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LUCAS FASSNACHT: „Feuer & Sprache“
1. Auflage, September 2017, Periplaneta Berlin, Edition MundWerk

© 2017 Periplaneta - Verlag und Mediengruppe
Inh. Marion Alexa Müller, Bornholmer Str. 81a, 10439 Berlin
www.periplaneta.com

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Die Handlung und alle handelnden Personen sind erfunden.
Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen oder Ereignissen wäre rein zufällig.

Lektorat: Vanessa Franke
Cover: AKU (www.akupower.de)
Satz & Layout: Thomas Manegold

print ISBN: 978-3-95996-055-7
epub ISBN: 978-3-95996-056-4

E-Book-Version: 1.1

Lucas Fassnacht

FEUER
&
SPRACHE


periplaneta

Roboter

Wenn ich in der U-Bahn sitze,

manchmal auch in einem Bus,

dann gereicht mir eine klitze-

kleine Sache zum Verdruss.

Wenn ich ins Theater gehe,

oder nur zum Bäcker muss,

wenn ich wen spazieren sehe –

stets komm ich zum selben Schluss:

Lasst die Handys in den Taschen,

ihr seht hässlich damit aus.

Die Gesichter ganz verwaschen,

alle Farben sind heraus.

Displays saugen fleißig Seelen

in die Tiefen ihrer Welt,

in der alle Grenzen fehlen,

selbst der Boden, wenn man fällt.

Doch ich hab ’nen Weg gefunden,

der Gelassenheit verspricht.

Sich zu wehr’n, schlägt neue Wunden,

darum sage ich mir schlicht:

dass es mich halt von allen am allerwenigsten stört,

wenn die Welt in ein paar Jahren den Computern gehört!

Dann folg ich halt den Scharen, die der Fortschritt betört,

digitier im Eilverfahren zu ’nem Über-Nerd.

Ja, ich bin über-krass.

Und alle wissen das.

Von Rostock über Upsalla

bis Wladiwostok

und sogar bis nach Bogotá.

Ich bin ein Robotar.

Ein echter Robotar.

Ein Robo-robo-robo-robo-robo-robotar.

Ihr nennt mich Instrument,

es wird Zeit, dass ich euch zeige:

Ich bin der Dirigent

und ihr bald nur noch zweite Geige.

Ihr seid defizitär, voller analoger Schrullen,

die Zukunft ist binär, und ihr – ihr seid die Nullen.

Ihr stinkt aus dem Mund wie ’ne schmutzige Hyäne.

Ich tu das nicht, und ich putze nicht mal Zähne.

Ihr seid microsoft, ich bin megahart,

ich bin aus Edelstahl und ihr seid blütenzart.

Zum Beispiel werd ich nicht strunzdumm

nach zwei, drei, vier, fünf Litern Bier.

Und ich schrei auch nicht gleich rum,

wenn ich ein Körperteil verlier.

Ich stell mir einfach vor,

ich bin ein Robotor.

Ein echter Robotor.

Ein Robo-robo-robo-robo-robo-robotor.

Ich bleibe immer ruhig, und das ohne jede Droge.

Ich bin besser programmiert als ein Scientologe.

Wer steht wohl an der Spitze der globalen Nahrungskette?

Die Frage wär mir wichtig, wenn ich Nahrung nötig hätte.

Ihr wärt gern große Köche, gebt Bescheid, wenns mal was wird.

Ich gönn mir nur ’nen Tropfen Öl und alles läuft wie geschmiert.

Ihr habt nicht mehr zu bieten als die billigsten Tricks.

Ihr seid überbewertet wie ein Thermomix.

Ihr wollt Blätterteige falten.

Und könnt noch nicht mal Cupcakes.

Wenn ihr versucht mich auszuschalten,

dann installier ich Updates.

Ich bin nicht irgendwer.

Ich bin ein Roboter.

Ein echter Roboter.

Ein Robo-robo-robo-robo-robo-roboter.

Ihr sagt, meine Gefühle sind nur ein schlechter Scherz?

Vielleicht hab ich keine Seele, doch ich hab ein Megaherz.

Wenn ihr glaubt, ihr könnt mich kaufen,

habt ihr euch sehr vertan,

ich hab mehr Prozesse laufen

als Herr Erdogan.

Ihr geht ab und zu mal joggen?

Ich lauf 24/7.

Ihr gehört nicht nur rebootet,

Sondern gänzlich überschrieben.

Selbst eure Reproduktion ist auf der Strecke geblieben,

Ihr habt’s mit dem Verlieben via Tinder übertrieben.

Bis ihr mal erfolgreich ein Kind generiert,

hab ich mir meine Festplatte schon fünfmal kopiert.

Vergesst mal lieber Robocop, was für ein Verlierer.

Ich bin der – Robokopierer!

Robo-robo-robo-robo-robokopier.

Ja, ich bin über-krass.

Und alle wissen das.

Von Rostock über Upsalla

bis Wladiwostok

und sogar bis nach Bogotá.

Ich bin ein Robotar.

Ein echter Robotar.

Ein Robo-robo-robo-robo-robo-robotar.

Liebesgedicht an eine syrische Stadt

Du bist so alt, wie eine Stadt nur werden kann.

Nomaden hielten hier mit ihren Herden an.

Die Seidenstraße fand an deinem Tor ihr Ziel.

Kein König, der nicht auf die Knie vor dir fiel.

Die Götter ehrtest du, auch wenn sie mit dir brachen.

Im Schatten deiner Zitadelle widersprachen

gelehrte Männer mathematischen Modellen,

und mancher Dichter schrieb balsamische Novellen.

Du bist die Stadt, die man „die Weiße“ heißt.

Die jedes Leben ohne jeden Zweifel preist.

Die Trost noch spricht, wo andre trostlos klagen,

die Brot noch bricht, wo Worte schon versagen.

Die Seidenstraße fand an deinem Tor ihr Ziel.

Auf deinen hundert Märkten welch ein Farbenspiel!

Und Düfte erst! Anis und Zimt und Koriander!

Und hundert Zungen hüpften durcheinander.

Kein König, der nicht auf die Knie vor dir fiel.

Macht hatten sie, gewiss, doch du, du hattest Stil.

Der große Alexander kam, auch Saladin.

Du sahst sie kommen und du sahst sie wieder zieh’n.

Die Götter ehrtest du, auch wenn sie mit dir brachen.

Du hörtest allen zu, was sie dir auch versprachen.

Ihr Streit blieb fern, sie waren dein, du ihre Stadt.

Nun schweigt Allah, schweigt Jahwe, lang schon schweigt Hadad.

Manch’ großer Dichter schrieb balsamische Novellen.

Und die Musik gedieh, getränkt von tausend Quellen.

Die Nächte lau und laut, die Menschen ohne Reue.

Man tanzte, krankte, zankte, zeugte stets aufs Neue.

Du bist die Stadt, die man „die Weiße“ heißt.

Die jedes Leben ohne jeden Zweifel preist.

Die Trost noch spricht, wo andre trostlos klagen,

die Brot noch bricht, wo Worte schon versagen.

In deine weißen Mauern bautest du neun Tore,

dich aller Welt zu öffnen. Du verlegtest Rohre

für Badehäuser, bautest Schlösser und Moscheen.

Wer wollte nicht für deine Pracht verglüh’n, vergehen.

Du bist die Stadt, die man „die Weiße“ heißt.

Wo deine Wunder strahlten, schwären Wunden.

Die jedes Leben ohne jeden Zweifel preist.

Das Schöne, das du nährtest, stöhnt geschunden.

Die Trost noch spricht, wo andre trostlos klagen,

was tausend Jahre währte, stirbt in Stunden.

Die Brot noch bricht, wo Worte schon versagen.

Das Schachspiel

Weit über den Sorgen der Menschen

in höchstem Gletschergebirg’,

worauf kein Auge je fiel,

unter wolkengeziegeltem Dach

saßen zwei Götter mit prächtigen Bärten

und spielten ein uraltes Spiel,

nämlich Schach.

Dem ersten umspannte den mächtigen Bauch

ein Gewand von speckiger Seide,

dank Speiseresten und Tabakrauch

saß Mammon in dreckigem Kleide.

Der Zweite trug Wollstoff, war schlechter genährt,

doch in seinem Bart tanzten Feen.

Von Künstlern und Träumern wird er verehrt:

Apollo, der Gott der Ideen.

Vor zehntausend Jahren begann die Partie

und noch ist das Spiel nicht entschieden.

Apollo riet mehrmals bereits zum Remis,

aber Mammon verachtet den Frieden.

Apollo ist schlicht nicht genügend durchtrieben,

er opfert zu wenige Bauern,

gleich Königen sieht er sie trauern und lieben,

drum muss er sie ähnlich bedauern.

Mammon nicht. Er opfert sie gern,

denn er weiß: Was er tut, ist gerecht.

Und will sich wer über die Regeln beschwer’n,

krault er sich nur das Gemächt.

Belächeln bloß kann er des Andren Versuch,

das Spiel zur Kunst zu erheben –

als wäre das Brett ein bebildertes Buch,

und erzählte von bebenden Leben.

Doch der Herrscher des Geldes ist durchaus nicht dumm,

er weiß um die Macht der Ideen,

er nutzt sie mit Freude und weiß auch darum,

ihren Sinn, bis er passt, zu verdrehen.

Als den König das Fußvolk Apollos bedroht,

wobei diesem von vornehmer Blässe

die Wangen sich wandeln zu wütendem Rot,

als wär er die Aufklärungspresse,

packt Mammon die eigenen Reiter und reibt sie

unter den Armen blitzblank –

schon nehmen die Bauern Reißaus, es vertreibt sie

der Achsel-Springer-Gestank.

Mein Freund, du betrügst, zürnt der Hüter der Träume,

das zahl ich dir zehnfach zurück.

Er hoffe, lacht Mammon, dass er das nicht versäume,

und beißt in ein Kochschinkenstück.

Doch Apoll meint es ernst, die Macht der Gedanken

hat so manchen Monarchen ins Grab schon gebracht.

Welch Monarchenmacht brachte der Gott schon ins Wanken,

der erst Sprache, dann Schrift, dann den Buchdruck erdacht.

Und jetzt geht’s erst los, jetzt dreht er erst auf.

Jetzt eilt er mit sicherem Schritt

zu den himmlischen Höhen des Geistes hinauf –

mit Entsetzen denkt Mammon: Oh Shit!

Apoll meint es ernst, ein Werk schafft er jetzt,

größer als jedes zuvor,

ein Werk, welches weltweit die Menschen vernetzt,

zu weltweitem Frieden ein Tor.

Schon tauschen die Ersten Ideen aus,

schon wird gepostet, getwittert,

alle Welt horcht zu aller Welt hinaus,

selbst wenn es dort stürmt und gewittert.

Nur Mammon starrt ungläubig auf das Geschehen,

Systemfehler, kann er nur stammeln.

Dann schwört er Rache dem Gott der Ideen.

Er beginnt, seine Kräfte zu sammeln.

Und hinab steigt der Gott in die dunkelsten Tiefen,

in des Kosmos’ verkommene Keller,

wo von den Wänden Verzweiflungen triefen,

wo man erblindete, wäre es heller.

Und dort in den furchtbaren Tiefen, dort lauert

ein Wesen, vor dem alle Farben vergeh’n,

vor dem selbst der Gott ohne Skrupel erschauert,