Bloom, Penelope His Banana – Verbotene Früchte

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© Penelope Bloom 2018
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»His Banana«, Amazon Digital Services LLC, 2018
© der deutschsprachigen Ausgabe:
Piper Verlag GmbH, München 2019
Redaktion: Martina Schwarz
Covergestaltung: zero-media.net, München
nach einem Entwurf von Penelope Bloom
Covermotiv: Penelope Bloom

 

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EINS

Natasha

 

Ich habe das Zuspätkommen zur Kunstform erhoben. Unglückliche Momente der Tollpatschigkeit sind mein Pinsel und New York City meine Leinwand. Einmal bin ich nicht bei der Arbeit erschienen, weil ich fest davon überzeugt war, ich hätte im Lotto gewonnen. Dann stellte sich heraus, dass ich mir die Zahlen der letzten Woche angesehen hatte. Dummerweise hatte ich meinem Chef auf dem Weg zum Geldabholen schon eine Nachricht geschrieben und ihm mitgeteilt, dass ich es auf meiner Mega-Jacht nie wieder nötig haben würde, ein »Dafür hätte auch eine E-Mail gereicht«-Meeting zu besuchen, und dass mich stattdessen ab jetzt schöne, braun gebrannte Männer von Hand mit Trauben füttern würden. Mein Chef hat die E-Mail tatsächlich ausgedruckt, eingerahmt und im Büro aufgehängt, und das Einzige, was mir an diesem Abend von Hand gefüttert wurde, war altes Popcorn – von mir selbst.

Dann war da dieses eine Mal, als ich am Abend vor einem Arbeitstag Marley & Ich geschaut habe und selbst am nächsten Morgen einfach nicht lange genug zu weinen aufhören konnte, um mich anständig zurechtzumachen. Immer wieder passierte es mir, dass ich in die falschen Züge einstieg oder dreißig Minuten lang nach dem Schlüssel für das Auto suchte, das ich gar nicht mehr besaß, und einmal habe ich sogar ein Abendessen mit meiner besten Freundin verpasst, weil mein Hund einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte.

Jep. Ich war nicht stolz darauf, aber ich war sozusagen eine wandelnde Katastrophe. Okay. Mehr als nur sozusagen. Ich war ein Chaosmagnet. Wenn es einen Knopf gab, den man unter keinen Umständen jemals drücken sollte, eine unschätzbar kostbare Vase, an die man nicht stoßen durfte, einen herzinfarktgefährdeten alten Mann, den man besser nicht erschreckte, oder irgendetwas anderes, das man auf keinen Fall in den Sand setzen sollte, war ich wirklich die letzte Person, die man in der Nähe haben wollte. Aber hey, ich war eine verdammt gute Journalistin. Die Tatsache, dass ich immer noch einen Job hatte, war der beste Beweis dafür. Natürlich bewiesen die furchtbaren Aufträge, die ich für gewöhnlich bekam, auch, dass ich dauerhaft und für immer auf der Abschussliste stand. Es fällt schwer, beruflich voranzukommen, wenn man sich ständig aus Versehen selbst ins Knie schießt – egal, wie gut die Storys auch sein mochten, die man schrieb.

»Wach auf«, sagte ich, als ich meinen Bruder in die Rippen trat. Braeden stöhnte und rollte sich auf die Seite. Er feierte nächste Woche seinen dreißigsten Geburtstag und wohnte noch immer bei unseren Eltern. Deren einzige Bedingung dafür lautete, dass er bei der Hausarbeit half, was er natürlich nie tat, weshalb sie ab und zu die leere Drohung ausstießen, ihn vor die Tür zu setzen. Er schlief dann immer ein oder zwei Tage lang auf dem Boden meines winzigen Apartments, bis sie sich beruhigt hatten, und dann war ich ihn wieder los.

Wenn ich ein funktionaler Chaosmagnet war, war Braeden mein dysfunktionales Gegenstück. Er besaß dieselbe genetische Veranlagung zur Selbstsabotage, allerdings ohne die nötige Beharrlichkeit, um seine Fehler wieder in Ordnung zu bringen. Das Ergebnis war ein Neunundzwanzigjähriger, dessen vorrangiges Hobby es war, Pokémon Go auf seinem Handy zu spielen. Hin und wieder jobbte er ein paar Stunden bei der Stadt als »Hygienebeamter«, was letztendlich bedeutete, dass er für den Mindestlohn Müll einsammelte.

»Die Sonne ist noch nicht mal aufgegangen«, stöhnte er.

»Na ja, mag sein. Auf jeden Fall ist dein zweitägiges Asyl abgelaufen, B. Du musst die Dinge mit Mom und Dad in Ordnung bringen, damit ich meinen Schuhkarton endlich wieder für mich allein habe.«

»Mal schauen. Es gibt da ein Pokémon, das ich noch fangen will, während ich in der Innenstadt bin. Vielleicht danach.«

Ich warf mir meine Jacke über, entschied mich für zwei unterschiedliche Schuhe – einer dunkelbraun und einer marineblau –, weil mir einfach die Zeit fehlte, noch länger zu suchen, und schlich dann durch den Flur vor meinem Apartment. Meine Vermieterin wohnte in der Wohnung gegenüber und ließ sich gewöhnlich keine Gelegenheit entgehen, mich daran zu erinnern, wie viel Geld ich ihr schuldete.

Ja, ich zahlte meine Miete. Irgendwann. Meine jämmerlichen Aufträge gehörten natürlich nicht gerade zu den bestbezahlten Jobs des Magazins, also musste ich manchmal auch zuerst andere Rechnungen begleichen. Wie zum Beispiel die Stromrechnung. Wenn ich mich richtig mutig fühlte, kaufte ich manchmal sogar Nahrungsmittel. Meine Eltern waren nicht gerade reich, aber sie arbeiteten beide als Lehrer und verdienten genug Geld, um mir im Notfall etwas zu leihen. Ich war nicht zu stolz, sie darum zu bitten … aber ich wollte auch nicht, dass sie sich Sorgen um mich machten, also hatte ich Braeden zu Verschwiegenheit über die Leere in meinem Kühlschrank und in meiner Vorratskammer verpflichtet. Ich würde bald auf die Beine kommen, also war es sinnlos, eine große Sache daraus zu machen.

In New York zu leben war nicht billig, aber ich hätte es gegen nichts auf der Welt eingetauscht. Wenn es eine Stadt gab, die meine persönliche Variante von Chaos verstand, dann war das New York. Bei den Tausenden von Leuten, die rund um die Uhr die Straßen der Stadt verstopften, konnte ich gar nicht anders, als mit der Menge zu verschmelzen, egal, wie chaotisch ich auch aussah oder welche Farbe meine Schuhe hatten.

Ich genoss die Fahrt zur Arbeit, selbst an den Tagen, an denen ich so spät dran war, dass ich einfach wusste, dass ich bei meiner Ankunft sofort zusammengestaucht werden würde.

Das Büro, in dem ich arbeitete, war – um es vorsichtig auszudrücken – minimalistisch ausgestattet. Unsere Schreibtische bestanden aus Pressspanplatten mit einer Schicht abblätternder grauer Farbe darüber. Die Wände waren dünn und ließen jedes Geräusch von der Straße herein. Viele unserer Computer gehörten noch zu der alten, kantigen Sorte, bei der der Monitor gute fünfzehn Kilo wiegt und so groß ist wie ein dickes Kleinkind. Der Zeitungsjournalismus starb gerade eines hässlichen Todes, und mein Arbeitsplatz machte kein Geheimnis daraus. Die einzigen Leute, die sich noch in der Branche tummelten, waren diejenigen, die zu dumm waren, Lunte zu riechen, oder diejenigen, die zu sentimental waren, um sich darum zu kümmern. Ich bildete mir gerne ein, dass ich eine Mischung aus beidem war.

Sobald ich ankam, stürmte Hank aus seinem Eckbüro – eigentlich ein Schreibtisch, der genauso aussah wie unsere, nur dass seiner in einer Ecke des großen Raums stand, den wir uns alle teilten – auf mich zu. Er war unser Redakteur und so ziemlich die einzige Person aus der oberen Riege, mit der ich je persönlich zu tun hatte. Es gab natürlich noch Mr Weinstead, aber der beschäftigte sich nicht mit der täglichen Routinearbeit. Er stellte nur sicher, dass es genug Anzeigenkunden für unser Magazin gab und irgendwer die Miete für den kleinen Teil des Hochhauses zahlte, den wir unser Büro nannten.

Meine beste Freundin, Candace, wedelte mit den Armen und riss bedeutungsvoll die Augen auf, als Hank näher kam. Ich ging davon aus, dass das ihr Versuch war, mich zu warnen … auch wenn ich mir nicht sicher war, was ich ihrer Meinung nach dagegen tun sollte, wenn Hank vorhatte, mir den nächsten Mistauftrag in den Schoß zu werfen.

Hank musterte mich von Kopf bis Fuß, wie er es immer tat. Er hatte buschige Augenbrauen, die gespenstisch an seinen Schnurrbart erinnerten – beziehungsweise es aussehen ließen, als hätte er eine dritte Augenbraue auf der Oberlippe oder vielleicht zwei zusätzliche Schnurrbärte über den Augen. Ich hatte mich in diesem Punkt bisher nie entscheiden können. Er war grau an den Schläfen, besaß aber trotzdem noch die nervöse Energie eines jungen Mannes.

»Heute mal pünktlich?«, blaffte er. Es klang fast anklagend, so, als versuche er herauszufinden, was ich plante.

»Ja?«

»Gut. Vielleicht werde ich dich heute nicht feuern.«

»Du drohst mir schon damit, mich rauszuwerfen, seitdem ich hier angefangen habe. Und das ist jetzt … was? … zwei Jahre her? Gib es einfach zu, Hank: Du kannst den Gedanken nicht ertragen, mein Talent zu verlieren.«

Candace, die uns von ihrem Schreibtisch aus belauschte, steckte sich den Finger in den Mund und tat so, als müsste sie würgen. Ich bemühte mich, nicht zu grinsen, weil ich genau wusste, dass Hank gute Laune erschnüffeln konnte wie ein Bluthund und alles in seiner Macht Stehende tun würde, um dagegen vorzugehen.

Hank senkte genervt seine Schnurrbärte – oder Augenbrauen. »Ich werde nur zugeben, dass ich es genieße, jemanden zu haben, dem ich all die Aufträge aufs Auge drücken kann, die sonst niemand haben will. Und wo wir gerade davon reden …«

»Lass mich raten. Du willst mich den Chef eines Müllentsorgungsunternehmens interviewen lassen. Nein, warte. Vielleicht geht es eher um den Kerl, dem die Firma gehört, die für einen geringen monatlichen Betrag die Hundekacke vor der Haustür einsammelt. Bin ich nah dran?«

»Nein«, knurrte Hank. »Du wirst dich als Praktikantin bei Galleon Enterprises einschleichen. Das ist …«

»Eine erstklassige Marketing-Firma. Ich weiß«, antwortete ich. »Du magst mir ständig die Mist-Aufträge zuschustern, aber ob du es nun glaubst oder nicht, ich bin immer auf dem neuesten Stand, was die aktuellen Entwicklungen in der Geschäftswelt angeht«, verkündete ich stolz. Schließlich stimmte das. Alle hier konnten mich gerne für eine Witzfigur halten oder zur Zielscheibe machen – und manchmal war es sogar leichter, das Spiel einfach mitzuspielen –, aber am Ende des Tages war ich Journalistin und nahm meinen Job ernst. Ich las die Leitartikel. Ich behielt den Aktienmarkt im Blick, um das nächste große Ding in der Geschäftswelt vorauszusehen, und ich las sogar regelmäßig mehrere Blogs über Journalismus und Schreibstil, um meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln.

»Du wirst alles tun, was nötig ist, um Schmutz über Bruce Chamberson auszugraben.«

»Welche Art von Schmutz?«

»Wenn ich das wüsste, müsste ich dich dann losschicken?«

»Hank … Das klingt verdächtig nach einem guten Auftrag. Habe ich irgendetwas verpasst?«

Zur Abwechslung wurde seine Miene weich, wenn auch nur für einen winzigen Augenblick. »Ich gebe dir eine Chance, mir zu beweisen, dass du kein totaler Reinfall bist. Aber fürs Protokoll, ich rechne damit, dass du jämmerlich versagst.«

Ich biss die Zähne zusammen. »Ich werde dich nicht enttäuschen.«

Er starrte mich ein paar Sekunden lang an, als wäre ich eine Idiotin, bis mir klar wurde, dass er gerade erklärt hatte, er rechne damit, dass ich versage.

»Du weißt, was ich gemeint habe«, stöhnte ich, bevor ich zu Candace’ Schreibtisch ging.

Sie beugte sich breit grinsend vor. Candace war ungefähr in meinem Alter. Fünfundzwanzig, vielleicht ein wenig jünger. Ich hatte sie vor zwei Jahren kennengelernt, als ich angefangen hatte, für Hank und Business Insights zu arbeiten. Ihr blondes Haar war jungenhaft kurz geschnitten, aber mit ihrem hübschen Gesicht und den riesigen blauen Augen konnte sie den Look problemlos tragen. »Galleon Enterprises?«, meinte sie. »Die stehen auf der Fortune-500-Liste, dessen bist du dir bewusst, oder?«

»Glaubst du, es wäre okay, wenn ich mich jetzt nass mache, oder sollte ich lieber warten, bis mir niemand zuschaut?«, fragte ich.

Candace zuckte mit den Achseln. »Wenn du auf Jacksons Schreibtisch pinkelst, werde ich dich decken. Ich glaube, er ist derjenige, der ständig meine Joghurts aus dem Kühlschrank klaut.«

»Ich bin nicht deine persönliche Biowaffe, Candace.«

»Galleon Enterprises«, wiederholte sie nachdenklich. »Du hast schon mal Bilder von dem CEO, Bruce Chamberson, und seinem Bruder gesehen, richtig?«

»Sollte ich das?«

»Nur, wenn du auf atemberaubende Zwillinge stehst, die jedes Höschen zum Schmelzen bringen.«

»Okay. Igitt. Ich glaube, wenn heiße Kerle dein Höschen zum Schmelzen bringen, solltest du mal zum Arzt gehen.«

»Ich will damit nur sagen: Behaupte nicht, ich hätte dich nicht gewarnt, dass du besser hitzebeständige Höschen kaufen solltest, bevor du anfängst, dort zu arbeiten.«

Ich kniff die Augen zusammen. »Bitte sag mir, dass es so was nicht wirklich gibt.«

Sie starrte mich an, den Mund ungläubig verzogen. »Komm schon, Nat. Was glaubst du denn, was Astronautinnen tragen?«

Wie gewöhnlich blieb ich nach dem Gespräch mit Candace verwirrt, benebelt und ein wenig verstört zurück. Aber ich mochte sie. Ich hatte keine Zeit für traditionelle Freundschaften – die Art von Freundschaften, die laut den meisten Sitcoms fast jeder führt. Wenn man den Serien glaubt, könnte man meinen, der durchschnittliche Erwachsene würde neunzig bis fünfundneunzig Prozent seines Lebens damit zubringen, entweder mit Freunden abzuhängen oder zu arbeiten. Wobei die ganze Sache mit der Arbeit gewöhnlich auch nur als Anlass dient, um Zeit mit Freunden zu verbringen.

Vielleicht lag es ja an mir, aber mein Leben bestand eher aus fünf Prozent Freunden, sechzig Prozent Arbeit und fünfunddreißig Prozent Sorgen um die Arbeit. Oh, und zehn Prozent Schlaf. Ja, ich weiß, dass das mehr als hundert Prozent ergibt, und es ist mir egal. Der Punkt ist, dass mein Leben keine Sitcom war. Sondern eine Menge Einsamkeit mit einer gesunden Dosis Angst, dass ich als Obdachlose enden könnte … oder noch schlimmer, gezwungen sein könnte, wegzuziehen und meinen Traum aufzugeben. Und am schlimmsten war die am Horizont lauernde Gefahr, dass ich wie Braeden werden könnte. Ich würde in meinem alten Kinderzimmer wohnen mit den Klebestreifenresten an den Wänden, wo früher meine Poster von One Direction und Twilight gehangen hatten.

Meine Freundschaft mit Candace bot mir ein kleines Stück von dem Leben, das ich mir wünschte, und sie war ein Mensch, für den ich gerne mehr Zeit gehabt hätte … also nahm ich die vage Verwirrung bereitwillig in Kauf, die mich jedes Mal befiel, wenn ich mich mit ihr unterhielt.

Sobald ich an meinem Schreibtisch saß, drang endlich die wahre Bedeutung meines Auftrages zu mir durch. Candace konnte so viele Witze reißen, wie sie wollte, aber nach zwei Jahren bekam ich endlich die Chance, mich zu beweisen. Ich konnte eine tolle Story schreiben. Ich konnte zeigen, dass ich einen besseren Job verdient hatte – besser bezahlte Aufträge. Und diesmal würde ich die Sache nicht in den Sand setzen.

ZWEI

Bruce

 

Alles hat seinen Platz, und alles ist an seinem Platz. Das waren die Worte, nach denen ich lebte. Mein Mantra.

Ich begann meinen Tag wie immer um exakt fünf Uhr dreißig. Keine Schlummertaste. Ich ging fünf Meilen Joggen, verbrachte genau zwanzig Minuten im Fitnessstudio und fuhr dann für eine kalte Dusche mit dem Lift zurück in mein Penthouse. Mein Frühstück bestand aus zwei gekochten Eiern, drei Eiweiß, einer Schüssel Haferflocken und einer Handvoll Mandeln, die ich einzeln aß, nach allem anderen. Meine Arbeitskleidung hatte ich mir bereits am Abend vorher herausgelegt: schwarzer, maßgeschneiderter Anzug mit grauem Hemd und roter Krawatte.

Ich mochte Ordnung. Ich mochte Struktur. Das war das Prinzip hinter meinem Geschäftsmodell und einer der wichtigsten Faktoren meines Erfolges. Leistung entspringt einer einfachen Formel: Man muss herausfinden, welche Schritte nötig sind, um ein Ziel zu erreichen, und diese Schritte dann konsequent umsetzen. Fast jeder kann die nötigen Schritte erkennen, aber nicht viele besitzen die Selbstdisziplin, um alles genau auf die richtige Weise zu realisieren.

Ich schon.

Vor zwei Jahren hatte ich eine hässliche, komplizierte Trennung durchgestanden. Vielleicht war das der Grund, warum ich es in letzter Zeit einfacher fand, mich auf die Routine zu konzentrieren. Vielleicht wurde ich sogar jeden Tag abhängiger von meiner Routine … aber ehrlich, das interessierte mich nicht. Ich vergrub mich nur zu gern in Arbeit, wenn das bedeutete, alles zu vergessen. Ich hätte bereitwillig jeden von mir gestoßen, wenn ich dafür nie wieder einen solchen Schmerz empfinden musste.

Um genau sieben Uhr morgens ließ ich mich von meinem Fahrer abholen und ins Büro bringen. Ich arbeitete in einem achtzehnstöckigen Gebäude in der Innenstadt. Mein Zwillingsbruder und ich hatten es vor fünf Jahren gekauft, ein Stockwerk nach dem anderen. Unser erstes Ziel hatte gelautet, in New York Fuß zu fassen. Das hat uns ein Jahr gekostet. Unser nächstes Ziel war es, ein Büro in dem Haus zu beziehen, das einmal das Greenridge-Gebäude gewesen war – ein moderner Monolith aus Glas und Granit im Zentrum. Das hatte zwei Monate gedauert. Irgendwann wollten wir das ganze Haus besitzen. Das hatte weitere fünf Jahre gedauert.

Aber wir hatten es geschafft.

Ich zog mein Handy heraus und wählte die Nummer meines Bruders William. Als er abhob, klang seine Stimme verschlafen. »Was zum Teufel?«, stöhnte er.

Ich fühlte, wie sich mein Pulsschlag beschleunigte. Wir mochten quasi identisch aussehen, doch unsere Persönlichkeiten hätten nicht unterschiedlicher sein können. William sprang jede Woche mit einer anderen Frau ins Bett. Er verschlief ständig und kam deswegen nicht ins Büro. Er war schon mit Lippenstiftflecken auf dem Hals und den Ohrläppchen aufgetaucht oder mit aus der Hose hängendem Hemd. Wäre er irgendwer anders gewesen, hätte ich ihn wahrscheinlich bei unserer ersten Begegnung gefeuert.

Unglücklicherweise war er mein Bruder. Ebenfalls unglücklicherweise hatte er denselben Geschäftssinn wie ich und war trotz seines Mangels an Professionalität unersetzlich bei Galleon Enterprises.

»Ich brauche dich hier«, sagte ich. »Heute müssen wir uns für einen Praktikanten für das Publicity-Stück entscheiden.«

Es folgte eine lange Pause. Lang genug, um mir zu verraten, dass er keine Ahnung hatte, wovon ich sprach.

»Die Praktikanten? Die anzustellen du vorgeschlagen hast? Diejenigen, die alles, was wir ihnen zeigen, in sich aufsaugen sollen, um dann unseren ›diamantbesetzten Müll vor die Presse zu kotzen‹? Ich nehme an, du erinnerst dich nicht, das gesagt zu haben?«

William stöhnte. Gleichzeitig meinte ich, eine leise Frauenstimme im Hintergrund zu hören. »Im Moment erinnere ich mich tatsächlich nicht. Sobald ich einen guten Liter Koffein in meinen Adern habe, könnte es vielleicht klingeln.«

»Schaff einfach deinen Hintern ins Büro. Ich werde nicht den gesamten Vormittag damit verbringen, allein die Vorstellungsgespräche mit deinen Praktikanten zu führen.«

 

Es war fast Mittag, und ich hatte den gesamten Vormittag damit verbracht, allein die Vorstellungsgespräche mit den Praktikanten zu führen. Ich sah auf die Uhr. Es war die Art von Uhr, die Navy SEALs trugen … was bedeutete, dass ich damit bis zu hundertfünfundzwanzig Meter tief tauchen konnte. Ich war mir nicht sicher, wann ich einmal spontan Tauchen gehen würde, aber ich fand es beruhigend, noch für die unwahrscheinlichsten Herausforderungen, die mir das Leben präsentieren konnte, vorbereitet zu sein. Ich hatte immer zwei Sets Wechselkleidung in meinem Büro und in meinem Wagen, sowohl Geschäftskleidung als auch Freizeitkleidung. Ich hatte mir von einem Ernährungsberater die perfekte Diät zusammenstellen lassen, damit ich während der Arbeit weder mit Leistungsschwäche noch mit Lethargie zu kämpfen hatte. Ich besaß sogar ein zusätzliches Handy mit all meinen Kontakten und Nummern als Back-up, falls mein Handy auf irgendeine Art verloren gehen sollte.

Jede Möglichkeit war abgedeckt. Keine Überraschungen. Keine Rückschläge. Und am wichtigsten: Ich machte denselben Fehler nie zweimal. Niemals.

Einer der neuesten Punkte auf meiner Liste, die verhinderte, dass ich Fehler wiederholte, lautete, mich von Beziehungen fernzuhalten. Sie waren den Ärger einfach nicht wert.

Ich hatte beschlossen, die Komplikationen, die der Umgang mit Frauen mit sich brachte, zu vermeiden und mich stattdessen auf die einfacheren Freuden des Lebens zu konzentrieren. Und wo wir gerade davon sprechen, im Pausenraum wartete eine Banane mit meinem Namen darauf auf mich – wortwörtlich. Ich hätte sie natürlich auch in meinem Schreibtisch aufbewahren können, doch ich nutzte die Chance gerne, um vor dem Mittagessen einmal kurz aufzustehen und mich etwas zu bewegen. Außerdem bedeutete es, dass ich mit meinen Angestellten interagieren konnte. Was wiederum vor allem bedeutete, ihnen dabei zuzuhören, wie sie mir in den Hintern krochen, aber ich wusste, dass es gut für die Moral war, mich ab und zu unter die Leute zu mischen. Die Menschen arbeiteten besser für jemanden, den sie mochten.

Ich dankte der sechsten Praktikantin, mit der ich gesprochen hatte, und stand auf, um sie aus dem Büro zu führen. Wie alle Bewerber vor ihr kam sie frisch vom College, war naiv und ängstlich. Ich hatte schon mit so etwas gerechnet, war mir aber nicht ganz sicher, nach welchen Kriterien William die Kandidaten auswählen wollte. Er suchte nach jemandem, der alles, was wir taten, so positiv wie möglich aufnahm – weil er vorhatte, Medien-Auftritte für die Praktikanten zu organisieren, sobald sie genug gelernt hatten. Er meinte, das sei kostenlose PR genau zum richtigen Zeitpunkt – kurz bevor wir unsere neueste Niederlassung in Pittsburg eröffneten.

Eine Werbe-Philosophie, die wir sehr ernst nahmen, lautete, dass man aus so vielen Richtungen wie möglich an eine Sache herangehen musste. Wir wollten nicht, dass unsere Klienten ihr gesamtes Geld in Radio- oder Fernsehwerbespots steckten. Wir wurden kreativ. Und unsere Praktikanten quasi in kostenlose Werbebanner zu verwandeln, war nur eine Facette dieser Strategie. Es ging dabei gar nicht so sehr ums Geld, sondern vielmehr darum, ein cleveres Spiel zu spielen … und wir liebten einfach beide die Herausforderung. Anders denken. Schneller handeln als alle anderen. Größere Risiken eingehen. Außerdem war das eine weitere Gelegenheit, potenziellen Kunden zu zeigen, wie innovativ und fantasievoll wir unser eigenes Geschäft vermarkteten. Denn wenn man will, dass die besten Firmen einen dafür bezahlen, dass man ihr Marketing macht … nun, dann sollte man besser selbst auch ein wirklich professionelles Marketing haben.

William und ich hatten uns immer gut ergänzt. Er drängte mich, geschäftlich größere Risiken einzugehen, als ich es von allein getan hätte, und ich bremste ihn ein, wenn er zu wagemutig wurde.

Ich schob meinen Stuhl zurück und trank den letzten Schluck Wasser aus meinem Glas.

Mein Magen knurrte, als ich an die Banane dachte, die auf mich wartete. Meine Diät beinhaltete nur wenig Zucker, daher hatten sich Bananen mit der Zeit zu den kulinarischen Höhepunkten meines Lebens entwickelt. Ich wusste, dass das lächerlich war, weswegen ich es auch niemals offen zugegeben hätte, aber die Banane, die ich vor dem Mittagessen aß, war oft das Highlight meines Tages. William behauptete, die Angestellten, die Angst vor mir hatten, hätten gelernt, sich aus dem Pausenraum fernzuhalten, solange meine Banane noch dort lag. Diejenigen, die darauf aus waren, sich bei mir einzuschleimen, versammelten sich dagegen darum, als wäre sie ein Köder.

Das Büro war sauber und modern. William und ich hatten für den Ausbau einen Innenarchitekten engagiert und dabei keine Kosten gescheut. Ein gutes, ansprechendes Design war mehr als Luxus – es gehörte zum Geschäftsmodell. Wir wollten nicht nur unsere Konkurrenten davon überzeugen, dass wir in jeder Hinsicht spitze waren, wir wollten auch, dass unsere Angestellten das spürten. Leute arbeiteten anders, wenn sie das Gefühl hatten, ganz oben zu stehen und sich anstrengen zu müssen, um dort zu bleiben.

Der Pausenraum war ein Glaskasten mit Blick auf einen Innenhof, in dem so gut wie jede Pflanze wuchs, die fähig war, innerhalb eines Gebäudes zu überleben.

In jedem Stockwerk arbeiteten ungefähr achtzig Angestellte, und ich hatte immer ein gutes Gedächtnis für Gesichter und Namen gehabt. Als ich also das Mädchen in dem marineblauen Bleistiftrock und der weißen Bluse nicht erkannte, wusste ich, dass sie eine der Bewerberinnen für den Praktikumsplatz war. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, doch eine Strähne hatten sie übersehen. Die Locke bewegte sich leicht im Luftstrom der Klimaanlage und erregte meine Aufmerksamkeit. Die Frau war hübsch, mit ausdrucksstarken, haselnussbraunen Augen, einem Mund, der aussah, als würde er oft verschmitzt grinsen und spitze Kommentare von sich geben, und ihr Körper wirkte, als achte sie gut auf sich.

Allerdings spielte nichts davon eine Rolle. Im Augenblick zählte nur, was sie in der Hand hielt.

Eine halb aufgegessene Banane, auf der mit Edding mein Name geschrieben stand. Gerade sah man davon allerdings nur die ordentlichen Buchstaben BRU, weil die geöffnete Schale den Rest der Schrift verbarg.

Es hielten sich noch vier andere Leute im Pausenraum auf. Alle hatten die Banane in ihrer Hand bemerkt und sich daher in die hinterste Ecke des Raums zurückgezogen. Sie beobachteten die Frau, als hielte sie eine entsicherte Handgranate. Gleichzeitig bemühten sie sich, unauffällig zu verschwinden, bevor die Explosion stattfand, von der sie wussten, dass sie drohte.

In diesem Moment bemerkte mich die junge Frau.

Ihre Augen wurden groß, und sie keuchte leise, was anscheinend dazu führte, dass ihr ein Stück Banane im Hals stecken blieb. Sie fing an zu husten.

Ich sah rot. Sie musste eine Praktikantin sein … und sie besaß die Dreistigkeit, meine Banane anzufassen? Sie zu essen? Als ich also neben sie trat, um ihr auf den Rücken zu schlagen, damit sie wieder Luft bekam, schlug ich vielleicht etwas fester zu als beabsichtigt.

Sie brummte, hustete ein letztes Mal und schluckte. Ihre Wangen liefen leuchtend rot an, als sie mich von oben bis unten musterte, bevor sie sich in einen der Stühle am Tisch fallen ließ, um wieder zu Atem zu kommen.

»Wissen Sie, wer ich bin?«, fragte ich, sobald sie sich von ihrem Erstickungsanfall erholt zu haben schien. Meine Kehle war wie zugeschnürt vor Wut und Empörung. Sie stellte einen kleinen Chaoswirbel in meinem Leben dar, eine Sabotage meiner Routine. Meine Instinkte schrien förmlich danach, sie so schnell wie möglich aus meinem Leben zu verbannen, wie ein gesunder Körper einen Virus angreift.

»Sie sind Bruce Chamberson«, antwortete sie.

Die halb aufgegessene Banane lag neben ihr auf dem Tisch. Ich deutete mit dem Finger darauf, bevor ich die Schale so zurückschob, dass sie meinen Namen auf der Seite lesen konnte.

Sie riss den Mund auf. »Oh! Es tut mir so leid, Mr Chamberson. Ich habe mein Mittagessen vergessen und Ihren Namen nicht gesehen, als ich mir die Banane genommen habe. Ich dachte, sie wäre für die Angestellten oder …«

»Eine Banane für die Angestellten?«, fragte ich trocken. »Sie dachten, Galleon Enterprises stellt seinen Angestellten eine einzelne, einsame Banane zur Verfügung?«

Sie hielt inne, schluckte schwer, dann schüttelte sie den Kopf. »O Gott«, meinte sie und sackte in ihrem Stuhl zusammen, als hätte alle Kraft ihren Körper verlassen. »Irgendetwas sagt mir, dass ich nach dieser Sache die Praktikumsstelle nicht bekommen werde.«

»Da liegen Sie falsch. Sie sind eingestellt. Ihre erste Aufgabe jeden Tag wird darin bestehen, mir eine Banane zu kaufen und in mein Büro zu bringen, nicht später als 10:30 Uhr.« Ich achtete sorgfältig darauf, mir meine Überraschung nicht anmerken zu lassen, obwohl mich eine Welle davon überrollte. Was zur Hölle tat ich da gerade? Diese Frau war attraktiv, und zwar nicht auf eine Weise, die ich einfach nur beiläufig bemerken konnte. Sie ließ irgendetwas in mir zum Leben erwachen. Ich hatte seit dem Ende meiner Beziehung mit Valerie kein bisschen sexuelles Verlangen mehr empfunden, aber diese Praktikantin änderte das gerade. Ich war nicht nur neugierig, wie sie wohl aussehen würde, wenn dieser Rock um ihre Hüften gerafft wäre … ich wollte auch wissen, ob sie im Bett laut oder leise war, ob sie ihre Fingernägel in meinen Rücken graben würde oder ob sie sich mir präsentieren würde wie ein Preis, den ich mir erst verdienen musste. Doch gleichzeitig wollte ich sie so schnell wie möglich loswerden. Sie war der Inbegriff von allem, was ich in meinem Leben vermied. Alles, was ich nicht wollte.

Sie runzelte verwirrt die Stirn. »Ich bin eingestellt?«, fragte sie.

Ich verdrängte meine Zweifel. Ich hatte ihr gerade vor allen Anwesenden mitgeteilt, dass sie den Job hatte, und ich wollte vor ihnen nicht wirken, als wäre ich total durchgeknallt. Ich musste das durchziehen. »Schauen Sie nicht so selbstzufrieden. Würde ich Sie mögen, würde ich Sie in die Wüste schicken. Sie werden sich noch wünschen, Sie hätten meine Banane nie angefasst, Praktikantin. Das verspreche ich Ihnen.«

DREI

Natasha

 

Ich ließ das Wasser über meinen Körper rinnen, ohne mich darum zu kümmern, dass es heiß genug war, um meine Haut zu verbrennen. Das lenkte mich zumindest von meinem neusten Patzer ab, der sich schnell zum größten meines Lebens entwickeln konnte. Ich wollte mich so dringend vor Hank beweisen, aber jetzt zweifelte ich daran, dass ich es wirklich schaffen würde, etwas Pikantes über Bruce Chamberson in Erfahrung zu bringen. Zugegeben, überhaupt angestellt zu werden, war schon eine große Hürde gewesen, von der ich mir im Vorfeld nicht sicher gewesen war, ob ich sie überwinden konnte, doch die Art, wie ich mir den Job gesichert hatte, hätte schlimmer nicht sein können.

Das Schlimmste war, dass ich mich jedes Mal zusammennehmen musste, um nicht in kindisches Kichern auszubrechen, wenn er von »seiner Banane« gesprochen hatte. Es war einfach lächerlich. Der Kerl sah aus wie ein Supermodel mit Eis in den Adern. Seine Stirn schien dauerhaft gerunzelt, seine Augen immer ein wenig zusammengekniffen, als hoffe er, wenn er nur böse genug dreinschaute, würden die Leute sich einfach in Luft auflösen. Mir waren fast die Knie weich geworden, als er den Pausenraum betreten hatte. Ich hatte brav über ihn recherchiert – so gut man mit einer Google-Suche eben recherchieren konnte –, doch die Bilder, die ich gefunden hatte, waren ihm nicht gerecht geworden. Bruce Chamberson war groß, aber nicht schlaksig. Er erinnerte auf fast unheimliche Weise an einen NBA-Spieler, mit perfekten männlichen Proportionen. Ultra-maskulin. Er besaß gerade ausreichend Muskelmasse, dass man sie auch unter seinem maßgeschneiderten Anzug erkennen konnte. Ich hatte mich noch nicht über seinen Bruder informiert, aber angeblich waren sie eineiige Zwillinge, so schwer das auch zu glauben war. Ich sollte keinen Schmutz über William Chamberson ausgraben. Nur über Bruce. Mit William würde ich mich dann beschäftigen, wenn es nötig werden sollte.

Aber Bruce … Er faszinierte mich unglaublich, und dabei schien es keine Rolle zu spielen, dass ich gleichzeitig das Gefühl hatte, er könne mich jeden Moment in einen Abgrund reißen.

Und sein Gesicht. Gott. Wäre er nicht so sehr damit beschäftigt gewesen, mich mit Blicken zu erdolchen, wäre ich wahrscheinlich einfach vor seinen Füßen dahingeschmolzen. Mein Überlebensinstinkt war das Einzige gewesen, was meine Lippen in Bewegung gehalten hatte. Er hatte ein Kinn, das kantig genug war, um sich daran zu verletzen, Augen wie blau glühende Kohlen und einen Mund, der für jemanden, der so steif war, viel zu sinnlich und einladend wirkte.

Er war wie ein wütender Roboter. Berichtigung. Ein wütender Sex-Roboter. Die Art von Roboter, die so gut aussah, dass es einen nicht interessierte, dass er eigentlich nur piepen und brummen konnte.

Ich stieß einen langen, dramatischen Seufzer aus und wusch mir die letzten Reste Spülung aus dem Haar, bevor ich mich abtrocknete und anfing, mich fertig zu machen. Ich musste pünktlich sein. Heute war mein erster Tag bei Galleon Enterprises, und mein Bauchgefühl sagte mir, dass ein Mann wie Bruce Chamberson keinerlei Geduld oder Verständnis für Verspätungen aufbrachte. Doch ich konnte nicht aufhören, an das Glitzern in seinen Augen zu denken, als er mir mitgeteilt hatte, dass ich es noch bereuen würde, seine Banane angefasst zu haben. Er hatte einen Witz gemacht, während er mich bedrohte … und ich konnte diese Tatsache einfach nicht mit der Vorstellung in Einklang bringen, dass er ein gefühlloser Roboter war – egal, wie sehr ich mich auch anstrengte.

In Bruce steckte mehr, als man auf Anhieb erkennen konnte, das war mal sicher.

 

Ich war zu spät. Ich hatte alles in meiner Macht Stehende getan, um pünktlich zu sein. Unter anderem hatte ich mir vorgenommen, die Bahn zu nehmen, mit der ich eine halbe Stunde zu früh bei Galleon Enterprises angekommen wäre. Ich hatte am Abend vorher sogar Braeden aus meiner Wohnung gescheucht und meinen Eltern eine Nachricht geschrieben, um sicherzustellen, dass er nicht schon in ein paar Stunden wieder auf meiner Türschwelle auftauchte. Natürlich hatte ich nicht die Zeit einberechnet, die ich brauchen würde, um den explosiven Dünnschiss zu entfernen, den meine französische Bulldogge Charlie in meiner Wohnung verteilt hatte. Er war sehr einfühlsam, und sein Darm reagierte auf Anspannung. Ich nahm an, dass er meine Nervosität bemerkt und aus reinem hündischen Mitgefühl meine Wohnung in ein Katastrophengebiet verwandelt hatte.

Als ich im obersten Stockwerk von Galleon aus dem Aufzug stieg, war ich sieben Minuten zu spät. Für meine Verhältnisse war das gar nicht schlecht. Bruce’ wütende Miene verriet mir allerdings sofort, dass er nach anderen Standards lebte.

»Sie kommen zu spät«, sagte er. Seine Stimme war tonlos, ausdrucklos.

»Es tut mir leid. Mein Hund …«

»Ich interessiere mich nicht für Ihre Ausreden. Die Zeit wird Ihnen vom Gehalt abgezogen.«

Ich hob eine Augenbraue. »Ich bin Praktikantin. Ich bekomme kein Gehalt.«

Er biss die Zähne zusammen, seine Augen wurden schmal.

Ups. Da mag es jemand nicht, korrigiert zu werden.

»Mein Büro. Sofort.«

Er stürmte davon, womit mir keine andere Möglichkeit blieb, als ihm mit bangem Herzen zu folgen. Mein dämlicher Mund hatte mich schon in Schwierigkeiten gebracht, als ich seine Banane gegessen hatte, und Bruce’ steifer Haltung und seinen schnellen Schritten nach war er noch nicht damit fertig. Irgendwann zwischen der Banane und heute Morgen hatte sich eine unkluge, schmutzige Fantasie in meinem Kopf eingenistet, daher musste ich ständig Bilder davon unterdrücken, wie Bruce mich in seinem Büro einschloss, um mich übers Knie zu legen und mir den Hintern zu versohlen. Vollkommen lächerlich. Ich stand nicht mal auf so was. Zugegeben, müsste man meine einzige sexuelle Erfahrung in einem Filmtitel ausdrücken, würde der Hauptpreis an denjenigen gehen, der sich für Fast and Furious entschied. Allerdings würde Fast and Disappointing besser passen, doch ich bezweifle, dass irgendwer in Hollywood diesem Titel grünes Licht gegeben hätte.

Ich kämpfte gegen den Drang, mir die Hände vor die Augen zu schlagen, während er mich in sein Büro führte. Ich war einmal in meinem Leben wegen einer Geschwindigkeitsübertretung angehalten worden und erinnerte mich noch genau an die Scham, als andere Autos vorbeifuhren und die Fahrer hämisch grinsend in mein Fenster starrten. Schön, dass es dich erwischt hat, diese Worte hatte ich damals in ihren Mienen gelesen, und dasselbe galt für die Situation jetzt.

Doch das hier war schlimmer. Viel schlimmer. Es war nicht nur mein Stolz, der durch den Schlamm gezogen wurde, als ich hinter Bruce herschlurfte wie ein trauriger, gescholtener Welpe, sondern auch die Chance, Hank zu beeindrucken. Jeder in dieser Firma stellte eine mögliche Informationsquelle dar … und je mehr sie mich als Witzfigur ansahen, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass ich von den Leuten hier etwas Nützliches erfahren würde.

Vorausgesetzt, ich würde nicht gefeuert, würde ich hier mehrere Wochen lang arbeiten. Vielleicht sogar Monate. So lange es eben dauerte, Schmutz über Bruce auszugraben. Und ehrlich, ich sehnte mich mit jeder Minute mehr nach diesem Schmutz. Ich wollte nicht nur herausfinden, ob er als Kapitän ein korruptes Schiff steuerte. Ich wollte auch wissen, warum er sich so sehr bemühte, alle davon zu überzeugen, dass er eine totale Spaßbremse war. Und zusätzlich wollte ich erfahren, wieso irgendwer bei Business Insights glaubte, dass Bruce irgendetwas Verdächtiges plante. Er schien auf den ersten Blick nicht gerade dem Bild eines zwielichtigen Geschäftsmannes zu entsprechen.

Er schloss die Tür zu seinem Büro und ließ die Jalousien herunter, sodass wir vor fremden Blicken geschützt waren.

»Ich muss Sie nicht daran erinnern, wie wichtig Pünktlichkeit ist, richtig?«, fragte er. Er ließ mich an der Tür stehen, ging zu seinem Schreibtisch und holte eine kleine Schachtel, mehrere Umschläge und ein Dokument aus einer Schublade, um alles vor mir auf die Schreibtischecke zu legen.