images erleben & lernen

Band 16

Herausgegeben von

Prof. em. Dr. Michael Jagenlauf, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg

Prof. Dr. Werner Michl, Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule, Nürnberg

Dipl. Soz.päd. Holger Seidel, M. S.M., Ostfalia Hochschule für angewandte

Wissenschaften, Braunschweig/Wolfenbüttel

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Prof. Dr. Bernhard Streicher, Dipl.-Psych., lehrt Sozial- und Persönlichkeitspsychologie an der Universität für Gesundheitswissenschaften (UMIT) in Hall i.T. und ist Mitglied der Sicherheitskommission des Deutschen Alpenvereins.

Heidi Harder, M.A., Pädagogin, Erlebnispädagogin, Systemischer Coach und Beraterin (ISB Wiesloch), staatlich geprüfte Berg- und Skiführerin, ist Leiterin der Jugendbildungsstätte des Deutschen Alpenvereins in Hindelang.

Hajo Netzer, Dipl.-Sozialpäd., staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, ist freiberuflicher Trainer in der erlebnispädagogischen Bildungsarbeit sowie Ausbilder im DAV-Bundeslehrteam Bergsteigen.

Alle drei sind im Lehrteam Alpin der Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik (ZQ) tätig.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-02558-9 (Print)

ISBN 978-3-497-60232-2 (E-Book)

© 2015 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in Germany

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Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: info@reinhardt-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1     Besonderheiten der Erlebnispädagogik in den Bergen

1.1  Pädagogisches Potenzial und Wirksamkeit

1.2  Naturraum Berge

1.3  Planung

1.4  Zielgruppen

1.5  Risikokultur

2     Fachsportliche Grundlagen

2.1  Ausrüstung

2.2  Orientierung

2.3  Wetter

2.4  Tourenplanung

2.5  Notfall

3     Bergwandern

3.1  Ausrüstungs- und Sicherungskunde

3.2  Mögliche Durchführung

3.3  Pädagogische Themen

3.4  Praxisbeispiele

3.5  Mehrtagestouren

3.6  Bachbettbegehung

3.7  Geländespiele, Orientierungstouren und moderne Technik

4     Biwak

4.1  Ausrüstung und Sicherheit

4.2  Tipps und Tricks bei der Durchführung

4.3  Ökologische Aspekte

4.4  Rechtliche Aspekte

4.5  Praxisbeispiel

5     Klettern

5.1  Ausrüstungskunde, Sicherungstheorie und Aufbau einer Toprope-Station

5.2  Aufbau und Betrieb einer Toprope-Station

5.3  Pädagogische Themen

5.4  Spielformen

5.5  Praxisbeispiel

6     Abseilen

6.1  Ausrüstung und Sicherungskunde

6.2  Aufbau einer Abseilstation

6.3  Pädagogische Themen

6.4  Praxisbeispiele

7     Niedere temporäre Seilaufbauten

7.1  Ausrüstungs- und Sicherungskunde

7.2  Mögliche Aufbauten

7.3  Pädagogische Themen

7.4  Praxisbeispiele

8     Hohe temporäre Seilaufbauten

8.1  Ausrüstungs- und Sicherungskunde

8.2  Mögliche Aufbauten

8.3  Pädagogische Themen

8.4  Praxisbeispiele

9     Naturerfahrung in den Bergen

9.1  Pädagogische Themen

9.2  Mögliche Übungen

9.3  Praxisbeispiel

10    Winter

10.1 Ausrüstung und Sicherheit

10.2 Tourenplanung und -durchführung

10.3 Pädagogische Themen

10.4 Aktivitäten

10.5 Praxisbeispiel

11    Recht und Versicherung

11.1 Zivilrecht

11.2 Strafrecht

11.3 Jugendschutz

11.4 Versicherungen

Anhang

Glossar

Literatur

Weitere Informationsquellen

Bildnachweis

Die Autorinnen und Autoren

Sachregister

Vorwort

Von Bernhard Streicher, Heidi Harder und Hajo Netzer

Erfahrungen in den Bergen sind ein wichtiger Teil unseres Lebens. In unserer Tätigkeit als Erlebnispädagogen und Ausbilder haben wir das Glück, anderen Menschen vielfältige und nachhaltige Erlebnisse in diesem Naturraum zu ermöglichen und Veränderungen anzustoßen.

Einerseits beobachten wir seit Jahrzehnten eine große Popularität erlebnispädagogischer Maßnahmen in den Bergen, andererseits empfanden wir in den letzten Jahren aber auch einen zunehmenden Mangel an aktueller und fundierter Fachliteratur zu diesem Gebiet der Erlebnispädagogik. Daher möchten wir mit diesem Buch in komprimierter Form den aktuellen Stand erlebnispädagogischer Maßnahmen in den Bergen zusammenfassen. Es wendet sich an alle, die solche Maßnahmen mit anderen Menschen planen und durchführen oder in Einrichtungen verantworten. Für die Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen ist ein gewisses Grundlagenwissen im Bereich Erlebnispädagogik, eine grundlegende Vertrautheit und Erfahrung mit dem Naturraum Berge sowie Vorkenntnisse im Bereich Bergwandern bzw. Klettern eine notwendige Voraussetzung.

Wir haben uns auf die Beschreibung bewährter Maßnahmen beschränkt und Aufbauten so beschrieben, wie sie von Personen mit oben genannten Vorkenntnisse leicht und sicher durchgeführt werden können. Es gibt aber noch eine Vielzahl an anderen möglichen Maßnahmen und Aufbauten, die ebenfalls sicher sind und angeboten werden können. Die hier beschriebenen Vorgehensweisen sollen in diesem Sinne keine Einschränkung, sondern eine Anregung sein.

Trotz gewissenhafter Recherche und Zusammenstellung, können wir den Ausschluss von Fehlern nicht garantieren. Die Erfahrung zeigt, dass sich Techniken, Vorgehensweisen und Methoden in der Erlebnispädagogik in den Bergen immer wieder ändern und neuen Erkenntnissen angepasst werden. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, sich entsprechend auszubilden, sich kontinuierlich zu informieren und die eigenen Kompetenzen weiterzuentwickeln.

Wir wünschen allen, dass dieses Buch eine Fülle an Anregungen für die pädagogische und psychologische Arbeit mit Menschen im Gebirge bietet, dass sich daraus wieder neue Ideen und Methoden entwickeln und dass so die Begeisterung, die wir für diese Tätigkeit haben, weitergegeben wird.

Zur leichteren Lesbarkeit verwenden wir statt weiblicher und männlicher Formen jeweils nur eine From. Mit „Teilnehmer“ oder „Leitung“ sind also immer alle Geschlechter gemeint.

Bad Hindelang, im Juli 2015

Bernhard Streicher, Heidi Harder und Hajo Netzer

1 Besonderheiten der Erlebnispädagogik in den Bergen

Von Bernhard Streicher, Heidi Harder und Hajo Netzer

Die Zielsetzung und die Vorgehensweise sind in der Erlebnispädagogik in den Bergen dieselben wie in der allgemeinen Erlebnispädagogik. Die zentrale Idee ist, durch reale, vielschichtige und eventuell unbekannte Herausforderungen unmittelbare Situationen und Erlebnisse zu schaffen, die ein unterstützendes, ganzheitliches und zielgerichtetes Lernumfeld für das Wachstum von persönlichen und sozialen Kompetenzen erzeugen (Sibthorp / Morgan 2011). Der Rahmen bleibt der gleiche, doch in der Erlebnispädagogik in den Bergen kommen spezifische Elemente hinzu, die im Folgenden aufgezeigt werden.

1.1 Pädagogisches Potenzial und Wirksamkeit

Dem Bergsteigen wurden im Laufe der Jahrzehnte unterschiedliche erzieherische Werte und Funktionen zugesprochen. In den 1930er und 1940er Jahren war das vermittelte Selbstverständnis von Bergsteigern stark vom Heldenmythos geprägt und das pädagogische Potenzial wurde in der Abhärtung des Körpers und der Formung des Geistes durch Training und Entbehrung gesehen. Klassische Zuschreibungen wie Kameradschaft, Wagnis, Durchhaltewillen und Fitness sind immer noch aktuell und lebendig, aber in den letzten Jahrzehnten wurde Bergsteigen mit vielen weiteren Themen verbunden. Dazu gehören beispielsweise das Agieren in der Gemeinschaft, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, der emotionale und kognitive Zugang zu Naturräumen, die innere Klärung zum Thema Risiko, Wagnis und Gefahr oder das Draußen-unterwegs-sein als Teil einer Work-Life-Balance. Bergsteigerische Unternehmungen im weitesten Sinne haben sowohl einen engen Bezug zu entwicklungspsychologischen Themen (z. B. Lernen von Handlungskompetenz, Frustrationstoleranz, Selbstwirksamkeit, Erwerb von intrinsischer Motivation) als auch zu Alltagsthemen (z. B. Zielerreichung, Kooperation mit Anderen, Bewältigung von Stress, Umgang mit Unsicherheit und Risiko). Daher ist es naheliegend und sinnvoll, bergsteigerische Tätigkeiten pädagogisch zu nutzen.

Der russische Sänger Vissotzky singt in einem Lied: „Wenn du dir nicht sicher bist, ob dein Freund wirklich ein Freund ist, dann gehe mit ihm ins Gebirge“. Diese Zeile beschreibt die Wirkung des Bergsteigens auf die Persönlichkeits- und Gruppendynamik und die dazugehörige Authentizität. Entsprechend besteht ein großer pädagogischer Vorteil von bergsteigerischen Unternehmungen in der Unmittelbarkeit und Ernsthaftigkeit der Situationen. Es müssen keine künstlichen, leicht durchschaubaren und damit wenig attraktiven Szenarien entwickelt werden. In diesem Sinne sprechen die Berge für sich selbst. Hat beispielsweise eine Gruppe die Aufgabe, eine Schlucht selbstständig zu überqueren, so sind die mögliche Gefährdung und die Notwendigkeit einer zielgerichteten und sozial kompetenten Zusammenarbeit offensichtlich. Bei einer mehrtägigen Wanderung sind Differenzen zwischen persönlichen Zielen und Gruppenzielen nicht nur real und unmittelbar erlebbar, sondern die Lösung dieser Differenzen ist auch notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Weiterweg.

In einem Seminarraum können sich Teilnehmer leichter innerlich zurückziehen und einen indifferenten Standpunkt einnehmen. Bei vielen Übungen in der Erlebnispädagogik in den Bergen ist dieser Rückzug und eine gleichgültige Haltung nicht ohne unmittelbare Konsequenzen möglich:

Hat sich bei einer Biwaktour, einer Bergtour mit Übernachtung im Freien ohne Zelt, niemand für eine gewissenhafte Essensplanung verantwortlich gefühlt, müssen die Teilnehmer vielleicht mit wenig oder einseitigem Essen auskommen. Sind Teilnehmer mit einer Abseilstelle an einer Felswand konfrontiert, müssen sie einen Standpunkt einnehmen: Sie müssen sich zumindest entscheiden, ob sie einen ersten Schritt in die Herausforderung wagen wollen oder davon Abstand nehmen. Egal wie sie sich entscheiden, ihr Entschluss wirkt sich auch immer unmittelbar auf ihr Verhalten und Erleben aus. Die Frage bei einem Seminar mit Drogenabhängigen, wer für die ungenügenden Essensvorräte im Biwak verantwortlich ist, kann gleichzeitig ein Transfer zum Alltag sein: Selbstverantwortung über das eigene Leben oder Abgabe der Verantwortung.

Der direkte Schritt vom Planen und Tun zur spürbaren Folge ist eine große pädagogische Chance. Aufgrund der Unmittelbarkeit der Situationen ist es notwendig, sich mit Problemen auseinanderzusetzen und passende Lösungen zu entwickeln.

In zahlreichen empirischen Studien konnte mittlerweile die Wirksamkeit allgemeiner erlebnispädagogischer Maßnahmen und bergbezogener Aktivitäten im Besonderen gezeigt werden. So führten erlebnispädagogische Maßnahmen beispielsweise zu weniger Aggression, größerer emotionaler Stabilität, besserer Selbstregulation und Frustrationstoleranz, höheren sozialen Kompetenzen, höherer Selbstwirksamkeit, gesteigertem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, verbessertem Selbstwertgefühl sowie verringerter Depressivität und Ängstlichkeit (Beightol et al. 2012; Cason / Gillis 1994; Hattie et al. 1997; Neill / Richards 1998). Besonders zentral für die Wirksamkeit erlebnispädagogischer Maßnahmen scheint das Vertrauen der Teilnehmer in die Leitung zu sein (Shooter et al. 2012). Dieses Vertrauen wird maßgeblich durch die wahrgenommene sicherheitstechnische Kompetenz und einer wertschätzenden und respektvollen Kommunikation gebildet. Die Teilnehmer werden gerade bei erlebnispädagogischen Maßnahmen in den Bergen häufig mit ihnen unbekannten und herausfordernden Situationen konfrontiert. Diese Situationen werden vor allem dann als positive Lernerfahrungen erlebt, wenn die Teilnehmer das Vertrauen in die Leitung haben können, dass sie nicht überfordert und alleingelassen werden, dass mit ihren Problemen, Ängsten und Befürchtungen kompetent und wertschätzend umgegangen wird und dass sie im Bedarfsfall Unterstützung bei der Lösung oder Entwicklung neuer Handlungskompetenzen erhalten.

1.2 Naturraum Berge

Berge sind weit mehr als eine Arena für Freizeitaktivitäten. Sie bilden eine Grundlage für ganzheitliches Lernen und sind gleichzeitig ein eigener Lebensraum. Es ist sowohl das Erleben der eigenen Person als auch das Erleben der Natur in all ihren Facetten möglich. Für viele urban geprägte Menschen stehen Berglandschaften in einem Kontrast zu ihrer Alltagswelt. Allein der Aufenthalt in solchen Landschaften kann ein prägendes Erlebnis sein. Die Auseinandersetzung mit den Unannehmlichkeiten und Gefahren dieser Landschaften oder die Entdeckung von Unbekanntem oder Ungewöhnlichem konfrontieren Menschen mit ihrer üblichen Erfahrungswelt und ihren Alltagsroutinen. Zusätzlich haben Berglandschaften eine transzendentale Dimension. In zahlreichen Mythen, Sagen und Religionen werden Berge, Pässe und Gipfel als starke Symbole für natürlich Stärke, Lebensabschnittsübergänge, Selbsterkenntnis und Besinnung, aber auch für Gefahr, Bedrohung oder Demut verwendet. Diese symbolische und archaische Bedeutung wird auch von modernen Stadtmenschen intuitiv erfasst und kann pädagogisch genutzt werden.

Ferner eignen sich Berglandschaften als zwar kulturgeprägte, aber nur spärlich besiedelte Landschaften für eine ökologische Sensibilisierung und zum Erlernen ökologischer Verantwortlichkeit. Der Leitung kommt hier im Sinne des Modelllernens eine Vorbildfunktion zu. Diese reicht von der Wahl der Verkehrsmittel, der Auswahl des Essens und der Verpackung über die sorgsame Nutzung der Landschaft für die Aktivitäten bis hin zur Weitergabe von Wissen und der Begeisterung für die Lebensräume von Pflanzen und Tiere. Menschen schätzen und schützen Lebensräume, Pflanzen und Tiere und setzen sich für diese ein, wenn sie ihnen vertraut sind und sie eine positive emotionale Beziehung zu ihnen haben. Freie Bewegung in der Natur und positive Erlebnisse und Erfahrungen mit der Natur sind notwendige Voraussetzungen für späteres ökologisches Verantwortungsbewusstsein. Berglandschaften bieten für diese Entwicklung ein großes pädagogisches Potenzial.

In der Praxis kann ein freier Zutritt zur Natur zu Konflikten mit dem Naturschutz führen. Bestehende Sperrungen und Regelungen müssen auf jeden Fall beachtet werden. Darüber hinaus bedarf es Fachwissen und Sensibilität seitens der Leitung, was der Natur oder dem Grundbesitzer zugemutet werden darf. Gerade bei immer wieder benutzten Orten sollte man abwägen, ob die Intensität der Nutzung naturverträglich ist oder ob ein Verzicht nicht angemessener ist.

1.3 Planung

Neben der technischen Planung (Kap. 2) erfordern erlebnispädagogische Maßnahmen in Berglandschaften auch eine umfassende pädagogische Planung: Die Bedürfnisse der Teilnehmer, die pädagogischen Aufträge und Ziele, die Verhältnisse vor Ort, das Gelände in den Bergen und das notwendige Material müssen in Passung gebracht werden. Häufig wird von einer bestimmten Methode oder attraktiven Aktivität (z. B. Klettern) ausgegangen, die dann in der Gestaltung der Zielgruppe entsprechend angepasst wird. Umfassender ist eine Planung, die auch übergeordnete Rahmenbedingungen berücksichtigt. Im Sinne eines Zwiebelprinzips, bei dem innen die einzelne Aktion liegt, sollten von außen nach innen (und nicht andersherum) folgende Rahmen bei der Planung und Durchführung einer Maßnahme berücksichtigt werden:

1. Kultur: Aus welchem kulturellen Hintergrund kommen Veranstalter, Leitung und Teilnehmer? Welche Werte sind hier relevant? Dies ist insbesondere ein wichtiger Aspekt bei Teilnehmern mit Migrationshintergrund oder bei interkulturellen Veranstaltungen. Der Kulturbegriff kann sich aber auch auf die Kultur innerhalb einer pädagogischen Einrichtung oder eines Unternehmens beziehen.

2. Modell von Veränderung: Welche Vorstellung haben Veranstalter, Leitung und Teilnehmer, wie Veränderung stattfindet? Wie und was kann durch eine erlebnispädagogische Maßnahme gelernt werden? Wer ist für welchen Teil dieses Veränderungsprozesses (mit-)verantwortlich? Beispielsweise kann sich die Leitung in der Verantwortung sehen, Defizite der Teilnehmer zu erkennen und diese durch eine entsprechende erlebnispädagogische Maßnahme zu beheben. In diesem Fall ist die Leitung im Wesentlichen für die Veränderung verantwortlich. Die Leitung kann sich aber auch als Experte für die Gestaltung von Rahmenbedingungen, in denen Lernen und Veränderung angeregt wird, verstehen. Die Verantwortung diese Rahmenbedingungen zu nutzen, liegt dann auf der Seite der Teilnehmer. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, Veränderung als wechselseitigen Erfahrungsaustausch zu verstehen. In diesem Fall wird die Leitung die Gestaltung der Maßnahme intensiv mit den Teilnehmern besprechen und stets für neue Richtungen offen sein.

Die Vorstellung, wie Veränderung und Lernen stattfindet, beeinflusst maßgeblich die Auswahl der Methoden, die Gestaltung der Aktivitäten, mögliche Interventionen und die Art der Reflexion einer Maßnahme. Sie drückt sich auch in der Haltung und dem Selbstverständnis der Leitung gegenüber den Teilnehmern aus. Eine selbstreflektierte Wahrnehmung und Kenntnis der Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Modellvorstellung von Veränderung ist daher pädagogisch bedeutsamer als die Auswahl einer bestimmten Aktivität.

3. Auftrag und Ziel: Welchen allgemeinen Auftrag (z. B. Durchführung einer zweitägigen Wanderung mit Biwak zur Stärkung des Gruppenzusammenhalts) haben die Erlebnispädagogen und was bedeutet dieser für die Planung der Maßnahme und die Interaktion mit den Teilnehmern? Aufträge können grob nach Netzwerkbildung (z. B. sich kennenlernen, sich austauschen, eine angenehme Zeit miteinander verbringen usw.), Teamentwicklung (z. B. Umgang mit Konflikten in der Gruppe, Zusammenarbeit, allgemeines Miteinander usw.) und Persönlichkeitsentwicklung (z. B. Selbsterfahrung, psychotherapeutische Ansätze usw.) unterteilt werden. Der Auftrag bestimmt, wie eine Maßnahme gestaltet wird und auf welcher Ebene interveniert und reflektiert wird. Gleichzeitig muss der Auftrag allen Beteiligten bekannt sein.

Welche konkreten Ziele lassen sich aus dem Auftrag ableiten (z. B. Verbesserung verbindlicher Absprachen in der Gruppe oder Formulierung und Erreichung von realistischen Vereinbarungen)? Welche unterschiedlichen Ziele haben die Veranstalter, Leitung und Teilnehmer? Sind diese allen bekannt? Die Formulierung der Ziele sollte nicht auf abstrakte pädagogische Kompetenzen (z. B. bessere Teamfähigkeit, soziale Kompetenz) beschränkt sein, sondern auch die Ziele der Teilnehmer berücksichtigen. Zusätzlich ist es wichtig, dass den Teilnehmern mögliche andere Ziele der Veranstalter oder der Leitung transparent gemacht werden. Die Ziele selbst sollten konkret, realistisch, handlungsorientiert und wenn möglich messbar formuliert und allen Beteiligten bekannt sein.

4. Rahmenbedingungen: Unter welchen örtlichen, zeitlichen, finanziellen, materiellen, witterungsbedingten etc. Rahmenbedingungen findet die Veranstaltung statt? Aus welcher Alltagssituation kommen die Teilnehmer zur Veranstaltung? Welchen Einfluss haben die Rahmenbedingungen auf die Möglichkeiten der Veranstaltung?

5. Teilnehmer: Wie ist die generelle und aktuelle emotionale, kognitive und physische Befindlichkeit der Teilnehmer? Wozu sind sie eher gut oder eher weniger in der Lage? Was sind ihre Stärken und wie können diese gefördert werden? Wann zeigen sie Ausnahmen vom unerwünschten Verhalten? Wie können diese Ausnahmen gefördert werden? Wie können die Teilnehmer motiviert werden, Neues auszuprobieren und Wagnisse einzugehen? Was überfordert oder was unterfordert die Teilnehmer? Wie kann ein optimales Aktivierungsniveau für das Lernen erreicht werden? Wie ist es möglich, dass die Teilnehmer Vertrauen zur Leitung haben?

6. Maßnahme: Die Maßnahme selbst kann unterteilt werden in einzelne Aktionseinheiten bestehend aus Anmoderation (wie wird die folgende Aktivität eingeleitet und eingebettet; Kap. 7.3), Aktivität, möglicher Intervention und Reflexion. Die Art der Anmoderation, Aktivität, pädagogischen Intervention und Reflexion sollte sich aus den anderen Rahmenbedingungen (Punkte 1–5) ergeben.

Die Reflexion eigener Erlebnisse und der Transfer der Lernerfahrungen in den Alltag der jeweiligen Personen ist einer der wesentlichen Bestandteile der erlebnispädagogischen Arbeitsweise. Reflexion ist das „(...) Nachdenken über ein bestimmtes Thema (...). Dabei werden das eigene Denken, Handeln und Fühlen mit bisherigen Erfahrungen in Beziehung gesetzt. Das generelle Ziel der (Selbst-)Reflexion ist eine Ausrichtung und Orientierung des Bisherigen an neuen Anforderungen und zur Mitwelt.“ (Friebe 2010, S. 21). Erst durch Reflexion wird das Erlebte bewusst und damit greifbar, beschreibbar und artikulierbar. Bedürfnisse, Ängste oder Wünsche können besprochen werden. Die Perspektiven Anderer werden sichtbar und können diskutiert werden. Soziale Dynamiken werden nachvollziehbar. Darüber hinaus ermöglicht Reflexion im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung, eigene Handlungsmuster zu analysieren und gegebenenfalls zu verändern (Friebe 2010).

Die ganzheitliche, handlungsorientierte Ausrichtung der Erlebnispädagogik spiegelt sich auch beim Thema Reflexion wieder. Durch unterschiedliche Reflexionsmethoden und Herangehensweisen werden möglichst alle Lernstile angesprochen und Reflexion wird somit auf unterschiedlichen Ebenen ermöglicht. Reflexionen sollten jeweils auf den Auftrag und die konkreten Ziele der jeweiligen Veranstaltung ausgerichtet sein und aufeinander aufbauen. Um Reflexionsergebnisse zu sichern, sollten diese festgehalten und mit Methoden der Transfersicherung in den Alltag übertragen werden. Um eine Reflexion zu strukturieren, sollten folgende Überlegungen angestellt werden:

images Welche Ziele verfolgt eine Reflexion?

images Welche Ebenen sollen angesprochen werden?

images Welche Methoden passen zur Maßnahme und den Lernstilen der Teilnehmer?

images Wie werden Lernergebnisse visualisiert und dokumentiert?

images Wie wird der Transfer in den Alltag sichergestellt?

Neben der Reflexion sollte idealerweise auch die Wirkung erlebnispädagogischer Maßnahmen auch überprüft werden. Eine Form der Evaluation kann innerhalb einer Maßnahme darin bestehen, eine angestrebte Verhaltensänderung der Teilnehmer durch aufeinanderfolgende, geeignete Problemstellungen (z. B. Folge von Problemlöseaufgaben) zu überprüfen. Die Abfrage der Zufriedenheit der Teilnehmer mit der Maßnahme (z. B. über Smiley-Fragebögen) sagt wenig über die Wirkung der Maßnahme auf Einstellungs- oder Verhaltensänderungen aus (Kirkpatrick 1994). Besser ist es, tatsächliches Verhalten und die Auswirkungen dieses Verhaltens im Alltag zu messen.

1.4 Zielgruppen

Grundsätzlich sind erlebnispädagogische Maßnahmen in den Bergen mit allen Zielgruppen denkbar. Ob und in welcher Form sich die Berge als Lernort für eine bestimmte Zielgruppe eignen, ist bei der Planung der Maßnahme im Vorfeld unbedingt zu berücksichtigen. Möglicherweise ist bei Kindern und Jugendlichen die Affinität zum Abenteuer und zur motorischen Betätigung am größten, doch auch mit beruflichen Teams oder mit Gruppen mit Menschen mit Behinderung kann in diesem Bereich gearbeitet werden. Je nach Zielgruppe wird der Aufbau, die Zielsetzung und der Auswertungsschwerpunkt der Maßnahme anders geartet sein, aber das Lernumfeld bleibt das Gleiche. Bei einer Seilbrücke wird es vielleicht bei Kindern um das Bestehen eines Abenteuers mit ein paar Unabwägbarkeiten gehen (Ich-Erleben in einer Gruppe); im Teamtraining könnten Frustrationstoleranz, Absprachen, Kommunikation, Fehlertoleranz oder Arbeitsqualität mögliche Themen sein; im Bereich von Menschen mit Handicaps wiederum versucht die Leitung mit Zwischenschritten, Hilfestellungen zu geben und Herausforderungen zu reduzieren, um somit Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.

Erlebnispädagogische Maßnahmen in den Bergen finden ihre Grenzen, wenn allein das natürliche Umfeld „Berge“ für Teilnehmer so belastend ist, dass es zu starken Stresssituationen oder gar zu Retraumatisierungen kommt. Dies kann beispielsweise bei Menschen mit psychotischen Erkrankungen oder bei Jugendlichen mit Fluchterfahrungen, die sich in Wäldern verstecken mussten, der Fall sein.

1.5 Risikokultur

Die Verhinderung von physischen Verletzungen und die Gewährleistung psychischen Wohlergehens muss das über allem stehende Leitmotiv sein. Alle Maßnahmen sollten nicht nur aus dem Blickwinkel pädagogischer Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit betrachtet werden, sondern auch daraufhin, wie sie im Hinblick auf die Aufrechterhaltung physischer und psychischer Gesundheit der Teilnehmer optimiert werden können. Diese Forderung und das damit verbundene Streben nach höchstmöglicher Sicherheit sollte sich in einer entsprechenden Risikokultur wiederfinden. Mit Risikokultur ist die soziale Übereinkunft gemeint, welche Risiken von wem auf welche Art und Weise eingegangen werden (Gottschalk-Mazouz 2007). Da sich in der Erlebnispädagogik – zumal in den Bergen – meist unerfahrene Teilnehmer, die mögliche Gefahren nicht kompetent einschätzen können, einer Leitung anvertrauen, sind hier besonders strenge Kriterien anzulegen (Kap. 11). Das bedeutet einerseits, dass die Risiken und die damit verbundenen Gefahren möglichst klein gehalten werden müssen. Andererseits werden in der Erlebnispädagogik oft für die Teilnehmer unsichere Situationen konstruiert, weil darin das große pädagogische Potenzial und die Chance zum Erlernen von Selbstwirksamkeit, Frustrationstoleranz, Zielverfolgung oder Risikokompetenz im Allgemeinen liegt. Entsprechend gehört zur Erlebnispädagogik auch die Erkenntnis und Akzeptanz der Tatsache, dass Risiken und damit auch mögliche Verletzungen nicht vollständig ausgeschlossen werden können (Dewald et al. 2003; Streicher 2014). Eingegangene Risiken müssen aber unter dem Risikoniveau liegen, was die verantwortliche Leitung von ihren Kompetenzen her leisten kann und was von den Teilnehmern, den Erziehungsberechtigten, den verantwortlichen Einrichtungen, der Gesellschaft und letztlich von den Gerichten bei erlebnispädagogischen Maßnahmen akzeptiert wird.

Im Folgenden werden einige Maßnahmen vorgestellt wie eine auf ein minimales Restrisiko ausgerichtete Risikokultur in der erlebnispädagogischen Praxis umgesetzt werden kann.

3-Ebenen-Modell zur Risikoreduktion

Sowohl eine vorausschauende und die Sicherheitsstandards berücksichtigende Planung als auch ein regelmäßiges Innehalten während einer Aktion mit gleichzeitiger Überprüfung aller Sicherheitsaspekte sind ein Erfolgsrezept, um unerwünschte Risiken und Gefahrenquellen ganz zu vermeiden oder rechtzeitig zu erkennen. Das 3-Ebenen-Modell (Abb. 1) hilft dabei, alle relevanten Aspekte, die zu einer guten Entscheidung führen, zu berücksichtigen. Dem Modell liegt die Idee zugrunde, dass unerwünschte Risiken umso wahrscheinlicher erkannt und damit vermieden werden, je umfassender die drei zentralen Ebenen der Leitfrage „Wer versucht in welchem Kontext welches Risiko zu meistern“ beantwortet werden (Streicher / Bischof 2015).

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Abb. 1: Das 3-Ebenen-Modell

Das Modell kann sowohl zu unterschiedlichen Zeitpunkten (bei der Planung, Durchführung oder Nachbereitung) als auch mit unterschiedlichem Fokus (z. B. Leitung, einzelne Teilnehmer, Gruppe, Veranstalter, Information gegenüber Erziehungsberechtigten) verwendet werden. Ferner kann das Modell beliebig mit anderen Fragen oder Aspekten erweitert werden (Bayerischer Jugendring 2015).

Die Ebene Wer bezieht sich auf die verantwortlich Handelnden. Dies kann entweder die Leitung vor Ort sein oder auch, wenn das Modell mit einem breiteren Fokus verwendet wird, die Leitung einer Einrichtung, die erlebnispädagogische Maßnahmen in Auftrag gibt. Hier werden Fragen nach der Kompetenz, dem Fachwissen, der Qualifikation, der Erfahrung, der Motivation, überfordernden oder stark ablenkenden Situationen (z. B. die Leitung erlebt Konflikte persönlich als sehr unangenehm, vermeidet Konfliktsituationen in der Gruppe und ist im Konfliktfall schnell überfordert und nicht mehr in der Lage, angemessen auf sicherheitstechnische Aspekte zu achten), dem aktuellen physischen und psychischen Zustand sowie den Handlungsoptionen und Ressourcen (z. B. mental, kognitiv, konditionell) gestellt. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, wie sehr diese Aspekte es der Leitung ermöglichen, unerwünschte Risiken zu minimieren oder ob Eigenschaften des Wer eher dazu beitragen, dass Gefahren entstehen. Ist die Leitung beispielsweise bei einer Abseilaktion in der Lage, diese nicht nur sicher aufzubauen und durchzuführen, sondern auch durch ihr Auftreten vor der Gruppe, ihre Anmoderation, dem Aufzeigen von Alternativen und durch Kommunikation von Ausstiegsmöglichkeiten (z. B. Stoppregel) ein vertrauensvolles Umfeld zu schaffen, in dem die erstrebte selbstbestimmte Freiwilligkeit für alle Teilnehmer auch tatsächlich umsetzbar wird?

Da in der Erlebnispädagogik häufig prozessorientiert und ergebnisoffen gearbeitet wird und Leitungselemente in die Entscheidung von Teilnehmern gegeben werden, ergeben sich hohe Anforderungen an die Kompetenz der Leitung: fachsportliches Wissen, Erfahrung in der Durchführung, aktueller Wissensstand zu Sicherheitsstandards und Bereitschaft zum kontinuierlichen Lernen (z. B. durch Fortbildungen, Fachliteratur, Austausch mit Kollegen) sowie pädagogisches Wissen und Erfahrung. Diese Kompetenzen sind sowohl für die Planung und Durchführung als auch für die Nachbereitung notwendig. Sollten in einem Bereich (oder für eine spezifische Methode) Defizite bestehen, sollte eine entsprechend qualifizierte Fachkraft hinzugezogen werden.

Die Ebene Kontext bezieht sich sowohl auf die Teilnehmer als auch auf die Rahmenbedingungen. Bei den Teilnehmern beziehen sich die Fragen auf deren Ziele und Erwartungen, die psychische und physische Verfassung, Handlungsmuster sowie die Gruppendynamik und -normen. Beispielsweise können der Umgang der Teilnehmer miteinander und die sozialen Erwartungen in der Gruppe bei einer Abseilaktion einerseits dazu führen, dass sich Teilnehmer von der Gruppe unterstützt fühlen und ihre persönlichen Grenzen erweitern. Andererseits kann dies aber auch dazu führen, dass Teilnehmer sich genötigt fühlen, ihre Grenzen zu überschreiten und dies als sehr belastend erleben. Im letzteren Fall hätte der Kontext dazu geführt, dass Teilnehmer ein für sie inakzeptables Risiko eingehen, bei dem ihr psychisches Wohlergehen nicht mehr gewahrt bleibt. Dies hätte die Leitung idealerweise bei der Planung oder in der Situation durch Anwendung des 3-Ebenen-Modells erkennen können, um entsprechend zu intervenieren.

Die Rahmenbindungen umfassen Aspekte wie den Auftrag, das pädagogische Ziel, die verwendeten Methoden, die Verhältnisse vor Ort, die vorhandene Zeit oder die Wetterentwicklung. Beispielsweise kann die Erwartung des Auftraggebers, dass eine bestimmte Aktion wie Abseilen durchgeführt wird, die Leitung unter Druck setzen, diese Aktion tatsächlich durchzuführen, obwohl sie aufgrund des Kontexts (z. B. müde Teilnehmer, nasser Fels) unnötig Risiken erhöht oder dies pädagogisch wenig sinnvoll ist. Es darf nicht unterschätzt werden, wie stark sich Rahmenbedingungen auf das eigene Leitungsverhalten auswirken. Das 3-Ebenen-Modell kann helfen, ungünstige Rahmenbedingungen bereits im Vorfeld zu identifizieren.

Die Ebene Risiko versucht, die möglichen Gefahren, die von einer Situation ausgehen, zu erfassen. Einzelne Aspekte beziehen sich zum einen auf Maßnahmen wie die Einhaltung von Sicherheitsstandards, das Vorhandensein von Notfallplänen oder die Abklärung von Versicherungsfragen; zum anderen auf die konkrete Situation wie deren Komplexität (z. B. Konflikt in der Gruppe auf Biwaktour bei nahender Dunkelheit) und Unsicherheit (z. B. schwer einzuschätzende Wetterentwicklung); und ferner auf Merkmale der beteiligten Akteure wie deren Risikobereitschaft, deren Fähigkeit risikorelevante Informationen (z. B. starke Quellwolkenbildung als Anzeichen für Gewitterneigung) wahrzunehmen und einzuschätzen oder deren Fähigkeit in Optionen zu denken.

Weitere Maßnahmen zur Risikoreduktion

Die folgenden Maßnahmen und Verhaltensregeln tragen zur Reduzierung unerwünschter Risiken bei. Sie können hier lediglich allgemein beschrieben werden, können aber auf unterschiedlichste erlebnispädagogische Aktionen angewendet werden:

images Sicherheitsnetze: Grundsätzlich sollte in Sicherheitsnetzen gedacht werden (Streicher/Bischof 2015): „Welche Hintersicherung habe ich noch, falls eine Sicherung versagt? Was kann ich noch tun, um die Sicherheit zu erhöhen?“. Die Idee ist, dass beim Versagen einer Sicherheitsmaßnahme, eine andere greift. Beispielsweise ist bei einer Wanderung eine sorgfältige Tourenplanung ein Sicherheitsnetz. Versagt es, weil die Gruppe deutlich langsamer vorankommt oder das Wetter schlechter als prognostiziert ist, dann greift das nächste Netz (z. B. Denken in Optionen und Auswahl einer Alternativroute). Die folgenden Maßnahmen können als einzelne Sicherheitsnetze verstanden werden.

images Redundanzprinzip: Bei technischen Aufbauten mit Absturzgefahr wird die Idee der Hintersicherung durch das Redundanzprinzip umgesetzt: Beim Versagen des ersten Systems greift ein zweites System. Dieses Prinzip wird sowohl bei seiltechnischen Aufbauten (z. B. Umlenkung eines Toprope-Seils durch zwei Schraubkarabiner) angewendet als auch zur Kontrolle von Aufbauten, Abläufen (z. B. Partnercheck beim Klettern, Vier-Augen-Prinzip) oder dem eigenen Leitungsverhalten (z. B. korrekten Verschluss von Karabinern zweimal überprüfen).

images Sicherheitsstandards: Bei allen Maßnahmen müssen die aktuellen Sicherheitsstandards (z. B. verbreitet über Lehrmeinungen, Fachpublikationen, Fortbildungen) beachtet werden. Die Sicherheitsstandards betreffen sowohl die aktive Umsetzung (z. B. redundante Aufbauten, Abfragen des Wetterberichts) als auch das Unterlassen (z. B. keine Verwendung von Sicherheitsmaterial ohne Prüfsiegel, keine Gratwanderung bei Gewitterneigung). Im Sinne eines Sicherheitsmanagements kann es sinnvoll sein, für häufig verwendete Aufbauten und Maßnahmen, aufbauend auf den Sicherheitsstandards und kritischen Ereignissen in der Vergangenheit, eigene Checklisten zu entwickeln (z. B. zu Material, Aufbau, Kontrolle, Problembereiche).

images Standardisierte Abläufe: