnliche psychologische Bedeutung der biologischen Geburt anzuerkennen. Das Gehirn des Neugeborenen ist ein durchaus hinreichend entwickeltes Organ, um Erinnerungen an einige Stunden eventuell lebensbedrohlicher Erfahrungen abzuspeichern. Darüber hinaus gibt es Forschungen, die darauf hinweisen, dass der Fötus bereits in der Gebärmutter empfindungsfähig ist, und dass im evolutionären Stammbaum wesentlich weiter unten stehende Organismen als ein menschliches Kind Erinnerungen bilden können. Nachdem ich schließlich eindeutig die Geburt als großes Psychotrauma anerkannt hatte, fiel es mir schwerer zu verstehen, dass etablierte Ärzte und Akademiker dazu nicht in der Lage sind.
Im Verlauf meiner psychedelischen Forschung verlagerte sich mein Interesse auf Phänomene, die eine viel größere intellektuelle Herausforderung darstellten, weil sich keine materielle Trägersubstanz für sie finden ließ – von den Ahnen übernommene und stammesgeschichtliche Erinnerungen, Erinnerungen an vergangene Leben, auf Erfahrung beruhende Identifikation mit Tieren und Pflanzen, historische und archetypische Bereiche des kollektiven Unbewussten, Synchronizitäten, kosmisches Bewusstsein und «höhere Kreativität». In diesem neuen Verständnis verlor die Geburt ihre bestimmende Rolle und der Schwerpunkt verlagerte sich auf die archetypische Dynamik. Die Perinatalen Grundmatrizen (PGM), die für das Wiedererleben der biologischen Geburtsphasen bestimmenden Erfahrungsmuster, wurden selbst zu konkreten Ausdrucksformen und Begriffen im Kräftespiel der Archetypen.
Diese Gedankenverlagerung ermöglichte die Verbindung meines neuen konzeptionellen Rahmens mit der archetypischen Astrologie, wie sie von Richard Tarnas und seinen Kollegen entwickelt wurde. Die Verbindung dieser beiden Disziplinen brachte Klarheit und Präzisierung im Verständnis der psychedelischen und holotropen Atemerfahrungen und der spirituellen Krisenerlebnisse, die bisher nicht möglich gewesen waren. Als ich an dieser Enzyklopädie schrieb, war es mir wichtig, alle von mir untersuchten Phänomene so zu beschreiben, wie ich sie jetzt sehe.
Der zweite Auslöser war für mich der 75. Jahrestag von Albert Hofmanns epochaler Entdeckung des LSD, der immer näher rückte und ein guter Zeitpunkt war, um darüber nachzudenken, was LSD der Welt gebracht und wie es das Verständnis des Bewusstseins und der menschlichen Psyche verändert hat. Keine andere Substanz hat jemals in so vielen verschiedenen Disziplinen große Verheißungen mit sich gebracht. Durch die völlig unlogische Gesetzgebung wurde jedoch die als goldene Ära der Psychopharmakologie geltende Zeit beendet und Alberts «Wunderkind» in ein «Problemkind» verwandelt. Nachdem die rechtliche Erforschung von Psychedelika jahrzehntelang praktisch unmöglich war, erleben wir nun unerwartet eine weltweite Wiederbelebung des Interesses an diesen faszinierenden Substanzen. Es wird immer deutlicher, dass LSD ein Wunderkind war, das jedoch in eine gestörte Familie hineingeboren wurde.
In der Zwischenzeit wurde die übliche Praxis der Weitergabe von Erfahrung und Wissen von einer Generation zur nächsten für mehrere Jahrzehnte unterbrochen, und die frühen Pioniere der 1950er und 1960er Jahre verschwinden schnell von der Bildfläche, entweder aufgrund ihres Alters oder weil sie nicht mehr leben. Derzeit werden viele neue Forschungsprojekte mit Psychedelika und Entheogenen ins Leben gerufen und neue Generationen junger Therapeuten treten auf den Plan. Ich war der Meinung, dass sie von den gesammelten Informationen derjenigen von uns profitieren können, die an Forschungsprojekten arbeiten konnten, als diese noch legal waren, oder die eine Rechtslücke fanden, um ihre Forschung im Untergrund weiterführen zu können. Ich hoffe, dass wir auf dem Weg sind, Alberts Traum eines Neuen Eleusis zu erfüllen, einer Zukunft, in der die legale Verwendung von Psychedelika in das Gewebe der modernen Gesellschaft zum Wohle der Menschheit eingewoben sein wird.
Der dritte und unmittelbarste Impuls für mich, diese Enzyklopädie zu schreiben, war die Einladung von Stephen Dinan, dem Geschäftsführer von Shift Network, einen achtwöchigen Fernlehrgang zur Psychologie der Zukunft zu entwickeln. Der Fernlehrgang war gut besucht – über 600 Teilnehmer – was Stephen dazu veranlasste, mich um eine Fortsetzung zu bitten, einen 24-wöchigen Fortgeschrittenenkurs, den wir The Way of the Psychonaut nannten. Etwas zögerlich dachte ich über sein Angebot nach und nahm es schließlich an. Es war ein großer Auftrag, nach einem achtwöchigen Kurs weitere 24 Lehreinheiten, ohne viele Wiederholungen zu erstellen. Aber es war auch eine Gelegenheit, meine frühen Schriften anzuschauen und meine ursprünglichen Formulierungen gegebenenfalls zu ändern oder zu verfeinern. Ich musste auch einige Bereiche untersuchen, die ich in der Vergangenheit noch nicht angesprochen hatte oder denen ich nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Meine Frau Brigitte, die den Fernlehrgang verfolgte, ermutigte mich sehr, die darin enthaltenen Informationen als Buch zur Verfügung zu stellen. Sie schlug mir auch vor, diese Arbeit als Enzyklopädie aufzufassen, in der Interessierte alle wichtigen Informationen finden würden, ohne sie in verschiedenen Büchern oder im Internet suchen zu müssen.
Als ich mich entschieden hatte, die aktuelle Arbeit zu schreiben, hatte ich mehrere Ziele vor Augen. Ich wollte den neuen Therapeuten, die mit der Durchführung psychedelischer Sitzungen beginnen, ihren Klienten und Menschen, die mit ihren eigenen inneren Reisen beginnen, die notwendigen oder nützlichen Informationen in prägnanter und umfassender Form zur Verfügung stellen. Ich beschloss, in dieser Arbeit auch auf das Paradigma einzugehen – bahnbrechende Beobachtungen aus der Erforschung holotroper Bewusstseinszustände, die herkömmliche Konzepte des Bewusstseins und der menschlichen Psyche überflüssig machen und auf den dringenden Bedarf einer grundlegenden Überarbeitung hinweisen. Ich habe auch die notwendigen Veränderungen in der psychiatrischen Theorie und Praxis vorgeschlagen, um diese «anomalen Phänomene» zu einem Hauptbestandteil des psychologischen Wissens werden zu lassen. Dies würde den Psychiatern ermöglichen, emotionale und psychosomatische Störungen besser und tiefgreifender zu verstehen und effektivere Behandlungsmethoden zu entwickeln.
Der erste Abschnitt dieser Enzyklopädie beschreibt die Geschichte der Psychonautik, die definiert wird als «systematische Suche und Nutzung holotroper Bewusstseinszustände zur Heilung, Selbsterforschung, spirituellen, philosophischen und wissenschaftlichen Suche, für rituelle Handlungen und künstlerische Inspiration». Das Verlangen nach transzendentalen Erfahrungen ist die treibende Kraft der Psychonautik und der stärkste Antrieb in der menschlichen Psyche; das Streben danach lässt sich bis zum Beginn der Menschheitsgeschichte, bis hin zu Schamanen der Altsteinzeit zurückverfolgen. Es hat sich über Jahrhunderte hinweg in den Hochkulturen der Antike, in den alten Geheimnissen von Tod und Wiedergeburt, in den Übergangsriten und in Heilungszeremonien und anderen Stammesereignissen der einheimischen Kulturen fortgesetzt. Große Weltreligionen haben ihre eigenen «Technologien des Heiligen» entwickelt, Methoden zur Erzeugung spiritueller Erfahrungen, die in Klöstern und ihren mystischen Zweigen zur Anwendung kommen.
Die Neuzeit der Psychonautik begann zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Arthur Heffters Isolierung von Meskalin aus Peyote, gefolgt von der Isolierung von Ibogain aus dem afrikanischen Busch Tabernanthe iboga und Harmalin aus dem syrischen Kraut Peganum harmala. In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden klinische Experimente mit Meskalin durchgeführt. Die goldene Ära der Psychonautik begann 1943 mit der Entdeckung der psychedelischen Effekte von LSD-25 durch Albert Hofmann. Sein chemischer Kraftakt setzte sich dann mit der Isolierung von Psilocybin und Psilocin, der aktiven Alkaloide aus den «magischen Pilzen der Mazatek-Indianer» und von Monoamid der Lysergsäure (LAE-32) aus den Samen der Prunkwinde (Ololiuqui) fort. Diese neuen psychoaktiven Substanzen inspirierten eine Lawine von Labor- und klinischen Studien. Als sich eine große Bewusstseinsrevolution abzuzeichnen schien, wurde sie abrupt durch unkundige rechtliche und administrative Maßnahmen beendet.
Die vier Jahrzehnte, in denen praktisch keine legale Forschung mit Psychedelika möglich war, wurden tatsächlich zu einem wichtigen Kapitel in der Psychonautik – dank halblegaler und illegaler Forschung und Experimenten, die zur Herstellung und Erforschung einer ganzen Bandbreite von Entheogenen, Derivaten von Phenethylamin und Tryptamin führten. Im Umfeld des gegenwärtigen Auflebens der psychedelischen Forschung könnten die durch diese informellen Studien gewonnenen Informationen Anregungen für gesetzlich kontrollierte Studien liefern, wie es bereits mit MDMA geschehen ist. Es ist zu hoffen, dass wir den Beginn einer weiteren aufregenden Ära der Psychonautik erleben.
Der zweite Abschnitt dieser Enzyklopädie konzentriert sich auf die Beobachtungen und Erfahrungen aus der Erforschung holotroper Zustände, die darauf hinweisen, dass einige Grundannahmen der etablierten Psychiatrie und Psychologie dringend grundlegend überarbeitet werden müssen. Darin wird auch vorgeschlagen, in welchen Bereichen und welcher Art diese Veränderungen notwendig sind. Die Beweise, dass Bewusstsein kein Produkt des menschlichen Gehirns ist, sondern ein Grundaspekt des Seins, sind überwältigend; das Gehirn vermittelt Bewusstsein, erzeugt es aber nicht. Die menschliche Psyche ist nicht auf die postnatale Biographie und das freudsche individuelle Unbewusste beschränkt. Sie enthält zwei weitere Bereiche von entscheidender Bedeutung – den perinatalen, der eng mit dem Trauma der biologischen Geburt verbunden ist, und den transpersonalen, dem Ursprung von Erfahrungen, die über die Begrenzungen von Raum, Zeit und die Reichweite unserer physischen Sinne hinausgehen.
Der nächste Bereich, der wesentlich überarbeitet werden muss, umfasst den Ursprung und die Art der emotionalen und psychosomatischen Störungen, die von psychogener Natur sind (ohne biologische Grundlage). Sie stammen nicht aus der Säuglingszeit und der Kindheit; sie haben noch andere, tiefere Wurzeln, die bis zur perinatalen und transpersonalen Ebene reichen. Als positiv ist zu nennen, dass therapeutische Eingriffe auf der Ebene der postnatalen Biographie nicht die einzige Möglichkeit sind, um den klinischen Zustand zu verbessern. Die Rückführung auf die perinatale und transpersonale Ebene in holotropen Zuständen macht hochwirksame Methoden zur Heilung und positiven Persönlichkeitsveränderung verfügbar.
Ein weiterer Vorschlag für einen fundamentalen Perspektivenwechsel in der Psychiatrie betrifft die Einstellung zur Spiritualität. Angesichts der Beobachtungen aus holotropen Zuständen ist Spiritualität kein Hinweis auf Aberglaube, primitives magisches Denken, mangelndes wissenschaftliches Wissen oder psychische Erkrankungen, wie von der materialistischen Wissenschaft angenommen. Sie ist eine berechtigte Dimension der menschlichen Psyche und der Weltordnung. Wenn die Rückführung in holotropen Zuständen bis in perinatale und transpersonale Ebenen zurückreicht, nehmen die Erfahrungen eine neue Qualität an, die C. G. Jung Numinosität nannte. Es ist eine direkte Wahrnehmung der außergewöhnlichen, jenseitigen Natur des Erlebten.
Die interessantesten Erkenntnisse aus holotropen Zuständen betreffen die Herangehensweise an die Therapie. Es gibt eine große Anzahl von Psychotherapieschulen, die sich über einige grundlegende Aspekte der Theorie und Therapie nicht einig sind. Infolgedessen stimmen Vertreter der verschiedenen Schulen über die Bedeutung etlicher Themen nicht überein und interpretieren die gleiche Situation unterschiedlich. Die Arbeit mit holotropen Zuständen löst dieses Dilemma, indem sie eine tiefgreifende Alternative bietet. Der Eintritt in diese Zustände aktiviert die innere Selbstheilungsintelligenz, die automatisch auf unbewusstes Material zusteuert, das eine starke emotionale Ladung hat und kurz davor ist, ins Bewusstsein zu treten. Anschließend wird dieses Material spontan zur Bearbeitung an die Oberfläche gebracht.
Der dritte Teil dieses Bandes vermittelt eine völlig neue Auffassung emotionaler und psychosomatischer Störungen, die verfügbar wird, sobald wir unser Verständnis der Psyche um die perinatalen und transpersonalen Dimensionen erweitern. Es wird deutlich, dass Freud und seine Anhänger auf dem richtigen Weg waren, als sie versuchten, die Wurzeln emotionaler Störungen bis zu ihrem Ursprung in der frühen Kindheit zurückzuverfolgen, aber sie haben nicht tief genug geschaut und die perinatalen und transpersonalen Wurzeln der Psychoneurosen, sexuellen Probleme, Depressionen, des Suizids und vor allem der Psychosen nicht erkannt. Die Erfahrungsmuster, die mit dem Wiedererleben der aufeinanderfolgenden Phasen der Geburt verbunden sind (Perinatale Grundmatrizen oder PGM), bieten sehr logische und natürliche Mustervorlagen für Symptome und für die Art und Weise der Verdichtung von Symptomen zu Syndromen.
Aus der Tatsache, dass das Geburtstrauma ein Vorgang ist, der über Leben und Tod entscheidet und im Mittelpunkt emotionaler Störungen steht, erklärt sich seine Intensität und Tiefe, die man sonst nicht verstehen kann. Extreme menschliche Verhaltensweisen – zügellose Gewalt, die zu brutalem Mord und Suizid führt – müssen einen Ursprung von vergleichbarer Intensität und Bedeutung haben. Der freudsche Ansatz der Psychopathologie war, obwohl er in die richtige Richtung ging, nicht überzeugend, manchmal sogar absurd und lächerlich. Etablierte Psychiater, die auf diese Situation reagierten, warfen das Kind in den Brunnen. Sie gaben schließlich die Suche nach glaubwürdigen Ursachen für emotionale Störungen in der Frühgeschichte auf und ersetzten sie durch den «neokraepelinischen Ansatz», einer reinen Symptombeschreibung ohne ätiologische Überlegungen.
Mit der Einführung in die Kartographie der Psyche löst der perinatale Bereich auch den Konflikt zwischen Psychiatern, die biologische Erklärungen für emotionale Probleme bevorzugen, und solchen, die psychologische Einflüsse hervorheben. Die Geburt ist ein einflussreicher und vielschichtiger Prozess, in dem äußerst intensive Emotionen und körperliche Empfindungen miteinander verschmolzen sind. Postnatale Erfahrungen können dann den einen oder anderen Aspekt dieser Mischung hervorheben, doch auf einer tieferen Ebene stellen sie zwei Seiten derselben Medaille dar. Aus der Beteiligung der transpersonalen Dimension an der Psychopathologie und ihrer Wechselwirkung mit der perinatalen Ebene lassen sich dann Phänomene erklären, die Spiritualität und Gewalt miteinander verbinden, wie z.B. Flagellantentum oder eine Kombination von Mord und Suizid mit religiösem Ziel.
Der Abschnitt über die Architektur emotionaler und psychosomatischer Störungen liefert einen Überblick über ein breites Spektrum emotionaler Störungen – Freuds klassische Psychoneurosen (Phobien, Konversionshysterie und Zwangsneurose), Depressionen, Suizidverhalten, sexuelle Fehlfunktionen und Abweichungen, psychosomatische Erkrankungen und funktionelle Psychosen. Ich versuche aufzuzeigen, wie man viele Aspekte aus dieser charakteristischen Symptomatik als Kombination biographischer, perinataler und transpersonaler Elemente erklären kann. Dieses neue Verständnis hat auch wichtige Auswirkungen auf die Therapie dieser Erkrankungen.
Der vierte Abschnitt dieser Enzyklopädie behandelt die wohl wichtigste Auswirkung der Arbeit mit holotropen Bewusstseinszuständen und mit der erweiterten Kartographie der Psyche – das Konzept der transpersonalen Krise oder «spirituellen Notlage». Basierend auf unseren Erfahrungen mit der psychedelischen Therapie und dem holotropen Atmen, interessierten sich meine verstorbene Frau Christina und ich für eine große und wichtige Gruppe spontaner holotroper Erfahrungen, die in der Psychiatrie als Ausdruck schwerer psychischer Erkrankungen, als Psychosen, diagnostiziert und behandelt werden.
Wir stellten fest, dass diese Zustände, wenn sie richtig verstanden und unterstützt werden, ein außergewöhnliches therapeutisches, transformatives, heuristisches und sogar evolutionäres Potenzial haben. In diesem Abschnitt beschreibe ich die Phänomenologie, die Auslöser, die unterschiedliche Diagnose und die Therapie dieser Erkrankungen. Ich gehe auch kurz auf die verschiedenen Formen der spirituellen Notlage ein, wie z.B. auf die schamanische Initiationskrise, die Aktivierung der Kundalinienergie, Abraham Maslows «Gipfelerfahrung», John Perrys Erneuerungsprozess durch den Abstieg zum zentralen Archetyp, Probleme mit Erinnerungen an vergangene Leben, den Wendepunkt der psychischen Öffnung, Besessenheitszustände und andere.
Der fünfte Abschnitt dieses Bandes liefert einen Überblick über die wichtigsten Landkarten der Psyche, die von den Gründern verschiedener Tiefenpsychologieschulen – ihrem Vater Sigmund Freud, den berühmten Abtrünnigen Alfred Adler, Otto Rank, Wilhelm Reich und Carl Gustav Jung – und Sándor Ferenczi entwickelt wurden. Die Lehren dieser Schulen werden aus dem Blickwinkel der erforschten holotropen Bewusstseinszustände und den daraus resultierenden Beobachtungen überprüft; es wird beurteilt, welche dieser Pionierideen dieser Untersuchung standhalten und welche bestätigt, verändert, ergänzt oder verworfen werden müssen. Die Überprüfung hat gezeigt, dass jeder dieser Vorreiter sich auf eine ganz bestimmte Bandbreite im umfangreichen Erfahrungsspektrum der menschlichen Psyche konzentriert hat und sie in seiner Begrifflichkeit und seiner Dynamik beschrieben hat.
Das Problem war, dass sie alle für die Bandbreiten des von den anderen untersuchten und in den Vordergrund gestellten Spektrums blind zu sein schienen und dass sie diese auf ihr eigenes Modell und ihre eigene Denkweise reduziert haben. So spezialisierte sich Freud auf die postnatale Biographie, während er den perinatalen Bereich fast gänzlich ignorierte und die Mythologie sowie psychische Phänomene auf die Biologie reduzierte. Rank erkannte die überragende Bedeutung des Geburtstraumas, reduzierte aber die archetypischen Phänomene auf Auswirkungen der Geburt. Jung, der den ausgedehnten Bereich des kollektiven Unbewussten erkannte und richtig beschrieb, stritt nachdrücklich die psychologische Bedeutung der biologischen Geburt ab. Aus dieser Auswertung der Geschichte geht deutlich hervor, dass für eine sichere Navigation durch wechselnde Realitäten eine erweiterte Kartographie der Psyche notwendig ist – ein Modell, das die biographische, perinatale und transpersonale Ebene einschließt und einbezieht.
Der sechste und letzte Abschnitt dieses Bands konzentriert sich auf das holotrope Atmen, eine neuartige erfahrungsorientierte Form der Psychotherapie, die meine verstorbene Frau Christina und ich entwickelten, als wir am Esalen Institute in Big Sur, Kalifornien, lebten. Diese Methode ruft mit sehr einfachen Mitteln wirkmächtige holotrope Bewusstseinszustände hervor und ist eine Kombination aus beschleunigter Atmung, evokativer Musik und der Anwendung von Körperarbeit in einem speziellen Rahmen und einer inneren Vorbereitung. Die Teilnehmer arbeiten paarweise, abwechselnd in der Rolle des Atmers und des Sitzenden. Nach den Sitzungen malen sie Mandalas, die das Erlebte widerspiegeln, und sitzen in Kleingruppen zusammen, um ihre Erlebnisse miteinander zu teilen und zu verarbeiten.
Das Holotrope Atmen verbindet die Grundprinzipien der Tiefenpsychologie mit Elementen aus dem Schamanismus, aus Übergangsriten, aus den großen spirituellen Philosophien des Ostens und den mystischen Traditionen der Welt. Die Theorie verwendet moderne psychologische Begriffe und basiert auf der transpersonalen Psychologie und der neuen Paradigmenwissenschaft. In diesem Abschnitt werden die heilende Kraft des Atems, das therapeutische Potenzial der Musik und der Einsatz lösender und unterstützender körperlicher Hilfestellungen beschrieben, gefolgt von der Vorbereitung auf die Sitzungen und einem geeigneten Umfeld, den Rollen des Atmers und des Sitzenden, der Begriffsklärung der Erfahrung, des Mandalamalens und der Verarbeitung in den Kleingruppen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Besprechung der therapeutischen Ergebnisse und der Zeit nach den Sitzungen.
Ich habe diesen ersten sowie den zweiten folgenden Band dieser Enzyklopädie in der Hoffnung geschrieben, dass er Psychonauten als Leitfaden dienen möge, indem sie rückblickend einige nützliche Einblicke in ihre Erfahrungen aus vergangenen Reisen erhalten, oder indem Menschen, die sich auf die spannenden Abenteuer der Erforschung und Selbstfindung einlassen möchten, die notwendigen Grundinformationen für sichere und erfolgreiche Reisen in wechselnde Realitäten darin finden. Bon voyage!
Mill Valley, Kalifornien, März 2018
Stanislav Grof
Der Weg des Psychonauten ist ein Versuch, die Ergebnisse von mehr als sechzig Jahren Bewusstseinsforschung, die ich am Psychiatrischen Forschungsinstitut in Prag, am Maryland Psychiatric Research Institute in Baltimore, Maryland, am Esalen Institute in Big Sur, Kalifornien, und in den Workshops und Ausbildungsprogrammen im Holotropen Atmen auf der ganzen Welt durchgeführt habe, prägnant und umfassend darzustellen. In diesen Jahren wurde ich von vielen Einzelpersonen, Institutionen und Organisationen großzügig intellektuell, emotional und materiell unterstützt. Es ist mir nicht möglich, alle namentlich zu nennen, sodass ich mich auf die wichtigsten beschränken muss und mich bei all denen entschuldige, die ich ausgelassen habe.
Meine eigene Einweihung in den Weg des Psychonauten begann im November 1956 durch meine erste LSD-Sitzung in der Psychiatrischen Klinik in Prag, unter der Leitung meines Lehrers George Roubíček und unter persönlicher Aufsicht meines jüngeren Bruders Paul, der damals Medizin studierte. Ich bin beiden sehr dankbar für ihre Rolle in dieser unglaublichen lebensverändernden Erfahrung. Meine eigene psychedelische Forschung begann in der Forschungsabteilung in Prag-Krč unter der Leitung und in Zusammenarbeit mit Miloš Vojtěchovský. Obwohl ich nach zwei Jahren dieser überwiegend labortechnischen Tätigkeit in die klinische Forschung wechselte, sind meine dort gesammelten Erfahrungen von sehr großem Wert für mich.
Im Januar 1960 wurde ich Gründungsmitglied des neu ins Leben gerufenen Psychiatrischen Forschungsinstituts in Prag-Bohnice. Dort hatte ich das außerordentliche Glück, dass Lubomír Hanzlíček, der sehr liberale Direktor des Instituts, an die intellektuelle Freiheit glaubte und mir die Erforschung des diagnostischen und therapeutischen Potenzials von LSD-25 und Psilocybin erlaubte. Ohne seine Unterstützung hätte ich meine Grundlagenforschung in diesem faszinierenden, aber umstrittenen Bereich nicht durchführen können. Im Jahr 1967 gelangte ich dank eines großzügigen Stipendiums des Foundations Fund for Psychiatric Research in New Haven, Connecticut, und einer persönlichen Einladung von Joel Elkes, dem Vorsitzenden der Henry Phipps Clinic der John Hopkins University in Baltimore, Maryland, als klinischer und wissenschaftlicher Mitarbeiter in die Vereinigten Staaten. Nach der sowjetischen Invasion der Tschechoslowakei beschloss ich, nicht zurückzukehren. Ich werde ewig dankbar sein für die Möglichkeiten, die sich mir in meiner neuen Heimat eröffnet haben.
Sehr dankbar bin ich auch für den herzlichen Empfang, die Unterstützung und die Freundschaft, die ich von Albert Kurland, Direktor des Maryland Psychiatric Research Centers in Spring Grove, und seinen Mitarbeitern erhielt, die ihre Herzen und Häuser für mich öffneten und meine neuen Kollegen und meine Familie wurden. Wir haben gemeinsam das letzte erhalten gebliebene psychedelische Forschungsprojekt in den Vereinigten Staaten durchgeführt und mit Alkoholikern, Drogenabhängigen, Neurotikern, tödlich an Krebs erkrankten Patienten und psychologischen Fachkräften gearbeitet. In diesem Zusammenhang kann ich die Namen der Mitarbeiter von Spring Grove nur kurz erwähnen und ihnen von ganzem Herzen für all die schönen Erinnerungen danken, die ich 1973 mitnahm, als ich von der Ostküste nach Kalifornien zog. Die Teilnehmer der verschiedenen Phasen des Spring Grove-Projekts waren: Sandy Unger, Walter Pahnke, Charles Savage, Sid Wolf, John Rhead, Bill und Ilse Richards, Bob und Karen Leihy, Franco di Leo, Richard Yensen, John Lobell, Helen Bonny, Robert Soskin, Mark Schiffman, Lock Rush, Thomas Cimonetti und Nancy Jewell.
Ich möchte meinem verstorbenen Freund Abraham Maslow meinen tiefen Dank aussprechen, dass er mich zusammen mit Tony Sutich, Miles Vich, Sonja Margulies und Jim Fadiman in einen kleinen Kreis von Kollegen in Palo Alto einlud, um an der Geburtsstätte der transpersonalen Psychologie dabei zu sein. Dies gab mir die Möglichkeit, meine Forschungsergebnisse in diese noch junge Disziplin einzubringen und später als Gründungspräsident der International Transpersonal Association (ITA) ihre Botschaft in die Welt zu tragen. Die Erwähnung des ITA erinnert mich an das Esalen Institute in Big Sur, Kalifornien, wo das ITA geboren wurde. Mein herzlicher Dank gilt Michael Murphy, dem Eigentümer und Mitbegründer von Esalen, der mich 1973 zu meinem Auszeitjahr als Scholar-in-Residence nach Esalen einlud. Verzaubert von der Schönheit der Natur in Big Sur und der intellektuell anregenden Atmosphäre von Esalen blieb ich dort vierzehn Jahre lang, eine Zeit, die zu den fachlich lohnendsten Jahren meines Lebens gehört.
Mit der enthusiastischen Unterstützung von Dick Price, dem Mitbegründer von Esalen, leiteten meine verstorbene Frau Christina und ich in Esalen dreißig Monate lang Workshops unter der hervorragenden Besetzung mit Gastdozenten wie Joseph Campbell, Jack Kornfield, Huston Smith, Fritjof Capra, Rupert Sheldrake, Karl Pribram, Michael und Sandra Harner, Frances Vaughan, Roger Walsh, John Lilly, Tim Leary, Ram Dass, Ralph Metzner, Richard Tarnas, Angeles Arrien, Humphrey Osmond, Gordon Wasson, Psychologen, Parapsychologen, tibetischen Lehrern, indischen Yogis, amerikanischen und mexikanischen Schamanen und vielen anderen. In der bezaubernden, ungezwungenen und persönlichen Umgebung von Esalen entwickelten wir tiefe Freundschaften mit diesen Menschen, die mehrheitlich zu eifrigen und treuen Referenten an unseren ITA-Konferenzen wurden. Michael Murphy und Dick Price gründeten gemeinsam mit mir das ITA.
Das Tao der Physik