EINFACH SPITZE!
Kreative Spargelrezepte von Sternekoch
MARTIN SCHARFF
EDITION
99 PAGES by HEEL
MARTIN SCHARFF
Sternekoch und Chef der
Heidelberger Schloss-Gastronomie
Wissen Sie eigentlich, warum Spargel häufig als „königliches Gemüse“ bezeichnet wird? Die einfachste und für mich auch schönste Erklärung ist, dass man sich vor dem Spargel verneigen muss, ehe man ihn stechen darf. Doch es gibt auch andere Anekdoten, die erklären, warum dem Spross einer schlichten Lilienpflanze der steile Aufstieg in die aristokratische Gesellschaft über viele Jahrhunderte gelang. Tatsächlich war der König des Gemüsegartens lange nur gekrönten Häuptern vorbehalten. Schon der römische Kaiser Augustus soll seine bevorzugte Speise so geliebt haben, dass er selbst bei Befehlen Spargel mit ins Spiel brachte. Sein Hofstaat erhielt demnach immer Befehle, die mit dem Satz endeten „ … citius quam asparagus coquntur“, was nichts Geringeres heißt als: Der Befehl soll schneller ausgeführt werden, als man Spargel zum Kochen bringt.
Der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. wähnte sich gar so allmächtig, dass er seine Gärtner zwang, Spargel auch während des Winters anzubauen. Nicht ganz so royal ging es in Deutschland zu, obwohl Spargel als Nahrungsmittel erstmals im Stuttgarter Lustgarten angebaut wurde. Die Stadt Schwetzingen zum Beispiel feiert sich als Spargelhochburg, in der seit 350 Jahren das Edelgemüse angebaut wird. Auch meine Vorvorgängerin im Heidelberger Schloss, Liselotte von der Pfalz, galt nicht gerade als Kostverächterin, wie man auf ihrem Portrait sehen kann. Auch die Schwägerin von Ludwig XIV. aß für ihr Leben gern Spargel.
Schön, dass der Adel – zumindest in der Küche – längst abgedankt hat. So kann heute jeder sein eigenes Festmahl feiern. Ich wünsche Ihnen mit den neuen und kreativen Rezepten aus der Heidelberger Schlossküche viel königliches Ess-Vergnügen.
Ihr Martin Scharff
Inhalt
KREATIVE REZEPTE, WEINEMPFEHLUNGEN, TIPPS & TRICKS
VORSPEISE
SUPPE
ZWISCHENGERICHT
HAUPTGERICHT
DESSERT
REGISTER
DER BESTE IM GANZEN LAND
Die Spargelregionen in Deutschland
Was denn nun – wer ist der Beste im ganzen Land? Die Frage, wo der leckerste deutsche Spargel angebaut wird, dürft e weniger mit Qualitätsansprüchen oder Geschmacksnoten beantwortet werden, als vielmehr mit Lokalpatriotismus. Denn Tatsache ist, Deutschland bietet den perfekten Nährboden für alles, was uns im Kleinen und Vertrauten lieb und teuer ist. Es gibt wohl kaum etwas Schöneres, als zum benachbarten Bauern oder zum Händler seines Vertrauens zu gehen und dort DEN Spargel zu erstehen, der für einen selbst als der „Beste im ganzen Land“ gilt. So dürft e es wenig überraschen, dass die Gretchenfrage der Kulinarik immer sehr eindeutig beantwortet wird. Der Badener findet den badischen Spargel am besten, der Schwetzinger den Schwetzinger, der Niedersachse den Niendorfer, der Pfälzer den Landauer, der Franke den Fränkischen und der Bayer den Schrobenhausener. Punkt und Ende. Widerrede ist völlig zwecklos. Gut ist immer das, was die bedingungslose Heimatliebe vorgibt. Nicht anders als mit dem zartesten Spargel verhält es sich, wenn man ehrlich ist, doch auch mit dem Wein, den Kartoffeln, dem Fleisch und natürlich auch dem eigenen Dialekt. Es lebe die Kleinstaaterei in den Köpfen.
Zumindest beim Spargel ist dies völlig legitim. Jeder darf seinen Lieblingsspargel haben, auch wenn sich die Herstellungsmethoden national kaum voneinander unterscheiden. Weißer Spargel wird in Erdwällen gezogen und vor Sonnenlicht geschützt. Damit den wertvollen Stangen wohlig warm ist, kommen Folien und sogar Bodenheizungen zum Einsatz. Genau genommen, müsste Spargel damit in ganz Deutschland gleich schmecken, zumal er ohnehin zu 94 Prozent aus Wasser besteht. Aber es gibt zum Glück doch Nuancen und Unterschiede, die dafür sorgen, dass jede Region ihre individuelle Existenzberechtigung hat. Erde ist eben doch nicht gleich Erde. Deshalb nimmt Berlins Vorgarten Beelitz in Brandenburg für sich ebenso das Selbstverständnis in Anspruch, den edelsten Spargel zu produzieren, wie die nordbadischen Anbaugebiete rund um Schwetzingen und Bruchsal oder die Region der endlosen Weiten am Niederrhein. Erbitt erte Feindschaft lässt sich – im wahrsten Sinne des Wortes – daraus jedoch nicht ableiten.
Schließlich ist weißer Spargel längst nicht mehr allein auf der Welt. Inzwischen erfreut sich auch Grünspargel wachsender Beliebtheit. Er wird ohne Erdwälle (Spargeldämme) angebaut und gleicht dem ursprünglichen Wildspargel mit seinem intensiveren Geschmack noch am meisten. Er wächst weitgehend über der Erde und verfärbt sich durch das Sonnenlicht auf seiner ganzen Länge grün. Geerntet wird Grünspargel, wenn er etwa 20 bis 25 cm aus der Erde herausgewachsen ist. Doch selbst für ihn gilt das lokalpatriotische Prinzip, auch wenn einige Regionen darauf verzichten, grünen Spargel anzubauen. Bei den nachfolgenden Rezepten haben wir ihn dennoch berücksichtigt. Die Anbauzeit endet zwar auch bei der grünen Fraktion am 24. Juni, um sich vom Schnitt zu erholen. Aber längst ist grüner Spargel fast ganzjährig als Importware erhältlich, was die Spargelsaison in der Küche erfreulicherweise verlängert.
Natürlich ist gegen Spargel „einfach so“ gar nichts einzuwenden. Lauwarm mit einer leichten Vinaigrette oder einer gepfefferten Crème fraîche wird er bei unseren Nachbarn in Frankreich gerne als Vorspeise serviert. Fest steht, dass keine Beilage – und sei sie noch so fein – ihm hier die Schau stehlen kann. Von dieser puristischen Variante einmal abgesehen, gibt es einige Rezepte, die den edlen Stangen zu einem besonders edlen Auftritt verhelfen.
SPARGELCHARTREUSE
mit Tatar von der Lachsforelle auf Schnittlauch-Kaviar-Schmand
Zutaten für 4 Personen
Spargel
22 Spargelstangen, gekocht
Spargelragout
30 g Lachs- oder Forellenkaviar
½ Bund Schnittlauch
2 TL Limonen-Olivenöl
weißer Balsamicoessig
Salz, Pfeffer
Tatar
160 g frisches Lachsforellenfilet
80 g geräucherter Lachs (Räucherlachs)
Schalenabrieb einer ½ Zitrone
Himalaya-Salz, weißer Pfeffer aus der Mühle
20 g fein geschnittene Schalottenwürfel
2 TL Limonen-Olivenöl
Schnittlauch-Kaviar-Schmand
150 g Schmand
50 ml Milch
½ Bund Schnittlauch
30 g Avruga-Kaviar (schwarzer Heringskaviar)
Lachs- oder Forellenkaviar zum Dekorieren
Salz, Pfeffer
Spargelragout
Von den gekochten Spargelstangen die Spitzen (ca. 5 bis 6 cm) abschneiden und fürs Anrichten der Chartreuse zur Seite legen. Den Rest der Spargelstangen zu einem kleinen Ragout schneiden. Etwas von dem Kaviar und dem fein geschnittenen Schnittlauch hinzugeben. Mit etwas Limonen-Olivenöl, weißem Balsamicoessig sowie Salz und Pfeffer abschmecken.
Tatar
Das entgrätete Lachsforellenfilet sowie den Räucherlachs sehr fein schneiden und in eine Schüssel geben. Nun den fein geschnittenen Schnittlauch sowie den Zitronenschalenabrieb und die Schalottenwürfel hinzugeben. Das Ganze mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit dem Limonen-Olivenöl verfeinern.
Die vorbereiteten Spargelspitzen der Länge nach halbieren und in einen 6 cm Durchmesser großen Edelstahlring stellen. Das fertige Lachsforellentatar in den Ring geben, mit einem nassen Löffelrücken glattstreichen und kaltstellen. Zur besseren Stabilität nach dem Entfernen des Ringes einen in kochendem Wasser blanchierten Schnittlauchhalm um den Spargel herumwickeln.
Schnittlauch-Kaviar-Schmand
Den Schmand mit der Milch und dem Schnittlauch verrühren, danach in die Mitte des Tellers geben und zu einem runden Kreis glattstreichen. Die Chartreuse darauf setzen. Das Spargelragout sowie etwas Lachsforellentatar außerhalb der Chartreuse anrichten und mit Schnittlauchspitzen dekorieren.
Tipp
Das Öl im Tatar sorgt neben einer frischen Note auch für einen besonderen Glanz.
SALAT VON GRÜNEM SPARGEL
mit gepfeffertem Thunfisch UND KORIANDERMAYONNAISE
Zutaten für 4 Personen
Koriandermayonnaise
150 g Mayonnaise
60 g Crème Fraîche
1 Msp. Kreuzkümmel, gemahlen
1 TL Limonenöl
½ TL Sesamöl
½ TL Madras Curry
½ TL Weißweinessig
1 EL Sojasauce
1 Knoblauchzehe
1 Ingwernuss in Sirup
10 g frisch gezupfte Korianderblätter, fein geschnitten
Limonen-Olivenöl-Vinaigrette
40 ml Weißweinessig
40 ml Limonen-Olivenöl
40 ml Sonnenblumenöl
60 ml Geflügelfond oder Spargelsud (s. S. 49)
Abrieb von einer Limette
1 Prise Zucker
Himalaya-Salz
Pfeffer aus der Mühle
Thunfisch
400 g Thunfischfilet
100 g bunter Pfeffermix
Erdnussöl
Maldon-Salz
20 Stangen grüner Spargel, gekocht
½ Kopf Friséesalat
100 g feiner Feldsalat
Himalaya-Salz (oder Meersalz)
rote Shiso-Kresse
4 Radieschen
Koriandermayonnaise
Die Mayonnaise mit der Crème fraîche, bis auf die Sojasauce, den Knoblauch und den Ingwer, mit den restlichen Zutaten mit dem Schneebesen in einer Schüssel verrühren. Die Sojasauce mit der Knoblauchzehe und der Ingwernuss fein pürieren und ebenfalls in die Masse einrühren. Zum Schluss den fein geschnittenen Koriander hinzugeben. Das Ganze abgedeckt ca. 4 Stunden im Kühlschrank durchziehen lassen.
Vinaigrette
Den Essig in einer Schüssel mit dem Fond verrühren, mit den verschiedenen Ölen aufschlagen, mit Salz, Pfeffer und dem Zucker abschmecken und mit dem Limettenabrieb verfeinern. Danach den gekochten grünen Spargel für ca. 10 bis 15 Min. zum Marinieren in die Vinaigrette legen.
Gepfefferter Thunfisch
Das Thunfischfilet in vier gleichmäßige 3 x 3 cm dicke Balken schneiden. Nun die Balken von allen Seiten in dem feinen bunten Pfeffermix wälzen und in einer Teflonpfanne mit etwas Erdnussöl rundum kurz anbraten, damit der Thunfisch innen noch roh bleibt. Danach in 1 cm dicke Scheiben schneiden und kurz vor dem Servieren mit grobem Maldon-Salz würzen.
Anrichten
Im unteren Drittel des Tellers den marinierten grünen Spargel übereinander legen. Unterhalb des Spargels 5 dicke Tropfen der Koriandermayonnaise spritzen und mit der roten Shiso-Kresse dekorieren. Oberhalb des Spargels das in fünf Teile geschnittene Thunfischfilet in gleichem Abstand abwechselnd legen und aufstellen.
Darüber mit der restlichen Vinaigrette den feinen Frisée, den kleinen Feldsalat, sowie die dünnen Radieschenscheiben marinieren und dekorativ als längliches Salatbouquet anrichten.
WARMER SPARGELSALAT
mit Petersilien-Kapern-Vinaigrette, BACKHENDL VOM STUBENKÜKEN UND ZITRONENREMOULADE
Zutaten für 4 Personen
12 gekochte Spargelstangen
12 Kapernäpfel
1 Kopf feiner Friséesalat zum Garnieren
Stubenküken
2 Stubenküken
200 g geriebenes Weißbrot (Semmelbrösel)
2 Eier
100 g Mehl (Type 405)
Petersilien-Kapern-Vinaigrette
2 EL Champagneressig
2 EL Kapernsaft aus dem Glas
3 EL Distelöl
3 EL Sonnenblumenöl
2 EL kleine Kapern