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DR. ULRIKE PETERS, geboren 1957, Studium der Vergleichenden Religionswissenschaft, Altamerikanistik und Völkerkunde in Bonn und Wien. Wissenschaftliche Mitarbeit am Nationalmuseum für Anthropologie in Mexiko City und an den Universitäten Bonn und Paderborn im theologischen Bereich. Heute als Sachbuchautorin und als Dozentin in der Erwachsenenbildung tätig. Publikationen zu den Themenbereichen Weltreligionen, Judentum, Kirchengeschichte, Tierschutzethik, Esoterik, Altes Mexiko und Kelten.

Zum Buch

»Wir waren bass erstaunt über dieses Zauberreich, das fast so unwirklich schien wie die Paläste in dem Ritterbuch des Amadis.«

BERNAL DÌAZ DEL CASTILLO, AUGENZEUGE
DER SPANISCHEN EROBERUNG MEXIKOS

Die Hochkulturen der Azteken und Maya sind die bekanntesten des Alten Mexiko. Weniger bekannt, aber nicht weniger interessant sind die anderen Kulturen, die es außerdem seit dem ersten Jahrtausend v. Chr. gab: Olmeken, Teotihuacán, Monte Albán und die Kulturen der Zapoteken, Mixteken, El Tajín und die Totonaken oder Tula und die Tolteken. Ihre Städte, Tempel und Kunstwerke stellen heute nur noch einen schwachen Abglanz einer einzigartigen indianischen Vergangenheit dar. Die hochentwickelten Schriftund Kalendersysteme waren die ersten in Amerika, Teotihuacán war die erste Metropole Amerikas. Der vorliegende Band gibt einen Überblick über die Vielfalt der indianischen Hochkulturen Mexikos unter der Berücksichtigung der neuesten Forschungsergebnisse. Gleichzeitig wird aber auch aufgezeigt, wie die Präsenz der indianischen Tradition die Geschichte Mexikos von der spanischen Eroberung 1521 bis heute prägt und es für den Touristen zu einem der faszinierendsten Länder der Welt macht.

Ulrike Peters
Das Alte Mexiko

Ulrike Peters

Das Alte Mexiko

und seine Hochkulturen

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Meiner Mutter
Ursula Peters (1925–2008),
in Dankbarkeit und Erinnerung
an die Zeit in Mexiko

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Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2015
Covergestaltung: Kerstin Göhlich, Wiesbaden
Bildnachweis: Olmekischer Kolossalkopf. © akg/Bildarchiv Steffens
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

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»Wohin gehen wir?
Nur um geboren zu werden kommen wir,
denn dort ist unser Zuhause,
wo der Ort der Toten ist.«

Mexikanische Gesänge

Aussprache

Orts- und Personennamen der indianischen Sprachen werden nach spanischen Sprachregeln ausgesprochen, so Chihuahua = Tschiwawa, d. h.:

ch=

tsch

j=

ch

ll=

lj

c=

k (vor e und i = z)

u=

w

x=

s vor Konsonanten, bei indianischen Worten wie z. B. Uxmal auch = sch

Abkürzungen

MNA =

Museo Nacional de Antropología = Nationalmuseum für Anthropologie in Mexiko-Stadt

INHALT

AUSSPRACHE

ABKÜRZUNGEN

VORWORT

EINFÜHRUNG: DIE GRUNDLAGEN DER ALTMEXIKANISCHEN KULTUREN

Das Alte Mexiko – geografisch gesehen

Die altmexikanischen Hochkulturen – ein Überblick über Wesen und Besonderheiten

Die Hochkulturen Altmexikos – ein »Ableger« der Alten Welt?

Wie alles begann: erste Eroberer und erste Schritte auf dem Weg zur Hochkultur

OLMEKENIM ZEICHEN DES JAGUARS

Die erste Hochkultur des Alten Mexiko in vorklassischer Zeit – mehr Fragen als Antworten

Im Zentrum olmekischer Macht: San Lorenzo, La Venta und Tres Zapotes

Jaguar und kolossale Köpfe – die Kunst der Olmeken

Die Ausbreitung der olmekischen Kultur

TEOTIHUACÁN – DIE STADT, WO MAN ZUM GOTT WIRD

Teotihuacán – Amerikas erste Metropole in klassischer Zeit

Ein archäologischer Stadtrundgang

Das Paradies des Regengottes – die Kunst Teotihuacáns

Eine multikulturelle Stadt – Wirtschaft, Handel und Ausbreitung Teotihuacáns

VIELFALT DER KULTUREN: DIE KULTUREN DER ZAPOTEKEN, MIXTEKEN, DER GOLFKÜSTE UND WESTMEXIKOS

Die Kulturen der Zapoteken und Mixteken: von Monte Albán und den Goldschätzen der Mixteken

Die Kulturen der Golfküste: von den Ballspielplätzen der Totonaken in El Tajín und den nackten Huasteken

Westmexiko: nur »Randkulturen« und El Dorado der Huaqueros?

TULA UND DIE TOLTEKENDAS VOLK DES QUETZALCOATLS

Cholula, Cacaxtla und Xochicalco: zwischen Teotihuacán und Tula

Tula und die Tolteken

Quetzalcoatl – Mythos und Wirklichkeit

MAYAVON MAISMENSCHEN UND GÖTTLICHEN HERRSCHERN

Geschichte und Kulturen der Maya – ein Überblick

Herrscher und Untertanen: Gesellschaft und Alltagsleben

Tikal und Calakmul – die Geschichte zweier Städte

Palenque und Yaxchilán – die Geschichte zweier Dynastien

Chichén Itzá – Tolteken- oder Maya-Stadt?

»Eine Welt, in der viele Welten Platz haben« – der Kampf der Maya für Freiheit und Gerechtigkeit

Faszination Maya: Wissenschaft und Esoterik

DIE AZTEKENDIE ZEIT DER FÜNFTEN SONNE

Dort, wo der Adler sich auf einem Kaktus niederließ – geschichtlicher Überblick

Tenochtitlán – eine Weltstadt

Der Herrscher und seine Untertanen – Gesellschaft und Alltagsleben

»Blumenkriege« – die Kriege der Azteken

»Blume und Gesang« – Dichtung und Philosophie der Azteken

»Sind unsere Götter auch gestorben« – Missionare als Völkerkundler

»Diese Ding sind alle köstlich gewesen« – die Wiederentdeckung aztekischer Kultur

RELIGION UND WELTBILD

Kennzeichen und Besonderheiten altmexikanischer Religionen

Jaguar und gefiederte Schlange

Schamanen oder Priester?

Damit die Sonne nicht untergeht – Menschenopfer

Ballspiel – das Spiel der Götter

Religion und Pantheon der Maya

Religion und Pantheon der Azteken

»SIE HABEN EINEN EBENSO VOLLKOMMEN KALENDER WIE WIR« – SCHRIFT-, ZAHLEN- UND KALENDERSYSTEM

Eine Schrift ohne Alphabet? Wesen und Besonderheiten altmexikanischer Schriften

Gute und schlechte Tage – Kalender und Zahlen

Codices – die Bücher der Maya, Mixteken und Azteken

Aztekische Codices aus vorspanischer Zeit: Die Codex Borgia-Gruppe

Aztekische Codices aus spanischer Zeit

DIE BEGEGNUNG ZWEIER WELTEN

»Er geht, sich den Göttern, den Spaniern zu ergeben« – der Beginn der spanischen Eroberung

Im Reich des Moctezuma – die Eroberung Tenochtitláns

Auf der Suche nach noch mehr Gold – weitere Eroberungen

»Unerhörte Grausamkeiten« – die spanische Kolonialzeit

Christliche oder indianische Religion? – der Kult der Jungfrau von Guadalupe

Adler oder Sonne? – indianische Tradition im Wandel der Zeit

ZEITLICHER ÜBERBLICK ÜBER DIE WICHTIGSTEN HOCHKULTUREN DES ALTEN MEXIKO

BIBLIOGRAFIE

BILDNACHWEIS

VORWORT

Lebt man wirklich hier auf Erden?
Nicht für immer sind wir auf Erden, nur ein wenig.
Auch Jade spaltet sich,
auch Gold zerbricht,
auch Quetzal-Federn zerreißen.
Nicht für immer sind wir auf Erden, nur ein wenig?1

Die Vergänglichkeit und der Sinn des menschlichen Lebens waren ein Hauptthema der aztekischen Poesie und Philosophie, wie dieses Beispiel aus den Mexikanischen Gesängen (Cantares Mexicanos) zeigt. Aber nicht nur in diesen Gedichten leben die Azteken und andere Völker des Alten Mexiko weiter, sondern sie haben ihre Spuren auch mit den Tempel- und Palastanlagen und zahlreichen Kunstwerken hinterlassen. Die Nachfahren dieser indianischen Hochkulturen wie Azteken, Maya, Zapoteken, Mixteken oder Totonaken sowie ihre indianische Tradition prägen noch heute entscheidend das Bild der zentralamerikanischen Länder.

Die Hochkulturen der Azteken und Maya sind die bekanntesten des Alten Mexiko. Weniger bekannt, aber nicht weniger faszinierend sind die anderen Kulturen, die es außerdem vom ersten Jahrtausend v. Chr. bis zur spanischen Eroberung gab: Olmeken an der Golfküste, die Megastadt Teotihuacán im Hochtal von Mexiko – die erste Metropole Amerikas –, Monte Albán in Oaxaca und die Kulturen der Zapoteken und Mixteken, die westmexikanischen Kulturen, El Tajín – die Stadt der Totonaken –, oder Tula – die Stadt der legendären Tolteken. Diese Kulturen folgten zeitlich nacheinander oder bestanden auch gleichzeitig »nebeneinander« und beeinflussten sich gegenseitig.

Nicht selten sind gerade die Kulturen der Azteken oder Maya stark von Klischees geprägt. So verbindet man beispielsweise die aztekische Kultur meist mit blutigen Menschenopfern. Unbekannt dagegen ist die hochentwickelte Philosophie, Theologie und Dichtkunst der Azteken, wofür das oben zitierte Gedicht ein Beispiel ist. Ein aztekischer Herrscher wie Nezahualcóyotl war nicht nur ein fähiger Regent und Krieger, sondern ebenso ein qualifizierter Architekt, Dichter, Gesetzgeber, Theologe und Philosoph, von dem uns bis heutige einige Gedichte erhalten sind. Andererseits wurden die Maya bis vor wenigen Jahrzehnten als ein friedliebendes Volk ohne Menschenopfer und mit einer hochentwickelten Kultur dargestellt. Heute wissen wir, dass die Maya häufig Kriege führten und ihnen Menschenopfer nicht fremd waren. Über die Kulturen der Azteken und Maya sind wir relativ gut informiert. Denn es waren diejenigen Kulturen, die die Spanier bei ihrer Eroberung noch »live« erlebten und über die sie berichteten, ebenso wie indianische Chronisten in dieser Zeit. Aber von den Kulturen davor wissen wir letztlich wenig. Die meisten Spuren des alten Mexiko warten noch auf ihre Entdeckung, nur ein Bruchteil ist bisher ausgegraben.

Die spanische Eroberung hat den größten Teil dieser Kulturen zerstört – aber doch nicht alles. Indianische Tradition lebt heute weiter, so z. B. in der christlichen Religion – wie der Verehrung der Jungfrau von Guadalupe –, in den vielen Festen, im Kunsthandwerk bis hin zu der Kunst eines Diego Rivera oder einer Frida Kahlo. Die indianische Vergangenheit ist für die mexikanische Identität heute ein wichtiges Kriterium. So ist das Nationalmuseum für Anthropologie in Mexiko-Stadt, das die weltweit bedeutendste Sammlung altmexikanischer Geschichte repräsentiert, eines der prägnantesten Symbole mexikanischer Selbstdarstellung. Allerdings ist auch die Ambivalenz nicht zu übersehen zwischen der stolzen Präsentation der Vergangenheit des Alten Mexiko und der Verehrung indianischer »Helden« wie Cuauhtémoc, dem letzten Aztekenherrscher oder Benito Juárez, dem ersten indianischen Präsidenten Mexikos und Amerikas überhaupt auf der einen Seite und der sozialen Realität andererseits, in der »dem Indio« nur ein Platz in der untersten Gesellschaftsschicht zukommt.

Der vorliegende Band gibt einen Überblick über die Vielfalt der indianischen Hochkulturen Mexikos, wobei bestimmte, für den Leser interessante Aspekte hervorgehoben und die neuesten Forschungsergebnisse berücksichtigt werden.

Die archäologische Erforschung der indianischen Vergangenheit ist spannend und bringt immer wieder neue sensationelle Funde ans Licht. So wurde z. B. gerade bei Drucklegung dieser Publikation ein Schädelgerüst (Tzompantli) beim Haupttempel der Azteken in Mexiko-Stadt gefunden. Insofern versteht sich der vorliegende Band nicht als umfassende wissenschaftliche Arbeit, sondern Ziel und Zweck ist es einen allgemeinverständlichen Überblick über die Vielfalt der indianischen Hochkulturen des Alten Mexiko zu geben. Wenn dieses Ziel erreicht ist, ist das nicht zuletzt auch ein Verdienst von Frau Rebecca Hausdörfer, der Lektorin des marixverlages, der an dieser Stelle mein Dank gilt. Für den interessierten Leser, der sich intensiver mit der Thematik beschäftigen möchte, sei auf die Bibliografie verwiesen.

Gleichzeitig wird aber auch aufgezeigt, wie die Präsenz der indianischen Tradition die Geschichte der Länder wie z. B. Mexiko oder Guatemala von der spanischen Eroberung bis heute prägt und sie für den Touristen zu den faszinierendsten Ländern der Welt macht. Schon Bernal Díaz del Castillo, Augenzeuge der spanischen Eroberung Mexikos, vermerkte über den Anblick von Tenochtitlán, heute Mexiko-Stadt, im Jahre 1519: »Wir waren bass erstaunt über dieses Zauberreich, das fast so unwirklich schien wie die Paläste in dem Ritterbuch des Amadis.«

EINFÜHRUNG:
DIE GRUNDLAGEN DER ALTMEXIKANISCHEN
KULTUREN

Das Alte Mexiko – geografisch gesehen

Unter allen Kolonien, welche dem Zepter des Königs von Spanien unterworfen sind, behauptet Mexiko gegenwärtig den ersten Rang, sowohl wegen der Schätze seines Bodens als wegen seiner für den Handel mit Europa und Asien so

vorteilhaften Lage.

Das schrieb Alexander von Humboldt von seiner Reise nach Mexiko im Jahre 1803 in seinem »Mexico-Werk« (1. Bd.). Alexander von Humboldt (1769–1859) verdanken wir von seiner mexikanischen Reise (1803–1804) eine ausführliche landeskundliche Beschreibung Mexikos, mit der er den Grundstein zur Geografie Mexikos legte. Er war es auch, der als Pionier die Forschungen zum Alten Mexiko anregte. Zu Humboldts Zeit hieß Mexiko als spanische Kolonie noch Neuspanien (1535–1822) und war wesentlich größer als der heutige Staat Mexiko: Neuspanien reichte im Norden bis Kalifornien und im Süden bis Venezuela. Um es noch etwas komplizierter zu machen: Das, was wir heute gemeinhin als »Altes Mexiko« bezeichnen, wird in der Altamerikanistik, der Wissenschaft, die sich mit den indianischen Kulturen Amerikas beschäftigt, Mesoamerika genannt. Der Altamerikanist Paul Kirchhoff führte diesen Begriff 1943 ein, um damit unabhängig von den modernen Staatsgrenzen das Ausbreitungsgebiet bzw. Kulturareal der dortigen vorspanischen Hochkulturen zu bezeichnen. Die Grenze Mesoamerikas verlief in Nordmexiko auf der Höhe des nördlichen Wendekreises, ungefähr mit dem Verlauf der Flüsse Rio Panuco und Rio Lerma übereinstimmend. Im Süden gehörten die heutigen Nachbarstaaten Mexikos, Guatemala, Belize, El Salvador und Honduras, zu gewissen Zeiten auch Nicaragua und Costa Rica zu Mesoamerika. Die Grenzen Mesoamerikas veränderten sich folglich und waren jeweils von den einzelnen Kulturen und ihren Zeiten abhängig – ähnlich wie die Ausbreitung und die Grenzen des Römischen Reiches sich mit den Zeiten veränderten. Wenn wir im Folgenden also vom »Alten Mexiko« sprechen, ist Mesoamerika gemeint. Die Bezeichnung »Altes Mexiko« hat insofern ihre Berechtigung, als es der gebräuchliche, umgangssprachliche Begriff ist und weil das Gebiet des heutigen Staates Mexiko der größte und wichtigste Teil Mesoamerikas war.

Geografisch gehört der größte Teil Mexikos zu Nordamerika, nur der südliche Teil ab der Höhe des Isthmus von Tehuantepec gehört zu Zentralamerika, der Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika, die bis Panama bzw. Kolumbien reicht. Zählt man die Westindischen Inseln dazu, so spricht man statt von Zentralamerika auch von Mittelamerika. Die Gesamtfläche Mexikos beträgt 1 964 375 km2: Mexiko ist somit fast sechsmal so groß wie Deutschland (357 340 km2), mit 31 Bundesstaaten und der Hauptstadt, dem Distrito Federal. Die Ausdehnung von Norden nach Süden beträgt 3170 km, die größte Ausdehnung von Westen nach Osten 1200 km, die engste Stelle zwischen Westen und Osten am Isthmus von Tehuantepec ist 225 km breit. Das Hochtal von Mexiko-Stadt liegt 2240 m über dem Meeresspiegel; die schneebedeckten Vulkanberge des Umlandes, Pico de Orizaba bzw. Citlaltépetl (5636 m), Popocatépetl (»der rauchende Berg«, 5462 m) und Iztaccíhuatl (»die weiße Jungfrau«, 5230 m) sind die höchsten Erhebungen Mexikos.

Nicht nur kulturell, sondern auch geografisch ist Mesoamerika ein Gebiet mit vielen Gesichtern und der Gegensätze – vor allem im Hinblick auf Landschaft, Klima und Vegetation. Während der Norden durch Wüsten und Steppen mit entsprechend trockenem, heißem Klima geprägt ist, das Hochtal von Mexiko und andere Gebirgszonen in Vegetation und Klima den Alpen ähnlich und deren höchste Berge von Schnee bedeckt sind, herrscht an der Atlantik- und Pazifikküste sowie in den Regenwäldern im Süden feuchtheißes, tropisches Klima. Diese Vielfalt ist vor allem auf die ungleichmäßigen Niederschläge zurückzuführen. Mesoamerika liegt südlich des Wendekreises des Krebses und ist daher klimatisch der tropischen Zone zuzuordnen. Man teilt die Klimazonen ähnlich wie in Südamerika ein in eine Tierra Caliente (heiße Zone) bis 800 m über dem Meeresspiegel mit Regenwaldvegetation und Kakaoanbau, eine Tierra Templada (gemäßigte Zone) von 800 bis 1800 m mit Mischwäldern aus Laub- und Nadelbäumen, Kaffee-, Baumwoll-, Zuckerrohr- und Agavenanbau, und eine Tierra Fría (kühle Zone) über 1800 m Höhe mit einer den Alpen ähnlichen Vegetation mit Mischwäldern aus Nadel- und Laubbäumen sowie Graslandschaft. Der Unterschied zwischen Sommer und Winter ist nicht so entscheidend wie der zwischen der Regenzeit von Ende Mai / Anfang Juni bis Oktober / November und der Trockenzeit von Ende November bis Mai. Auch die Temperaturunterschiede zwischen den Jahreszeiten unterscheiden sich nicht so stark wie die zwischen Tag und Nacht. So können die Unterschiede z. B. im Hochtal von Mexiko oder in den Wüstengebieten durchaus 16 bis 20 °C betragen. Die tropische Regenwaldzone zeichnet sich mit Temperaturen im Monatsmittel von 24 bis 28 °C aus, einem Jahresniederschlag von 2000 bis 4000 Millimetern und einer Luftfeuchtigkeit von 70 bis 80 %. Im Vergleich dazu hat eine deutsche Stadt wie Köln eine Durchschnittstemperatur von 9,6 °C im Monatsmittel und einen Jahresniederschlag von 804 Millimetern.

Neben den Küstenebenen wird Mesoamerika vor allem durch die die Landesmitte der Länge nach von Norden nach Süden durchziehenden Gebirgszüge der Sierra Madre Occidental und der Sierra Madre Oriental geprägt. Die Sierra Madre ist sozusagen das Verbindungsstück zwischen den Rocky Mountains in Nordamerika und den Anden in Südamerika. Im Hochtal von Mexiko wird die Sierra Madre von einer zu ihr quer von Westen nach Osten verlaufenden Vulkankette, der Cordillera Neovolcánica, gekreuzt, zu der alle gegenwärtig noch aktiven Vulkane Mexikos gehören. In den Gebirgen befindet sich eine Reihe von Ebenen bzw. Hochtälern, wie das Hochtal von Mexiko, in dem Mexiko-Stadt liegt, oder das Hochtal von Puebla.

Eine Besonderheit bildet die Halbinsel Yucatán, eine 450 km breite Kalksteinplatte, geprägt von einer Savannenlandschaft mit Buschvegetation. Yucatán weist – mit Ausnahme des Usamacinta und Belize – keine größeren Flüsse auf. Für die Wasserversorgung im nördlichen Teil Yucatáns werden die durch den Einbruch von unterirdischen Höhlen entstandenen Wasserbecken, die Cenotes, wie sie in der Mayasprache heißen, genutzt. Unter dem Erdboden von Yucatán besteht ein ganzes System solcher Wasserbecken, die untereinander verbunden sind. Den Maya waren diese Cenotes heilig und die Zeremonialanlage Chichén Iztá verdankt einem solchen Cenote ihre Entstehung und ihren Namen.

Die Pflanzenwelt Mesoamerikas ist entsprechend der geografischen Vielfalt sehr artenreich. Mexiko ist das kakteenreichste Land der Welt. Aus den tropischen Gebieten kennen wir als mexikanischen Import die Tomate, Kakao, Vanille, Tabak, Avocado und Papaya. »Tomate« ist ein eingedeutschtes Nahuatl-Wort (tomatl). Die Worte »Kakao« und »Schokolade« stammen aus der Maya-Sprache, von cacau haa und chocol haa (»heißes Wasser«). Die Spanier machten, wie Michael C. Coe nachwies, aus chocol haa das Nahuatl-Wort chocolatl, und so wurde es in die europäischen Sprachen übernommen. Die Kakao-Bohnen dienten bei den Maya und Azteken als Zahlungsmittel und Schokolade war ein Getränk der »High Society« sowohl bei den Maya als auch den Azteken. Erst nach Änderung der Zutaten konnten sich die Spanier mit der Schokolade als Getränk anfreunden, und damit begann der Siegeszug der Schokolade in der Alten Welt. Mais, Bohnen und Kürbis – bis heute das Hauptnahrungsmitteltrio in Mexiko und den südlichen Nachbarländern – aus den gemäßigten und kühleren Zonen stammen ebenfalls aus Mexiko, wurden hier domestiziert und dann von den Europäern übernommen. Die Agave, die bis zu einer Höhe knapp über 2000 m vorkommt, ist seit der vorspanischen Zeit eine wichtige Nutzpflanze: Aus den Blättern stellte man früher Kleidung her, die Dornen benutzte man als Nadeln (und für das Blutopfer), und aus dem Saft der Agave wird nach wie vor Pulque, Alkohol in gegorener Form (vergleichbar unserem Federweißen) gewonnen. Heute stellt man aus Agave auch Tequila, gebrannten Schnaps, der im vorspanischen Mexiko unbekannt war, her. Kaffee, Banane, Kokosnuss, Zuckerrohr und Zitrusfrüchte sind Pflanzen, die ursprünglich nicht in der Neuen Welt beheimatet waren, sondern aus der Alten Welt stammen.

Im tropischen und sehr artenreichen Regenwaldgebiet der Maya sind diverse Baumarten zu erwähnen: Zum einen die Zapote-Bäume (Manilkara zapota), aus deren Milchsaft Kautschuk – auch ein Erbe der Maya, das wir heute von der Gummibis zur Kaugummiherstellung verwenden – für die Herstellung der Vollgummi-Bälle des rituellen Ballspiels gewonnen wurde. Zum anderen nutzten schon die Maya das gegen Feuchtigkeit und Termiten resistente Holz der Mahagoni-Bäume für ihre Bauten. Und schließlich ist der heilige Baum der Maya zu nennen, die Ceiba – oder yaxché, wie der Maya-Name lautet –, die mit ihren 30 m Höhe, einer weit ausladenden Krone und einem Stammumfang von 3 bis 5 m nicht nur im Regenwald auffällt, sondern auch als Schattenbaum die Plätze (Zócalos) der Dörfer und Städte damals wie heute prägt. Als kosmischer Baum symbolisierte sie für die Maya die alles verbindende Weltachse. Bäume, die den Maya Früchte lieferten, sind der Brotnussbaum, der Avocado-Baum, der Papaya-Baum, ein Baum mit tomatenähnlichen Früchten (Diospyros ebenaster), und Protium copal, der Baum, aus dem man das Räucherharz (Copal) gewann. Alle diese Bäume und ebenso Palmenarten, deren Samen oder Fasern man verwertete, ließ man bei der Rodung auf den Feldern stehen.

Auch die Fauna Mesoamerikas ist artenreich. Und auch in diesem Fall haben wir mit »Ozelot« (ozelotl) und »Kojote« (coyotl) Wörter aus der Nahuatl-Sprache übernommen, wobei die Azteken mit ozelotl den Jaguar bezeichneten. Weit verbreitet und typisch für Mexiko sind: Jaguar, Puma, Ozelot, Kojote, Fuchs, Pekari (eine Wildschweinart), Rehwild, Kaninchen, Gürteltier, Nasenbär, Affen, Fledermäuse, Geier, Adler, Kolibris, Wachtel, Rebhuhn, Truthahn, Eulen, Sittiche, Fische, Spinnen (u. a. Vogelspinne, Schwarze Witwe), Skorpione, Schmetterlinge, Leguane und vor allem Schlangen. Mexiko ist mit 705 Arten das an Schlangenarten reichste Land der Welt. Die bekanntesten sind Boa Constrictor (Würgeschlange), Klapperschlange und Korallennatter. Als Seevögel sind Pelikan, Fregattvogel und Kormoran hervorzuheben. Aus der Fauna der tropischen Gebiete sind zu nennen: der Ameisenbär (Tamandua), Paka (eine Nagetierart), Schildkröten, Alligatoren, Rote Ameise, Aras, Tukan, Montezuma-Stirnvogel und vor allem der für die indianische Religion und als heutiges Wappentier Guatemalas bedeutungsvolle, aber seltene Quetzal-Vogel. In Nordmexiko ähnelt die Fauna der Nordamerikas: An der Pazifikküste Nordmexikos gibt es Grauwal, Seelöwe, Seeotter, Biber, Nutria (eine Nagetierart, auch »Biberratte« genannt), Gänse und Enten und im Landesinneren Nordmexikos Schwarzbär, Rotluchs, Wolf, Waschbär, Dachs, Katzenfrett und Opossum. In Religion und Mythologie des Alten Mexiko kommt den Tieren und tiergestaltigen Gottheiten eine besondere Rolle zu, so vor allem der »gefiederten Schlange« und dem Jaguar.

Die altmexikanischen Hochkulturen –
ein Überblick über Wesen und Besonderheiten

Die geografischen Verhältnisse Mesoamerikas boten für die Entstehung von Hochkulturen eine optimale Grundlage. Das Alte Mexiko, das sind nicht nur die Kulturen der Maya und Azteken, sondern auch die einer ganzen Reihe anderer Kulturen. Nachdem die ersten Einwanderer zwischen 40 000 und 10 000 v. Chr. von Asien her in mehreren Schüben nach Amerika einwanderten, weisen Funde um 22 000 v. Chr. erstmalig auf menschliche Existenz in Mexiko hin. Die nomadische Lebensweise dieser ersten Jäger und Sammlerinnen wandelte sich zur Sesshaftigkeit, als um 5000 v. Chr. erstmals Mais angebaut und domestiziert wurde. Damit war der erste Schritt auf dem Weg zur Hochkultur vollzogen.

Nach dem Vorbild der griechischen Antike ordnet man die altmexikanischen Kulturen in eine archaische, vorklassische (präklassische), klassische und nachklassische (postklassische) Zeit ein. Die erste nachweisbare Hochkultur Mesoamerikas ist die der Olmeken in der vorklassischen Zeit (2000 v. Chr. – 250 v. Chr.) mit ihren Zeremonialzentren San Lorenzo und La Venta (in den heutigen Bundesstaaten Veracruz und Tabasco). Die klassische Zeit (300–900 n. Chr.) wird durch den Höhepunkt der Kultur von Teotihuacán, einer Megastadt mit riesigem Zeremonialzentrum im Hochtal von Mexiko (nahe Mexiko-Stadt), geprägt. Die nachklassische Zeit (900 n. Chr. bis zur Ankunft der Spanier 1519) ist im Hochtal von Mexiko zunächst durch die Tolteken und ihre Stadt Tula (nahe Mexiko-Stadt, 950–1150 n. Chr.) gekennzeichnet. Erst als buchstäblich allerletzten Repräsentanten einer Hochkultur treten die Azteken in Erscheinung. Sie gründeten 1325 ihre Hauptstadt Tenochtitlán, die 1521 von den Spaniern erobert und schließlich zum heutigen Mexiko-Stadt wurde. Neben diesen Hochkulturen in Zentralmexiko sind ferner »Nachbarkulturen« zu nennen, wie die der Zapoteken und Mixteken in Oaxaca mit ihrem Zentren Monte Albán und Mitla, die der Totonaken an der Golfküste mit ihrer Stadt El Tajín sowie die westmexikanischen Kulturen. Und last but not least sind die Kulturen der Maya nicht zu vergessen, deren Ausbreitungsgebiet von Südmexiko über Guatemala, Belize und Honduras bis San Salvador reichte und deren Städte wie Tikal, Calakmul oder Palenque vor allem in der Klassik (300–900 n. Chr.) ihre Blütezeit im Zentralgebiet erlebten. Aber auch in der Nachklassik entstanden in Yucatán bedeutende Städte im sogenannten Puuc-Stil sowie die Städte Chichén Itzá und Mayapán. (Vgl. dazu die Zeittafel S. 248).

Alle diese Kulturen zeichnen sich durch Gemeinsamkeiten aus, die Paul Kirchhoff (1943) erstmals zusammenstellte. Er stellte dabei folgende gemeinsamen Merkmale der Kulturen Mesoamerikas heraus, die im Folgenden noch näher erklärt werden:

hierarchisch gegliederte Gesellschaften

Kultzentren und Stadtanlagen mit Tempelpyramiden und Palästen

hochentwickelte Kunstwerke

Schrift-, Zahlen- und Kalendersysteme

Die Gesellschaften der mesoamerikanischen Kulturen waren hierarchisch in Adel, Priester, Krieger, Handwerker und Bauern sowie Sklaven gegliedert. Damit verbunden war die Bildung von Reichen und Stadtstaaten. Kennzeichnend für Mesoamerika sind die Anlagen von Kultzentren und Städten mit Tempeln, Palästen und auch Ballspielplätzen. Die Tempel standen auf mehr oder weniger großen Pyramiden. In einigen Pyramiden hat man auch Gräber gefunden. Im Unterschied dazu waren die Pyramiden im alten Ägypten ausschließlich als Grabbauten und nicht als Unterbauten für Tempel konzipiert. Während die Pyramiden der mesoamerikanischen Kulturen erhalten sind, existieren die Tempel heute – bis auf sehr wenige Ausnahmen – nicht mehr. Der Bau der Tempel wurde genau nach astronomischen Gegebenheiten und Berechnungen (z. B. Sonnenaufgang zur Tag- und Nachtgleiche im März und September) ausgerichtet. Erscheinen heute die Reste der Pyramiden und Tempel in einem sehr »einfarbigen« Äußeren, so waren die Fassaden früher mit einer mehrfarbig bemalten Stuckschicht versehen, häufig in weiß, rot und blau. Die Tempel wurden oft in unterschiedlichen Bauphasen mehrmals »überbaut«, so dass eine Pyramide mehrere frühere Tempel in sich bergen kann. Als drittes gemeinsames Merkmal mesoamerikanischer Kulturen nennt Kirchhoff die hochentwickelte Kunst wie z. B. Keramik, Skulpturen, Malereien oder auch Textilien. Alle mesoamerikanischen Kulturen besaßen ein mehr oder weniger hoch entwickeltes Schrift-, Zahlen- und Kalendersystem. Das Zahlensystem der Maya enthält den Zählwert Null, mit dem sich wesentlich mehr und kompliziertere Rechnungen durchführen lassen als ohne ihn. In Europa fehlte der Nullwert bis zur Einführung der arabischen Zahlen im Mittelalter. Das bis dahin gebräuchliche römische Zahlensystem kennt keine Null. Erfunden wurde die Null nur zweimal in der Weltgeschichte, in Indien (von wo sie über Arabien nach Europa gelangte) und in Mesoamerika durch die Maya. Das astronomische Wissen um den Verlauf von Sonne und Mond sowie Venus bzw. die Kalendersysteme dienten für die Festlegung von Daten und Terminen wie z. B. für Aussaat, Ernte, Jahresfeste, Kriege, Anlage der Tempel bis hin zur Wahrsagerei im Alltagsbereich.

Neben den von Kirchhoff aufgezählten Merkmalen lassen sich noch weitere Gemeinsamkeiten der mesoamerikanischen Kulturen feststellen. So basierten alle diese Kulturen auf einer hochentwickelten Landwirtschaft mit Bewässerungstechniken. Die Grundnahrungsmittel waren und sind bis heute Mais, Bohnen und Kürbis.

Man spricht im Fall Mesoamerikas – technisch gesehen – oft von Hochkulturen auf Steinzeitniveau. Denn im Alten Mexiko kannte man zwar Metallverarbeitung von Kupfer und Gold zu Schmuck sowie bei den Tarasken zu kleinen Gebrauchsgegenständen wie Pinzetten, aber man stellte keine Werkzeuge aus Eisen her. Die Gebäude der Städte, die riesigen Pyramiden und Tempel wurden folglich mit Werkzeugen aus Stein, also Messern und Äxten aus Feuerstein und Obsidian, hergestellt. Aber Vergleiche hinken bekanntlich immer. Denn die altmexikanischen Kulturen unterschieden sich von der europäischen Steinzeit wie erwähnt durch Staatenbildung, Schrift-, Zahlen- und Kalendersysteme. Die altmexikanischen Kulturen kannten weder Töpferscheibe noch den Pflug.

Die altmexikanischen Hochkulturen waren »Fußgängerkulturen«, wie Hanns J. Prem es formulierte. Es fehlten Zug- und Reittiere wie Pferd oder Esel, und nicht zuletzt deshalb verwendete man auch keine Räder. Allerdings kannte man in Mesoamerika das Rad, wie Funde von Spielzeugtieren auf Rädern beweisen. Aber das Rad war nicht unbedingt notwendig. Denn der Handelsverkehr im Hochtal von Mexiko war durch den großen Texcoco-See begünstigt, wo man alle Handelsgüter per Kanu zu den wichtigsten Orten transportieren konnte. Im dichtbewachsenen Dschungelgebiet der Maya wäre man mit einem von Zugtieren gezogenen Wagen zudem kaum vorwärtsgekommen. An Haustieren gab es nur Hund und Truthahn, bei den Maya auch Bienen. Alle anderen Tiere wie Pferd, Esel, Schwein, oder Huhn brachten die Spanier mit. Sie stammen also aus Europa. Bis heute diskutieren die Wissenschaftler darüber, ob in Mexiko und generell in Amerika überhaupt Tiere domestiziert wurden. Denn es ist durchaus möglich, dass der Hund bereits den ersten Einwanderern aus Asien folgte. Und im Fall des Truthahns ist es ist noch nicht geklärt, ob es sich um die Wildform oder um eine durch Zuchtauswahl veränderte, also domestizierte Art handelt. Zumindest hat man den Hund in Mexiko weitergezüchtet, denn man kannte eine kleine, kurzhaarige Rasse, die gemästet und entsprechend dick wurde – wie Hundefiguren aus Ton zeigen. Diese Rasse wird gern mit dem heutigen Chihuahua gleichgesetzt, mit dem eine gewisse Ähnlichkeit besteht, aber mehr auch nicht. Zum anderen gab es im Alten Mexiko eine haarlose Hunderasse in kleinerer und größerer Form, Xoloitzcuintli oder Tepezcuintli, oft auch einfach Chichi genannt, auf die man die heutige Rasse des Mexikanischen Nackthundes zurückführt.

Ein wesentlicher Faktor der mesoamerikanischen Kulturen war die Religion. Herrschaft und Staat, Gesellschaft und Kultur und das Alltagsleben standen in einem religiösen Kontext. Man kannte keine Trennung von religiös und profan wie in unserem modernen säkularen Weltbild, wo die Religion mehr oder weniger auf den privaten Bereich zurückgedrängt ist. So wurde die politische Macht in den mesoamerikanischen Staaten religiös legitimiert: Die Herrscher waren teilweise auch Priester, wie z. B. in Teotihuacán und Tula, oder sie beriefen sich wie die Maya-Herrscher auf ihre göttliche Abstammung. Somit war das Verhältnis zwischen Herrschenden und der breiten Bevölkerung ein anderes als bei einer weltlichen Herrschaft. Und dementsprechend ließen sich z. B. so gigantische Bauten wie die Pyramiden von Teotihuacán damit auch leichter durchführen. Auch die Kunst Mesoamerikas ist weitgehend religiös zu verstehen. Die Kunstwerke dienten religiösen Zwecken und Zielen und nicht als l’art pour l’art aus ästhetischen Gründen, einer Kunst, die sich »nur« als Kunst versteht, wie in unserer modernen Welt.

Nach dem Weltbild der mexikanischen Kulturen war der Kosmos meist in 13 Himmel und neun Unterwelten – mit der Erde zwischen beiden Bereichen – gegliedert. Den vier Himmelsrichtungen waren jeweils eine Gottheit, eine Farbe, ein Tier und / oder eine Pflanze zugeordnet. In allen mexikanischen Kulturen wurden Menschen- und Blutopfer praktiziert. Die meisten Gottheiten Mesoamerikas standen mit den Bereichen Wasser bzw. Regen und Fruchtbarkeit in Verbindung, wie Tlaloc, der Regengott, die Jaguargottheit oder die gefiederte Schlange (Quetzalcoatl).

Voraussetzung und Kennzeichen eines Staates oder Reiches sind prinzipiell, dass die Macht und Herrschaft zentral organisiert sind. Im Falle Mesoamerikas wissen wir aber oft nicht ganz genau, wie die Herrschaft und Herrschaftsformen konkret aussahen und funktionierten. Beruhte der weitreichende kulturelle Einfluss der Olmeken oder von Teotihuacán auf Handelsbeziehungen? Oder handelte es sich um eine militärische Eroberung bestimmter Gebiete? Von den Maya der klassischen Zeit wissen wir, dass ihre Herrschaft durch Stadtstaaten gekennzeichnet waren, ähnlich wie in der griechischen Antike die Polis. Ein Herrscher regierte also »nur« über eine Stadt und deren Umfeld. Allerdings führten die Maya-Herrscher auch Kriege, um andere Städte zu erobern. Wenn wir vom »Reich« der Azteken sprechen, so sind wir meist von unseren europäischen Vorstellungen eines einheitlichen Gebietes unter der Herrschaft eines Regenten geprägt. Das Reich der Azteken aber war kein einheitliches Gebiet, sondern wies sozusagen Lücken, d. h. Gebiete oder Orte auf, die nicht unter aztekischer Herrschaft standen. So war die im aztekischen Herrschaftsgebiet liegende Stadt Tlaxcala von den Azteken unabhängig. Basis der Macht der Azteken waren auch nicht Krieger, die in den beherrschten Gebieten stationiert waren, sondern die Herrschaft beruhte darauf, dass die aztekischen Herrscher Tribut durch die Kaufleute einforderten und erhielten. Die Herrscher des Alten Mexiko waren nicht nur weltliche Herrscher, sondern sie hatten auch religiöse Funktionen und Aufgaben. Im Fall von Teotihuacán oder Tula geht man von einem Priesterherrscher aus, d. h. der Herrscher war wahrscheinlich auch gleichzeitig oberster Priester. Bei den Maya und Azteken waren die Herrscher zwar keine Priester, aber vor allem die Maya-Regenten führten teilweise die Tätigkeit eines Priesters aus, wie z. B. das Blutopfer.

Eine Frage, die bisher nicht definitiv beantwortet ist, ist die nach den Gründen für den Untergang der mesoamerikanischen Reiche. Warum kam es zum Ende so machtvoller Kulturen wie der der Olmeken, der Teotihuacáns oder der klassischen Maya-Kultur? Warum wurden Teotihuacán oder die Maya-Städte verlassen? Waren es Eroberungen durch Fremde? Waren es soziale Unruhen und Revolten, weil die Bevölkerung unzufrieden mit der Herrschaftsschicht war? War es ein Klimawechsel, eine plötzliche Dürre, wodurch die Ernte und die Lebensgrundlage vernichtet wurden? Alles Gründe, die in Erwägung gezogen wurden. Es ist aber eher anzunehmen, dass mehrere Faktoren zusammentrafen. So könnte es aufgrund einer Dürre und eines Ernteausfalls zu sozialen Unruhen und somit zur Schwächung der Herrschaft gekommen sein. Und zu beachten ist auch, dass dem wirtschaftlichen Aufschwung und Wachstum Grenzen gesetzt sind. Als Beispiel sei Teotihuacán angeführt: Die zahlreichen Einwohner dieser Megastadt mussten ernährt werden. Die Landwirtschaft wurde bei immer mehr Einwohnern auch immer aufwendiger und schwieriger. Denn es fehlten Tiere und Wagen bzw. das Rad für den Transport und beim Feldbau fehlte der Pflug – man machte alles allein mit dem Pflanzstock. Wenn darüber hinaus der Boden zu stark bzw. falsch bewirtschaftet wurde und gar noch Katastrophen wie Dürren mit entsprechenden Ernteausfall hinzu kamen, hatte das dramatische Folgen für die Bevölkerung: Lebensmittel konnten nur von weither von Menschen selbst transportiert werden. Dies machte zusätzlichen Einsatz von menschlichen Arbeitskräften notwendig, die anderswo fehlten. Es kam zu einem Ungleichgewicht zwischen dem üppigen, reichen Leben im Kult- bzw. Stadtzentrum und der immer ärmer werdenden Umgebung. Soziale Unruhen und Aufstände schwächten noch mehr die Herrschaft, die darauf nicht adäquat reagieren konnte. Bei großen Zentren wie Teotihuacán erfolgte dann der Untergang etwas schneller, kleinere Zentren wie die Maya-Städte überdauerten die Krisen etwas länger. Hinzu kommt, dass Kultzentren und Städte wie La Venta, Teotihuacán, Monte Albán, El Tajin, Xochilcalco und die Maya-Städte nach dem Zusammenbruch praktisch verlassen und oft auch gezielt zerstört wurden. Es liegt nahe, darin religiöse Gründe zu sehen, etwa dass diese Kultzentren heilige Orte waren, die nach dem Zusammenbruch ihre sakrale Macht und Ausstrahlung verloren hatten, von den göttlichen Mächten verlassen worden waren und durch die Zerstörung sakral »unbrauchbar« gemacht werden sollten.

Unsere heutigen Kenntnisse über diese Hochkulturen verdanken wir zum einen den archäologischen Funden, von der Architektur wie Tempeln bis hin zur Kleinkunst und den schriftlichen Quellen. Bei den schriftlichen Quellen gibt es einmal die indianischen »Bücher« bzw. Codices, die zum größten Teil in der Zeit kurz nach der Eroberung niedergeschrieben wurden, deren Inhalt aber (Mythen, Astrologie etc.) auf vorspanische Zeit zurückgeht. Zum anderen gibt es in der spanischen Zeit eine Reihe spanischer und indianischer Chronisten, die ihre Erfahrungen und Kenntnisse über die indianische Kultur niedergeschrieben haben – allerdings meist aus christlicher Sicht.

Die Hochkulturen Altmexikos –
ein »Ableger« der Alten Welt?

Angesichts der kulturellen Leistungen im Alten Mexiko stellt sich immer wieder die Frage, ob es sich dabei um eigene, autochthone Leistungen handelt oder ob die altmexikanischen Kulturen ihren Ursprung den Kulturen der Alten Welt verdanken oder zumindest von ihnen beeinflusst wurden. Da existieren zum einen nach wie vor die nichtwissenschaftlichen aber populären Spekulationen, dass die Indianer z. B. die Nachkommen Sems oder der zehn verlorenen Stämme Israels (d. h. der Stämme, die das von den Assyrern 721 v. Chr. zerstörte Nordreich Israel bildeten) seien. Die Theorie der Abkunft von Israel ist noch heute Bestandteil der Lehre der Mormonen. Nach anderen, heute in der Esoterik verbreiteten Theorien verdanken die amerikanischen Kulturen ihren Ursprung den verschwundenen, sagenhaften Kontinenten Atlantis oder Mu.

In der Wissenschaft stehen sich als Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der neuweltlichen Kulturen zwei Theorien gegenüber: Die Diffusions- und die Konvergenztheorie. Die Diffusionstheorie besagt, dass gleiche bzw. ähnliche Kulturleistungen und -merkmale einen einzigen, gemeinsamen Ursprung haben, von dem aus sie sich verbreiteten, und vertritt daher auch die Ansicht, dass die Leistungen der altmexikanischen Kulturen aus der Alten Welt stammen. Nach der Konvergenztheorie dagegen beruhen ähnliche Kulturphänomene nicht auf einem gemeinsamen Ursprung, sondern sind an verschiedenen Orten unabhängig voneinander mehrmals entstanden. Danach haben sich auch die altmexikanischen Kulturen ohne Einfluss der Alten Welt entwickelt.

Als Parallele zur altägyptischen Kultur werden vor allem die Pyramidenbauten in Mesoamerika genannt. Thor Heyerdhal hat auf einer Fahrt 1970 mit einem nach altägyptischem Vorbild nachgebauten Papyrusschiff von Ägypten nach Amerika bewiesen, dass solche Atlantiküberfahrten technisch möglich waren. Aber damit ist noch lange nicht bewiesen, dass die alten Ägypter solche Fahrten auch wirklich durchgeführt haben. Und zum anderen ist bei allen diesen Kulturvergleichen zwischen Alter und Neuer Welt immer die zeitliche Differenz zu beachten. Die Pyramiden Altägyptens entstanden in der Zeit des Alten Reiches (ca. 2700–2200 v. Chr.) und die erste Hochkultur (Olmeken) in Mesoamerika bzw. der Bau der ersten Pyramiden begann erst um 1450 v. Chr. Die großen Pyramiden von Teotihuacán, Cholula etc. entstanden erst um oder nach der Zeitenwende!

Ähnlichkeiten zu Indien wurden im Kalender- und Zahlsystem festgestellt: Sowohl die alten Inder als auch die Maya erfanden und rechneten mit der Zahl Null. Und der Kalender beider Kulturen rechnete mit großen Zeit- bzw. Weltepochen. Auch der Beginn der Zeitrechnung ist ungefähr gleich: Für die Inder ist es das Jahr 3102 v. Chr., für die Maya der 13. August 3114. Eine Parallele zum Alten China ist die besondere Verehrung des Drachen. Die »gefiederte Schlange«, oft einem Drachen verblüffend ähnlich dargestellt, erscheint in allen mexikanischen Kulturen. Ferner glaubte man auch, in einigen Skulpturen der Olmeken und Maya Ähnlichkeiten zu asiatischen Buddhadarstellungen feststellen zu können. Und sowohl in China als auch bei den Maya wurde häufig Jade für Schmuck u. a. verwendet.