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Dr. Barbara Beck,

geboren 1961 in München, studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Volkskunde. Nach mehrjähriger Tätigkeit im kulturhistorischen Ausstellungsbereich (u.a. für das Haus der Bayerischen Geschichte, die Bayerische Schlösserverwaltung) arbeitet sie heute als freiberufliche Historikerin und Sachbuchautorin. Sie hat zu den unterschiedlichsten historischen und kunsthistorischen Themen Bücher und Beiträge verfasst.

Bereits bei marixwissen erschienen: Die berühmtesten Frauen der Weltgeschichte - Vom 18. Jahrhundert bis heute.

Zum Buch

Jahrhundertelang wurde Frauen ihre mangelnde Eignung zum Herrscheramt immer wieder vorgehalten. Wirkliche Herrscherinnen kraft eigenen Rechts auf den Thronen waren daher selten. Vormundschaftliche Regentschaften bildeten für sie den bedeutendsten Herrschaftszugang. Eine Sonderrolle spielten nur die Statthalterinnen der Niederlande. Das Buch präsentiert 58 Porträts von bedeutenden Fürstinnen aus der Zeit vom Frühmittelalter bis in die Gegenwart, die legitim Herrschaft ausübten, wie z.B. Isabeau von Bayern, Christine von Schweden, Wilhelmina der Niederlande, Margrethe II. von Dänemark und viele weitere.

Barbara Beck

Die großen Herrscherinnen und Regentinnen

Barbara Beck

Die großen
Herrscherinnen
und Regentinnen

Vom Frühmittelalter
bis in die Gegenwart

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013

ISBN: 978-3-8438-0381-6

Inhalt

Vorwort

Galla Placidia

Amalaswintha (Amalasuntha)

Brunhild (Brunichild)

Theodelinde (Theudelinde), die Selige

Irene (Eirene)

Olga, die Heilige

Adelheid von Burgund, die Heilige

Mathilde von Quedlinburg

Theophanu

Agnes von Poitou

Mathilde von Tuszien

Eleonore von Aquitanien

Konstanze von Sizilien

Margarete I.

Isabeau von Bayern

Henriette von Mömpelgard (Montbéliard)

Isabella I., die Katholische

Margarete von Österreich

Maria von Ungarn

Maria I. Tudor, die Katholische oder die Blutige

Katharina von Medici

Margarete von Parma

Elisabeth I.

Jane Grey

Maria I. Stuart

Maria von Medici

Maria Magdalena von Österreich

Anna von Österreich

Amalie Elisabeth von Hanau-Münzenberg

Christine

Sofia Alexejewna

Anna

Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg

Katharina I. Alexejewna

Ulrike Eleonore d. J.

Anna Iwanowna

Christiane Charlotte von Württemberg-Winnenthal

Elisabeth Petrowna

Maria Theresia

Maria von Großbritannien, Irland und Hannover

Maria Antonia Walburga von Bayern

Katharina II. Alexejewna, die Große

Anna Amalia von Braunschweig-Wolfenbüttel

Pauline von Anhalt-Bernburg

Elisa Bonaparte

Marie Louise von Österreich

Viktoria

Isabella II.

Cixi (Tz’u-his, Ts’e-hi)

Liliuokalani

Maria Christina von Habsburg-Lothringen

Wilhelmina

Marie-Adelheid

Sālote Tupou III.

Juliana

Elisabeth II.

Beatrix

Margrethe II.

Auswahlbibliografie

Vorwort

Lange Zeit überwog in der Geschichtswissenschaft die Auffassung, dass in der Vergangenheit die männliche Herrschaft auf den Fürstenthronen die Norm gewesen sei. Fürstinnen, die Herrschaft aus eigenem Recht ausübten, galten als große Ausnahmeerscheinungen in der Geschichte. Diese Ansicht gründete auf der Tatsache, dass in einigen Ländern, wie beispielsweise in Frankreich, das „Salische Gesetz“ bestand, das Frauen von der Thronfolge grundsätzlich ausschloss. Selbst in denjenigen Ländern, die eine weibliche Thronfolge zuließen, kam diese nur für den nicht sehr häufigen Fall zum Zuge, dass es keinen männlichen Thronanwärter gab. Eine Prinzessin hatte mit ihrem Anspruch immer hinter ihren jüngeren Brüdern zurückzutreten. Eine weibliche Erbfolge stellte somit nur eine Notlösung dar, da ihre Legitimität leichter angezweifelt werden konnte. Erst in jüngerer Zeit haben sich mehrere Monarchien wie etwa Schweden (1980), Norwegen (1990), Belgien (1991), Dänemark (2009) oder Großbritannien (2013) per Gesetz für die weibliche Thronfolge geöffnet. Jetzt gilt dort ohne Ansehung des Geschlechts das Erstgeburtsrecht.

Die pauschale Einschätzung, dass Frauen aus dem Hochadel der legitime Herrschaftszugang eher selten gelang, klammerte meist die weiblichen Regentschaften aus, die sowieso gerne in die Schublade der „Krisenzeit“ für eine Dynastie abgelegt wurden. Dass es sich dabei aber ebenfalls um eine, wenn auch bloß vorübergehend ausgeübte, eigenständige Herrschaft mit mehr oder weniger großen Entscheidungskompetenzen handelte, wurde nicht wahrgenommen. Im Gegensatz zu den Fürstinnen, die kraft eigenen dynastischen Rechts regierten, kamen Regentinnen in wesentlich größerer Zahl vor. Selbst in Ländern, die keine weibliche Thronfolge anerkannten, war es gängige Praxis, dass Fürstinnen für eine begrenzte Zeit als Stellvertreterinnen eines Monarchen agierten. Gerade bei der Minderjährigkeit des Throninhabers, dem häufigsten Grund für die Installation einer Stellvertreter-Regierung, erschien eine weibliche Regentschaft meist als ratsamer als die Berufung eines nahen männlichen Verwandten, bei dem eher zu befürchten stand, dass er eigene Pläne zum Nachteil des jungen Herrschers verfolgen könnte. Bei den meisten weiblichen Regentschaften handelte es sich um mütterliche Vormundschaften. Großmütter, Tanten oder Schwestern übten dieses Amt nur gelegentlich aus. Neben den Regentschaften, die wegen des jugendlichen Alters des rechtmäßigen Herrschers erforderlich waren, gab es die selteneren Fälle wie etwa eine schwere Krankheit oder eine längere Abwesenheit durch Gefangenschaft etc., die den Monarchen an der eigenständigen Herrschaftsausübung hinderten und die Einsetzung einer Regentschaft bedingten.

Die Herrschaftslegitimation einer Regentin hatte allerdings einen minderen Wert als jene eines Erbfürsten, da ihre Autorität wegen der zeitlichen Begrenzung ihres Amtes bloß einen provisorischen Charakter besaß. Sie hatte lediglich die Zeit bis zur Mündigkeit des legitimen Fürsten zu überbrücken. Nicht selten musste es eine Regentin daher hinnehmen, dass ihre Durchsetzungskraft immer schwächer wurde, je näher das Ende ihrer Regentschaft rückte. Generell war ihre Entschlussfreiheit üblicherweise geringer als jene des eigentlichen Throninhabers. Als Herrscherin auf Zeit waren ihrem Handlungsspielraum mehr Grenzen gesetzt. Häufig bekamen sie zudem Regentschaftsräte an die Seite gestellt. Oft pochten bei einer Regentschaft außerdem die Landstände auf ein Mitspracherecht. Es gab trotzdem immer wieder Regentinnen, die es verstanden, sich Freiräume zu verschaffen und eine kraftvolle eigenständige Politik zu betreiben. Mit den eben genannten Einschränkungen hatten aber auch männliche Regenten zu rechnen. Diese Vorbehalte waren nicht geschlechtsspezifisch. Kritischer war es für eine Regentin jedoch, dass Gegner ihrer Herrschaft mit dem Argument operieren konnten, dass die Regentin nicht der eigenen Dynastie entstammte, sondern in diese nur eingeheiratet hatte und somit eine „Ausländerin“ war. Solange noch das Kriegerkönigtum vorherrschte, bereitete eine Frau auf dem Thron, sei es als Regentin oder als Erbfürstin, auch insofern gewisse Probleme, da sie nicht selbst ihre Truppen in die Schlacht führen konnte.

Einen Sonderfall unter den Regentinnen im Verlauf der Geschichte bildeten die Generalstatthalterinnen der habsburgischen Niederlande. Hier wurden mehrmals weibliche Mitglieder des Hauses Habsburg als Stellvertreterinnen des Monarchen eingesetzt, denen in diesen unruhigen, fern vom Kerngebiet liegenden Provinzen weitreichende Regierungsvollmachten zugebilligt wurden.

Obwohl eine Frau, nüchtern betrachtet, genauso gut oder schlecht wie ein Mann die Regierungsgeschäfte leiten konnte, wurde weibliche Herrschaft über einen langen Zeitraum hin als problematisch bewertet. Eine wenig erfolgreiche Regierung einer Herrscherin wurde auf diese Weise für ein größeres Desaster erachtet als bei einem männlichen Throninhaber. Besonders deutlich fiel das Verdikt gegen Herrscherinnen generell bei dem radikalen calvinistischen Reformator John Knox aus, der 1558 verkündete: „Eine Frau zur Herrschaft, Hoheit, Gewalt oder Regierung über ein Königreich, eine Nation oder Stadt zu berufen, ist widernatürlich, eine Beleidigung Gottes und steht in größtem Gegensatz zu seinem geoffenbarten Willen und seiner anerkannten Ordnung.“ Knox stand mit seiner Meinung nicht allein. Im Bedarfsfall bediente man sich immer wieder gerne solcher Stereotypen. König Friedrich II. von Preußen etwa wählte 1741 für den Dankgottesdienst nach dem preußischen Sieg über die Truppen Maria Theresias bei Mollwitz zynisch folgenden Bibelspruch aus: „Ein Weib lerne in der Stille mit aller Bescheidenheit. Einem Weibe aber gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch nicht, daß sie des Mannes Herr sei, sondern ich will, daß sie stille sei.“ Die grundsätzliche Kritik an weiblicher Herrschaft konnte noch zusätzlichen Zündstoff erhalten, wenn sie obendrein mit der Beschuldigung eines unmoralischen Lebenswandels gekoppelt wurde, die eine Monarchin meist viel härter traf als einen männlichen „Kollegen“.

Angesichts dieser zahlreichen Vorbehalte gegenüber Frauen auf Herrscherthronen war es für viele Fürstinnen notwendig, eine Gegenpropaganda zu betreiben, die ihre Herrschaft verherrlichte. Höchst eindrucksvoll ließ sich beispielsweise Maria von Medici, die Regentin Frankreichs, in einem prachtvollen, zwischen 1621 und 1625 entstandenen Gemäldezyklus von Peter Paul Rubens huldigen, der ihre Legitimation unterstreichen sollte.

Wegen der Skepsis, mit der weibliche Herrschaft prinzipiell gesehen wurde, war das Bestreben groß, Frauen auf dem Thron einen Ehemann als Mitregenten zur Seite zu stellen bzw. ihnen nahezulegen, tunlichst beizeiten der Regierung zu entsagen. Keineswegs alle verheirateten Herrscherinnen waren jedoch gewillt, sich von ihrem Gemahl das Heft aus der Hand nehmen und in ihrer Machtausübung einschränken zu lassen.

Der vorliegende Band versammelt die Kurzporträts von 58 mehr oder weniger bekannten Fürstinnen, die entweder aus eigenem Recht, als Regentin oder als Stellvertreterin über einen kurzen oder langen Zeitraum hin Herrschaft ausübten. Der zeitliche Rahmen spannt sich dabei vom Frühmittelalter bis in die Gegenwart. Zwar liegt das Hauptgewicht auf den europäischen Monarchien, doch fanden zusätzlich auch einige außereuropäische Fürstinnen, wie etwa die letzte Königin von Hawaii, Aufnahme, deren Wirken in die Zeit westlicher Einflussnahme fiel.

Hauptkriterium für die Auswahl der Fürstinnen war der Wunsch, eine möglichst große Bandbreite an unterschiedlichen Lebensläufen zu erreichen, um der Leserschaft so abwechslungsreiche und interessante Einblicke in ein facettenreiches Thema bieten zu können. Selbstverständlich erfolgte die Zusammenstellung der Biografien nach letztlich subjektiven Kriterien, da es durchaus noch eine Vielzahl anderer Frauen aus dem Hochadel gab, die ebenfalls legitim Herrschaftsrechte wahrnahmen und daher mit dem gleichen Recht in dieses Buch hätten aufgenommen werden können.

Galla Placidia

* um 390 in Konstantinopel
† 450 in Rom
Regentin des Weströmischen
Reichs 425 – 437

Die an der Schwelle von der Spätantike zum frühen Mittelalter stehende römische Kaisertochter Aelia Galla Placidia führte in der Zeit der „Völkerwanderung“ ein von Umbrüchen und Wechselfällen gekennzeichnetes Leben. Angesichts einer instabilen politischen Lage gelang es ihr, sich über weite Strecken hin als Regentin des Weströmischen Reichs zu bewähren.

Die Tochter des römischen Kaisers Theodosius I. und dessen zweiter Gemahlin Galla verlor bereits sehr früh ihre Eltern. Während unter Theodosius das Römische Reich nochmals in einer Hand vereinigt war, wurde es 395 gemäß seinem Willen unter seinen beiden Söhnen Arcadius und Honorius in ein Ost- und ein Westreich geteilt. Galla Placidia und ihr zehnjähriger Halbbruder Honorius wurden der Fürsorge des Heermeisters Stilicho und dessen Frau Serena anvertraut, der Lieblingsnichte von Theodosius. Stilicho fungierte als Reichsverweser in der westlichen Reichshälfte. 405 wurde Galla Placidia mit Stilichos Sohn Eucherius verlobt, weil der mächtige Heermeister vandalischer Herkunft seine Familie noch enger an das Kaiserhaus binden wollte. Der daher nicht gänzlich von der Hand zu weisende Verdacht, Stilichos Sohn solle auf diese Weise der Weg zur Kaiserkrone geebnet werden, spielte bei dem Sturz des Heermeisters keine unwesentliche Rolle. Wegen angeblichen Paktierens mit den vordringenden Westgoten wurde er im August 408 von einer germanenfeindlichen Partei ermordet, der Eucherius ebenfalls zum Opfer fiel. Da Stilichos Gemahlin Serena verdächtigt wurde, aus Rachsucht mit den Goten gemeinsame Sache zu machen, wurde sie Ende 408 während der ersten Belagerung Roms durch die Westgoten auf Weisung des Senats erdrosselt, was Galla Placidias Zustimmung fand. Über ihre Beweggründe hierfür kann nur spekuliert werden.

Galla Placidia hielt sich immer noch in Rom auf, als 410 die Westgoten unter der Führung ihres Königs Alarich I. erneut die Stadt bedrohten. Bei der Eroberung und Plünderung Roms geriet sie in Gefangenschaft. Die Schwester des Kaisers Honorius stellte für die Westgoten eine äußerst wertvolle Geißel dar, die als Faustpfand eingesetzt werden konnte, weshalb sie sie auf ihrem weiteren Zug durch Italien und dann nach Gallien mitnahmen. Nach Alarichs Tod trat sein Schwager Athaulf die Nachfolge an. In Verhandlungen mit Kaiser Honorius einigte er sich darauf, dass sich die Goten in Gallien ansiedeln durften. Als Gegenleistung versprach der Westgotenkönig dem Kaiser sowohl militärische Unterstützung gegen den einstigen gallo-römischen Senator Jovinus, der seit 411 den Titel des weströmischen Kaisers beanspruchte, als auch die Aushändigung von Galla Placidia. Während Athaulf die zugesagte Militärhilfe leistete, gab er Galla Placidia nicht heraus, sondern heiratete sie im Januar 414 in Narbonne nach römischer Sitte. Diese ungewöhnliche Ehe einer Kaisertochter mit einem Fürsten, der dem arianischen Christentum anhing, erregte Aufsehen, da bis ins 6. Jahrhundert hinein ein Eheverbot zwischen Goten und Römern bestand. Aus der Ehe stammte ein in Barcelona geborener Sohn mit dem bedeutungsvollen Namen Theodosius, der jedoch bereits als Säugling verstarb. Wenig später wurde Athaulf ermordet. Sein Nachfolger, der romfeindliche Sigerich, demütigte Galla Placidia öffentlich, bevor er nach einer nur sieben Tage dauernden Herrschaft gestürzt wurde. Unter dem neuen König der Westgoten, Wallia, kam es 416 zu einem Friedensvertrag mit Kaiser Honorius. Im Austausch gegen 600 000 Scheffel Getreide konnte Galla Placidia an den Hof ihres Halbbruders in Ravenna zurückkehren.

Auf Wunsch von Honorius heiratete Galla Placidia am 1. Januar 417 den höchst einflussreichen Heermeister und Patricius Flavius Constantius, dem es dank seiner militärischen Erfolge gelungen war, das weströmische Reich wieder zu stabilisieren. Durch die Ehe mit der Schwester des Kaisers konnte Constantius seine Machtstellung weiter festigen. Angeblich hatte sich Galla Placidia zunächst gegen diese Ehe gesträubt, aus der insgesamt zwei Kinder, Honoria und Valentinian, hervorgehen sollten.

Im Februar 421 erhob Honorius seinen Schwager auf Drängen der machtbewussten Galla Placidia zum Augustus und Mitkaiser. Für ihren Sohn Valentinian zeichnete sich dadurch die Möglichkeit ab, Thronfolger zu werden. Am 2. September 421 starb Constantius III., der von dem oströmischen Kaiser Theodosius II. nicht anerkannt worden war. Als die nach dem Tod von Constantius ausgebrochenen Machtkämpfe zwischen den Anhängern von Galla Placidia und den Parteigängern des amtierenden Kaisers Honorius eskalierten, flüchtete sie 423 zusammen mit ihren beiden Kindern zu ihrem Neffen Theodosius II. nach Konstantinopel.

Der kinderlose Tod von Kaiser Honorius am 27. August 423 mündete einstweilen in die usurpierte Herrschaft des Johannes Primicerius, bevor Theodosius II. seinen Vetter Valentinian auf Galla Placidias Insistieren hin zum Caesar ernannte und ihn mit seiner erst zwei Jahre alten Tochter Eudoxia verlobte. Zur Wahrung des legitimen Kaisertums beorderte Theodosius II. ein Heer in das weströmische Reich, wo Valentinian III. im Alter von sechs Jahren am 23. Oktober 425 in Rom zum Augustus proklamiert wurde. Da Valentinian noch nicht regierungsfähig war, übernahm nun Galla Placidia die Leitung der Regierung. Die wirkliche Macht lag jedoch bei den Heermeistern, weil diese für die Grenzsicherung und die Rückeroberung verlorener Provinzen zuständig waren. Zunächst übten die Heermeister Felix und Bonifatius Einfluss auf die Reichsgeschäfte aus, ehe es ihrem Konkurrenten Aëtius gelang, sich 433 trotz Gegenmaßnahmen von Galla Placidia, die seiner wachsenden Übermacht misstraute, endgültig durchzusetzen. Im September 435 wurde er zum Patricius ernannt, wodurch er zum eigentlichen Regenten des Westreichs wurde. Dies begrenzte Galla Placidias Autorität bereits vor dem offiziellen Ende ihrer Regentschaft.

Seit der faktischen Machtübernahme durch Aëtius widmete sich Galla Placidia vor allem dem Bereich der Religion, dem auch schon vorher ihr Interesse gegolten hatte. Sie veranlasste den Bau von Kirchen in Rom und Ravenna und bemühte sich um die Vernichtung heidnischer Kultbilder. Der Bischof von Ravenna bezeichnete sie daher als „Mutter des ewigen, glaubenstreuen und christlichen Reiches“. In einem Brief nach Konstantinopel schrieb sie voll Sendungsbewusstsein, dass Gott die Welt dem Römischen Reich anvertraut habe, damit sie wohlgeleitet und gerettet werde. Auf dem Gebiet der Rechtspflege war sie ebenfalls aktiv und erließ im November 426 mit dem sogenannten Zitiergesetz eine wichtige Neuerung zur Schaffung von Rechtssicherheit. Es wurde damit verbindlich festgelegt, welche Schriften bedeutender römischer Juristen vor Gericht maßgebend sein sollten. Drei Jahre später wurde auf ihre Weisung hin schriftlich fixiert, dass auch der Kaiser an die Gesetze gebunden sei.

Als ihr Sohn Valentinian III. die Regierungsgeschäfte 437 selbst übernahm, zog sich Galla Placidia von der politischen Bühne zurück. Am 27. November 450 starb sie in Rom. Ob sie tatsächlich in ihrem mit prachtvollen Wandmosaiken verzierten Mausoleum in Ravenna beigesetzt worden ist, wie es ab dem 13. Jahrhundert überliefert wird, ist fraglich.

Amalaswintha (Amalasuntha)

* um 495/496
† 535 auf Martana im Bolsenasee
Regentin des ostgotischen
Königreichs 526 – 534, Königin
der Ostgoten 534 – 535

Die Regentin und kurzzeitige Königin des ostgotischen Reichs, Amalaswintha, war, soweit man dies anhand der Quellenlage beurteilen kann, eine eindrucksvolle Herrscherpersönlichkeit. Inmitten einer männlich bestimmten Welt verstand sie es, sich immerhin neun Jahre lang an der Macht zu halten und eines der bedeutendsten germanischen Königreiche auf weströmischem Boden zu regieren.

Amalaswintha entstammte der zweiten Ehe des ostgotischen Königs Theoderich des Großen, einer der berühmtesten Germanenkönige der Völkerwanderungszeit. Ihre Mutter Audofleda war eine Schwester des mächtigen fränkischen Königs Chlodwig I., die Theoderich 493 geheiratet hatte. Um sein noch junges Reich in Italien zu stabilisieren, betrieb der Gotenkönig zum Ausbau seines Bündnissystems eine intensive Heiratspolitik mit den anderen Germanenreichen. Die Verheiratung seiner Erbtochter Amalaswintha mit Eutharich, einem Westgoten aus dem Königsgeschlecht der Balthen und Amaler, passt ebenfalls in den Rahmen dieser politischen Eheverbindungen. Da Theoderich keinen Sohn als Thronerben hatte, sah er Eutharich als seinen Nachfolger vor. Aus der Ehe Amalaswinthas mit Eutharich gingen zwei Kinder hervor, der 516 geborene Athalarich und die zwischen 518 und 520 zur Welt gekommene Mataswintha. Mit Eutharichs Tod um 523 verlor Theoderich seinen designierten Nachfolger, der auch von Ostrom anerkannt gewesen war. Erneut wurde die Frage der Nachfolge zum Problem.

Theoderich bestimmte erst kurz vor seinem Ableben seinen noch minderjährigen Enkel Athalarich zu seinem Thronerben. Nach dem Vorbild der weströmischen Kaiserin Galla Placidia, die vor hundert Jahren die Regentschaft für ihren Sohn Valentinian III. geführt hatte, übernahm Amalaswintha auf ausdrücklichen Wunsch ihres Vaters nach dessen Tod am 30. August 526 die Leitung der Regierung für ihren zehn Jahre alten Sohn. Die hochgebildete Regentin, die nach einem Ausgleich zwischen den arianischen Ostgoten und den katholischen Römern strebte, konnte in den ersten Jahren die Leitlinien der Politik ziemlich frei festlegen. Die seit 511 bestehende Personalunion mit dem westgotischen Reich löste sie auf. Außerdem suchte sie ein besseres Verhältnis zum Burgunderreich zu erreichen. Zu dem neuen byzantinischen Kaiser Justinian I. war sie bestrebt, in eine freundliche Beziehung zu treten. Der oströmische Historiograph Prokop von Caesarea, der sonst Frauen in Machtpositionen nicht schätzte, bezeichnete sie als kluge und gerechte Regentin und bescheinigte ihr voll Bewunderung, dass sie „von gänzlich männlicher Wesensart“ war.

Nachdem es zu Beginn ihrer Regentschaft offensichtlich keine nennenswerte Opposition gegen Amalaswintha gegeben hatte, trotz der Tatsache, dass auch das ostgotische Königtum, wie bei den Germanen üblich, ein Heerkönigtum war, dem weder sie noch ihr minderjähriger Sohn genügen konnten, kam es 532/533 zur Krise. Der „nationalistisch“ eingestellten Hofpartei, die um die Vormachtstellung der Goten in Italien fürchtete, missfiel es, dass der junge König Athalarich gemäß dem Willen seiner Mutter nach dem Vorbild eines römischen Oberschichtangehörigen ausgebildet wurde. Die gotischen Großen warfen ihr vor, dass er zu unkriegerisch erzogen würde. Amalaswintha sah sich genötigt, dieser Rebellion nachzugeben. Athalarich bekam die raue Welt der gotischen Krieger jedoch schlecht. Der dort übliche Lebenswandel soll seine Gesundheit ruiniert haben, da er rasch zum Alkoholiker wurde und sich ein ausschweifendes Leben angewöhnte.

Auf die Rücktrittsforderungen der adeligen Opposition ging Amalaswintha dagegen nicht ein. Die drei hochadeligen Rädelsführer verbannte sie zunächst in entlegene Grenzgebiete. Als diese Maßnahme nicht den gewünschten Erfolg brachte, nahm sie erst Verhandlungen mit Kaiser Justinian auf, um sich eine Zufluchtmöglichkeit nach Konstantinopel zusichern zu lassen, bevor sie die gezielte Tötung der drei Verschwörer in Auftrag gab. Es gelang ihr dadurch, ihre Herrschaft in Ravenna vorübergehend wieder zu festigen. In dem 533 begonnenen Vandalenkrieg Justinians unterstützte sie, klug taktierend, die Byzantiner, indem sie Sizilien als Operationsbasis zur Verfügung stellte.

Nach Athalarichs frühem Tod am 2. Oktober 534 war sie zu schnellem Handeln gezwungen. Um als Königin die politischen Geschicke des ostgotischen Reichs weiter bestimmen zu können, entschied sich Amalaswintha notgedrungen dafür, ihren Cousin Theodahad zum Mitregenten zu machen. Mit dieser Maßnahme sollte ihre innenpolitische Position gestärkt werden, da die Goten just schon wegen der Tatsache, dass eine Frau nicht das Heer anführen konnte, niemals die Alleinherrschaft einer Frau toleriert hätten. Obwohl Amalaswintha der schlechte Charakter von Theodahad eigentlich nicht unbekannt gewesen sein muss, glaubte sie wohl, dass sie ihn durch die Beteiligung an der Regierung für sich gewinnen könnte. Sie ließ sich von ihm vorsichtshalber eigens versprechen, dass er nach seiner Thronbesteigung ihr die tatsächliche Macht überlassen würde. Ihre Annahme, dass sich ihr Cousin mit der Rolle eines Mitkönigs bescheiden und sich von ihr mehr oder weniger lenken lassen würde, erwies sich jedoch als katastrophale Fehleinschätzung für sie. Der skrupellose Theodahad, der widerwillig akzeptiert hatte, dass er seine Erhebung einzig und allein seiner Cousine verdankte, dachte nämlich nicht daran, die heiligen Eide, die er ihr hatte schwören müssen, in Wirklichkeit einzuhalten.

Bereits Ende 534 oder Anfang 535 ließ Theodahad die Königin gefangen nehmen und auf der Insel Martana im Bolsenasee festsetzen. Wohl am 30. April 535 wurde Amalaswintha entweder durch Gefolgsleute von Theodahad oder von rachsüchtigen Angehörigen der gegnerischen Hofpartei ermordet. Sie wurde im Bad erwürgt. Mit ihr endete die konziliante Politik gegenüber Byzanz, die sich durch Toleranz gegenüber dem römischen Senat, der römischen Bevölkerung und dem katholischen Klerus auszeichnete. Der dadurch vollzogene Politikwechsel trug zum Untergang des Ostgotenreichs bei. Amalaswinthas Ermordung lieferte dem byzantinischen Kaiser Justinian den offiziellen Kriegsgrund zum Eingreifen in Italien, der in einer Vernichtung des Ostgotenreichs 553 endete. Theodahad fiel bereits im Dezember 536 einem Mordanschlag zum Opfer, nachdem er als Feldherr gegen die byzantinischen Truppen versagt hatte.

Brunhild (Brunichild)

* um 545/550
† 613
Regentin des Königreichs
Austrien 577 – 581, 583 – 585,
596 – 598, 613, Regentin des
Königreichs Burgund 596 – 600,
613

Über die merowingische Königin Brunhild ist trotz ihres bewegten Lebens, das mit einer brutalen Hinrichtung endete, wenig bekannt. Es ist eingebettet in ein schier unendliches Familiendrama, das sich vor dem Hintergrund des dreigeteilten Frankenreichs im 6. Jahrhundert abspielte. Wegen ihres späteren konfliktbereiten Auftretens wird ihr Bild in vielen zeitgenössischen Quellen in einseitig negativer Form bis hin zur Entstellung gezeichnet.

Brunhild war die Tochter des westgotischen Königspaars Athanagild und Goiswinth. Im Frühjahr 566 ehelichte sie in Reims den Merowingerkönig Sigibert I., der über Austrien herrschte, den östlichen Teil des Frankenreichs. Noch vor der Hochzeit konvertierte die im arianischen Glauben erzogene Prinzessin zum katholischen Glauben der Franken. Laut Gregor von Tours versuchte sich Sigibert durch die Wahl einer standesgemäßen Gemahlin bewusst von seinen Brüdern zu unterscheiden: „Als nun König Sigibert sah, dass seine Brüder Frauen wählten, die ihrer nicht würdig waren, und sich so weit erniedrigten, selbst Dienerinnen zur Ehe zu nehmen, da schickte er eine Gesandtschaft nach Spanien und warb mit reichen Geschenken um Brunichilde, die Tochter König Athanagilds. Denn diese war eine Jungfrau von feiner Bildung, schön von Angesicht, züchtig und wohlgefällig in ihrem Benehmen, klugen Geistes und anmutig im Gespräch.“

Sigiberts älterer Halbbruder im Westreich, König Chilperich I. von Neustrien, der offensichtlich nicht zurückstehen wollte, vermählte sich daraufhin 567 mit Brunhilds älterer Schwester Galswinth, ohne sich jedoch wirklich von seiner Geliebten Fredegund, einer Magd aus dem Gesinde seiner ersten Gemahlin Audovera, zu trennen, wie er dies im Vorfeld der Heirat versprochen hatte. Nachdem Galswinth bald danach einem Mordanschlag zum Opfer gefallen war, heiratete Chilperich seine Konkubine, die die treibende Kraft hinter der Tat war. Dies löste eine lebenslange Feindschaft zwischen Brunhild und Fredegund aus, die das bereits reichlich vorhandene Konfliktpotenzial wegen territorialer Streitigkeiten zwischen Sigibert und Chilperich weiter zuspitzte. Das Ganze eskalierte schließlich in einem Bruderkrieg.

In dem Krieg zwischen den beiden Teilreichen schien zunächst Sigibert die Oberhand zu gewinnen, doch 575 wurde er in Vitry durch Handlanger Fredegunds ermordet. Die austrische Offensive brach aus diesem Grund zusammen. Chilperich gelang es, Brunhild mit ihren Töchtern gefangen zu nehmen und nach Rouen zu verbannen. Brunhilds fünf Jahre alter Sohn Childebert konnte dagegen noch rechtzeitig dem Zugriff des neustrischen Königs entzogen und in Sicherheit gebracht werden.

Die Fortsetzung des blutig geführten Familienzwistes war vorprogrammiert, als Brunhild 576 in Rouen eine zweite Ehe mit Merowech einging, einem Sohn von König Chilperich und dessen erster Gemahlin Audovera. Offenbar wollte sie in ihm einen Verbündeten in ihrem Kampf gegen Fredegund gewinnen. Chilperich duldete dieses eigenmächtige Handeln Merowechs nicht, bemächtigte sich seiner Person und ließ ihn gewaltsam zum Priester weihen. Merowech entkam zwar aus dem Kloster, doch ließ er sich 577, als seine Gefangennahme drohte, von einem Vertrauten töten.

Brunhild, der es gelungen war, nach Austrien zu entfliehen, übernahm 577 die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Childebert II., wobei sie mit der von ihr vertretenen Idee einer starken königlichen Zentralgewalt auf den heftigen Widerstand des austrischen Adels stieß. Zeitweise von der Adelsopposition entmachtet, konnte sie auch nach der Mündigkeit Childeberts im Januar 585 als dessen wichtigste Ratgeberin Einfluss ausüben. Zusammen mit ihrem Sohn schloss Brunhild am 28. November 587 den Vertrag von Andelot mit Guntram I., dem Herrscher des burgundischen Reichsteils. Mit diesem Vertrag wurde nicht nur die Aufteilung strittiger Gebiete zwischen den beiden fränkischen Teilreichen geregelt, sondern auch die gegenseitige Erbfolge. Ein Erbanspruch Chlothars II. von Neustrien, des einzigen überlebenden Sohnes von dem 584 ermordeten König Chilperich und dessen Gemahlin Fredegund, wurde ausgeschlossen. Nach dem erbenlosen Tod von König Guntram im Jahr 592 konnte Childebert II. Austrien und Burgund in seiner Hand vereinigen.

Als Childebert, dessen Herrschaft immer wieder von Adelsverschwörungen bedroht wurde, im März 596 unvermutet starb, übte Brunhild die Regentschaft für ihre beiden unmündigen Enkel Theudebert II. in Austrien und Theuderich II. in Burgund aus. Diese Aufteilung des Reichs war auf Druck des Adels zustande gekommen. 599 gelang es einer austrischen Adelsgruppe Brunhild zu vertreiben. Gestützt auf den in Burgund vorhandenen romanischen Senatorenadel, den sie auf Kosten der Franken und Burgunder förderte, erlangte sie erneut eine bemerkenswerte Machtstellung in Burgund.

Nachdem das einigende Band der gemeinsamen Feindschaft zu Neustrien zwischen den Brüdern Theudebert und Theuderich weggefallen war, brach zwischen ihnen 604 offen die Rivalität wegen Streitigkeiten um die territoriale Aufteilung des väterlichen Besitzes aus. Zwar konnte zunächst noch ein Bruderkrieg vermieden werden, doch Theudebert suchte nun sogar in Chlothar II. einen Bundesgenossen zu finden. In dem 612 ausgebrochenen Krieg zwischen den Brüdern unterlag Theudebert II., über dessen Tod sowie über das grausame Ende seiner Söhne es unterschiedliche Quellenaussagen gibt. Kurzzeitig waren beide Reichsteile wieder vereinigt. König Theuderich II. plante jetzt einen Feldzug gegen Chlothar II., allerdings starb er unerwartet im März 613.

Brunhild, der einige Chronisten unterstellten, für Mord und Unzucht bei den Enkeln gesorgt zu haben, ließ daraufhin ihren unmündigen Urenkel Sigibert II., den ältesten Sohn von Theuderich, unter Ausschluss seiner Brüder zum König erheben, um die Einheit des Reichs zu bewahren. Ihr Versuch, in seinem Namen zu regieren, endete in der Rebellion der burgundischen Adeligen, die sich mit Chlothar II. und den austrischen Gegnern der alten Königin verbündeten. Das Heer Sigiberts II. verlief sich kampflos. Sigibert und seinen jüngeren Bruder Corbus ließ der neustrische König töten, von den zwei anderen Urenkeln Brunhilds verliert sich später jede Spur. Chlothar II. konnte jetzt das gesamte Frankenreich unter seiner Herrschaft vereinigen.

Brunhild kam in Gefangenschaft und wurde an Chlothar II., den Sohn ihrer 597 verstorbenen Todfeindin Fredegund, ausgeliefert. Der König ließ Brunhild foltern und dann erbarmungslos von einem Pferd zu Tode schleifen. Laut dem Chronisten Fredegar machte er sie dafür verantwortlich, „dass zehn Könige der Franken durch ihre Schuld umgebracht worden seien“. Die Unterlegene im gnadenlos geführten Macht- und Familienkampf wurde dabei auch der Morde beschuldigt, die auf Chlothars Konto gingen. Der Untergang Brunhilds und die Vernichtung der austrischen Merowinger im Jahr 613 bedeutete einen Sieg des Adels über die Idee eines mächtigen Königtums. Angesichts der Brunhild gerne vorgeworfenen Herrschsucht und der ihr zur Last gelegten Härte, die aber letztlich zeitüblich war, geriet vielfach in Vergessenheit, dass die energische Königin gleichzeitig als fromme Kirchen- und Klostergründerin auftrat, an die Papst Gregor der Große mehrere Briefe richtete, da er sie als wichtige Förderin der Kirche in Gallien betrachtete.

Theodelinde (Theudelinde),
die Selige

* um 570/575
† 627/628 bei Varenna
Regentin des Königreichs der
Langobarden 616 – 626

Theodelinde ist sicherlich die berühmteste Königin der Langobarden. Dank ihrer vorausschauenden, auf Ausgleich bedachten Politik ist ihr Name untrennbar mit der Konsolidierung des Langobardenreichs und mit dem Beginn der konfessionellen Einigung dieses frühmittelalterlichen germanischen Reichs in Italien verbunden. Von der katholischen Kirche wird sie als Selige verehrt.

Theodelinde war eine Tochter des agilolfingischen Herzogs Garibald I., des ersten namentlich bekannten Herzogs der Bajuwaren, und dessen Gemahlin Walderada, einer Tochter des Langobardenkönigs Wacho. Ursprünglich hatte ihr Vater sie als Gemahlin des Frankenkönigs Childebert II. vorgesehen. Nachdem dieses Heiratsprojekt fehlgeschlagen war, wurde sie aus politischen Gründen mit dem langobardischen König Authari verlobt. Authari hatte sich nach dem Scheitern einer von ihm anvisierten längerfristigen Verständigung mit den Franken umorientiert und ein Bündnis mit den benachbarten Bajuwaren geschlossen. Seine Heirat mit Theodelinde sollte dies besiegeln. Die politische Annäherung zwischen den Bajuwaren und Langobarden beantworteten die Franken mit einem militärischen Vorstoß, der einen Herrschaftswechsel in Bayern herbeiführte. Die Herzogstochter Theodelinde musste mit ihrem Bruder Gundoald zu den Langobarden fliehen. Am 15. Mai 589 heiratete sie König Authari auf dem Campo Sardi vor den Toren von Verona. Authari, dem es gelungen war, das Langobardenreich in seinem Bestand gegenüber Ostrom und den Franken zu sichern, ernannte seinen Schwager zum Herzog von Asti. Die im darauffolgenden Jahr von den Franken gemeinsam mit den Byzantinern unternommene Offensive gegen die Langobarden blieb erfolglos. Noch vor dem Abschluss der Friedensverhandlungen mit den Franken starb Authari plötzlich am 5. September 590. Die Quellen sprechen von einem Giftanschlag.

In dieser prekären Lage wurde es der jungen Königinwitwe anheimgestellt, einen Gemahl zu wählen, der dann der neue König werden sollte. Theodelinde entschied sich für Herzog Agiluf von Turin, der ihr von den Großen des Reichs empfohlen worden war. Im November 590 fand die Vermählung statt. Im Mai 591 wurde Agiluf in Mailand zum neuen Langobardenkönig erhoben.

Unter dem neuen König Agiluf fanden die langobardischen Eroberungen, die sich vor allem gegen Byzanz richteten, ihren Abschluss. Er konsolidierte die Herrschaft der Langobarden und stärkte die königliche Macht, wie dies schon sein Vorgänger Authari begonnen hatte. Theodelinde konnte an Agilufs Seite beträchtlichen Einfluss auf die Regierung ausüben. Ihre Einwirkung ist hauptsächlich im religiösen und kulturellen Bereich spürbar.

Auf Theodelinde geht in Monza die Errichtung der königlichen Sommerresidenz und der Bau der Johannesbasilika, des Vorläuferbaus des heutigen Doms, zurück. Die katholische Königin bewirkte bei ihrem arianischen Ehemann Agiluf eine Annäherung an die katholische Kirche, ohne dass dieser allerdings selbst konvertierte. Er erlaubte immerhin einigen vor den Langobarden geflüchteten Bischöfen die Rückkehr in ihre Diözesen. Auf Theodelindes Betreiben hin setzte eine Missionierung der arianischen Langobarden ein. Gemeinsam mit ihrem Gemahl unterstützte die Königin die Mission des irischen Missionars Columban bei der um 613 erfolgten Gründung der Abtei Bobbio mit Landschenkungen. Bobbio entwickelte sich zum Zentrum für die Bekehrung der Langobarden und den Kampf gegen den Arianismus. Auf Theodelindes Einfluss setzte auch Papst Gregor I. der Große, der in einem persönlichen Briefwechsel mit ihr stand und ihr vier seiner Bücher widmete. Als die Langobarden 593 Rom belagerten, war es vermutlich Theodelinde zu verdanken, dass ihr Gemahl zum Abzug gegen Tributzahlungen bereit war. Dankbar schrieb ihr deshalb der Papst: „Wir wußten, daß wir von Eurem christlichen Sinn erwarten durften, daß Ihr Euer Bemühen und Eure Güte der Sache des Friedens mit allen Mitteln widmen würdet (...) Denke nicht, erlauchte Tochter, daß es ein geringer Lohn ist, den du erhalten wirst, weil du das Blutvergießen auf beiden Seiten zu Stillstand gebracht hast.“

Ein wichtiger Schritt hin zur Romanisierung der Langobarden stellte die katholische Taufe des 602 geborenen Sohnes des langobardischen Königspaars, Adaloald, am 7. April 603 in Monza dar. Die Taufgeschenke Papst Gregors waren das sogenannte Gregoriuskreuz, ein goldenes Brustkreuz mit einem Reliquienbehälter für einen Holzsplitter des Kreuzes Christi, und ein Evangelienbuch mit edelsteingeschmücktem Einband. Diese kostbaren Geschenke befinden sich heute im Domschatz von Monza. Bereits ein Jahr nach der Taufe wurde der kleine Königssohn nach byzantinischem Vorbild zum Mitkönig erhoben, um auf diese Weise die Thronfolge zu sichern und die Weiterentwicklung des Staatswesens zu gewährleisten.

Als 616 Agiluf als erster Langobardenkönig eines natürlichen Todes starb, übernahm Theodelinde als Regentin die Leitung der Regierung für ihren noch minderjährigen Sohn Adaloald. Trotz der vermutlich spätestens 620 erfolgten Volljährigkeit ihres Sohnes fungierte sie weiterhin als die eigentliche Herrscherin in der nach außen hin gemeinsamen Regierung.

Zu Theodelindes Erfolgsbilanz als Regentin gehörten der 616/617 erreichte Friedensschluss mit dem fränkischen König Chlothar II. sowie vorteilhafte Verhandlungen mit den Römern und Byzantinern. Die prokatholisch ausgerichtete Politik von Theodelinde und Adaloald, die sich immer mehr von der von Agiluf mit Geschick vertretenen Linie des konfessionellen Gleichgewichts wegentwickelte, erregte allem Anschein nach ebenso die Kritik wie die dem byzantinischen Kaiser gegenüber als zu freundlich eingestufte Haltung des Königs und seiner Mutter. Hinzu kam, dass sich bei Adaloald Anzeichen einer Geisteskrankheit bemerkbar machten. 626 führten opponierende langobardische Fürsten einen Umsturz herbei. Der gestürzte König Adaloald wurde wohl durch Gift beseitigt. Zum neuen König wurde Herzog Arioald von Turin bestimmt. Nicht ganz klar ist nach der Quellenlage, ob Arioald schon vor seiner Erhebung zum König mit Theodelindes Tochter Gundeperga verheiratet war oder dies erst später zur Stärkung seines Königtums geschah.

Die entmachtete Königin Theodelinde starb entweder 627 oder 628 in einem Kastell oberhalb von Varenna am Comer See. Sie wurde im Dom von Monza bestattet, in dem noch heute der sogenannte Theodelindenschatz mit seinen wertvollen Preziosen aufbewahrt wird.

Irene (Eirene)

* um 752 in Athen
† 803 auf Lesbos
Regentin 780 – 790, Mitregentin
792 – 797, Kaiserin des
Byzantinischen Reichs 797 – 802

Wie kompliziert es für eine Frau war, sich in einer männlich dominierten Welt als Alleinherrscherin behaupten zu wollen, beweist die Lebensgeschichte der byzantinischen Kaiserin Irene. Da ihr Geschlecht sie bei der Wahrnehmung bestimmter Herrscheraufgaben hinderte, war ihre Position von Anfang an von Instabilität gekennzeichnet. Dank der schwierigen Quellenlage ist es kaum möglich, ihre tatsächliche Rolle wirklich befriedigend zu bestimmen.

Über Irenes Herkunft ist nichts Näheres bekannt. Die Griechin war vermutlich mit dem Kaiserhaus in Byzanz verwandt. 769 heiratete sie den späteren Kaiser Leon IV. aus der seit 711 herrschenden syrischen Dynastie. Bereits ein Jahr nach der Hochzeit brachte sie den Thronfolger, den späteren Kaiser Konstantin VI., zur Welt. Leon IV., der 775 Kaiser wurde, erhob im April 776 gegen den Widerstand seiner jüngeren Halbbrüder seinen knapp sechs Jahre alten Sohn Konstantin zum Mitkaiser. Als Leon im September 780 unerwartet verstarb, wurde der noch nicht volljährige Konstantin zwar Kaiser, doch seine Mutter Irene übte für ihn die Regentschaft aus. Sehr wahrscheinlich hatten die Gefolgsleute ihres verstorbenen Gemahls dafür gesorgt, dass sich Irene so rasch gegenüber den Halbbrüdern Leons durchsetzen konnte. Zur Festigung ihrer unsicheren Position zwang die ehrgeizige Regentin ihre Schwäger zur Annahme der Priesterweihe, um sie auf diese Weise regierungsunfähig zu machen. In den kommenden Jahren bemühte sie sich, die von ihrem Mann verfolgte Politik weitgehend fortzusetzen.

Ihre Regentschaft fiel in die Zeit der Auseinandersetzung um die Berechtigung der Bilderverehrung im Christentum, des sogenannten byzantinischen Bilderstreits. Seit etwa 730 hatten die byzantinischen Kaiser eine ablehnende Haltung gegenüber der Verehrung von Ikonen eingenommen. 754 brandmarkte eine Synode die Verehrer der Bilder als Häretiker. Ob Irene tatsächlich die uneingeschränkte Ikonenverehrerin war, zu der sie später stilisiert worden ist, ist nicht sicher. Wahrscheinlich zeigte sie sich vor allem aus Gründen der Staatsräson daran interessiert, dass der kirchliche und damit auch der innere Frieden wiederhergestellt wurde. Um politischen Schaden von der Krone abzuhalten, verfuhr sie diplomatisch geschickt, indem sie 784 bei der Neuwahl des Patriarchen von Konstantinopel ihren Sekretär Tarasios bestimmen ließ. Tarasios befürwortete eine bilderfreundliche Religionspolitik. Auf dem von Irene 787 einberufenen allgemeinen Konzil von Nicäa, das vom 24. September bis 23. Oktober dauerte, wurde die Bilderverehrung gerechtfertigt. Ikonen durften demnach geehrt, aber nicht angebetet werden.