Herman Melville

Kikeriki
oder
Das Krähen des edlen Hahnes Beneventano

In allen Teilen der Erde haben jüngst kühne Aufstände von schurkischem Despotismus eins auf den Kopf bekommen; ebenso haben furchtbare Unfälle, von Lokomotiven oder Dampfern verursacht, Hunderten von kühnen Reisenden eins auf den Kopf gegeben (bei einem davon habe ich einen lieben Freund verloren). Und meine eigenen, privaten Angelegenheiten waren auch voll von Despotismus, Unfällen und Schlägen auf den Kopf, als ich mich an einem Frühlingsmorgen frühzeitig, zu niedergeschlagen, um schlafen zu können, auf den Weg zu meiner Wiese auf dem Hügel machte.

Es war kühl, neblig, feucht. Unangenehme Luft. Die Gegend sah aus, als sei sie noch nicht fertig, überall drangen die rohen Säfte hervor. Indem ich meinen dünnen, vorn übereinandergehenden Gehrock – mein Mantel hatte so lange Schöße, daß ich ihn nur im Wagen trug – fest zuknöpfte, verwahrte ich mich, so gut ich konnte, gegen die scharfe Luft, und grimmig meinen Holzapfelstock in die nasse Erde stoßend, beugte ich meine blaugekleidete Gestalt, um den steilen Aufstieg des Hügels zu erklimmen. In dieser mühsamen Haltung senkte ich den Kopf so tief, als sei ich im Begriff, mit ihm gegen die Welt anzurennen. Ich merkte das, grinste aber nur darüber.

Überall um mich her waren Zeichen geteilter Herrschaft. Das alte Gras und das junge Gras kämpften miteinander. In den niedrigen, feuchten Mulden lugte lebhaftes Grün hervor; drüben auf den Bergen lagen helle Schneeflecken, die sich merkwürdig von den rostbraunen Wänden abhoben. Wie scheckige, zitternde Kühe sahen die höckerigen Hügel aus. Die Wälder lagen voll trockener, toter, von den unbändigen Märzwinden abgebrochener Zweige, während die jungen Bäume, die die Wälder säumten, eben anfingen, die ersten gelben Triebe ihres knospenden Laubes zu zeigen.

Einen Augenblick setzte ich mich auf einen großen, faulenden Baumstamm nah bei dem Gipfel des Hügels, mit dem Rücken gegen ein dichtes Gehölz, vor mir eine weit ausladende Bergkette, die eine wellige, abwechselungsreiche Landschaft umschloß. Am Fuße der langen Hügelreihe lief ein träger, fieberschwangerer Fluß, und über ihm zog sich ein zweiter Strom, ein Doppelgänger, von tropfendem Nebel hin, der genau jeder Biegung seines Urhebers unter ihm folgte. In der Tiefe wanderten hier und dort lautlose Nebelfetzen durch die Luft wie verlassene oder steuerlose Völker oder Schiffe – oder sehr nasse Handtücher, die an gekreuzten Wäscheleinen zum Trocknen hängen. Über einem entfernten Dorf, das weit drüben in einer von den Bergen gebildeten Bucht der Ebene lag, ruhte eine große, flache Nebelschicht wie ein Bahrtuch. Es war der verdichtete Rauch der Kamine, vereint mit dem verdichteten, verbrauchten Atem der Dorfbewohner, zusammengehalten von den umklammernden Hügeln. Die Nebeldecke war zu schwer und leblos, sich von selbst zu heben, so hing sie also da, zwischen dem Dorf und dem Himmel, und verbarg ohne Zweifel viele trübselige Männer und viel schwächliche Kinder.

Meine Augen glitten über die weite, wellige Landschaft, über Berge und über das Dorf, hie und da über eine Farm und über Wälder, Gehölze, Flüsse, Felsen, kahle Hügel – und ich dachte bei mir, wie wenig der Mensch doch schließlich dieser unermeßlich großen Erde seinen Stempel aufdrückt. Doch die Erde zeichnet ihn. Was für ein entsetzliches Unglück war das auf dem Ohio, bei dem mein guter Freund und dreißig andere brave Männer in die Ewigkeit befördert wurden auf Befehl eines dickschädeligen Ingenieurs, der ein Ventil nicht von einer Kaminklappe unterscheiden konnte. Und der Eisenbahnzusammenstoß dort gegenüber in den Bergen, bei dem zwei besessene Züge holterdipolter ineinander rasten, übereinander kletterten und sich gegenseitig den Rücken kratzten; eine Lokomotive fand man förmlich wie in einem Ei, umschlossen von einem Personenwagen des feindlichen Zuges. Nahezu ein Dutzend edler Herzen, eine Braut mit ihrem Bräutigam, ein unschuldiges kleines Kind, alle wurden ohne Gepäck in die düstere Barke Charons eingeschifft, die sie zu einer oder der anderen überfüllten Hochofengegend übersetzte. Doch was nützen Klagen? Welcher Friedensrichter kann da Recht schaffen? Ja sogar, was nützt es, den Himmel selbst damit zu belästigen? Bestimmt der Himmel nicht selbst solche Dinge? Sonst könnten die ja nicht geschehen. Eine miserable Welt. Wer möchte in ihr die Mühe auf sich nehmen, ein Vermögen zu machen, wenn er nicht weiß, wie lange er es behalten kann wegen der tausend Schufte und Esel, die die Leitung von Eisenbahnen und Dampfbooten haben und von unzähligen andern lebenswichtigen Dingen in der Welt. Machte man mich für ein Weilchen zum Diktator von Nordamerika, würde ich sie aufknüpfen, sie hängen, ausweiden und vierteilen, sie braten, rösten und kochen, sie langsam kochen, langsam rösten und Ragout aus ihnen machen, wie von Truthahnkeulen, diese schurkischen Dummköpfe von Heizern. Den Tartarus würde ich sie heizen lassen, ja, das würde ich!