Der Bergpfarrer 139 – Liebe – so schön wie im Roman

Der Bergpfarrer –139–

Liebe – so schön wie im Roman

… gibt es auch im echten Leben!

Toni Waidacher

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-637-4

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Langsam sank die Sonne am Horizont und spiegelte sich im Wasser des Sees. Lars legte seinen Arm um Kirsten und blickte ihr tief in die Augen.

»Wirst du mit mir gehen?« fragte er. »Werden wir glücklich sein, in unserer Hütte am Fjord?«

Sie erwiderte seinen Blick, und in ihren Augen standen Tränen, als sie nickte.

»Ja, Lars«, antwortete sie, »denn nur mit dir will ich leben!«

Er zog sie an sich und küßte sie sanft. Niemand störte diesen Augenblick, auf den sie so lange gewartet hatten.

Ende!

Franziska Rhoder atmete tief auf, als sie das letzte Wort unter das Manuskript gesetzt hatte, und lehnte sich zurück.

Dies war der vorerst letzte Roman von insgesamt zwölf, die sie in den letzten drei Jahren geschrieben hatte, und wie alle anderen, so würde auch dieser auf den Bestsellerlisten ganz nach oben klettern. Ihre Leserinnen warteten schon geradezu ungeduldig auf das Erscheinen des fertigen Buches. Allerdings würden sie sich bis dahin noch eine Weile gedulden müssen. Jetzt begann erst einmal die Arbeit im Verlag, aber in ein paar Wochen kam der neue ›Lundgren‹ auf den Markt, und dann konnten die Fans der talentierten Schriftstellerin ihre Sehnsucht nach Romantik, Liebe und heiler Welt stillen.

›Karen Lundgren‹, das war das Pseudonym, unter dem Franziska ihre Romane schrieb. Sie spielten fast ausschließlich in Skandinavien, Schweden, Norwegen und Dänemark. Sie selber hatte ein Faible für den hohen Norden. Mindestens zweimal im Jahr fuhr sie von Konstanz aus mit dem Auto auf die Insel Fehmarn, wo sie mit der Fähre nach Skandinavien übersetzte und auf der Suche nach Motiven und Inspiration quer durch die Lande fuhr. Einige Schauplätze kehrten in der Handlung immer wieder, und ganz besonders mochte Franziska die Gegend um den ›Vidöstern‹, einen verschwiegenen See, der sich kilometerweit erstreckte. Dort gab es ein Grundstück, das Bekannten von ihr gehörte. Franziska bewohnte meist eine kleine Hütte, die der Vorbesitzer für seine Jagdfreunde gebaut hatte. Dort gab es weder Telefon noch ein Fernsehgerät, nur Einsamkeit und Natur pur. Hier ersann sie ihre Geschichten und machte sie sich Notizen, skizzierte die Charaktere der Protagonisten. Gearbeitet wurde dann zu Hause, wenn sie wieder in Deutschland war. Manchmal konnte Franziska es selbst nicht glauben, was für einen Erfolg sie mit ihren Romanen hatte. Nach der Buchausgabe waren die ersten bereits noch einmal als Taschenbuch erschienen, regelmäßig folgten Neuauflagen, Lizenzen für Übersetzungen, und eigentlich fehlte zur Krönung nur noch, daß das Fernsehen auf die romantischen Geschichten aufmerksam wurde und sie verfilmte.

Alles in allem konnte Franziska also zufrieden sein. Indes währte diese Zufriedenheit nur so lange, bis ein Buch fertig war, dann überkam sie regelmäßig Wehmut und Verzagtheit. Was ihren Heldinnen in den Romanen immer wieder gelang, war ihr bisher versagt geblieben – das Glück, in den Armen eines geliebten Mannes von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen.

Das Klingeln des Telefons riß die Schriftstellerin aus ihren Gedanken. Franziska nahm ab und nannte ihren Namen.

»Ich bin’s«, hörte sie die Stimme ihrer Agentin, »darf man gratulieren?«

»Ja, Hedda, du darfst«, erwiderte sie. »Nummer 12 ist fertig.«

»Na prima, das müssen wir feiern! Heute abend im ›Riviera‹, ja?«

»Ich weiß nicht«, gab Franziska zurück. »So recht Lust habe ich eigentlich nicht...«

»Du hörst dich tatsächlich müde an, Schätzchen«, meinte die Literaturagentin. »Weißt du was? Ich komme zu dir, dann machen wir es uns gemütlich und stoßen bei einem Glas Sekt darauf an, daß der Roman genauso erfolgreich wird wie die anderen.«

Die Autorin lächelte. Hedda Sommer ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Aber dieser Hartnäckigkeit war es auch zu verdanken, daß sie, Franzi, soviel Erfolg hatte. Immer wieder machte Hedda, die inzwischen auch eine gute Freundin geworden war, ihr Mut, wenn sie glaubte, nicht mehr weiterschreiben zu können. Hedda richtete sie seelisch auf, wenn Franzi sich darüber beklagte, daß sie kein Glück mit den Männern habe, und geschäftlich war Hedda ohnehin unschlagbar. Bei den Verhandlungen mit den Verlagen zeigte sie sich unerbittlich und erreichte stets das Beste für die Autorinnen und Autoren, die bei ihr unter Vertrag standen.

»Außerdem habe ich eine Überraschung für dich...«, lockte sie noch.

Franziska gab sich geschlagen.

»Also gut«, sagte sie zu. »Ich bereite ein kleines Abendessen vor.«

»Super, Schätzchen. Ich freue mich. Bis heute abend.«

Franziska Rhoder legte auf. Auf dem Bildschirm ihres Computers war immer noch das Manuskript zu sehen. Sie speicherte es ab und schaltete das Gerät aus. Mindestens vier Wochen wollte sie nicht mehr arbeiten und bis dahin den Computer auch nicht wieder einschalten.

Sie trank den letzten Schluck Tee aus, er war längst kalt geworden, und brachte die Tasse in die Küche. Dann ging sie ins Bad und ließ kaltes Wasser über Gesicht und Hände laufen.

»Du brauchst Urlaub«, murmelte sie, als sie ihr Gesicht im Spiegel betrachtete.

Franziska Rhoder war Ende zwanzig. Sie hatte blonde Haare und ein apartes Gesicht. Ihre Augen, die blau waren und kristallhell funkeln konnten, blickten ihr jetzt müde entgegen.

Ja, Urlaub wäre nicht schlecht, überlegte sie.

Leider war die Hütte in Schweden zur Zeit nicht frei. Ihre Bekannten vermieteten sie oft an Touristen. Frühestens im Herbst konnte sie wieder dorthin.

Na ja, erst mal sehen, was Hedda hat, dachte sie weiter. Danach entscheide ich, was ich unternehme.

Die Überraschung ihrer Agentin konnte alles Mögliche sein. Ein neuer Vertrag für Auslandslizenzen vielleicht, oder es hatte endlich mit den Hörbüchern geklappt, die Hedda schon lange ins Auge gefaßt hatte. Möglich war aber auch ein Leseabend oder eine Einladung in eine Talkshow. Sie würde sich bis zum Abend gedulden müssen, bis sie es erfuhr.

Franzi verließ das Bad, ging in die Küche zurück und öffnete die Tür des Kühlschranks. Viel stand nicht darin. Sie mußte einkaufen, wenn sie Hedda etwas Ordentliches zum Essen vorsetzen wollte.

Als sie durch den Flur ging und die Jacke von der Garderobe nahm, fiel ihr Blick auf den Schal, der dort immer noch hing. Mit einer beinahe zärtlichen Bewegung strich sie darüber, nahm ihn vom Haken und roch daran. Der Duft des Rasierwassers, der dem Schal anhaftete, stieg ihr in die Nase, und für einen Moment schloß sie die Augen.

Nein, durchfuhr es sie, du kannst es nicht ändern, die Zeit nicht zurückdrehen. Es ist zu Ende.

*

Im Pfarrhaus saß Sebastian Trenker in seinem Arbeitszimmer, als Sophie Tappert Besuch ankündigte.

»Vikar Decker«, sagte die Haushälterin.

»Was? Herein mit ihm!« rief der Bergpfarrer.

Der junge Hilfsgeistliche trat ein.

»Entschuldigen S’ die Störung, Hochwürden«, bat er. »Ich hätt’ da was mit Ihnen zu besprechen. Haben S’ einen Augenblick Zeit?«

»Freilich. Für Sie doch immer, Florian. Setzen S’ sich.«

Der Vikar nahm am Schreibtisch Platz. Sebastian setzte sich auf seinen Stuhl und blickte ihn erwartungsvoll an.

»Nun, worum geht’s? Macht mein Amtsbruder wieder mal Ärger?«

»Tja, um Pfarrer Eggensteiner geht’s tatsächlich«, antwortete Florian Decker. »Wobei ich eigentlich net sagen kann, daß er Ärger macht...«

Florian arbeitete als Vikar in der Nachbargemeinde Engelsbach. Bischof Meerbauer hatte den jungen Mann mit den schulterlangen Haaren, der eine ausgewaschene Jeans der Soutane vorzog, auf Bitten Sebastian Trenkers dorthin versetzt. Blasius Eggensteiner, sein Amtsbruder, hatte es mit seiner verbohrten Art geschafft, daß ihm die Gläubigen davonliefen und lieber nach St. Johann in die Messe kamen. Da mußte ein unkonventionelles und lockeres Gegenstück her, um die Gemeindearbeit wieder zu beleben!

Inzwischen lebte Florian seit geraumer Zeit in dem Dorf. Mit dem Geistlichen kam es immer wieder zu Reibereien, doch damit – und dem Essen der Haushälterin – hatte der Vikar sich abgefunden. Zu den Jugendlichen hatte er einen besonders gutes Verhältnis. Sie mochten seine lockere Art und seine Vorliebe für Rockmusik. In einer alten Jagdhütte hatten sie einen Jugendtreff gegründet, und an einem dieser Nachmittage war eine zündende Idee entstanden.

Sie wollten einen Discoabend veranstalten und das Eintrittsgeld für einen wohltätigen Zweck spenden.

Soweit, so gut. Allerdings sollte dieser Abend, mangels anderer Örtlichkeiten, in der Kirche stattfinden...

Florian ahnte schon gleich, daß Pfarrer Eggensteiner damit nicht einverstanden sein würde. Indes, er stand bei den Jugendlichen im Wort und versuchte sein Möglichstes, um das Unmögliche zu erreichen.

Leider vergebens. Blasius Eggensteiner wies den Vorschlag als dummen Einfall zurück und sah sich wieder einmal in seinem Vorurteil bestätigt. Ein Geistlicher, der in Gesundheitslatschen und Jeans herumlief, die langen Haare zum Zopf gebunden trug und diese fürchterliche Musik hörte, der konnte nur auf dumme Ideen kommen und war letztendlich kein Vorbild für die Jugend!

»Ich kann mir gut vorstellen, daß mein Amtsbruder von dieser Idee wenig erbaut war«, mutmaßte Sebastian Trenker mit einem Schmunzeln.

»Was mach’ ich denn jetzt?« fragte Florian ratlos. »Ich steh’ doch bei den Burschen und Madln im Wort. Vor Wochen schon haben wir darüber gesprochen, wie die Veranstaltung ablaufen soll, und jetzt belagern sie mich natürlich ständig mit der Frage, wann es denn endlich losgehen soll.«

»Ich weiß es ehrlich gesagt auch net«, entgegnete der Bergpfarrer. »Jedenfalls net im Moment. Aber ich werde mir da mal Gedanken machen. Jedenfalls halt’ ich es für eine tolle Idee, die euch da gekommen ist.«

Er brachte Florian Decker zur Tür.

»Lassen S’ net gleich den Kopf hängen«, tröstete er ihn.

»Auf keinen Fall«, erwiderte der junge Vikar und lächelte tapfer. »Pfarrer Eggensteiner ist zwar ein harter Brocken, aber so schnell geb’ ich net auf.«

Er winkte und ging den Kiesweg hinunter.

Sebastian schaute nachdenklich vor sich hin. Ja, Blasius konnte einem das Leben schon schwer machen, dachte er.

Sebastian Trenker und Blasius Eggensteiner kannten sich bereits seit dem Priesterseminar. Schon damals waren sie nur schlecht miteinander ausgekommen, was allerdings nicht die Schuld des jungen Trenkers war. Er war immer bemüht gewesen, mit Blasius Eggensteiner ein gutes Verhältnis zu haben, doch der legte dem Kollegen auf jede erdenkliche Art Steine in den Weg, und Sebastian war froh, als sich ihre Wege trennten.

Lange Zeit hörte er nichts mehr von dem Amtsbruder.

Während er nach St. Johann zurückkehrte, ging Blasius nach Südamerika und arbeitete in einer Missionsstation am Orinoko. Es war eine eher böse Überraschung, als der Amtsbruder die verwaiste Pfarre in Engelsbach übernahm, und die Querelen fingen auch gleich wieder an.

Hoffte Sebastian anfangs noch, daß Blasius sich in all den Jahren geändert hatte, so sah er sich getäuscht. Mehr als einmal versuchte der andere Pfarrer, ihn beim Bischof anzuschwärzen, um zu erreichen, daß die beiden Pfarrgemeinden zusammengelegt würden – natürlich mit ihm als Seelsorger. Doch da hatte er die Rechnung ohne den Bischof gemacht. Ottfried Meerbauer kannte und schätzte Sebastian Trenker, und seit einer gemeinsamen Bergtour verband die beiden Männer eine Freundschaft, wie sie zwischen einem Landpfarrer und seinem Oberhirten nicht die Regel ist.

Beim Abendessen erzählte Sebastian von dem Besuch des Vikars.

»Ach, du liebe Zeit!« Max grinste. »Ich kann mir so richtig vorstellen, wie der liebe Blasius geschaut hat.«

»Aber die Idee find’ ich gut«, warf seine Frau ein. »Dafür würd’ ich sogar beim ›Kurier‹ Reklame machen.«

Claudia Trenker arbeitete als Journalistin bei einer Zeitung in Garmisch-Partenkirchen. Tagsüber blieb sie in der Stadt, weil es sich in der kurzen Mittagspause kaum lohnte, nach St. Johann und wieder zurückzufahren.

»Bloß net!« Sebastian hob abwehrend die Hand und lachte. »So groß ist die Kirche auch wieder net, daß sie einen riesigen Ansturm verkraften könnt’.«

Er schüttelte den Kopf.

»Nein, das wäre wohl zuviel des Guten«, setzte er hinzu. »Aber natürlich muß der Florian unterstützt werden. Ich weiß bloß noch net, wie...«

*