Über Ann Hood

Ann Hood wurde 1956 in West Warwick, Rhode Island, geboren. Nach ihrem Bachelor Abschluss an der Universität von Rhode Island arbeitete sie als Flugbegleiterin, lebte in Boston und Saint Louis und zog später nach New York City, wo sie an der New York University amerikanische Literatur studierte. Mittlerweile ist sie eine bekannte amerikanische Roman- und Kurzgeschichtenschreiberin und Ihre Essays und Kurzgeschichten wurden in vielen Zeitschriften, Magazinen und Anthologien publiziert.

Ann Hood lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Providence.

Informationen zum Buch

Vor fünf Monaten verlor Mary ihre Tochter Stella und seitdem ist nichts mehr wie es war. Die Tage sind grau, leer und öde. Und genau so fühlt sich auch Mary: grau und leer.

Doch dann trifft sie auf die energiegeladene Alice, die das Wollgeschäft »Sit and Knit« führt. Kurzerhand wird sie von Alice zu ihrem regelmäßig stattfindenden Strickkreis eingeladen. Und dort, umgeben von Wollknäueln und dem leisen Klappern der Stricknadeln, beginnt sich Annes Leben wieder mit Farbe zu füllen ...

Eine Geschichte über die Liebe, Frauenfreundschaften und die Magie des Strickens.

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Ann Hood

Die geheimen Fäden der Liebe

Roman

Aus dem Englischen
von Andrea Brandl

Inhaltsübersicht

Über Ann Hood

Informationen zum Buch

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Prolog

Teil Eins: Anschlagen

Kapitel 1: Mary

Kapitel 2: Der Strickkreis

Teil Zwei: Zwei rechts, zwei links (2 M re str, 2 M li str)

Kapitel 3: Scarlet

Kapitel 4: Der Strickkreis

Teil Drei: Zwei Maschen zusammenstricken (2 M zus str)

Kapitel 5: Lulu

Kapitel 6: Der Strickkreis

Teil Vier: Socken

Kapitel 7: Ellen

Kapitel 8: Der Strickkreis

Teil Fünf: Gut stricken können

Kapitel 9: Harriet

Kapitel 10: Der Strickkreis

Teil Sechs: Einfach stricken

Kapitel 11: Alice

Kapitel 12: Der Strickkreis

Teil Sieben: Mütter und Kinder

Kapitel 13: Beth

Kapitel 14: Der Strickkreis

Teil Acht: Stricken

Kapitel 15: Roger

Kapitel 16: Der Strickkreis

Teil Neun: Gemeinsames Leid

Kapitel 17: Mamie

Kapitel 18: Der Strickkreis

Teil Zehn: Abketten

Kapitel 19: Mary

Kapitel 20: Der Strickkreis

Dank

Impressum

Für Strickbegeisterte

Für Freunde

Prolog

Meine Tochter, ich muss dir eine Geschichte erzählen. Das wollte ich schon lange, lange Zeit tun. Aber im Gegensatz zu Babar oder Eloise oder all den anderen Geschichten, die du so gerne mochtest, ist diese hier nicht lustig. Sie ist nicht klug. Sie ist einfach nur wahr. Es ist meine Geschichte, doch mir fehlen die Worte, um sie zu erzählen. Stattdessen greife ich zu den Stricknadeln und fange an zu stricken. Jede Masche ist ein Buchstabe. Und jede Reihe sagt: »Ich liebe dich«. Ich stricke »Ich liebe dich« in alles hinein, was ich beginne. Wie ein Gebet. Oder einen Wunsch, den ich dir sende, in der Hoffnung, dass du mich hören kannst. In der Hoffnung, meine Tochter, dass dich die Geschichte, die ich für dich stricke, irgendwie erreicht. In der Hoffnung, dass meine Liebe dich irgendwie erreicht.

Teil Eins
Anschlagen

Bevor man überhaupt mit dem Stricken beginnt, müssen sämtliche Maschen auf einer Nadel sein. Mit dem sogenannten »Anschlag« wird die erste Maschenreihe auf die Nadel aufgenommen. Sind alle erforderlichen Maschen auf der Nadel, kann es losgehen.

Nancy J. Thomas/Ilana Rabinowitz

A Passion for Knitting

1
Mary

Mary kam mit leeren Händen.

»Ich habe nichts mitgebracht«, sagte sie und breitete die Arme aus, um zu zeigen, dass sie nichts in den Händen hielt.

Die Frau, die vor ihr stand, wurde Big Alice genannt, auch wenn an ihrer Erscheinung nichts Schwerfälliges war. Sie maß gerade einmal einen Meter fünfzig, hatte eine schmale Taille, kurz geschnittenes graues Haar und graue Augen wie der Himmel vor einem Gewitter. Big Alice hatte sich zwischen den Rahmen der abgenutzten, hölzernen Ladentür und Mary gequetscht.

»Damit kenne ich mich nicht aus«, erklärte Mary entschuldigend.

Die Frau nickte. »Ich weiß«, erwiderte sie und trat beiseite, so dass die Tür weit aufschwang. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Leute genau an derselben Stelle wie Sie jetzt gestanden und exakt dasselbe gesagt haben.« In ihrer sanften Stimme lag ein britischer Akzent.

»Tja«, sagte Mary, da ihr nichts Besseres einfiel.

In letzter Zeit wusste sie nie, was sie sagen oder tun sollte. Es war September, und der Tod ihrer Tochter Stella lag fünf Monate zurück. Die fassungslose Ungläubigkeit war allmählich von ihr gewichen, doch die entsetzlichen Geräusche in ihrem Kopf hatten an Lautstärke gewonnen. Krankenhausgeräusche, die Stimmen von Ärzten und Stellas eigene, die Stimme einer Fünfjährigen, die Mama sagte. Manchmal glaubte Mary tatsächlich, die Rufe ihrer Tochter zu hören, und jedes Mal zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen.

»Kommen Sie ruhig herein«, forderte Big Alice sie auf.

Mary folgte ihr in den Laden. Alice trug einen grauen Tweedrock, eine weiße Hemdbluse und eine Strickjacke, dazu eine Perlenkette. Betrachtete man nur ihre obere Körperhälfte, sah sie aus wie eine Grundschullehrerin, wären da nicht die bunt gestreiften Stocken und die rosafarbenen, mit roten Glitzersteinkirschen besetzten Chenille-Pantoffeln.

»Ich leide an Gicht«, erklärte Big Alice und hob einen Fuß. »Sie wissen bestimmt, dass ich Alice bin«, fügte sie hinzu.

»Ja«, bestätigte Mary.

Mary hätte ohne Weiteres den Namen der Frau vergessen können, so wie alles andere. Sie hatten ihn auf einen der vielen hundert Klebezettel geschrieben, die wie Konfetti nach einer Party im ganzen Haus verteilt lagen. Doch wie alle anderen Zettel mit Telefonnummern, Terminen und Wegbeschreibungen war auch der mit Alices Namen irgendwann verschwunden. Doch als sie das hölzerne Schild mit der Aufschrift »Big Alice’s Sit & Knit« gesehen hatte, war ihr der Name wieder eingefallen: Alice.

Mary blieb stehen und versuchte, sich zu sammeln. In letzter Zeit musste sie das ständig tun, selbst an vertrauten Orten. In ihrer eigenen Küche musste sie ihre Tätigkeit unterbrechen, sich umsehen. Oh, sagte sie sich dann, wenn sie sah, dass der Fernseher abgeschaltet war und nicht Sagwa, die Comic-Serie mit einer kleinen siamesischen Katze, lief. Wenn sie sah, dass in der sorgfältig mit Tupfen bemalten Schüssel, die Stella im Töpferkurs angefertigt hatte, keine Gurkenscheiben oder Heidelbeeren lagen, wie es sonst immer gewesen war. Wenn ihr Blick auf die ausgeschnittenen Herzen mit den »Ich liebe dich«-Sprüchen und den Papierdrachen fiel, dessen mit rosa Schleifen verzierter Schwanz schlaff herabhing. Oh, sagte sich Mary, während ihr wieder einmal bewusst wurde, dass so ihre Küche – ihr ganzes Leben – aussah: traurig und leer.

Der Laden war klein, hatte einen knarrenden Holzboden und vor Garnen überquellende Regale und Körbe. Es roch nach Pullovern, nach Zedernholz und nach Alices eigenem Duft nach Zitronen. Es gab drei Räume: einen kleinen, in dem sie gerade stand, dahinter einen zweiten mit einer Kasse und einer durchgesessenen Couch, über die eine rosa Decke mit roten Rosen drapiert war, und einen weiteren, größeren Raum mit noch mehr Garn und ein paar Stühlen.

Wie wunderschön das ganze Garn war, erkannte Mary auf den ersten Blick. Sie berührte einige von ihnen, als sie Alice in den angrenzenden Raum folgte, wobei sie die Fingerspitzen einige Augenblicke lang auf den Strängen ruhen ließ.

»Also«, meinte Alice, »wir lassen Sie mit einem Schal anfangen.« Sie hob einen fertigen Schal in die Höhe, kobaltblau und mit hellblauen Fransen. »Gefällt er Ihnen?«

»Ich denke schon«, antwortete Mary.

»Sicher? Sie sehen so finster drein.«

»Doch. Er ist schön. Das Problem ist nur, dass ich so etwas nicht kann. Ich bin nicht besonders geschickt. In Hauswirtschaft bin ich durchgefallen. Ganz ehrlich.«

Alice drehte sich zur Wand und zog ein Paar Holzstricknadeln hervor.

»Diesen Schal bekommt sogar eine Zehnjährige hin«, erklärte sie leicht ungeduldig und reichte Mary die Stricknadeln.

Sie waren riesig, glatt und fühlten sich unhandlich an. Mary sah zu, wie Alice vor ein Regal trat und mehrere Garnstränge herausnahm. Dasselbe Kobalt, dazu Aquamarin und Malve.

»Welche Farbe gefällt Ihnen am besten?«, fragte Alice und hielt Mary die Auswahl hin.

»Blau, würde ich sagen«, meinte Mary, während ihre Gedanken zu jenem unverwechselbaren Blauton von Stellas Augen wanderten. Als sie versuchte, gegen das Bild anzublinzeln, stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie wandte den Kopf ab und wischte sie ab.

»Also blau«, bestätigte Alice eine Spur sanfter und deutete auf einen Stuhl, der zwischen einigen dicken Wollknäueln in der Ecke stand. »Setzen Sie sich, dann bringe ich Ihnen Stricken bei.«

Mary lachte. »Wie optimistisch.«

»Vor zwei Wochen kam eine Frau hierher«, erklärte Alice, ließ sich in einen üppig gepolsterten Sessel fallen und stellte die Füße auf einem mit Gobelinstoff bezogenen Hocker ab. »Sie hatte noch nie vorher gestrickt, und jetzt hat sie schon drei Schals fertig. So einfach ist das.«

Mary war vierzig Meilen weit zu diesem Laden gefahren, obwohl es nicht einmal eine Meile von ihrem Haus entfernt ein Handarbeitsgeschäft gab. Auf der Fahrt durch die unbekannten kleinen Straßen hatte sie gedacht, wie idiotisch es war, einen so weiten Weg auf sich zu nehmen, nur um Stricken zu lernen. Doch nun, da sie mit dieser Fremden hier saß, die sie nicht kannte und nichts von dem wusste, was ihr passiert war, mit diesen Nadeln, die sich so wenig vertraut in ihren schweißfeuchten Händen anfühlten, wusste Mary, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.

»Man muss nur eine Reihe Laufknoten machen«, fuhr Alice fort und hielt ein langes Garnstück in die Höhe.

»Bei den Pfadfinderinnen haben sie mich rausgeworfen«, sagte Mary. »Laufknoten sind mir ein echtes Rätsel.«

»Zuerst der Hauswirtschaftsunterricht, und jetzt auch noch die Pfadfinderinnen.« Alice schnalzte mit der Zunge, doch in ihren grauen Augen lag ein verschmitztes Funkeln.

»Ehrlich gesagt waren es zuerst die Pfadfinderinnen und dann der Hauswirtschaftsunterricht«, räumte Mary ein.

Alice lachte leise. »Ich habe Stricken immer gehasst, wenn Ihnen das hilft, sich besser zu fühlen. Ich wollte es nie lernen. Heute besitze ich ein Wollgeschäft und bringe den Leuten das Stricken bei.«

Mary lächelte höflich. Die Geschichten anderer Leute interessierten sie nicht mehr. Früher hatte sie gern den Schilderungen über gebrochene Herzen, Triumphe und andere Schicksalsgegebenheiten gelauscht. Doch ihre eigene Geschichte hatte Besitz von jenem Teil in ihr ergriffen, in dem einst Platz für solche Dinge gewesen war. Und wenn sie aus reiner Höflichkeit oder gezwungenermaßen – so wie jetzt – zuhörte, schrien die Umstände förmlich danach, selbst zu erzählen, sich mitzuteilen. Genau das wollte sie nicht. Manchmal fragte sie sich, ob sie jemals fähig wäre, ihre Geschichte jemandem zu erzählen.

»Also«, wiederholte Mary, »Laufknoten.«

»Da Sie sowohl bei den Pfadfinderinnen rausgeflogen als auch im Hauswirtschaftsunterricht durchgerasselt sind«, erklärte Alice, »schlage ich die Maschen für Sie an. Außerdem, wenn ich hier neben Ihnen stehe und es Ihnen beibringe, vergeude ich unser beider Zeit, weil Sie es nur wieder vergessen.«

Mary machte sich nicht die Mühe zu fragen, was mit »anschlagen« gemeint war. Wie eine Taschendiebin, die ein paar Fingerübungen macht, vollführte Alice eine Reihe von Schlaufen und Knoten, dann hielt sie die Nadel in die Höhe, um die sich das blaue Garn auf geheimnisvolle Weise geschlungen hatte.

»Ich habe 22 Maschen für Sie angeschlagen. Damit können Sie anfangen.«

»Hmhm«, sagte Mary.

Alice bedeutete Mary, sich neben sie zu setzen.

»Hier reinstechen«, forderte Alice sie auf und zeigte es ihr, »dann das Garn so um die Nadel wickeln und durchziehen.«

Mary lächelte, als die erste Masche auf der leeren Stricknadel erschien, dann noch eine.

»Okay«, meinte Alice, »und jetzt machen Sie weiter.«

»Ich?«

»Ich weiß bereits, wie es geht«, gab Alice zurück.

Mary holte Luft und machte sich an die Arbeit.

2
Der Strickkreis

Eines wunderte Mary noch immer: Am Tag vor Stellas Tod war nichts Außergewöhnliches vorgefallen. Keine Anzeichen, keinerlei böse Vorahnungen, sondern ein ganz gewöhnlicher Tag in ihrem gemeinsamen Leben – ihrem, Dylans und Stellas. Als sie noch in San Francisco gelebt hatten, hoch oben auf einem Hügel in North Beach, war sie oft einer Nachbarin begegnet, einer alten Italienerin namens Angelina. Angelina trug stets ein schwarzes Kleid, dazu feste schwarze Schuhe und eine schwarze Stola überm Haar. »Die Menschen sollten wissen, dass man trauert«, sagte sie immer wieder zu Mary. »Und wenn man Schwarz trägt, verstehen sie es.«

Mary hatte sie nicht darauf hingewiesen, dass heutzutage jeder Schwarz trug. Sie verdrehte auch nicht die Augen, als Angelina ihr erzählte, drei Tage vor dem Tod ihres Mannes – an dieser Stelle bekreuzigte sie sich und spuckte anschließend in ihre Handfläche – habe ein Hund vor ihrem Apartment gestanden und gejault. »Ich hab gewusst, dass der Tod nah ist«, sagte sie. Außerdem seien zwei weitere Männer in der Nachbarschaft in den vergangenen Monaten gestorben. »Der Tod«, hatte sie erklärt, »kommt immer dreimal.« Angelina kannte ein ganzes Repertoire an Zeichen – Träume von klarem Wasser und ausfallenden Zähnen, tote Vögel auf der Türschwelle, Gänsehaut, obwohl es warm und windstill war.

Aber Mary hatte nichts dergleichen erlebt. Keine Träume oder tote Vögel oder heulende Hunde. Bei ihr war es ein typischer Tag gewesen. Ein guter Tag. Trotz ihrer fünf Jahre trank Stella jeden Morgen und abends vor dem Schlafengehen einen Milchschoppen – ein Geheimnis, das sie eisern vor ihren Kindergartenfreunden bewahrte. Dylan trug die vergnügt und schläfrig an ihrer Flasche nuckelnde Stella zu ihnen ins Bett, wo sie sich zusammenkuschelten; Mary und Dylan lasen Zeitung, während Stella sich eine Folge der Sesamstraße ansah.

Wenn Stella munter wurde und begann, Dylan zu kitzeln, wussten sie, dass es Zeit zum Aufstehen war. Mary wünschte, sie könnte sich erinnern, was sie an diesem letzten gemeinsamen Morgen gefrühstückt und worüber sie sich unterhalten hatten. Aber dieser Morgen war so alltäglich gewesen, dass sie sich an diese Details nicht mehr erinnern konnte.

Sie wusste noch, dass Stella Ringelstrumpfhosen, gepunktete Clogs und einen zu langen, ebenfalls gestreiften Pullover angehabt hatte. Aber nur, weil diese Kleider auf einem zerknüllten Haufen lagen, als sie nach Stellas Tod aus dem Krankenhaus kamen, genau dort, wo Stella sie zurückgelassen hatte, als sie zu Bett gegangen war. Sie wusste es, weil sie die Sachen tagelang mit sich herumgetragen und die Nase darin vergraben hatte, um den letzten Hauch von Stellas Kleinmädchenduft in ihre Lungen zu saugen.

Dylan war auch an diesem Morgen früh aufgebrochen, während sie Stella für die Schule fertig gemacht hatte. Er hatte wie immer beiden einen Kuss auf den Scheitel gedrückt. »Nicht gehen, Daddy!«, schrie Stella jedes Mal und schmollte, was Mary immer ein klein wenig eifersüchtig machte. Es stimmt, dachte sie, dass der Elternteil, der sich am meisten ums Kind kümmert, es durch die Gegend fährt, bekocht und badet, nie die meiste Zuneigung bekommt.

Natürlich plagte sie jetzt ein schlechtes Gewissen, weil sie gewiss ärgerlich über Stellas Trödelei an diesem Morgen gewesen war. Stella war eine kleine Trödlerin, die sich allzu leicht vom Anblick ihrer vergessenen Gummistiefel oder irgendwelchen Punkten auf einem ihrer Bilder an der Kühlschranktür ablenken ließ. Selbst während Mary sie zur Eile antrieb, summte und bummelte Stella herum und grinste ihre Mutter an, wenn sie versuchte, sie möglichst zügig in den Wagen zu verfrachten. »Wir kommen zu spät«, hatte Mary wahrscheinlich auch an diesem Morgen gemurmelt, weil sie wie üblich spät dran waren. Und Stella hatte wahrscheinlich »Hmhm« gesagt und weitergesummt.

Auch an diesem Morgen hatte Mary Halt gemacht, um einen Kaffee zu trinken und sich mit anderen Müttern Geschichten über ihre einzigartigen Kinder zu erzählen, ehe sie zur Arbeit fuhr, um ihre letzten kostbaren Stunden als Mutter mit Kritiken, Recherchen und sonstigen bedeutungslosen Arbeiten zuzubringen. Dylan hatte sie angerufen – wie immer –, um zu sagen, wann er an diesem Abend nach Hause kommen würde, und um nach Stella zu fragen. Dann war sie losgedüst, um ihre Tochter von der Schule abzuholen. Sie hatte im Wagen gesessen und zugesehen, wie sie herauskam, verträumt und todmüde, so dass ihr Rucksack auf dem Boden schleifte. Und bei ihrem Anblick hatte sich Marys Herz zusammengezogen, wie immer, wenn sie sie wiedersah.

Am Morgen von Stellas Begräbnis rief Marys Mutter aus ihrem Hotel an.

»Es sind so viele Leute da«, sagte sie. »Ich weiß, du wirst es verstehen, wenn ich gleich heute Morgen zurückfliege. Die spätere Maschine landet erst nach Mitternacht, und du bist ja nicht allein.«

Mary runzelte die Stirn, konnte nicht glauben, was ihre Mutter da sagte. »Du kommst also nicht mit?«, fragte sie. Nach wie vor sah sie sich nicht der Lage, den Namen ihrer Tochter in einem Atemzug mit den Worten »Begräbnis«, »gestorben« oder »Tod« zu nennen.

»Du verstehst das doch, oder?«, beharrte ihre Mutter, und Mary glaubte, einen flehenden Unterton in ihrer Stimme zu hören.

Während ihre Mutter über den Anschlussflug in Mexico City schwadronierte und sich über die Entfernung zwischen den Gates und die komplizierten Zollformalitäten beschwerte, legte Mary wortlos auf.

Ihre Mutter hatte sie ihr ganzes Leben lang enttäuscht. Sie war keine Mutter, die zu Schulaufführungen oder Elternsprechtagen ging; sie lobte selten, schwärmte und prahlte nie; Marys Hochzeit hatte sie wegen eines Streiks in San Miguel, wo sie wohnte, versäumt, weil ihr Flug in die Staaten storniert worden war. »Ich schicke dir ein hübsches Geschenk«, hatte sie versprochen. Und das hatte sie auch getan. In der folgenden Woche war ein Paket mit mexikanischem Porzellan angekommen, allerdings war die Hälfte der Teller beim Transport zu Bruch gegangen.

Doch in der schlimmsten Zeit ihres Lebens hatte Mary von ihrer Mutter erwartet, ihr in einer Weise beizustehen, zu der sie bislang nicht fähig gewesen war. Als Mary die Gesichter in der Kirche betrachtete, sah sie Nachbarn, Kollegen, Lehrer, Verwandte und Freunde – ein Anblick, der ihr vor Enttäuschung den Atem zu rauben drohte. Sie musste sich setzen und nach Luft schnappen. Ihre Mutter war allen Ernstes nicht gekommen.

Das Blumenarrangement, das sie schickte, war das größte von allen. Eine Unmenge purpurfarbener Calla-Lilien, die den gesamten Raum dominierten. Hätte Mary die Energie aufgebracht, hätte sie diese demonstrative Entschuldigung weggeworfen, doch stattdessen hatte sie sie einfach liegen lassen.

In dem heißen, stickigen Sommer nach Stellas Tod meldete sich ihre Mutter einmal pro Woche, um ihr ihren Rat anzubieten. Normalerweise redete Mary nicht einmal mit ihr.

»Du musst Stricken lernen«, erklärte ihre Mutter. »Das ist es, was du brauchst.«

»Klar«, erwiderte Mary.

Ihre Mutter hatte aufgehört zu trinken, als Mary in der zwölften Klasse gewesen war. Nun, da Mary darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie zeitgleich mit dem Stricken angefangen hatte. Eines Tages hatten plötzlich überall Garnknäuel herumgelegen. Ihre Mutter hatte am Küchentisch gesessen, Strickmuster studiert, Kaffee getrunken und Pfefferminzbonbons gelutscht.

»Für mich hört sich das so an«, fuhr ihre Mutter fort, »denn du kannst nicht arbeiten, du kannst nicht nachdenken, du kannst nicht lesen.«

Während ihre Mutter weitersprach, weinte Mary. Kein lautes Schluchzen, das sie unmittelbar nach Stellas Tod so erschöpft hatte, sondern dieser unaufhörliche Tränenstrom, von dem es abgelöst wurde. Ihre Welt, die stets voller Güte und Freude gewesen war, hatte sich in ein Minenfeld verwandelt. Im Laden gab es nur noch die Beeren, die Stella so gern gegessen hatte. Im Aufzug liefen stets Stellas Lieblingslieder. Und wo sie ging und stand, begegnete sie jemandem, den sie seit dem Begräbnis nicht mehr gesehen hatte. Am liebsten wäre Mary geflohen, vor ihnen, vor all den Beeren, den Liedern und dieser Welt, in der sie und Stella einst so gut aufgehoben gewesen waren.

» Stricken ist etwas ganz Besonderes«, fuhr ihre Mutter fort. »Du musst dich konzentrieren, aber doch auch wieder nicht. Deine Hände sind beschäftigt, bleiben in Bewegung, und das beruhigt das Gehirn.«

»Toll, Mom«, sagte Mary. »Ich überlege es mir.«

Und dann legte sie sich wieder ins Bett.

Bei Stellas Geburt versprach Mary ihr noch in der ersten Nacht, dass es mit ihnen beiden anders werden würde. Mary würde die Mutter sein, die sie immer hatte sein wollen, und Stella dürfe Stella sein, was auch immer das bedeuten mochte. Und sie hatte Wort gehalten. Ganze Nachmittage hatte sie damit zugebracht, Partyhüte für Plüschtiere zu basteln, und dabei ihre Abgabefristen versäumt. Sie hatte Stella Kleider mit Streifen und Punkten und orangefarbenen Ohrschützern im Haus tragen und im Ballettröckchen in den Lebensmittelladen gehen lassen. Sie sahen einander ähnlich, Mary und Stella. Dasselbe braune Haar mit demselben rötlichen Schimmer, der in der hellen Sommersonne zum Vorschein kam. Derselbe Mund, eine Spur zu breit und zu üppig für ihre schmalen Gesichter. Doch genau dieser Mund war es, dem sie dieses unglaubliche Lächeln zu verdanken hatten. Sie hatten beide den Mund von Marys Vater geerbt, nur dass bei ihm die Mundwinkel in den späten Lebensjahren nach unten gezeigt hatten, was ihm das Aussehen eines traurigen Clowns verliehen hatte.

Dylan hatte stets gewitzelt, sein Zutun sei für Stellas Entstehung gar nicht notwendig gewesen. »Sie ist durch und durch wie du«, sagte er immer. Das einzige Charakteristikum, das Stella von ihnen unterschied, waren ihre blauen Augen. Marys und Dylans Augen waren braun, wohingegen Stella hellblaue Augen hatte. Sie besaßen durchaus Ähnlichkeit mit denen von Marys Mutter, wie Mary widerstrebend zugab. Nichtsdestotrotz sah Stella wie eine Miniaturausgabe von Mary aus, bis hinunter zu den großen, schmalen Füßen. Mary hatte Schuhgröße 41, und bei Stella würde es bestimmt ähnlich werden.

Manchmal zogen sie sich zum Spaß ganz in Schwarz an und stellten sich breit grinsend vor den Spiegel an Marys Schlafzimmertür. »Du siehst genauso aus wie ich«, sagte Stella dann immer, und Marys Herz schien sich zu weiten, als wolle es ihren Brustkasten sprengen. Sie hatte ihr Versprechen gehalten. Sie war eine gute Mutter geworden. Ihre Tochter liebte sie.

Marys Kindheit war wenig flexibel, durchorganisiert und streng von ihrer Mutter kontrolliert gewesen. Das Frühstück umfasste sämtliche Lebensmittelgruppen. Die Schuhe immer passend zur Handtasche. Das Haar war zu zwei ordentlichen Zöpfen frisiert und so eng gebunden, dass sie nach der Schule noch lange unter Kopfschmerzen litt, bis sie die Zöpfe endlich auflösen durfte. Dann saß sie wimmernd da und massierte ihre schmerzende Kopfhaut.

Als sie größer wurde, begriff Mary, dass all die Regeln, all die Strukturen, die ihre Mutter ihr auferlegte, ein angestrengter Versuch waren, ihren Alkoholkonsum zu verbergen. Nach der Schule setzte sich Mary mit ihren Hausaufgaben an den Küchentisch, aus dem verzweifelten Wunsch heraus, in der Nähe ihrer Mutter zu sein. Ihre Mutter bereitete das Abendessen zu, wobei ein Kochbuch mit dem Titel Freude am Kochen aufgeschlagen neben ihr in einem Acryl-Kochbuchhalter lag. Mary kam es wie eine Ironie vor, dass dies das Lieblingskochbuch ihrer Mutter war, da ihr weder das Kochen noch das Essen Freude zu bereiten schienen.

Trotzdem saß Mary jeden Nachmittag am Küchentisch und bat ihre Mutter gelegentlich um Hilfe, obwohl sie im Grunde keine benötigte. In diesen Augenblicken betrachtete Mary ihr schönes Gesicht, die glatte Haut, die perfekt geschwungene Nase, das glänzende blonde Haar, und verliebte sich jedes Mal aufs Neue in diese fremde Frau, während ihr der Duft ihres Parfüms, Chanel No.5, in die Nase stieg und sie leicht schwindeln ließ.

Manchmal verlor sie am Abend auf dem Sofa das Bewusstsein, so dass ihr Vater sie wie eine schlafende Schönheit auf die Arme hob und ins Bett brachte. »Deine Mutter arbeitet so schwer«, sagte er dann immer, wenn er zurückkam. Mary nickte, obwohl sie keine Ahnung hatte, was ihre Mutter abgesehen von der Putzarbeit den ganzen Tag über tat. Eines Abends – Mary war damals in der zehnten Klasse – legte Mary ihre rissigen Lippen auf den rosa Lippenstiftabdruck ihrer Mutter auf dem Wasserglas, nahm den wachsigen Geschmack des Lippenstifts wahr und dann, als sie daran nippte, die beißende Schärfe des Wodkas. An all den Nachmittagen, als ihre Mutter so konzentriert gekocht hatte, und den Abenden, wenn sie der Schlaf auf dem Sofa übermannt hatte, war ihre Mutter betrunken gewesen. Doch die Erkenntnis schockierte Mary nicht.

Stattdessen erklärte sie alles. Nur nicht, wie eine so schöne Frau so viel trinken konnte.

Dieser Sommer zog sich endlos dahin. Mary lag im Bett und grübelte darüber nach, was sie eigentlich in diesem Moment tun sollte – Stella die Socken anziehen, die Kruste von ihrem Sandwich abschneiden, ihr jüngstes künstlerisches Projekt bestaunen, sie antreiben, zum Ballettunterricht aufzubrechen. Stattdessen saß sie zu Hause und wusste nicht, wie sie die endlosen Stunden des Tages füllen sollte.

Mary schrieb für die hiesige alternative Tageszeitung, Eight Days a Week, liebevoll Eight Days genannt. Sie rezensierte Filme und Bücher und verfasste Restaurantkritiken. Seit Stellas Tod rief ihr Boss Eddie sie jede Woche an und bot ihr einen kleinen Auftrag an. »Nur hundert Wörter«, sagte er immer. »Hundert Wörter über irgendetwas. Was du willst.« Holly, die Redaktionssekretärin, kam mit klebrig-süßen Kuchen vorbei, die sie selbst gebacken hatte. Mary sah sie aus ihrem alten babyblauen Käfer aussteigen, ihr hellblondes Haar und die großen blauen Augen, beobachtete, wie sie ihre langen Beine aus dem Wagen schwang und mit tränennassen Augen zum Haus herübersah. Sie tat so, als wäre sie nicht zu Hause. Holly läutete ein Dutzend Mal an der Haustür, ehe sie aufgab und die mit roter Lebensmittelfarbe eingefärbte Buttercremetorte oder den hellen, mit den kandierten Ananasstücken und Maraschino-Kirschen verzierten und viel zu süßen Kokosraspeln bestreuten Kuchen auf den Stufen stehen ließ.

Früher war Mary mehrmals pro Woche ausgegangen, um mit Dylan oder ihren Freundinnen, manchmal sogar mit Stella, ein neues thailändisches Restaurant auszuprobieren oder sich einen Film anzusehen. Ihre Tage waren ausgefüllt gewesen mit Dingen, die es zu tun, zu sehen, zu überdenken galt. Bücher, zum Beispiel. Sie las grundsätzlich zwei oder drei gleichzeitig. Eines lag offen auf dem Kaffeetisch, ein zweites auf dem Nachttisch, während ein drittes, Gedichte oder Kurzgeschichten, in ihrer Handtasche blieb, damit sie lesen konnte, wenn Stella mit ihren Freundinnen auf dem nahe liegenden Spielplatz herumtollte.

Und Mary war zu all dem immer etwas eingefallen. Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass Providence dringend ein gutes mexikanisches Restaurant brauchte. Darüber hatte sie stundenlang Vorträge gehalten. Sie machte sich Sorgen wegen des Verfalls der romantischen Komödie. Im Lauf der Zeit hatte sie angefangen, Sachbücher Romanen vorzuziehen. Woher kam das?, fragte sie sich häufig laut.

Wie hatte sie so große Leidenschaft für all diese sinnlosen Dinge entwickeln können? Mittlerweile war ihr Gehirn nicht mehr in der Lage, irgendwelche Informationen zu sortieren. Sie begriff nicht mehr, was sie gerade gelesen, gehört oder gesehen hatte. Das Essen schmeckte nach nichts, wie Luft. Wenn sie etwas aß, dachte sie an Stellas Buch namens Gute Nacht, Mond. Daran, wie Stella die Worte aussprach, bevor Mary sie vorlesen konnte. Gute Nacht, Brei. Gute Nacht, alles. Es war beinahe, als könne sie die Stimme ihrer Tochter hören. Aber nur beinahe, deshalb lauschte sie in der Stille des Hauses.

Sie nahm sich vor, Italienisch zu lernen. Sie nahm sich vor, ihre Trauer in einem Gedicht zu verarbeiten. Sie nahm sich vor, einen Roman zu schreiben, einen Roman, in dem ein Kind heldenhaft gerettet wird. Doch die Worte, genau jenes Mittel, das sie früher stets gerettet hatte, waren verschwunden.

»Wie läuft es mit dem Stricken?«, erkundigte sich ihre Mutter nach mehreren Wochen.

Inzwischen war es Juli.

»Bin noch nicht dazu gekommen«, murmelte Mary.

»Mary, du brauchst etwas, um dich abzulenken«, sagte ihre Mutter. Im Hintergrund hörte Mary Stimmen, die Spanisch sprachen. Vielleicht sollte sie lieber Spanisch statt Italienisch lernen.

»Sag mir nicht, was ich brauche«, erwiderte sie. »Also dann?«

»Also dann«, sagte ihre Mutter.

Im August überraschte Dylan sie mit einer Reise nach Italien.

Er war sofort wieder zur Arbeit gegangen. Die Tatsache, dass er eine Kanzlei und Mandanten hatte, die ihn brauchten, hatte Mary neidisch werden lassen. Ihr Büro zu Hause, früher ein begehbarer Kleiderschrank neben dem Elternschlafzimmer, war allmählich zu seiner ursprünglichen Bestimmung zurückgekehrt. Beileidskarten, CDs, Bücher, Gedichte und mit Sprüchen versehene Täfelchen, all die Dinge, die Freunde geschickt hatten, stapelten sich dort. Es stand auch eine Schachtel mit Engeln drin, dunkelhaarige Engel, die Stella darstellen sollten, in Marys Augen jedoch falsch und trivial aussahen. Stellas Kindergartentante war mit einem Karton mit ihren Sachen vorbeigekommen. Sorgfältig geschriebene Zahlen und Wörter, Bilder und Arbeitsbücher, die nun ebenfalls allesamt in einer Schachtel in ihrem Büro lagen.

»Ich habe mir gedacht«, hatte Dylan gesagt und die Flugtickets festgehalten, als hänge sein Leben davon ab, »wenn wir schon herumsitzen und die ganze Zeit weinen, können wir ebenso gut in Italien herumsitzen und weinen. Und hast du nicht gesagt, du wolltest Italienisch lernen?«

Seine Augen waren rot gerändert, und er hatte abgenommen, so viel, dass er noch mehr Falten bekommen hatte. Er besaß eines jener Gesichter, denen Falten gut stehen, und Mary liebte diese Furchen seit dem Tag, als sie einander begegnet waren. Doch nun ließen sie ihn erschöpft wirken. Die Farbe seiner Augen änderte sich. Sie waren braun mit goldenen und grünen Sprenkeln, deren Farbintensität sich je nach Wetter oder Kleidung änderte. Doch in letzter Zeit waren sie einfach nur braun, und von dem strahlenden Grün und Gold war fast nichts mehr zu erkennen.

Sie konnte ihn nicht enttäuschen, indem sie ihm gestand, dass sie schon mit dem Englischen Mühe hatte und es unmöglich schaffen würde, sich Konjugationen und Vokabeln zu merken. Die einzige Sprache, die sie beherrschte, war die der Trauer. Wie konnte er das vergessen haben?

»Ich liebe dich«, sagte sie stattdessen. Und das tat sie auch. Sie liebte ihn. Doch selbst das fühlte sich nach nichts mehr an.

Sie verbrachten zwei sehr friedliche Wochen in einem großen gemieteten Bauernhaus mit einer Köchin, die jeden Morgen mit frischen Brötchen vorbeikam, ihnen Espresso zubereitete und sie mit einem üppigen Essen empfing, wenn sie abends zurückkehrten. Die Zeit verging friedlich, wenn auch voller Trauer. Die Veränderung ihrer Umgebung und der Tagesabläufe hatte dennoch etwas Heilsames, und Mary hoffte, dass sich bei ihrer Rückkehr auch etwas an ihrer Einstellung verändert hätte. Doch natürlich hatte die Heimreise nur die Realität ihres Verlustes wiederauferstehen und ihre Traurigkeit mit aller Macht zurückkehren lassen.

An diesem ersten Abend, als Mary das Olivenöl und die langen Stränge aus getrockneten Tomaten ausgepackt hatte, war die Nachricht aus dem Anrufbeantworter durch die Küche gedrungen.

»Mein Name ist Alice. Ich bin die Inhaberin von Big Alice’s Sit and Knit –«

»Wovon?«, fragte Dylan.

»Shh«, unterbrach Mary.

»– wenn Sie früh am Dienstagmorgen vorbeikommen, kann ich Ihnen das Stricken selbst beibringen. Eigentlich sogar jeden Dienstag. Vor elf. Bis dann.«

»Stricken?«, wiederholte Dylan. »Du kannst ja nicht mal einen Knopf annähen.«

Mary verdrehte die Augen. »Meine Mutter.«

Als Mary das zweite Mal im Sit and Knit auftauchte, hatte sie das Ergebnis von einer Woche Arbeit in einer Einkaufstasche dabei. Seit Alice sie in der Vorwoche weggeschickt hatte, trug sie ihr Strickzeug stets bei sich. Widerstrebend musste sie zugeben, dass ihre Mutter recht gehabt hatte. Stricken besänftigte ihr Gemüt. Sobald Stellas Gesicht vor ihr auftauchte, strickte Mary eine Masche oder machte einen Knoten. Einmal ließ sie sogar eine Nadel fallen und sah entsetzt zu, wie sich die Maschen lösten.

Nicht dass sie nicht an Stella denken wollte. Sie wollte nur nicht den Verstand darüber verlieren. Wieder und wieder liefen Krankenhausszenen vor ihrem geistigen Auge ab und lösten das Bedürfnis in ihr aus, laut zu schreien. Manchmal schrie sie auch. Genau diese Art Ruhe schenkte ihr das Stricken. Gestern war sie in den Supermarkt gegangen und hatte die ersten Birnen der Saison gesehen, klein und bernsteinfarben. Stellas Lieblingsbirnen. Mary hatte ihr jeden Tag im Herbst zwei Stück davon eingepackt. Bei ihrem Anblick spürte Mary Panik in sich aufsteigen, machte kehrt und verließ schnell den Supermarkt, wobei sie ihren Korb mit den Bananen und dem geriebenen Parmesan einfach stehen ließ. Nachdem sie im Wagen ausgiebig geweint hatte, blieb sie sitzen, holte ihr Strickzeug heraus und strickte eine ganze Reihe dort, auf dem Parkplatz, bevor sie nach Hause fuhr.

Als sie an diesem zweiten Morgen auf den Stufen des Strickladens stand und darauf wartete, dass Alice aufschloss, nahm sie ihre Arbeit in Augenschein. Sie sah selbst, dass ihr Werk, an dem sie die ganze Woche gearbeitet hatte, ein einziges Chaos war. In der Mitte gähnte ein riesiges Loch, und Alices sorgfältig angeschlagene 22 Maschen waren mindestens auf das Doppelte angewachsen. Auf einer Nadel schoppte sich das Garn und war so festgezurrt, dass sie mit der anderen kaum mehr in die Maschen stechen konnte.

»Was für ein Chaos«, bemerkte Alice hinter ihr. Mary fiel auf, dass sie dasselbe trug wie bei ihrem letzten Besuch, nur mit einem anderen Pullover, diesmal in Salbeigrün. Es machte Mary bewusst, wie sie auf Alice wirken musste. Sie hatte seit Stellas Tod zugenommen, bestimmt fünf Kilo, und trug jeden Tag dieselben schwarzen Hosen, weil sie einen Gummizug in der Taille hatten. Und trotz der herbstlichen Kühle schlüpfte sie nach wie vor in Flipflops. Allein die Vorstellung, nach Schuhen suchen zu müssen, strengte sie an.

Sie bewegte ihre nackten Zehen und streckte Alice ihr Werk entgegen.

Alice schloss nicht einmal die Tür auf, sondern packte Marys Strickzeug und zog mit einer entschlossenen Handbewegung alles auf.

Mary schnappte nach Luft. »In meiner Branche bringt man die Dinge in Ordnung oder verbessert sie, statt einfach die Löschtaste zu drücken.«

Alice schloss die Tür auf und hielt sie Mary auf. »Es ist befreiend. Sie werden schon sehen.«

»Ich habe die ganze Woche daran gearbeitet«, protestierte Mary.

Alice ließ das Garn in Marys Hände fallen und lächelte. »Es geht nicht darum, etwas zu beenden, sondern ums Stricken selbst. Das Gefühl des Garns. Das Klappern der Nadeln. Die Art, wie die Maschenreihen entstehen.«

Das Läuten der Glocke verkündete die Ankunft weiterer Kunden, und der Laden füllte sich zusehends mit Frauen, die alle halb fertige Pullover, Socken und Schals dabeizuhaben schienen. Mary sah zu, wie sie die Garne betasteten, ihr Gewicht in den Händen wogen und sie ins Licht hielten, um die Farbabstufungen besser beurteilen zu können.

Alice nahm Mary beim Arm und führte sie zum selben Stuhl, auf dem sie den Großteil des vergangenen Dienstagvormittags zugebracht hatte.

»Ich glaube, dieses Garn ist ein bisschen zu kompliziert«, meinte Alice und reichte Mary eine Nadel mit 22 bereits angeschlagenen Maschen. »Dieses hier ist toll. Es ergibt von allein ein Streifenmuster, so dass Ihnen nicht langweilig werden wird.«

Mary zögerte.

»Nehmen Sie nur«, forderte Alice sie auf.

Mary strickte zwei perfekte Reihen.

»Einfach weiter so«, meinte Alice, ehe sie sich einer weiteren Kundin zuwandte, um ihr zu helfen.

Mary saß da und strickte, während die Stimmen der anderen Kundinnen den Raum erfüllten. Die Glocke läutete unablässig und verkündete jedes Mal, wenn jemand hereinkam oder ging. Ein purpurroter Streifen erschien, dann ein violetter und schließlich ein dunkelblauer.

Überrascht registrierte sie jemanden neben sich.

»Jetzt haben Sie’s«, sagte Alice. »Und nun gehen Sie nach Hause und stricken.«

Mary runzelte die Stirn. »Aber wenn ich wieder ein Chaos verursache?«

»Das werden Sie nicht«, erwiderte Alice.

Mary stand auf, ermutigt und verängstigt zugleich.

»Alice?«, rief eine Frau vom anderen Ende des Raums herüber. »Wie viele Maschen muss ich für diesen Flauschgarn-Schal anschlagen?«

»15«, antwortete Alice. »Nicht vergessen, 15 Maschen auf Achter-Nadeln.«

Es ist wie eine andere Sprache, dachte Mary, während ihr ihre Idee, Italienisch zu lernen, wieder einfiel. Das Garn in ihrer Hand war weich und hübsch. Besser als komplizierte Grammatikregeln.

»Danke«, sagte Mary, »ich komme nächste Woche wieder, wenn das okay ist.«

Die Kundin reichte Alice einen Schal aus locker gestrickter, dicker Flauschwolle.

»Ich habe irgendwo eine Masche fallen lassen«, sagte die Frau und vergrub die Finger in dem dichten Garn.

»Ich bringe das wieder in Ordnung«, erklärte Alice.

Mary wandte sich zum Gehen, doch Alice legte ihr die Hand auf den Arm.

»Mittwochabends«, sagte sie. »Ich habe einen Strickkreis. Ich denke, es wird Ihnen gefallen.«

»Einen Strickkreis?«, wiederholte Mary. »Aber ich kann ja nicht einmal stricken.«

Alice zeigte auf ihr Ergebnis von diesem Vormittag. »Wie würden Sie das da bezeichnen?«

»Ich weiß, aber –«

»Sie sollten die Frauen kennenlernen. Es sind alle Kenntnisstufen vertreten. Jede wird Ihnen etwas beibringen können. Sie werden sehen.«

»Ich überlege es mir«, versprach Mary.

»Um sieben«, fügte Alice hinzu. »Hier.«

»Danke«, sagte Mary noch einmal, obwohl sie wusste, dass sie nie im Leben einem Strickkreis beitreten würde.

Als sie am folgenden Dienstagabend ihr zweites Garnknäuel aufgebraucht und, wie sie feststellte, einen ganzen Schal gestrickt hatte, überlegte sie, was sie als Nächstes tun könnte. Die Streifen wanderten von der Ausgangsfarbe Purpur über Blau, Grün, Braun und Rot und endeten in herrlichem Pink. Aufgeregt legte sie ihn sich um den Hals und ging zu Dylan, um ihn ihm zu zeigen.

Er saß im Bett und sah sich die Nachrichten auf CNN an. Er war süchtig nach CNN, beschloss Mary.

»Ta-da!«, verkündete sie und drehte sich vor ihm im Kreis.

»Sieh sich das einer an«, sagte er grinsend.

Sie trat näher, um ihm die perfekt gestrickten Maschenreihen zu präsentieren.

»Trägst du ihn mit der Nadel drin?«, fragte er.

»Bis ich das Abketten gelernt habe, ja.« Sie setzte sich neben ihn. Dicht.

»Und wie lernst du das?«, flüsterte Dylan und streichelte ihren Arm.

Mary schloss die Augen.

»Ich bin einem Strickkreis beigetreten«, antwortete Mary. »Morgen Abend fängt er an.«

Dylan zog sie in seine Arme. Es war dunkel draußen, so dass der Fernseher die einzige Lichtquelle darstellte.

Abends sah der Strickladen anders aus. Der Parkplatz war stockdunkel, und der Laden wirkte vor dem nächtlichen Himmel und den Bäumen kleiner. Winzige weiße Lichter hingen in den Fenstern, wie helle Sterne. Mary konnte die Frauen im Inneren erkennen, die mit gezückten Nadeln im Kreis saßen. Sie überlegte, wieder zu fahren, zurück nach Hause zu Dylan, der bereits im Bett liegen und sich die Nachrichten ansehen würde, als würde er dort irgendetwas erfahren, das alles veränderte.

Den mit der Stricknadel versehenen Schal stolz um den Hals geschlungen, öffnete Mary seufzend die Tür. Falls Alice überrascht über ihr Auftauchen war, ließ sie es sich zumindest nicht anmerken.

»Such dir einen Platz und setz dich«, forderte sie Mary auf. »Beth hat einen wirklich leckeren Zitronenkuchen mitgebracht.«

Mary ließ sich neben eine Frau ihres Alters mit langem roten Haar und dramatischen, ausgeprägten Wangenknochen auf dem durchgesessenen Sofa nieder.

»Du bist fertig!«, verkündete Alice. »Hey, allerseits, das hier ist Marys erstes Projekt.«

Die Frauen – fünf plus Alice und Mary – unterbrachen ihre Tätigkeit, um ihre Arbeit zu bewundern. Sie lobten sie, was für ein Naturtalent sie sei, die Regelmäßigkeit ihrer Maschen, die Sattheit der Farbe und die Länge des Schals. Mary wurde bewusst, dass sie in dieser Welt über diese einfachen Dinge würde sprechen und ihren Kummer für sich behalten können. Hier war sie anonym. Hier war sie sicher.

»Welche Nadelgröße hast du benutzt?«, erkundigte sich die Frau ihr gegenüber.

»Achter«, erwiderte Mary, erfreut über diesen Moment der Überzeugung nach den vielen Monaten der Unsicherheit.

Die Frau nickte. »Achter«, wiederholte sie und wandte sich wieder ihrer eigenen Arbeit zu.

»Das sieht kompliziert aus«, bemerkte Mary, als die Frau wie ein Puppenspieler mit vier dünnen Nadeln jonglierte.

»Socken«, erklärte sie. »Die Ferse ist ziemlich knifflig. Aber ansonsten muss man nur stricken.«

»Welche Größe haben diese Nadeln?«, wollte Mary wissen. »Die sind ja winzig.«

»Zweieinhalber«, antwortete die Frau und errötete leicht.

»Zweieinhalber!«, stieß Mary hervor.

»Im Handumdrehen kannst du das auch. Aber als Erstes zeige ich dir, wie man abkettet«, schaltete sich Alice ein. »Dann geben wir dir etwas anderes. Vielleicht noch einen Schal, aber du kannst lernen, linke Maschen zu stricken.«

Mary nahm ihren Schal ab und reichte das Garn Alice. »Noch keine linken Maschen. Zuerst muss ich meinen Erfolg eine Weile genießen.«

»Genau«, bestätigte die Rothaarige. Obwohl Mary sich unter Fremden normalerweise unwohl fühlte, mochte sie sie auf Anhieb.

Alice kniete sich neben Mary, um ihr zu zeigen, wie man abkettete. »Zwei Maschen stricken, so wie du es gelernt hast, dann die Nadel hier in die untere Masche einstechen und über die untere heben. Siehst du?«

»Ich soll die Masche fallen lassen?«, ereiferte sich Mary. »Nachdem ich alle Hände voll zu tun hatte, dass sie auf der Nadel bleiben!«

»Ja, fallen lassen«, bestätigte Alice lachend

Mary sah zu, wie ein sauberer Abschluss entstand.

»Und jetzt du. Ich besorge dir solange ein hübsches Garn«, erklärte Alice.

»Als ich es gelernt habe«, sagte eine Frau in den Sechzigern mit grau meliertem, zu einer Bobfrisur geschnittenem Haar, »hieß es immer: Wenn man mit einem Schal anfängt, bleibt man beim Schal. Fängt man mit einem Pullover an, lernt man Stricken.«

Sie arbeitete an einem Pulli mit einem Muster auf dem Vorderteil. Erschaudernd betrachtete Mary all die verschiedenen Garnstränge, die daran herunterhingen. Vielleicht hatte die Frau ja recht, und sie würde tatsächlich für den Rest ihres Lebens nur Schals stricken. Vielleicht würde sie einen Schalhandel aufziehen. Vielleicht würde sie das Haus nur noch verlassen, um neues Garn zu kaufen und ansonsten zu Hause sitzen und ihre Schals anfertigen.

»Hübsche Arbeit«, lobte die rothaarige Frau.

Es dauerte einen Moment, bis Mary begriff, dass die Frau mit ihr gesprochen hatte. Der Schal, inzwischen von der Stricknadel befreit, lag in ihrem Schoß.

»Es ist wie Kinderkriegen, stimmt’s?«, sagte jemand, und Marys Herz zog sich zusammen. Babys und Kinder waren das Letzte, worüber sie sprechen wollte.

»Nur dass es Spaß macht«, fügte die Frau mit den Socken hinzu.

Mary sah nicht auf, sondern konzentrierte sich auf ihren Schal.

»Heute Abend«, sagte Alice, die vor ihr stand, »wirst du lernen, wie man anschlägt, dann kannst du aus diesem hübschen Garn einen Schal stricken.«

Dankbar für den Themenwechsel und den Beginn eines neuen Projekts, das Gefühl des Garns in ihren Händen, konnte Mary nur nicken.

»Zuerst musst du uns verraten, wer du bist«, forderte die Rothaarige sie auf.

»Mary Baxter.«

»Warst du jemals im Rouge?«, fragte Alice Mary.

»Natürlich. Es ist toll.«

»Tja, sie ist Rouge.«

»Aber die meisten nennen mich Scarlet«, sagte die Frau und tätschelte den Arm der Frau neben ihr. »Das ist Lulu und das hier Ellen«, fügte sie mit einer Handbewegung in Richtung der Frau mit den Socken hinzu.

Mary versuchte, sich die Namen zu merken, jedem von ihnen eine Eigenschaft ihrer Trägerin zuzuordnen. Scarlet, die Rothaarige, war einfach. Lulu mit ihrem kurzen, platinblond gefärbten Haar und den dunklen Ansätzen, der Schmetterlingsbrille und dem schwarzen Outfit sah aus, als wäre sie geradewegs aus New York City hereingeschneit.

Ellen erinnerte Mary an jemanden aus einem anderen Zeitalter. Die Vierziger, beschloss sie. Ihr aschblondes Haar fiel ihr in langen Wellen über den Rücken. Sie trug ein ausgebleichtes, rot-weiß gemustertes Schürzenkleid, dazu unbestrumpfte Beine und flache Schuhe. Ihre Mutter hätte ihr Gesicht als pferdeartig bezeichnet, und ihr Kopf schien viel zu groß für ihren winzigen, dünnen Körper zu sein. Dennoch fügten sich die Einzelteile zu einem harmonischen Gesamtbild, einer interessanten Mischung aus Sexappeal und Unschuld, zusammen.

»Ich bin Harriet«, stellte sich die ältere Frau mit dem Salz-und-Pfeffer-Haar mit sachlicher Stimme und leicht säuerlicher Miene vor.

Harriet, der Sauertopf, dachte Mary.

»Und das ist Beth«, fuhr Harriet beinahe besitzergreifend fort, »Beth kann alles stricken. Sie ist unglaublich. Siehst du diese kleine Stricktasche, mit der sie gleich fertig ist? Wann hast du damit angefangen, Beth?«

»Um die Mittagszeit«, antwortete Beth.

»Heute!«, erklärte Harriet. »Ist sie nicht unglaublich?«

Alle bestätigten, dass Beth in der Tat unglaublich sei. Doch Mary betrachtete ihr glänzendes blondes Haar, das sorgsam frisiert, zurechtgemacht und mit Spray fixiert war, die sorgfältig geschminkten Augen und Lippen, das farblich aufeinander abgestimmte Outfit, die Schuhe und der Pulli im selben Beigeton, die Karohosen mit Bügelfalte, die Bernsteinohrringe und die dazu passende Halskette. Unglaublich adrett, das ist sie, dachte Mary.

»Weißt du noch, wie du anfangen musst?«, fragte Alice.

»Äh … nein«, antwortete Mary.

»Als Erstes schlägst du die Maschen an.«

Mary sah zu, wie beherzt Alice mit dem Garn umging, wie unbeschwert die Nadeln in ihren Händen flogen. Unbeholfen tat sie es ihr nach.

Die zwei Stunden vergingen viel zu schnell, fand Mary, als sie sich von dem Kreis der Fremden verabschiedete.