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Heliosphere 2265

Band 30

Aus dem Schatten ...“


von Andreas Suchanek

Die neue HYPERION

Was bisher geschah

 

Ende des Jahres 2267 ist es Richard Meridian gelungen, den Jahrhundertplan erfolgreich zu vollenden. Er konnte das Tachyonengefängnis der uralten Rasse der Ash’Gul’Kon öffnen, worauf die gefährlichen Aliens in die Milchstraße zurückkehrten. Ein Krieg beginnt, der alle Zivilisationen bedroht.

Um überhaupt eine Chance gegen den neuen Feind zu besitzen, greift Präsidentin Shaw nach einem letzten Strohhalm: Sie will eine Allianz formen. Hierzu kommt es zu Gesprächen mit den Parliden, die schlussendlich in die Bedingungen einwilligen und alle versklavten Menschen befreien.

Damit sieht sich die Republik einer gigantischen Herausforderung gegenüber, gilt es doch, Tausende traumatisierte Befreite zu behandeln – bei knappen Ressourcen. Ein zusätzliches Problem erscheint in Form von Admiral Juri Michalew. Der Auslöser des Staatsstreichs auf der Erde starb nicht im Jahre 2266, wie bisher angenommen, sondern geriet in die Gefangenschaft der Parliden, die ihn am Leben erhielten – als Sklave in einer Parlidenrüstung. Alexis Cross sieht ihre Chance gekommen und geht ein Bündnis mit dem ehemaligen Offizier ein. Die Folgen sind unabsehbar.

Unterdessen erhalten nach weiteren Abenteuern und Herausforderungen Captain Cross, Noriko Ishida und ein Großteil der HYPERION-Besatzung eine Beförderung. Ihr erster Auftrag: Die Admiralität formt einen Verband, bestehend aus der SJÖBERGS UNTERGANG, der IKARUS, der IONE KARTESS und der HYPERION. Im Northstar-System soll der Tachyonengenerator geborgen werden. Eine Waffe, die Raumblasen generieren kann, in deren Innerem die Zeit schneller oder langsamer abläuft. Im Einsatz stellt sich heraus, dass der Tachyonengenerator in Wahrheit aus zwei Personen besteht, die von den Genetikern verändert wurden.

Und so wird der Schiffsverband mit Doktor Shima konfrontiert, einer Genetikerin, die die letzten Jahre an Bord von automatisierten Raumschiffen die T-Einheit bewacht hat. Befehligt werden diese von Alpha-Kommandanten. Die Wissenschaftlerin erschuf einst auch Alpha 365, der nun mit seiner Schöpferin konfrontiert wird. Sie wird am Ende von Alpha 365 getötet, der keinen anderen Weg sieht, den Konflikt zu beenden und seine „Familie“ an Bord der HYPERION zu retten.

Um die übrigen genetisch erschaffenen Alphas unter Kontrolle zu bringen, injiziert sich Commodore Jayden Cross das von Shima entworfene bioneurale Tattoo, durch das er sich mit Maschinen vernetzen kann, die über einen entsprechenden Port verfügen. Außerdem akzeptieren die Alphas ihn so als neuen Anführer.

Bevor der Verband das Sonnensystem jedoch wieder verlassen kann, tauchen Raumschiffe des Imperiums mit einer gigantischen Übermacht auf. Eine Flucht scheint unmöglich.

Im Alzir-System sieht Alexis Cross das mit Freude. Sie hat dort das Projekt ihres Vaters fortgeführt und CABAL geschaffen, eine Künstliche Intelligenz. Auch die letzte Körpertauschmaschine befindet sich in ihrem Besitz. Sie macht sich daran, aus dem Schatten zu treten und einen lange gehegten Plan umzusetzen ...

Schwerer Kreuzer SJÖBERGS UNTERGANG, NORTHSTAR-System, 03. Mai 2268, 6:20

 

(4 Stunden und 40 Minuten vor dem Eintreffen der Flotte des Imperiums)

 

Captain Isam Ortega schloss den obersten Knopf seiner Uniform und betrat die Kommandobrücke der SJÖBERGS UNTERGANG. Noch bevor das Panzerschott sich gänzlich geschlossen hatte, rief er: „Bericht!“

Izzy Hernàndez, seine spanischstämmige I.O., erhob sich grazil aus dem Sitz des Kommandanten. „Captain, wir haben bei der Untersuchung des Kuipergürtels eine Strahlensignatur entdeckt. Die Sensorabtastung läuft.“

Isam ließ sich in seinen Sitz fallen und überprüfte die Daten. Erleichtert stellte er fest, dass Izzy ihm bereits eine Tasse ViKo in den Getränkehalter gestellt hatte. „Sie sind ein Engel, habe ich das schon einmal gesagt?“

„Viel zu selten, Sir.“ Sie zwinkerte, sank in ihren Sitz und wurde wieder zur Professionalität in Person. „Wir haben versucht, einen aktuellen Statusbericht an die HYPERION zu senden, kommen aber nicht durch. Auch eine Verbindung nach NOVA ist unmöglich.“

Isam warf Lieutenant Daniel Szerny einen fragenden Blick zu.

Der hochgewachsene Kommunikationsoffizier mit dem dunklen Haar schaute von seiner Konsole auf. „Die Asteroiden des Gürtels beinhalten einen hohen Anteil an Duspanit. Die davon emittierte Strahlung macht jede Kommunikation unmöglich und verstärkt zudem den natürlichen Schutz vor Sensoren.“

Isam massierte sich die Schläfen. Der Streit mit Cross lag ihm noch immer im Magen. Bei der letzten Konferenz hatte er den Commodore hart angegangen. Aufgrund des Todes so vieler ehemaliger Besatzungsmitglieder der SJÖBERGS UNTERGANG, die wegen einer Entscheidung der Admiralität auf die FROST versetzt und mit ihr untergegangen waren, gärte es in seiner Crew. Es kam zunehmend zu Spannungen zwischen der ursprünglichen Besatzung aus der alternativen Zeitlinie und den Neulingen dieser Epoche. Es sah aus, als sei das Ziel der Admiralität, die Offiziere einander näherzubringen, kläglich gescheitert.

Isam war Cross dankbar für das, was er und die Crew der HYPERION für sie getan hatten. Überhaupt besaß der Kommandant des Interlink-Kreuzers viele Unterstützer in der Besatzung der SJÖBERGS UNTERGANG. Trotzdem hatte Isam eindeutig Stellung beziehen müssen. Es war ein Unding, dass jene benachteiligt wurden, die nicht von Anfang an Teil des Kampfes gegen Sjöberg gewesen waren. Viele fühlten sich, als seien sie Offiziere zweiter Klasse. Es hielt sich der Glaube, dass, sollte es einmal hart auf hart kommen und ein Befehlshaber vor der Entscheidung stehen, die SJÖBERGS UNTERGANG oder ein Schiff dieser Zeitlinie zu opfern, es zweifellos immer die SJÖBERGS UNTERGANG wäre. Nicht wenige glaubten außerdem, dass die Untersuchung im Kuipergürtel so etwas wie eine Strafversetzung war, weil Isam den Mund aufgemacht hatte.

Das war natürlich Unsinn.

„In Ordnung, ich habe weitere Daten“, sagte Lieutenant Moira Stone, die Sensoroffizierin. Sie aktivierte die zentrale Holosphäre.

In einem Regen aus Photonen erschien das Abbild eines Asteroiden, der – wie kurz darauf durch Falschfarbenmarkierung deutlich wurde – innen ausgehöhlt war.

„Ein automatisierter Horchposten des Imperiums“, sagte Moira. „Keine Besatzung.“ Sie nahm eine Eingabe vor, worauf weitere Gesteinsbrocken hervorgehoben wurden. „Er sendet seine Daten über eine Kette aus gerichteten Lasersignalen zu einem der äußeren Asteroiden. Von dort geht es dann vermutlich zu einer Überlichtplattform am Systemrand.“

„Achtung, die Systeme fahren hoch, wir wurden entdeckt“, meldete Daniel Szerny. „Ein Kommunikationsstrom wird vorbereitet.“

„Izzy“, sagte Isam nur.

Seine I.O. wusste, was zu tun war. „Commander Sotooka, zerstören Sie den zweiten Asteroiden in der Kette.“ Sie markierte das Ziel über ihre Konsole. „Damit verhindern wir, dass das Signal rausgeht.“

„Aye, Ma’am.“ Der glatzköpfige Waffen- und Taktikoffizier mit dem undurchdringlichen Blick kam dem Befehl sofort nach. Sekunden später verließ ein Torpedo das Magazin der SJÖBERGS UNTERGANG. Der anvisierte Asteroid explodierte. „Ziel zerstört.“

„Der Datenstrom wurde nicht abgesendet“, sagte Daniel Szerny.

Isam wechselte einen besorgten Blick mit Izzy.

„Dieser Datenstrom nicht, aber was ist mit früheren?“, sprach die I.O. seine Gedanken laut aus. „Und wieso hat das Imperium einen Horchposten im NORTHSTAR-System?“

„Einen, der erst vor wenigen Tagen eingerichtet wurde“, meldete sich Moira zu Wort. „Die Sensoren konnten mittlerweile frisch verbautes Aluminium und molekular verdichtetes Titan orten.“

„Ich schicke Softwareagenten über die Ports zur Sensorstation“, sagte Szerny. „Aber es wird dauern, bis wir die Firewall durchdrungen haben. Vorher kann ich nicht sagen, welche Daten bereits gesendet wurden.“

„Die wussten, dass jemand hier auftaucht“, bemerkte Isam. „Das kann doch unmöglich ein Zufall sein. Wenige Tage, bevor der Verband hierher entsandt wird, errichtet der Imperator einen Horchposten im System? Aber den Planeten fliegt er nicht an.“

Er gab Izzy ein Zeichen.

„Lieutenant Steinbeck“, wandte sie sich an Shannon, die Navigatorin. „Setzen Sie einen Kurs zum Rand des Kuipergürtels.“

„Aye, Ma’am. Ich muss allerdings mit äußerster Vorsicht navigieren. Da wir hier auf eine feindliche Station gestoßen sind, könnte es Minen oder andere böse Überraschungen geben.“

„Gehen Sie nach eigenem Ermessen vor“, sagte Izzy.

Bereits eine Stunde später erwies sich, dass die Vorsicht begründet war. Sie fanden die Trümmer der Satelliten, die im Verlauf der Erkundung zurück an den Rand geschickt worden waren, um der HYPERION einen Statusbericht zu übermitteln.

„Cross hat also bisher nichts von uns gehört“, fluchte Isam. „Er muss davon ausgehen, dass wir in Schwierigkeiten stecken. Oder ich nach der Konfrontation sauer auf ihn bin.“

Eine weitere Stunde später erreichten sie den Rand des Gürtels.

Die Sensoren streckten ihre Fühler nach dem Verband aus. Warnmeldungen leuchteten auf den Konsolen auf, als sie die Flotte des Imperiums bemerkten, die an verschiedenen Stellen in das NORTHSTAR-System einflog. Der HYPERION-Verband saß in der Falle.

In diesem Augenblick explodierten die Überlichtplattformen in lautlosen Explosionen, zerstört durch Laserlafetten-Torpedos.

„Das alles war geplant“, flüsterte Isam.

Izzy nickte schweigend.

 

*

 

Interlink-Kreuzer HYPERION, Im Northstar-System, Krankenstation, 03. Mai 2268, 11:55

 

Der Glaszylinder reichte vom Boden bis zur Decke. Im Inneren schwebte eine Projektion des Körpers von Sheila Westen – der einen Hälfte der Tachyonen-Einheit. Das Abbild war bedeckt von rot leuchtenden Warnicons, die einen Zusammenbruch des Nervensystems, multiples Organversagen und einen Zerfall der Nanofäden der bioneuralen Tattoos verkündeten.

Doktor Irina Petrova blendete ihren Stellvertreter aus, der sich um Lieutenant Commander Cameron Covington, die andere Hälfte der T-Einheit kümmerte. Es ging um Sekunden.

Sie ließ die Mischeinheit einen Nanostamm generieren, der den Zerfall der Fäden des Tattoos aufhalten konnte. Gleichzeitig schleuste sie winzige Mineraldepots in Sheilas Körper ein, aus denen die Naniten die bereits diffundierten Fädenfragmente wieder herzustellen vermochten.

Die medizinische K.I. verabreichte selbstständig ein kreislaufstabilisierendes Medikament. Petrova erkannte auch, dass das Gewebe von Herz, Niere und Lunge geschädigt war. Segregiertes Nanomaterial der Fäden hatte außerdem die Blut-Hirn-Schranke überwunden und das neurale Hirngewebe korrumpiert.

Während sich das organische Gewebe durch ein Nanoreplikat reparieren ließ, stellte das Hirn ein Problem dar. Petrova wusste nicht, welche Veränderungen Doktor Sikura Shima – die wahninnige Genetikerin – noch an den beiden Menschen vorgenommen hatte. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass das Einschleusen von weiterem Nanomaterial die Schäden vergrößerte.

„Er stirbt mir unter den Händen weg“, sagte ihr Stellvertreter. Wütend verabreichte er eine Injektion. „Ich kann nur die Auswirkungen beheben, aber die Ursache ... Verdammt noch mal!“

„Diese beiden Personen sind die größte Hoffnung der Menschheit, mit den Ash’Gul’Kon fertig zu werden. Sie und ich entscheiden gerade über das Schicksal der Milchstraße.“ Petrova wusste, die Worte waren hoch gegriffen. Andererseits entsprach jeder Buchstabe der Wahrheit.

In der Projektionsröhre verschwanden diverse Warnicons. Einzig jene, die den Status der Hirnregion wiedergaben, blieben aktiviert. Irina erkannte mit neu erwachendem Entsetzen, dass sich die neuralen Bahnen destabilisierten. Die Persönlichkeiten der beiden Menschen standen kurz davor zu sterben, was die Körper auf seelenlose Hüllen reduziert hätte.

Das darf nicht sein! „CARA“, rief Irina, „bereite zwei Operationssäle vor. Wir müssen die korrumpierten Nanomaterialien entfernen.“

„Natürlich, Irina“, bestätigte die Schiffs-K.I. sofort.

Der Kampf ging weiter.

 

*

 

Commodore Jayden Cross saß im Sitz des Kommandanten und starrte mit undurchdringlicher Miene auf die Taktiksphäre. Während in der zentralen Holosphäre das Führungsschiff der angreifenden Flotte durch die Übertragung der Bugkamera zu sehen war, wimmelte es in der Taktiksphäre von farbigen Markierungen.

„Wer auch immer auf der anderen Seite die einzelnen Verbände der Feindflotte befehligt“, sagte Commander Lukas Akoskin, „weiß, was er oder sie tut. Die Verbände bestehen aus jeweils vier bis sechs Leichten Kreuzern mit hoher Sublichtgeschwindigkeit. Diese Schiffe sind so stationiert, dass sie eine Kugelschale bilden. Welchen Vektor wir auch nehmen, die Überlichtplattformen erkennen es, worauf sich ein Verband auf einen Abfangvektor begibt. Ein zweiter Verband schiebt sich dann auf der äußeren Schale ebenfalls auf uns zu.“

Der Taktik- und Waffenoffizier deutete bei seinen Worten auf die Taktiksphäre, markierte verschiedene Vektoren, die verdeutlichen sollten, wie aussichtslos die Lage war. Mit seinen breiten Schultern, dem dunklen Haar und der Stärke im Blick wirkte er normalerweise wie ein Anker. Nichts konnte ihn erschüttern. Heute wirkte er beunruhigt.

„Erreichen wir also den Systemrand, werden wir in die Zange genommen. Was wir auch tun, keines unserer Schiffe erreicht rechtzeitig 0,45 LG, um in den Interlinkflug oder Phasenraum zu wechseln.“

„Wenn wir den Verband aufteilen ...“ Ishida unterbrach sich selbst. Jayden fiel auf, wie müde seine sonst so energiegeladene I.O. wirkte. „Vergessen Sie das. Die würden jedes Schiff erreichen und aufreiben.“

Jayden wandte sich an den Navigator. „Commander Task, haben Sie eine kreative Lösung für uns?“

Schlagartig breitete sich Schweigen aus. Alle Offiziere blickten von ihren rund um die Holosphäre angeordneten Konsolen auf und starrten den Navigationsoffizier an. Der schlanke Mann mit dem kurzen dunkelblonden Haar schaute verwirrt drein, als habe man ihn aus tiefster Konzentration gerissen.

Jeder wusste, dass Task aufgrund einer Erkrankung an multisensorischem Input litt – zumindest wurde es umgangssprachlich so ausgedrückt. Sein Gehirn war nicht in der Lage, die eingehenden Signale – Sehen, Hören, Riechen, Tasten, Schmecken – zu priorisieren. Alles wurde quasi-gleichzeitig verarbeitet. Es kostete ihn unglaubliche Konzentration, seine Gedanken nicht ständig abschweifen zu lassen. Allerdings war es auch genau diese Eigenschaft, die ihn zu einem perfekten Navigator machte, denn in jeder Sekunde beschäftigte er sich gedanklich damit, Vektoren für diverse Szenarien zu entwerfen. Falls es einen Ausweg gab, den sie alle übersehen hatten, würde er ihn zweifellos entdeckt haben.

„Es tut mir leid, Sir“, sagte er jetzt auf Jaydens Frage hin. „Aber in der aktuellen Konstellation gibt es keinen Fluchtvektor. Diese Falle wurde ausgezeichnet vorbereitet.“

Lieutenant Commander Jane Winton nickte bedächtig. Sie hatte sich gar nicht auf der Kommandobrücke befunden, als Alarm gegeben wurde. Erst wenige Minuten zuvor war sie hereingestürmt, hatte ihren Platz eingenommen und die Daten geprüft. Das erklärte auch, warum die hochgewachsene grazile, ja elegante Frau nicht wie aus dem Ei gepellt, sondern eher zerrupft aussah. Ihr weißblondes schulterlanges Haar fiel ihr in Strähnen in die Stirn. „Absolut. Das ist eine Schalenformation wie aus dem Lehrbuch. Flexible kleine Einheiten, um den Feind abzufangen. Große Einheiten – Schwere Kreuzer und Dreadnoughts – warten am Systemrand, um zuzuschlagen. Der Imperator hat irgendwie davon erfahren, dass wir hier sein werden. Die Anwesenheit des imperialen Flaggschiffes deutet ebenfalls darauf hin.“

Sie zeigte auf die EMPIRE in der Holosphäre. Sie war kein Teil der Abfangverbände, sondern hatte – mit zwei Leichten Kreuzern – in der Nähe von NORTHSTAR VIII Position bezogen.

„Dieser dämliche Mistkerl“, sagte Sarah McCall leise. Sie saß auf dem Sitz neben Ishida, der für L.I. Lorencia, die Doktoren Tauser und Petrova oder die Frau aus der Zukunft reserviert war.

„Wir benötigen mehr Zeit.“ Jayden spielte in Gedanken bereits diverse Szenarien durch, die wenigstens den Hauch einer Erfolgsaussicht boten. „Commander Task, halten Sie das Schiff ständig in Bewegung. Vektorwechsel nach eigenem Ermessen.“

„Aye, Sir.“

„Commander Larik, haben wir immer noch keinen Kontakt zur NOVA-Station?“

„Negativ, Sir.“ Der Marsianer wirkte ebenfalls müde, wenn auch auf andere Art als Winton. Täuschte sich Jayden, oder war das Augenbrauentattoo des Mannes gerötet?

Eine Gänsehaut kroch seinen Rücken empor. Auf dem Schiff von Doktor Sakura Shima hatte er sich ein von der Genetikerin geschaffenes bioneurales Tattoo injiziert. Seitdem konnte er sich über Kontaktpods mit Computern verbinden. Gleichzeitig war sein Körper nun von Nanofäden durchzogen.

Ausgerechnet er, der künstliche Erweiterungen des menschlichen Körpers, genetisches Design und bionische Implantate verabscheute, war in eine Situation geraten, in der er keine Wahl gehabt hatte, sich ein solches zuzulegen.

Lariks Tattoo fiel ebenfalls in diese Rubrik. Es war nicht nur das Symbol für seine Familie – die er verabscheute – sondern auch ein Zugriffsschlüssel zu einem Erinnerungsspeicher, über die Larik Informationen aus der eigenen Kindheit und dem Leben seiner Vorfahren abrufen konnte.

„Commander Winton, wie steht es um unseren Verband?“

„Die Alpha-Flotte hat sich eingegliedert und weist kaum Beschädigungen auf. Um die IONE KARTESS, die IKARUS und uns steht es da deutlich schlechter. Die LU der Rentalianer hat ebenfalls ordentlich etwas abbekommen. Alle Schäden können grundsätzlich aus Bordmitteln behoben werden, aber das benötigt Zeit.“

„Commander Larik“, sagte Jayden. „Geben Sie über das Verbandsnetz bekannt, dass die Reparaturen der Offensiv- und Defensivsysteme oberste Priorität genießen.“

„Aye, Sir.“

„Gibt es etwas Neues von der SJÖBERGS UNTERGANG?“

Der Marsianer schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Sir.“

Er wechselte einen kurzen Blick mit Ishida. „Wenigstens ist Isam aus der Schusslinie. Möglicherweise haben die den feindlichen Verband früher bemerkt, konnten uns aber nicht mehr warnen. Ich wüsste zu gerne, was der Kommandant dort drüben weiter plant.“

Seine I.O. nickte. „Theoretisch könnten wir innerhalb des Systems wochenlang auf verschiedenen Vektoren jedem Feind entkommen. Wir sind eine Ameise auf dem Mond von Terra, die von anderen Ameisen verfolgt wird. Aber wir können den Mond nicht verlassen. Bedauerlicherweise wird sich der Admiral auf der EMPIRE etwas bei der Sache gedacht haben.“

„Wer blinzelt zuerst“, sagte Jayden leise. Er fragte sich unweigerlich, ob Sjöberg selbst an Bord war. Laut Geheimdienstberichten hatte der Imperator ihr letztes Zusammentreffen überlebt, wenn auch schwer verletzt.

Mit zusammengekniffenen Augen studierte er das Bild der EMPIRE. Wer war ihr Feind? Wer befehligte diesen gigantischen Verband?

 

*

 

An Bord der EMPIRE