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BERNHARD HUBMANN, geboren 1961 in Graz, studierte Geologie und Paläontologie sowie Musik in Graz, habilitierte sich für Paläontologie in Wien und ist als Paläontologe und Sedimentologe am Erdwissenschaftlichen Institut der Universität in Graz tätig.

DR. HARALD FRITZ, geboren 1956 in Bruck an der Mur, studierte Geologie und Paläontologie in Graz, habilitierte sich für Geologie in Graz und ist als Geologe am Erdwissenschaftlichen Institut der Universität in Graz tätig.

Zum Buch

Die Geburt unserer Erde aus einer interstellaren Gaswolke ist intensiv mit der Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems und unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße verbunden. Etwa 30.000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt, ereignete sich vor ca. 4,57 Milliarden Jahren für das Universum etwas relativ Alltägliches: Die zur Hauptsache aus Wasserstoff und Helium und nur zu geringen Anteilen aus mikroskopisch kleinen Staubteilchen von Kohlenstoff- und Siliziumverbindungen, Wasser und anderen Stoffen zusammengesetzte Wolke wurde »gravitationsinstabil«. Doch was daraus entstand ist weitaus weniger alltäglich. Die Erde unterscheidet sich deutlich von anderen uns bekannten Planeten, vor allem dadurch, dass sie eine sehr bewegte Geschichte mit erstaunlichem „Eigenleben“ hat. Nicht nur, dass sie als einziger Himmelskörper eine stattliche Menge freies Wasser aufweisen kann, besitzt sie zusätzlich eine Gashülle, ist geologisch aktiv und beheimatet Leben.

Bernhard Hubmann / Harald Fritz
Die Geschichte der Erde

Bernhard Hubmann / Harald Fritz

Die Geschichte
der Erde

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Alle Rechte vorbehalten

© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2015
Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2015
Covergestaltung: Kerstin Göhlich, Wiesbaden
Bildnachweis: Great Prismatic Spring, one of the largest hydrothermal features
in Yellowstone National Park; Foto: Tom Murphy
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0505-6

INHALT

VORWORT

AUS STAUB GEBOREN. KOLLAPS EINER MATERIEWOLKE UND DER BEGINN DER ERDE

EIN PLANET IN DEN BESTEN JAHRMILLIONEN

Die bewegte Erde

Unter den Ozeanen

Auf festem Boden

DOKUMENTIERTE ZEIT UND ZEITDOKUMENTE: GEOLOGISCHE ZEITBESTIMMUNG

DAS HADAIKUM: ENTSTEHUNG DER ERDE IM STÄNDIGEN KOMETENHAGEL

ENTSTEHUNG DES LEBENS IN EINER UNWIRTLICHEN UMGEBUNG

WACHSTUM DER KONTINENTE UND SUPERKONTINENT-ZYKLEN

Superkontinente

PLATTENTEKTONIK, DAS EINZIG GÜLTIGE MODELL?

EXPANSION UND REVOLUTION IN DER LEBEWELT

SAUERSTOFF:
KRISE UND CHANCE ZUGLEICH

DIE ERDE ALS SCHNEEBALL UND FEHLGESCHLAGENES EXPERIMENT DES LEBENS?

EXPLOSION DER LEBENSVIELFALT

FÜNFMAL PECH, ODER FÜNFMAL GLÜCK? DER LANGE ATEM DES LEBENS WÄHREND DER LETZTEN 500 MILLIONEN JAHRE

QUO VADIS? WAS BRINGT DIE ZUKUNFT?

WEITERFÜHRENDE UND ERGÄNZENDE LITERATUR

STICHWORTVERZEICHNIS

VORWORT

Die Erde unterscheidet sich deutlich von anderen uns bekannten Planeten, speziell dadurch, dass sie eine sehr bewegte Geschichte mit erstaunlichem »Eigenleben« hat. Nicht nur, dass sie als einziger Himmelskörper eine stattliche Menge freies Wasser aufweisen kann, besitzt sie zusätzlich eine Gashülle, ist geologisch aktiv und beheimatet (höheres) Leben. Diese wenigen Eigenschaften sind es, die in ihren Wechselwirkungen zueinander die Erde ständig im Laufe ihrer Geschichte verändert haben. Das Wasser, das immerhin etwa 70 % der Oberfläche einnimmt – womit unser Planet dem Namen »Meer« eher gerecht wird als »Erde« – ist nicht nur Ausgangspunkt des Lebens gewesen, sondern hat auch das Festland entscheidend beeinflusst. Zum einen gestalten die anbrandenden Meereswellen die Küsten, indem sie diese erodieren, zu flachen Ebenen umgestalten oder den Lebensraum kilometerlanger, den Festländern vorgelagerter Riffe ermöglichen. Dadurch, dass die Erde eine Atmosphäre hat, wird ständig das an der Meeresoberfläche verdunstete Wasser über Winde zum Festland transportiert, wo es zu Niederschlägen kommt und Verwitterungsprozesse die Oberflächen der Kontinente verändern. Weniger offensichtlich ist, dass Wasser auch das Innere unserer Erde gestaltet. Es erniedrigt den Schmelzpunkt von Gesteinen, senkt deren Festigkeit und macht somit die Bildung von Kontinenten und die Bewegung der Kontinentalplatten erst möglich.

Aber nicht nur auf das Äußere der Erde wirken gestaltende Prozesse. Kräfte aus dem heißen, aus zähflüssigem Gesteinsmaterial bestehenden Erdmantelbereich sind in der Lage, weitflächige Gesteinsplatten und mit ihnen ganze Kontinente zu verschieben. Bis zu 10 cm oder mehr pro Jahr betragen solche Lageveränderungen, die mit Erdbeben und Vulkanismus dramatisch einhergehen. Nach 20 Millionen Jahren könnte sich – solche Geschwindigkeiten in eine Richtung fortgesetzt – ein Kontinent entlang eines Längengrades vom Südpol zum Nordpol bewegen. Auf dieser beachtlichen Wegstrecke gelangen terrestrische und randmarine Lebensräume in andere Klimazonen und stellen das Leben vor geänderte Situationen. Lebewesen reagieren auf solche Veränderungen, in dem sie sich selbst verändern. Diese Dynamik des Lebens kann man mit dem Wort »Evolution« gleichsetzen. Vorgänge, die Kontinente zum Driften bringen, bei Kollision geologischer Platten Gebirge erzeugen und Gesteine im Mantel recyceln, nachdem diese an Tiefseegräben »verschluckt« werden, fasst man als »Plattentektonik« zusammen. Letztere bestimmt zudem maßgeblich die langfristige Klimaentwicklung, denn die Lage der Kontinente ist entscheidend für das Muster der Ozeanströme und damit des Wärmetransportes, der Windsysteme, etc.

Plattentektonische Vorgänge haben unseren Planeten in seinem Erscheinungsbild mehrfach total verändert. Epochen mit kleinen kontinentalen Schollen haben mit Epochen mit Großkontinenten gewechselt, Kaltzeiten haben eine oder beide Polregionen unserer Erde mit Eispanzern überzogen, Megawüsten sind durchgehenden Vegetationsdecken gewichen, biologische Vielfalt wurde durch Massenaussterbeereignisse auf ein Minimum reduziert, gewaltige Vulkanereignisse überströmten Festländer. Aber auch aus dem Weltall trafen extraterrestrische Boliden die Erde.

Diese sehr dynamische Geschichte aus den viele Millionen Jahre alten Archiven zu erfassen, die die Gesteine darstellen, ist die spannende Aufgabe der Geologie. Jahr für Jahr erweitert sich die Kenntnis um die Entstehung der Erde und des Lebens auf ihr. Jährlich erweitert sich auch das Wissen um die Entwicklung unseres Planeten und um die Prozessabläufe, die dafür verantwortlich waren und weiterhin sind.

Dieses Buch versucht sich der Herausforderung zu stellen, die fast 4,6 Milliarden Jahre umfassende Geschichte der Erde im vorliegenden Seitenumfang darzulegen. Damit schließt sich zwar eine umfassende Darstellung aus. Es wurde aber versucht, die wichtigsten Stationen in der Entwicklung unseres Planeten zu beleuchten und Prozesse aufzuzeigen, die zu den jeweiligen Entwicklungsstadien und letztendlich zum heutigen Zustandsbild der Erde geführt haben. Damit gleicht die hier skizzierte Erdgeschichte der Lebensbeschreibung einer Person, in der nur die markanten Eckdaten akzentuiert werden. Das vorliegende Buch soll sich daher als eine »Biografie unserer Erde« verstehen.

Seitens des Verlages waren keine Abbildungen geplant. Dadurch unterscheidet sich das vorliegende Werk auch deutlich von allen einschlägigen Lehrbüchern, die sich allesamt durch reichhaltiges Fotomaterial und Grafiken auszeichnen, die den oft komplexen Text unterstützen. Die Vorgabe auf Abbildungen zu verzichten war zunächst eine besondere Herausforderung, stellte aber andererseits die Möglichkeit dar, ein »Lesebuch« über unsere Erde zu verfassen! Dem »Lesebuch«-Charakter Rechnung tragend, haben die Autoren auch die verwendete Fachliteratur nicht im Text zitierend eingearbeitet, sondern eine Auswahlbibliographie am Ende des Buches angefügt.

AUS STAUB GEBOREN. KOLLAPS EINER MATERIEWOLKE UND DER BEGINN DER ERDE

Die Geburt unserer Erde aus einer interstellaren (= »Raum zwischen den Sternen«) Gaswolke ist intensiv mit der Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems und unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße verbunden. Etwa 30.000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt, ereignete sich vor ca. 4,57 Milliarden Jahren für das Universum etwas relativ Alltägliches: Die zur Hauptsache aus Wasserstoff und Helium und nur zu geringen Anteilen aus mikroskopisch kleinen Staubteilchen von Kohlenstoff- und Siliziumverbindungen, Wasser und anderen Stoffen (= Interstellare Materie oder kurz ISM) zusammengesetzte Wolke wurde »gravitationsinstabil«. Die anfangs nur langsam rotierende Wolke zog sich infolge der eigenen Schwerkraft zusammen. Dadurch erreichte sie eine hohe Rotationsgeschwindigkeit vergleichbar mit einer Balletttänzerin oder Eiskunstläuferin, die zu einer Pirouette ansetzt, in dem sie sich zunächst mit ausgestreckten Armen dreht, dann aber die Arme an den Körper anlegt und somit die Drehung beschleunigt (= Drehimpulserhaltung). Dabei verdichtete sich die Materie durch die Schwerkraft und es kam zu einer gewaltigen Massenansammlung im Rotationszentrum. Denn nur auf elliptischen Bahnen um ein Massezentrum herrscht ein Gleichgewicht zwischen Schwerkraft und Zentrifugalkraft, während die Materie außerhalb der sich drehenden Scheibe nicht im Gleichgewichtszustand ist und gravitativ in das Zentrum gezogen wird, oder ins Weltall entflieht.

Dieses Szenario einer kollabierenden Gaswolke ist kein einheitlicher Vorgang. Die Wolke zerfällt vielmehr in verschiedene Teilbereiche. Innerhalb der ursprünglich mehrere hundert Lichtjahre an Ausdehnung messenden Wolke entsteht eine Vielzahl an Fragmenten, die 0,1 bis 100 Sonnenmassen an Masse enthalten und in deren Zentren die Materie immer dichter und heißer wird. Die Kontraktionsprozesse kommen erst dann zum Erliegen, wenn der innere Gasdruck, der durch die Verdichtung ansteigt und der Kontraktion entgegenwirkt, und der äußere Druck durch Gravitation – der die Kontraktion bewirkt – im Gleichgewicht sind. Schließlich bildet sich ein kugelförmiger Gasball, ein Protostern.

Der Protostern erhält zunächst aufgrund der Gravitationskraft einen stetigen Massezuwachs (= »Masseakkretion«) aus der ihn umgebenden Wolke. An der Akkretionsstoßfront (= »accretion shock«) werden die mit hohen Geschwindigkeiten eintreffenden Gasmoleküle stark abgebremst, wobei die kinetische Energie der Teilchen in thermische Energie umgewandelt wird und zur Aufheizung führt. Die Stoßfront emittiert in den ersten 100.000 Jahren intensiv Infrarotstrahlung (= sichtbarer Lichtbereich und längerwellige Strahlung; 1 mm bis 0,00078 mm). Schließlich erreicht die akkumulierende Masse eine kritische Größe, die durch die in Wärme umgesetzte Gravitationsenergie die Temperatur im Inneren auf etwa 10 Millionen Grad ansteigen lässt. Bei dieser hohen Temperatur springt das sogenannte »Wasserstoffbrennen« (auch »Deuteriumbrennen«) an, die Kernfusion von Wasserstoff zu Helium. Im Zuge der »Proton-Proton-Reaktion«, bei der vier Atomkerne des Wasserstoffs (1H) in mehreren Teilschritten zu einem um 0,635 % geringere Masse aufweisenden Helium-Atom (4He) verschmelzen, wird der anfallende Massenverlust (= Massendefekt) nach der Einstein’schen Gleichung der Äquivalenz von Masse und Energie, E = mc2, in erhebliche Energiemengen umgewandelt.

Während dieses Stadium erreicht wird, oder relativ kurz davor, kommt es vermutlich durch die hohe Rotationsgeschwindigkeit und die Wirkung der sehr starken Magnetfelder zu »bipolaren Ausflüssen«. Beiderseits der Rotationsachse werden Materieströme mit Geschwindigkeiten bis zu 300 Kilometer pro Sekunde senkrecht zur Rotationsebene vom Protostern weg ausgestoßen. Protosterne, die sich in dieser Entwicklungsphase befinden, werden als T-Tauri-Sterne (= TTS) bezeichnet. Sie sind im Orionnebel, der mit bloßem Auge am Firmament sichtbar ist und ein hochaktives Sternentstehungsgebiet in unserer galaktischen Nachbarschaft darstellt, zu beobachten. Ein solcher Himmelskörper, der ein Alter von weniger als eine Million Jahre hat, ist noch nicht im hydrostatischen Gleichgewicht, daher ereignen sich auf ihm noch heftige Ausbrüche. Innerhalb der folgenden Stabilisationsphase, die einige zehn Millionen Jahre dauert, entwickelt sich der Protostern zu einem Stern.

Als Stern im astronomischen Sinn wird ein massereicher, selbstleuchtender Himmelskörper aus Gas und Plasma (= vollständig oder teilweise ionisiertes Gas, wie man es von Leuchtstofflampen kennt) verstanden, der in seinem Inneren so hohe Temperaturen entwickelt, sodass Kernfusion in Gang gesetzt und die dabei entstehende Massedifferenz in Energie umgewandelt wird.

Auf die geschilderte Weise entstand auch das Zentralgestirn unseres Planetensystems, nämlich die Sonne. Unsere Sonne wandelt pro Sekunde 600 Millionen Tonnen Wasserstoff in 596 Millionen Tonnen Helium um. Dieser Vorgang geht auf die Substanz, denn pro Sekunde wird sie um 4 Millionen Tonnen leichter. Aber nicht nur das: Die fehlende Masse wird vollständig in Energie umgewandelt. Die pro Sekunde freigesetzte Energie würde ausreichen, um den gegenwärtigen europäischen Energiebedarf für etwa 4 Millionen Jahre zu decken. Seit ihrer Entstehung hat die Sonne in ihrem Kern rund 14.000 Erdmassen Wasserstoff in Helium umgewandelt. Dabei sind 90 Erdmassen an Energie frei geworden.

Im Laufe ihrer Entwicklung hat die thermonukleare Strahlungsleistung der Sonne um etwa 30 % zugenommen. Diese liegt heute bei 3,85 x 1026 Watt, wobei 1,7 x 1017 Watt pro Sekunde auf die angestrahlte Erdhälfte zukommen. Im Mittel wird derzeit nahezu ein Drittel der eintreffenden Energie von Aerosolen (= feste und flüssige Schwebeteilchen) in der Atmosphäre, von Wassertropfen in den Wolken und der Erdoberfläche selbst reflektiert und gelangt so wieder zurück ins Weltall. Rund die Hälfte der Sonnenstrahlung wird von der Erdoberfläche absorbiert und gespeichert, in Form von thermischer Konvektion (Luftströmung auf Grund von Dichteunterschieden) und als langwellige Wärmestrahlung in die Atmosphäre eingebracht, oder für die Umwandlung von Wasser in einen anderen Phasenzustand (z. B. für das Abschmelzen von Eismassen, die Wolkenbildung) verwendet (= latente Energie/Wärme). Schließlich ist die Energie der Sonne auch der Motor der oxygenen Fotosynthese: Erst durch diese einzigartige Fähigkeit »pflanzlicher« Organismen, das atmosphärische Kohlenstoffdioxid und das Wasser mittels Verwertung der Lichtenergie zum Aufbau von Kohlehydraten als Energiequelle zu nutzen, wurde die wesentliche Grundlage für die Entwicklung des irdischen Lebens in den heute bekannten Formen geschaffen. Als Nebenprodukt des Fotosynthese-Prozesses entsteht Sauerstoff. Sauerstoff wiederum macht die effektive Verwertung von Nährstoffen durch die aerobe Respiration (Oxidation) heterotropher Organismen – diese benötigen zur Ernährung energiereiche organische Stoffe, die sie nicht selbst herstellen können – erst möglich.

Kehren wir nochmals zurück zur Gaswolke, aus der die Sonne entstand. Sie hatte nach Modellrechnungen eine Ausdehnung von 65 Lichtjahren (= ca. 615 Billionen km) und bestand wie die heutigen beobachtbaren interstellaren Wolken, neben der quantitativ dominierenden Gasphase (Wasserstoff und Helium) zu sehr geringen Anteilen (vermutlich deutlich unter 1 %) aus Staubteilchen. Diese Staubteilchen, die kleiner als Rußpartikel in Zigarettenrauch sind, setzen sich aus schwereren Elementen und Verbindungen, wie Wasser (H2O), Kohlenstoffmonoxid (CO) und Kohlenstoffdioxid (CO2), einigen kurzkettigen Kohlenstoffverbindungen, Ammoniak (NH3) und unterschiedlichen Siliziumverbindungen zusammen und sind von einer gefrorenen Schicht aus Wasser, Kohlenstoffdioxid, Methan (CH4) und Schwefelwasserstoff (H2S) umgeben. Der Wasserstoff und der überwiegende Teil des Heliums war bereits beim Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren gebildet worden, als Materie, Raum und Zeit entstand und damit das Universum zu existieren begann. Die schwereren Elemente und Verbindungen hingegen, die den »Staub« der Wolke aufbauten, waren im Innern von Sternen erzeugt worden, die am Ende ihres Lebenszyklus vermutlich vor sechs Milliarden Jahren explodierten und dabei diese Elemente und Moleküle als »Sternenstaub« freigesetzt hatten. Während so einer Explosion, die man als »Supernova« bezeichnet, kollabierte ein massereicher Stern, mit einer Anfangsmasse von mehr als acht Sonnenmassen, nachdem dieser all seinen nuklearen Brennstoff aufgebraucht hatte. Dabei entsteht ein sogenanntes »Schwarzes Loch«. Oder es kollabierte ein Stern mit geringerer Masse durch Eigengravitation und explodierte danach. Dabei entsteht ein sogenannter »Weißer Zwerg«.

Die Materiedichte einer Gaswolke ist äußerst gering und könnte beinahe als Vakuum bezeichnet werden, denn in einem Kubikzentimeter befinden sich nur etwa 1.000 Teilchen. Im Vergleich dazu enthält ein Kubikzentimeter der Stratosphäre in über 20 km Höhe immerhin noch etwa fünf Billionen Moleküle. Dennoch vereinigt eine typische interstellare Wolke eine Gesamtmasse von bis zu 10.000 Sonnenmassen, das entspricht mehr als drei Milliarden Erdenmassen, in sich.

Der auslösende Grund, warum sich die Materiewolke zusammenzog und verdichtete ist unbekannt, denn zunächst war sie über einen sehr langen Zeitraum stabil, weil der nach außen wirkende Gasdruck und die nach innen wirkende Gravitationskraft einander die Waage hielten. Den Anstoß zum Kollaps könnte eine relativ nahe zur Wolke erfolgte Sternenexplosion gegeben haben, deren Druckwelle durch die Wolke wanderte und zu Verdichtungen in den einzelnen Fragmenten führte. Zusätzlich zum bereits geschilderten Ablauf der Entstehung der Protosonne bildeten sich später die Planeten, Asteroiden und weitere feste Bestandteile des Sonnensystems in der scheibenartigen Materieansammlung (= protoplanetare oder zirkumstellare Scheibe) um die junge Sonne. Dabei ist anzumerken, dass etwa 99,9 % der Materie der Gaswolke in die Bildung des neuen Sterns, unserer Sonne, eingingen und die restlichen 0,1 % zunächst als Staubteilchen existierten, die in weiterer Folge koagulierten, indem sie durch chemische Bindung oder Oberflächenspannung miteinander verklebten. Auf diese Weise entstanden schließlich Körper, die Meter- bis Kilometer-messende Durchmesser erreichen konnten. Solche Materiebrocken werden als »Planetesimalen« bezeichnet. Durch ihre eigenen Anziehungskräfte führten diese zahlreiche Kollisionen mit weiteren Planetesimalen herbei und »akkretierten« schließlich zu Protoplaneten. Protoplaneten hatten zunächst etwa die Größe unseres heutigen Mondes, waren aber vermutlich bereits gerade genügend massereich, sodass sich ein hydrostatisches Gleichgewicht einstellte und die Körper annähernde Kugelform ausbilden konnten. Weiteres Wachstum durch Akkretion ließ die Himmelskörper schließlich zu dominierenden Objekten auf ihrer Umlaufbahn werden. Sie haben im Laufe der Zeit mittels ihrer Gravitationsfelder alle Objekte, die in ihrem Einflussbereich waren, einem Staubsauger vergleichbar, in sich »aufgesaugt«. Aus den Protoplaneten sind so Planeten entstanden. Inzwischen war auch der Planetennebel durch die gravitative Kontraktion bereits auf eine Ausdehnung von »nur« mehr rund 200 astronomischen Einheiten (astronomische Einheit = mittlerer Abstand Sonne-Erde; entspricht etwa 149,6 Millionen km) geschrumpft.

Die entscheidende Rolle in der Zusammensetzung der Planeten spielte der Abstand zur Sonne. Während in Sonnennähe schwerflüchtige Elemente und Verbindungen kondensieren konnten, wurden leichtflüchtige Gase hingegen durch den aus Elementarteilchen bestehenden Sonnenwind »weggeblasen«. Somit entstanden der Sonne näher gelegen die inneren Planeten, Merkur, Venus, Erde und Mars mit festen silikatreichen Oberflächen in denen die Elemente Sauerstoff (O), Eisen (Fe), Nickel (Ni), Silizium (Si), Aluminium (Al), Magnesium (Mg) und Calcium (Ca) stark angereichert, die leichten und leichtflüchtigen Elemente wie Wasserstoff (H), Helium (He), Kohlenstoff (C), Stickstoff (N) und Edelgase aber stark abgereichert sind. In den kälteren Außenregionen dagegen konnten sich auch die leichtflüchtigen Gase Wasserstoff (H), Helium (He) und Methan (CH4) in großen Massen sammeln und die Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun bilden.

Anteile der Materie, die nicht in die Bildung der Planeten eingingen, verbanden sich zu den weitaus kleiner dimensionierten, bis etwa 20 km im Durchmesser messenden und vor allem aus gasförmigen und festen Teilchen bestehenden Kometen mit Eiskernen und Asteroiden. Letztere können einige 100 km Durchmesser erreichen. Der Großteil dieser Himmelskörper befindet sich im Asteroidengürtel, auch Planetoidengürtel oder Hauptgürtel genannt, der sich zwischen den Planetenbahnen von Mars und Jupiter befindet. Der Umstand, dass in diesem Bereich das Wachstum anderer Himmelskörper aus Planetesimalen behindert wurde, steht mit dem gravitativen Einfluss des Protojupiters im Zusammenhang. Die Objekte des Asteroidengürtels blieben jedenfalls seit der Frühzeit unseres Planetensystems nahezu unverändert und liefern somit wertvolle Hinweise über die physikalisch-chemischen Bedingungen während der frühen Entstehungsgeschichte. Indizien, die auch auf das Alter unseres Sonnensystems schließen lassen, können aus der Untersuchung von kosmischem Gesteinsmaterial dieser Region, welches in das Schwerefeld der Erde geriet und in Form von Meteoriten auf die Erdoberfläche gelangte, gewonnen werden. Insbesondere den kohlenstoffreichen Steinmeteoriten kommt dabei spezielles Interesse zu. Diese sogenannten »kohligen Chondriten« enthalten bis zu drei Prozent Kohlenstoff in Form von Graphit, Karbonaten und organischen Verbindungen, darunter auch Aminosäuren. Sie enthalten zudem die ersten und somit ältesten schweren chemischen Elemente, die im Sonnensystem durch Akkretion zusammengefügt worden sind und sie waren nach ihrer Entstehung keinen nennenswerten Veränderungen durch höhere Temperaturen ausgesetzt. Speziell die Calcium- und Aluminium-haltigen Mineralien (= CAI; »Ca-Al-rich Inclusions«) dieser Meteoriten sind von Interesse, da sich diese bereits bei verhältnismäßig hohen Temperaturen von etwa 1.800 °C aus der sich abkühlenden Gaswolke bildeten. Mit Hilfe der Uran-Blei-Datierung, die als Grundlage die Mengenverhältnisse des radioaktiven Zerfalls der Uran-Isotope 238U und 235U in die Blei-Isotope 207Pb und 206Pb zur Altersbestimmung nutzt, konnte für die »CAIs« ein Bildungsalter von etwa 4,5682 Milliarden Jahren errechnet werden. Das ist also der Zeitpunkt der Bildung der Planetesimale und legt somit das Entstehungsalter unserer Planeten, wie auch unserer Erde fest. Auf der Oberfläche unseres Heimatplaneten finden wir, durch verschiedene geologische Prozesse verursacht, allerdings keinerlei Gesteine, die in die Entstehungszeit zurückreichen.

In nur etwa 100.000 Jahren nach ihrer Entstehung hatten sich aus den Planetesimalen des frühen Sonnensystems planetare Körper von der Größe des Erdmondes bzw. des Mars entwickelt. Die Protoerde, die durch Akkretion hunderter zehn Kilometer großer, einiger Dutzend 100 km großer und vielleicht sogar mondgroßer Körper angewachsen war, torkelte, da sie nicht wie heute von einem Satelliten (Mond) in ihrer Bewegung stabilisiert wurde, auf ihrer Bahn. Auch erinnerte ihre Gestalt zunächst eher an einen Klumpen, denn die kugelige Form bildete sich erst später aus. Erst ab einem Durchmesser von mehreren hunderten Kilometern war die eigene Gravitationskraft stark genug, um alle Masse intensiv zum Mittelpunkt des Körpers zu ziehen, womit Ausbeulungen und Vertiefungen des jungen Planeten verschwanden und sich eine annähernde Kugelform einstellte. In diesem Stadium stand die Erde unter Dauerbeschuss aus dem Weltall. Bei jedem Aufschlag kosmischer Körper wurde praktisch die gesamte kinetische Energie in Wärme umgewandelt, was dazu führte, dass die Erde einem Magmaball glich. Um eine Vorstellung zu bekommen: Ein kosmischer Bolide kann im heutigen Sonne-Erde-System mit Geschwindigkeiten von 42 bis 72 km/s – das sind 150.000 bis 260.000 km/h – eintreffen. Hat solch ein Körper einen Durchmesser von etwa einem Kilometer, so setzt sich beim Einschlag die Energie von rund 250.000 Hiroshima-Bomben frei.

Während der Phase des ständigen Massezuwachses durch einschlagende extraterrestrische Körper, war die Erde auf etwa zwei Drittel ihrer heutigen Größe angewachsen. Die akkretierte Materie hatte sich durch die, bei den Einschlägen der Planetesimale freiwerdende Gravitationsenergie, sowie durch radioaktive Zerfallsprozesse auf mehr als 2.000 °C erhitzt und begann sich nach dem spezifischen Gewicht zu entmischen. Dabei entstanden zwei unterschiedliche Gesteinsschmelzen. In Eisenschmelzen fanden sich siderophile (= »Eisen-liebende«) Elemente, wie Nickel, Kobalt, Kupfer, Zinn, Gold, Platinmetalle etc. zusammen. In den Silikatschmelzen, in denen sich die lithophilen (= »Stein-liebende) Elemente anreicherten, waren dominant die Elemente Sauerstoff, Aluminium, Silizium, Natrium, Kalium, Magnesium, Calcium etc. vertreten. Die schwerere Metallschmelze wanderte Richtung Mittelpunkt der jungen Erde, während die Silikatschmelze gegen die Oberfläche hin verdrängt wurde. Im Zuge lange andauernder Differenzierungsprozesse entstand somit über dem schweren Eisenkern ein Mantelbereich mit Gesteinen mittlerer Dichte aus Magnesium- und Eisenverbindungen und Silikaten und darüber eine Außenkruste aus leichtem Material, das durch Sauerstoff, Silizium, Aluminium, Calcium und Natrium dominiert wird.

Etwa 95 Millionen Jahre nach der Geburt unseres Sonnensystem, während die Erde beinahe ihre ersten Differenzierungsprozesse abgeschlossen hatte und bereits 90 % der heutigen Masse aufwies, kam es zu einem dramatischen Ereignis: Sie kollidierte mit einem etwa Mars-großen Objekt unter einem Winkel von etwa 45°. Das war praktisch nur ein Streifschuss, allerdings bei einer Geschwindigkeit von etwa 14.500 km/h. Der Kollisionsgegner der Erde wird »Theia« genannt. Theia dürfte sich vor dem Zusammenstoß an einem Gleichgewichtspunkt (= »Lagrange-Punkt«) im System Sonne-Erde entwickelt haben, wo zunächst die Anziehungskräfte von Sonne und Erde auf Theia mit der Zentrifugalkraft im Gleichgewicht standen. Als durch Massezuwachs Theia etwa zehn Prozent der Erdmasse erlangte, wurde dieses Gleichgewicht gestört und es kam zum Zusammenstoß, bei dem Theia selbst zerstört wurde. Im Zuge des Impakts (= Einschlag, Aufprall) wurden Material von Theia wie auch Teile des Erdmantels in den Erdorbit geschleudert, während sich die Eisenkerne der beiden Himmelskörper in der Erde vereinigten. In weniger als 100 Jahren verdichtete sich das Kollisions-Material, das die Erde umkreiste zum Proto-Mond, der die übrigen Trümmer »einsammelte« und sich nach knapp 10.000 Jahren zum Mond mit annähernd heutiger Masse verdichtete. Die Erde bekam durch diese Katastrophe einen Massezuwachs, aber auch einen verstärkten Drehimpuls. Ihre Rotationsperiode betrug nach dem Impakt etwa fünf Stunden.

EIN PLANET IN DEN BESTEN JAHRMILLIONEN

Aus der Sicht seiner Bewohner nimmt die Erde eine äußerst günstige Position innerhalb der Planeten des Sonnensystems ein und sie hat auch das richtige Alter, um habitable (lebensfreundliche) Bedingungen zu gewährleisten. Diese Bedingungen werden oft, in Anlehnung an das Märchen des englischen Dichters Robert Southey (1774–1843) »Goldlöckchen und die drei Bären«, als »Goldilock-Prinzip« bezeichnet. Im Märchen leben drei Bären, ein großer, ein mittlerer und ein kleiner Bär, in einem Haus im Wald. Jeder hat eine eigene Schüssel mit Brei und während der Brei nach der Zubereitung auskühlt, gehen die Bären im Wald spazieren. Das Mädchen Goldlöckchen betritt eines Tages, während die Bären im Wald spazieren, die Hütte der drei Bären. Sie sieht drei Schüsseln Brei auf dem Küchentisch und kostet den Brei. Zuerst kostet sie den Brei aus der großen Schüssel des großen Bären und sagt: »Der ist viel zu heiß«. Der Brei aus der zweiten Schüssel ist zu kalt, nur der Brei aus der dritten Schüssel hat genau die richtige Temperatur und schmeckt hervorragend – er ist »genau richtig«. Ähnlich verhält es sich mit der Erde, die als »Goldilock-Planet« bezeichnet werden kann. Sie liegt innerhalb des Planetensystems »genau richtig«. Unser innerer Nachbarplanet, die Venus, ist zu nahe an der Sonne und daher »zu heiß«. Unser äußerer Nachbar, der Mars, ist zu weit entfernt und »zu kalt«. Auch der Aufbau der Erde und der ihrer Nachbarn ist »genau richtig«. Allgemein besagt das Goldilock-Prinzip, dass etwas innerhalb ganz bestimmter, oft enger Grenzen zwischen den Extremen liegen muss, um sich günstig entwickeln zu können. Bezogen auf die Entwicklung der Erde werden diese Grenzen deutlich, wenn sie als »was wäre wenn«-Sätze formuliert werden.

1. Die Erde ist der dritte der inneren, sogenannten »terrestrischen« (= »erdähnlichen«) Planeten und im Mittel etwa 149,6 Millionen Kilometer (entspricht einer astronomischen Einheit; 1 AE = astronomical unit; 1 au) von der Sonne entfernt. Ihre nahezu kreisförmige Umlaufbahn um die Sonne gewährleistet einen mehr oder weniger konstanten Wärmefluss. Wäre die Bahn elliptischer, würde die Oberfläche halbjährig gänzlich frieren und im folgenden Halbjahr »geröstet« werden.

2. Wäre die Distanz Erde zu Sonne nur um etwa fünf Prozent geringer, d. h. würde sich die Erde näher an der Sonne befinden, würde das Wasser der Ozeane verdunsten. Die Treibhausgase würden die Oberflächentemperaturen auf eine Größenordnung ansteigen lassen, wie sie heute auf der Venus existieren (etwa 430 °C bis 500 °C).

3. Wäre die Erde etwa fünf Prozent weiter von der Sonne entfernt, würden die Ozeane gefrieren. Photosynthese wäre nur eingeschränkt möglich, und der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre wäre dadurch weitaus geringer.

4. Die Größe der Erde (äquatorialer Durchmesser 12.756 km), ihre Masse (5,97 x 1024 kg), ihre Dichte (5,515 g/cm3) und ihr interner Aufbau begünstigen habitable Bedingungen. Wäre die Erde wesentlich kleiner und ärmer an Masse, würde die verringerte Gravitationskraft Wasser und Sauerstoff nicht mehr in der Atmosphäre halten können. Die Ozonreiche Atmosphäre wiederum filtert die für höhere Lebewesen schädliche ultraviolette Strahlung von der Sonne. Umgekehrt würde die Gravitationskraft bei einer größeren, Masse-reicheren Erde zu stark sein, um höheres Leben zu fördern.

5. Der rotierende, metallische Erdkern erzeugt ein Magnetfeld der richtigen Stärke, um die Erde vor tödlicher kosmischer Strahlung zu schützen.

6. Unsere planetaren Nachbarn im Sonnensystem wirken unterstützend für die Entwicklung lebensfreundlicher Bedingungen auf der Erde. Der vergleichsweise große Mond mit seinem Durchmesser von etwa 3.476 km, seiner Masse von 7,35 x 1022 kg und seiner mittleren Dichte von 3,34 g/cm3 wirkt stabilisierend auf die Rotationsachse der Erde, die in einem Winkel von 23,4° zur Umlaufbahn um die Sonne geneigt ist. Er verhindert ein zu großes »Taumeln« unseres Planeten und hält damit Temperaturunterschiede auf der Erde über lange Zeiträume hinweg in Grenzen.

7. Ohne das gewaltige Gravitationsfeld des Jupiter (Äquatorialdurchmesser = 142.984 km, Masse = 1,9 x 1027 kg, Dichte = 1,326 g/cm3) würde die Erde viel häufiger von (großen) Meteoriten und Kometen bombardiert werden, die in der Lage wären einen großen Teil der Organismen auf der Erde auszulöschen.

8. Die Erde ist ein äußerst dynamischer Planet, dessen Aussehen sich während der letzten fast 4,6 Milliarden Jahre ständig verändert hat. Ohne tektonische Prozesse (Plattentektonik) hätten sich weder Kontinente noch Ozeane bilden können. Ohne die ständige Interaktion der sich beeinflussenden Sphären (Erdkern, Erdmantel, Erdkruste, Hydrosphäre, Atmosphäre, Biosphäre) hätte sich nicht die enorme Vielfalt von Erscheinungsformen auf der Erde bilden können.

Die Erde wurde vor etwa 4,57 Milliarden Jahren aus Staub geboren, ihre »Lebenserwartung« als Planet beträgt etwa weitere vier bis fünf Milliarden Jahre. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bedingungen auf der Erde wie wir sie heute kennen, über diesen Zeitraum fortbestehen werden.

Die ferne Zukunft der Erde ist eng mit der Entwicklung unseres Zentralgestirns verknüpft. Die Masse der Sonne besteht zu etwa 75 % aus Wasserstoff, 24 % aus Helium und geringfügigen Anteilen an Sauerstoff, Kohlenstoff, Eisen, Neon, Silizium, Magnesium und Schwefel. Sie ist derzeit im Stadium eines »Hauptreihensterns« (= Main-Sequence Star) und gewinnt ihre Energie größtenteils aus der Fusion von Wasserstoff-Protonen (1H) zu Helium (4He) durch Proton-Proton Reaktion. Der Massendefekt von 0,635 %, dies ist die Differenz zwischen der Summe der Einzelteile und der, stets kleineren tatsächlichen Masse eines Atomkerns, entspricht einer Gesamtenergie von 26,73 Megaelektronenvolt (MeV) pro Reaktion. Die Kettenreaktion, die im Kern der Sonne stattfindet, konvertiert jede Sekunde etwa 3,7 x 1038 freie Protonen oder 6,2 x 1011 kg zu Heliumkernen. Dies entspricht einer Energie von 3,846 x 1026 Watt.

Modelle zur Entwicklung der Sonne legen nahe, dass sie bei Eintritt in die »Main Sequence Phase« vor etwa fünf Milliarden Jahren 25 bis 30 % weniger Leuchtkraft hatte, also weniger Energie emittierte. Dies liegt daran, dass der Kern der Sonne dichter und heißer wird, je mehr Wasserstoff zu Helium transformiert wird. Die Sonne verbrennt den verbleibenden Treibstoff zunehmend schneller und ihre Leuchtkraft nimmt, annähernd linear, etwa alle 1,1 Milliarden Jahre um zehn Prozent zu. Die in ihrer frühen Phase geringere Energieproduktion impliziert, dass die Oberflächentemperatur der Erde während der ersten zwei Milliarden Jahre unter dem Gefrierpunkt von Wasser hätte gewesen sein müssen. Dies steht aber im Widerspruch zu Daten aus 3,8 Milliarden Jahre alten Sedimentgesteinen, die nahelegen, dass zu dieser Zeit Ozeane und fließendes Wasser auf der Erde existierten. Dieses Problem ist als »Paradoxon der schwachen jungen Sonne« (»Faint Young Sun Problem«) bekannt. Eine mögliche Lösung des Problems ist die Annahme, dass die frühe Atmosphäre der Erde eine höhere Konzentration von Treibhausgasen wie CO2 und CH4 hatte. Projiziert man die graduelle Zunahme der Sonnenlumineszenz in die Zukunft, könnte der resultierende Temperaturanstieg die Ozeane in ein bis zwei Milliarden Jahren verdunsten lassen. Die Auswirkungen dieses Szenarios würden nicht nur das Leben auf der Erde betreffen. Die Plattentektonik, deren Motor in der Subduktion (= Abtauchen von Lithosphäre in den Erdmantel) hydratisierter Kruste liegt, würde zum Erliegen kommen. Die habitable Zone könnte sich in Richtung der äußeren terrestrischen Planeten verlagern. Der Mars könnte »bewohnbar« werden und auf der Erde könnten ähnliche Bedingungen wie auf der heutigen Venus herrschen.

In fünf bis sechs Milliarden Jahren wird die Sonne so heiß sein, dass Wasserstoff-Fusion auch in ihrer Schale stattfindet. In etwa sieben Milliarden Jahren wird sie dann auf das 250-fache ihrer Größe anwachsen und in das Stadium eines »Roten Riesen« eintreten. Der Sonnenradius wird dann mit 1,2 au größer sein als die heutige Entfernung Erde – Sonne (1 au); die Erde wird wahrscheinlich von der Sonne verschluckt. Auf dem Saturnmond Titan könnten dann Oberflächentemperaturen herrschen, die habitable Bedingungen gewährleisten.

Wasserstoff-Fusion in der Sonnenschale und Zuwachs von Helium im Kern lässt die Dichte und Temperatur des Kerns graduell ansteigen, bis die Fusion von Helium zu Kohlenstoff möglich wird. Bei Sternen deren Massen geringer als das 2,25-fache der Sonne sind, reicht die Temperatur im Kern und der damit verbundene Druck allerdings nicht aus, um einen gravitativen Kollaps zu verhindern. Die Sonne wird also kollabieren und schrumpft zu einem »Weißen Zwerg«.

Gefahren drohen der Erde aber auch von Seiten ihrer Nachbarplaneten. Innerhalb der nächsten fünf Milliarden Jahre könnte die Exzentrizität der Mars-Umlaufbahn soweit anwachsen, dass sich die Bahnen von Erde und Mars zu kreuzen beginnen und beide Planeten kollidieren könnten. Ähnliches betrifft auch den Planeten Merkur, der sich im selben Zeitrahmen auf Kollisionskurs mit Venus und Erde begeben dürfte.

Astronomische Faktoren, ausgenommen »unvorhersehbare« Impaktereignisse, werden also die zukünftige Entwicklung der Erde auf der Skala von Jahrmilliarden bestimmen. Terrestrische Vorgänge und die Interaktionen des Systems Sonne-Erde-Mond, die als Verteilung oder Umverteilung von Energie und Materie beschrieben werden können, betreffen Veränderungen auf den Skalen von Jahrmillionen (z. B. tektonische Prozesse) bis Stunden (z. B. Gezeitenvorgänge). Das Ausmaß der Veränderung, das die Erde, seit ihrer Bildung aus einem »homogenen Reservoir« vor 4,54 Milliarden Jahren erfahren hat, wird deutlich, wenn man sich ihre gegenwärtige Struktur vor Augen hält.

Die bewegte Erde

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