Herman Melville

Billy Budd
Vortoppmann auf der Indomitable

Für Jack Chase, den Engländer; wo immer er nun weilen mag, auf Erden oder im Paradies; Toppgast am Großmast auf der amerikanischen Fregatte »United States« im Jahre 1843.

Vorbemerkung

Das Jahr 1797, in welchem diese Geschichte spielt, eröffnete eine neue Epoche für die Welt und brachte für die Christenheit eine Krise herauf, von einer damals noch unabsehbaren Gewalt, wie sie die Völker seither nicht wieder erlebt haben. Die Zeit forderte die Beseitigung der Erbübel, an denen die alte Welt krankte.

In Frankreich wurde dies auch zu einem gewissen Grade und in der blutigsten Weise durchgeführt. Was aber folgte? Sofort entwickelten sich unter der Revolution weit schlimmere Mißstände als je zuvor unter dem Königtum. Unter Napoleon besetzten Parvenus die europäischen Throne, und es begann jene Agonie fortwährender Kriege, die dann ihr endliches Ende bei Waterloo fanden.

Damals konnte auch der Weiseste nicht ahnen, daß das abschließende Ergebnis dieses Umsturzes sich einmal einigen späteren Denkern als politischer Fortschritt auf der ganzen Linie und für ganz Europa darstellen würde.

Dieser Empörergeist nun gab auch den Matrosen der bei Spithead stationierten Kriegsschiffe den Mut, sich gegen wirkliche und seit langem bestehende Mißbräuche zu empören und späterhin bei Nore mit wüsten und drohenden Forderungen aufzutreten. Man wurde denn auch dieser Meuterei nicht eher Herr, als bis die Rädelsführer zum warnenden Exempel für die vor Anker liegende Flotte am Galgen hingen.

Dennoch bewirkte dieser als ›Große Meuterei‹ berühmte Aufruhr, obschon natürlich das damalige England sich vor ihm entsetzte, schließlich und ähnlich wie die französische Revolution im großen, daß unterderhand höchst bedeutsame Reformen in der britischen Marine durchgeführt wurden.

Erstes Kapitel

In jener Zeit, wo es noch keine Dampfschiffe gab, konnte ein Bummler, der an den Kais irgendeines großen Seehafens entlangspazierte, viel häufiger als heutzutage auf eine Gruppe braungebrannter Matrosen der Kriegs- und Handelsmarine treffen, die sich in ihrer besten Uniform an Land herumtrieben.

Bisweilen begleiteten oder umgaben sie wie eine Leibgarde einen der Ihren, der, auf solche Weise ausgezeichnet, sich mit ihnen fortbewegte wie der Aldebaran mit seinen geringeren Sterntrabanten.

Diese auffallende Erscheinung hieß in jenen, der banalen Nüchternheit noch nicht ganz verfallenen Zeiten allgemein ›der hübsche Matrose‹; und es gab ihn so gut auf Kriegs- wie auf Handelsschiffen, wo er sich ohne jede Eitelkeit und mit der natürlichen Offenheit angeborenen Verdienstes unter seinen Kameraden bewegte und ihre freiwilligen Huldigungen als etwas Selbstverständliches entgegennahm.

Ich erinnere mich an einen besonders typischen Fall. Vor fast einem halben Jahrhundert sah ich einmal einen einfachen Seemann in Liverpool im Schatten der großen schmutzigen Mauer des Prinzen-Kai – ein Hindernis, das seitdem längst verschwunden ist.

Er war so tiefschwarz wie nur ein Afrikaner aus reinstem Hamitenblut, dabei wohlgebaut und auffallend groß. Um seinen Hals trug er ein lose geschlungenes buntes Taschentuch, dessen Enden auf seiner nackten Brust aus Ebenholz tanzten; dazu hatte er schwere Goldringe in den Ohren und auf seinem hübschen Kopf eine Schottenmütze mit gewürfelten Bändern.

Es war ein heißer Julimittag, und sein schwitzendes, blankes Gesicht strahlte von gutmütigster Barbarenlaune. Lachend und seine Scherze nach rechts und links verteilend, wobei seine weißen Zähne blitzartig aufleuchteten, schlenderte er dahin, umringt von seinen Kameraden, die ein so buntes Farben- und Rassengemisch darstellten, daß der alte Anacharsis Cloots sie sehr wohl vor den Schranken der französischen Nationalversammlung als vollzählige Vertreter des gesamten Menschengeschlechts hätte können auftreten lassen.

Jeden Tribut der Bewunderung, den ein Passant dieser schwarzen Pagode zollte, sei es, daß er stehenblieb und den jungen Riesen anstarrte oder gar ein ›Ah‹ des Erstaunens hören ließ, quittierte das scheckige Gefolge mit einem solchen Stolz auf seinen Führer, wie ihn einst die assyrischen Priester empfunden haben mögen, wenn sich die gläubige Menge vor dem Steinbild ihres großen Stieres niederwarf. Nun aber zur Sache –

Der ›hübsche Matrose‹ jener geschilderten Zeit benahm sich zu Lande bisweilen fast wie ein König Murat; – mit dem eleganten Teufelskerl ›Billy-be-Damm‹ hatte er nichts zu tun. Der letztere ist ein heute fast ausgestorbener Typ, den man höchstens nochmal auf dem stürmischen Eriekanal am Steuerrad trifft oder eher noch in einer der vielen Kneipen, die ihn auf beiden Seiten säumen.

Der neue Typ war oft noch amüsanter als das Original: ohne Ausnahme ein Meister in seinem gefährlichen Fach und obendrein fast immer ein bedeutender Boxer oder Ringer.

Man erzählte sich Geschichten von seiner Tapferkeit. Zu Lande war er der Champion, zur See der Wortführer und bei jeder Gelegenheit der erste und vorneweg. Mußte im Sturm das Toppsegel dicht gerefft werden, so war er dabei, rittlings auf der Windseite der Rah sitzend und mit beiden Händen die Zeisinge anziehend, kühn wie ein junger Alexander, der seinen Bucephalus meistert. Wie von Stierhörnern in den gewittrigen Himmel geschleudert, schwang sich sein jauchzendes Bild durch die Luft vor den Augen der Mannschaft, die sich in Reihen an den Rahen abarbeitete.

Meist entsprach seinem prachtvollen Körper ein ebensolches Temperament. Kraft und Geschmeidigkeit, so sehr sie zur vollkommenen männlichen Schönheit gehören, hätten doch allein kaum die Art der Verehrung erklären können, die dem ›hübschen Matrosen‹ in manchen Fällen von seinen weniger glücklich begabten Kameraden zuteil wurde: es kam sein offenes, ehrliches Wesen hinzu.

Solch ein strahlendes Gestirn, wenigstens als Erscheinung, aber doch wohl auch nach der Beschaffenheit seines Herzens war trotz aller Unterschiede, die die weitere Erzählung erweisen wird, der blauäugige Billy Budd oder Baby Budd, wie er später von allen genannt wurde.

Er war einundzwanzig Jahre alt und Vortoppsgast in der Kriegsflotte während der letzten Jahre des achtzehnten Jahrhunderts. Erst kurz vor den hier berichteten Ereignissen war er in den königlichen Dienst getreten; und zwar hatte man ihn dazu gepreßt und ihn im Mittelmeer von einem heimkehrenden Frachtschiff auf ein aussegelndes Kriegsschiff, die Indomitable, die vierundsiebenzig Kanonen zählte, übernommen. Dieses Schiff hatte in See gehen müssen, ehe seine Besatzung vollzählig beisammen war, was in jenen unruhigen Zeiten häufiger vorkam.

Kaum betrat der Leutnant Ratcliffe das Schiff, als er Billy am Fallreep sah und gleich die Hand auf ihn legte – noch ehe die ganze Mannschaft feierlich auf dem Achterdeck des Seglers zur genaueren Besichtigung angetreten war.

Und er wählte nur ihn. Ob nun die Reihen der übrigen so sehr gegen Billy abfielen, oder ob der Leutnant Bedenken trug, die knappe Besatzung des Seglers noch zu verringern – genug, er begnügte sich mit seinem ersten Griff.

Zur Verwunderung der Mannschaften und zur nicht geringen Zufriedenheit des Offiziers machte Billy keinerlei Schwierigkeiten. Übrigens hätten sie ihm so wenig genügt wie einem Stieglitz, den man in einen Käfig sperrt. Als die Kameraden Billy so fügsam und ohne jeden Widerspruch, ja beinah freudig gehorchen sahen, ging ein stiller Vorwurf über ihre erstaunten Gesichter.

Der Kapitän des Seglers gehörte zu jenen Sterblichen, die man in allen Berufen, auch den niedrigsten, antreffen kann, und die man allerorten einfach ›Ehrenmänner‹ nennt. Und dieser Mann, der sein Leben lang das wilde Meer durchpflügt und mit dem unbändigen Element gekämpft hatte, liebte im tiefsten Grunde seines Herzens – was weniger verwunderlich ist als es scheinen möchte – nichts so sehr wie Ruhe und Frieden. Er war etwa fünfzig Jahre alt, neigte ein wenig zur Wohlbeleibtheit und hatte ein angenehmes, volles Gesicht, ohne den üblichen Backenbart, von frischer Farbe und innig belebt durch Klugheit und menschliche Güte.

Wenn gutes Wetter war und bei günstigem Wind alles ging wie es sollte, so kam in seine Stimme ein gewisser, fast musikalischer Wohlklang, in welchem sich frei und ungehindert sein innerstes Wesen auszusprechen schien. Er war überaus vorsichtig und gewissenhaft und wurde gelegentlich durch diese Tugenden das Opfer einer übertriebenen Unruhe und Besorgnis. Bei jeder Überfahrt kannte Kapitän Graveling, solange sein Schiff in Küstennähe fuhr, keinen Schlaf. Er trug schwerer an seiner großen Verantwortung als so manche andere Kapitäne.

Als Billy Budd nun unter Deck ging, um seine Sachen zu packen, lud sich der Leutnant der Indomitable ohne weitere Umstände in die Kapitänskabine ein und überdies zu einem Whisky, den sein erfahrenes Auge sofort in einem Schränkchen entdeckt hatte. Er war ein grober und hochfahrender Mann, den es in keiner Weise aus der Fassung brachte, daß Kapitän Graveling die üblichen Höflichkeiten der Begrüßung unterließ, was aber trotz des unwillkommenen Besuches nur aus beschäftigten Gedanken heraus geschehen war.

Der Gast war ein richtiger alter Seehund, den alle Plagen und Gefahren des Lebens auf dem Meere während der langen großen Seekriege jener Zeit niemals um den Geschmack an leiblichen Genüssen hatten bringen können. Seine Pflichten erfüllte er stets zuverlässig; aber Pflichten sind oft eine trockene Speise, die er darum gern mit starken gebrannten Wassern zu begießen und zu versüßen liebte.

So blieb denn dem Herrn der Kabine nichts weiter übrig, als gezwungenermaßen den liebenswürdigen und zuvorkommenden Wirt zu spielen, so gut es eben ging. Er stellte Wasserkrug und Glas als die notwendigen Begleiter der Flasche schweigend vor den unvermeidlichen Gast auf den Tisch, entschuldigte sich, daß er für diesmal nicht mittrinke, und blickte traurig zu dem Offizier hinüber, der völlig unbefangen etwas Wasser zugoß, um es dann in drei großen Schlucken herunterzugießen und das leere Glas auf den Tisch zu setzen, aber vorsorglich in Griffnähe; worauf er sich's in seinem Stuhl bequem machte, sich schnalzend und in der besten Laune über die Lippen fuhr und seinem Wirt offen ins Gesicht sah.

Nach diesen Präliminarien brach der Kapitän seinerseits das Schweigen, und seine Stimme klang traurig und vorwurfsvoll: »Herr Leutnant, Sie wollen mir den besten Mann wegnehmen, ein unersetzliches Juwel!«

»Ja«, erwiderte der andere und zog dabei die Whiskyflasche näher, um sich ein neues Glas zu füllen, »ich weiß es, und ich bedaure es.«

»Verzeihen Sie, Herr Leutnant, aber Sie verstehen mich nicht ganz. Überlegen Sie mal! Bevor ich diesen jungen Burschen an Bord nahm, war mein Mannschaftsraum ein Rattenloch voll Streit und Zank. Es sah böse aus auf dem Schiff, sag' ich Ihnen. Ich war so in Sorgen, daß ich sogar allen Spaß an der Pfeife verlor. Aber da kam Billy; und es war als ob ein katholischer Priester den Frieden in ein irisches Wespennest gebracht hätte. Er predigte nicht etwa, noch sagte oder tat er besondere Dinge; doch etwas ging von ihm aus, das die Sauersten süß machte. Sie hingen an ihm wie Wespen am Syrup, alle, bis auf das Großmaul der Bande – den haarigen Riesen da mit dem feuerroten Bart. Natürlich mußte er Krach mit ihm bekommen, wahrscheinlich aus Eifersucht auf den Neuen, den er für alles andere als einen Kampfhahn hielt, und den er ›den süßen Jungen‹ nannte, um sich vor den anderen über ihn lustig zu machen. Billy blieb geduldig und ging auf ihn ein – ich selber bin ähnlich, Herr Leutnant, und hasse nichts so sehr wie Streitereien; aber nichts half. Und eines Tages während der zweiten Hundswache gab ihm der Rotbart unter dem Vorwande, ihm zu zeigen, wie er ein Lendenstück schneiden müsse – er war früher mal Schlächter – einen gemeinen Schlag unter die Rippen. Wie der Blitz fuhr Billy's Arm in die Höhe. Ich glaube nicht, daß er so weit gehen wollte! jedenfalls gab er dem Rüpel einen furchtbaren Schlag.

Das Ganze dauerte nach meiner Schätzung kaum eine halbe Minute, und der Klotz war bei Gott nicht schlecht erschrocken. Und ob Sie's glauben wollen oder nicht, Leutnant, jetzt liebt der Rotbart den Billy – liebt ihn wirklich, oder er ist der größte Heuchler, der mir je vorgekommen ist.

Aber sie lieben ihn alle. Einige waschen ihm sein Zeug, andere stopfen seine alten Hosen, und der Tischler zimmert für ihn in seinen Freistunden eine kleine Kommode. Alle tun alles für Billy Budd; sie sind wie eine große glückliche Familie. Kurz und gut, Leutnant, wenn dieser Junge weggeht, so weiß ich genau, wie es hier an Bord aussehen wird. Ich werde nicht so bald wieder nach dem Essen friedlich an der Ankerwinde lehnen und meine Pfeife rauchen – verlassen Sie sich darauf! Im Ernst, Leutnant, Sie nehmen mir den besten Mann; Sie nehmen meinen Friedensengel weg.« Und der gute Kerl hatte Not, ein Schluchzen zu unterdrücken.

»Nun ja«, antwortete der Leutnant, der die ganze Zeit mit einer Art amüsiertem Interesse zugehört hatte, und den der Whisky in gute Laune brachte, – »nun ja, selig sind die Friedensengel, zumal wenn sie dreinschlagen können! Und von dieser Sorte sind auch die vierundsiebzig Schönheiten da drüben, von denen einige ihre Nasen aus den Gefechtsluken meines Schiffes herausstecken, das schon lange auf mich wartet.« Und er zeigte mit dem Finger durch das Kabinenfenster auf die Indomitable. »Nur Mut! Machen Sie kein so trauriges Gesicht. Ich garantiere Ihnen schon jetzt das Allerhöchste Wohlgefallen. Verlassen Sie sich auf mich: Seine Majestät der König werden entzückt sein zu erfahren, daß in einer Zeit, wo die Matrosen Seinen Dienst nicht mit dem Eifer suchen, den er erwarten darf, – einer Zeit, wo gewisse Kapitäne es heimlich übelnehmen, wenn man sich von ihnen ein oder zwei Teerjacken für den Dienst ausborgt – ich sage, Seine Majestät werden entzückt sein, daß wenigstens ein Kapitän mit freudigem Herzen die Blume seiner Mannschaft ausgeliefert hat: einen Matrosen, der ebenso loyal denkt und keine Widerrede macht ... aber wo steckt mein Adonis? Ah«, rief er und sah durch die Kabinentür, »da kommt er ja mit seinem Koffer – bei Gott, Apollo in Person mit einem Koffer in der Hand! Mein Junge«, sagte er und ging auf Billy zu, »du kannst diese große Kiste nicht auf ein Kriegsschiff mitnehmen. Solche Kisten gibt's da nur für Munition. Steck' deine Sachen lieber in einen Sack. Reitstiefel und Sattel für den Kavalleristen, Seesack und Hängematte für den Kriegsmatrosen!«

Der Koffer wurde gegen einen Sack vertauscht. Der Leutnant schickte seinen Mann ins Beiboot, folgte ihm selber und ließ abstoßen von der Rights-of-Man. So hieß das Handelsschiff, obschon der Kapitän und die Mannschaft es nach Seemannsart einfach Rights nannten.

Der Reeder, ein Dickschädel aus Dundee, war ein überzeugter Bewunderer von Thomas Paine, dessen Rights als eine Antwort auf Burkes Anklageschrift gegen die französische Revolution kürzlich erschienen war und weiteste Verbreitung gefunden hatte. Mit dieser Schiffstaufe nach einem Paine'schen Buchtitel tat der Mann aus Dundee etwas Ähnliches wie sein Berufsgenosse Stephen Girard, ein Reeder aus Philadelphia, der seine Schiffe aus Sympathie für sein Geburtsland und dessen liberale Philosophen Voltaire, Diderot und ähnlich getauft hatte.

Als nun das Boot unter dem Heck des Kauffahrers hindurchfuhr und der Offizier und die Ruderer den dort prangenden Namen lasen, – einige voll Bitterkeit, andere mit einem Lachen, – da sprang der neue Rekrut, den der Steuermann vorne ins Boot kommandiert hatte, in die Höhe und schwenkte seine Mütze mit einem letzten Lebewohl gegen seine schweigenden Kameraden, die ihm besorgt von der Reling nachsahen. Er grüßte das Schiff und rief: »Auf Wiedersehen auch du, alte Rights-of-Man

»Setzen Sie sich hin«, schrie ihn der Leutnant an und ließ ihn sofort seine Befehlsgewalt fühlen, obgleich er Mühe hatte, ein gewisses Lächeln zu unterdrücken.

Zweifellos war Billy's Geste ein schwerer Verstoß gegen jede Marinedisziplin. Aber von der hatte er nie etwas gehört; und der Leutnant hätte ihn auch kaum so angefahren, wenn er nicht zum Schluß diese Abschiedsworte dem Schiffe zugerufen hätte. Das hielt der Leutnant für einen versteckten Vorwurf des neuen Rekruten – eine höhnische Anspielung auf die Methode des Pressens im allgemeinen und erst recht in seinem eigenen Fall.

Und doch war diese Satire durchaus nicht beabsichtigt; denn Billy hatte das glückliche Temperament der strahlend gesunden Jugend und eines unbeschwerten Herzens und ahnte nichts vom Geist der Ironie. Dafür fehlte ihm jeder Wille und auch die nötige Verschlagenheit und Gewandtheit. Nichts war seiner geraden Natur fremder als eine versteckte und doppelsinnige Redeweise.

Die Tatsache seiner gewaltsamen Anwerbung schien er ebenso hinzunehmen wie einen Wetterumschlag. Er war zwar kein Philosoph, aber, wie die Tiere, ein unbewußter Fatalist. Vielleicht gefiel ihm auch eine Wendung der Dinge, die unbekannte Abenteuer und neue kriegerische Erlebnisse zu versprechen schien.

An Bord der Indomitable wurde unser Mann sehr bald als ein tüchtiger Matrose geschätzt und der Steuerbordwache am Fockmast zugeteilt. Er gewöhnte sich schnell an den militärischen Dienst und war allgemein beliebt wegen seines guten Aussehens und seiner natürlichen Unbekümmertheit. In der ganzen Messe gab's keinen Vergnügteren als ihn; sehr zum Unterschied von gewissen anderen Matrosen, die ebenfalls wie er zu den Gepreßten zählten und häufig genug, wenn sie nichts zu tun hatten, in trübe und sogar bittere Stimmungen versanken – besonders während der letzten Nachtwache, wenn der Morgen träumerisch heraufdämmerte. Sie waren auch nicht so jung wie unser Toppmatrose; und manche hatten auch irgendwo ein Zuhause oder gar Frau und Kind, vermutlich in unsichersten Verhältnissen; und es gab wohl keinen, der nicht wenigstens Freunde hatte oder Verwandte. Billy's Familie jedoch, wie sich bald zeigen wird, bestand ausschließlich aus ihm selber.

Zweites Kapitel

Unser neugebackener Matrose wurde zwar von der Segelmannschaft wie von den Kanonieren gut aufgenommen; aber dennoch war er nicht mehr im gleichen Maße der strahlende Mittelpunkt wie früher unter den kleineren Besatzungen der Handelsschiffe, auf denen allein er bisher gefahren war.