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Hans Fallada

Junger Herr - ganz groß

Oder: Der Jungherr von Strammin

Hans Fallada

Junger Herr - ganz groß

Oder: Der Jungherr von Strammin

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
EV: Ullstein, Berlin, 1943
1. Auflage, ISBN 978-3-962814-31-1

null-papier.de/604

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Inhaltsverzeichnis

1 – Ich fah­re mit vier­hun­dert Zent­nern Wei­zen nach Stral­sund und kom­me ohne ein Pfund dort an

2 – Ich ver­lie­be mich vom Fleck weg in die schö­ne Un­be­kann­te und ge­ra­te in tau­send neue Schwie­rig­kei­ten

3 – Ich er­fah­re Ca­trio­nas Ge­schich­te und set­ze sie auf ei­ner In­sel aus

4 – Ich kom­me zu Geld, ver­lie­re Bes­sy und habe eine Aus­ein­an­der­set­zung mit On­kel Gre­gor

5 – Ich woh­ne ei­nem Kampf bei, soll fest­ge­nom­men wer­den und ge­win­ne einen Bun­des­ge­nos­sen

6 – Ich se­gle mit dem Pro­fes­sor nach Hid­den­see und wer­de von ihm aus dem Sat­tel ge­wor­fen

7 – Ich muss mich von Ca­trio­na tren­nen, tref­fe Bes­sy und ge­ra­te in die Hän­de des Rau­bolds

8 – Ich wer­de Schloss­herr auf Ücke­litz und ma­che mei­ner­seits einen Ge­fan­ge­nen. Vie­le neue Über­ra­schun­gen

9 – Ich ver­zan­ke mich mit Mama, er­schre­cke sehr über den Rau­bold und brin­ge Ca­trio­na wi­der Wil­len nach Ücke­litz

10 – Ich ver­brin­ge die schlimms­te Nacht mei­nes Le­bens, er­wa­che aber recht an­ge­nehm

11 – Ich rich­te mich häus­lich auf Ücke­litz ein, wer­de ge­quält und ge­trös­tet. Ein Blitz aus hei­te­rem Him­mel

12 – Ich kämp­fe ge­gen Ma­jor von Bran­dau, er­hal­te einen wich­ti­gen Auf­trag und wer­de durch Mama über­lis­tet. Mei­ne Verzweif­lung

13 – Ich küh­le mich ab, Bes­sy und Meis­ter Licht hel­fen, und ich gehe auf mei­ne Rei­se ins Un­ge­wis­se

14 – Ich rei­se mit Gre­gor und wer­de be­stoh­len. Mein Glück und mei­ne schreck­li­che Nie­der­la­ge. Al­les ver­lo­ren!

15 – Es kommt al­les zu ei­nem Ende – und geht wei­ter, wie es sich ge­hört

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Zu­erst er­schie­nen 1943 un­ter dem Ti­tel:
Der Jung­herr von Stram­min

1 – Ich fahre mit vierhundert Zentnern Weizen nach Stralsund und komme ohne ein Pfund dort an

Es war ganz fei­er­lich. Auf dem Hof hiel­ten hin­ter­ein­an­der die zwan­zig vier­zöl­li­gen Acker­wa­gen, je­der bis oben be­la­den mit pral­len Wei­zen­sä­cken und je­der be­spannt mit vier Füch­sen, mit je­nen pracht­vol­len Füch­sen, die un­ser Fa­mi­li­en­gut Stram­min weit über Pom­mern hin­aus be­rühmt ge­macht ha­ben. Auf der Freitrep­pe aber stand mein lie­ber Papa und hat­te eben vor lau­ter Rüh­rung und Auf­ge­regt­heit zum drit­ten Mal sein Ein­glas ver­lo­ren. Und hin­ter Papa stand Mama, rück­te ihr Häub­chen noch schie­fer und mur­mel­te im­mer wie­der: »Oh, quel grand mo­ment! Ma­de­moi­sel­le Thi­baut, mon ca­che­nez!«

Wäh­rend Ma­de­lei­ne Thi­baut der Mama das Ta­schen­tuch aus dem großen Pom­pa­dour reich­te, warf sie, näm­lich die klei­ne Thi­baut, mir einen ih­rer ra­schen ver­füh­re­ri­schen Bli­cke zu und feuch­te­te da­bei schnell ihre Lip­pen mit der spit­zes­ten Zun­ge an – als dür­fe sie sich heu­te früh er­lau­ben, was ich ihr schon zehn­mal ver­bo­ten hat­te, näm­lich das Pous­sie­ren mit mir, dem Jung­herrn von Stram­min.

Nein, es war wirk­lich schon gar zu al­bern und gar nicht mehr fei­er­lich! Es stimm­te wohl: auf den Wa­gen wa­ren un­se­re letz­ten vier­hun­dert Zent­ner Wei­zen, und wir brauch­ten den Er­lös da­für recht nö­tig. Und es stimm­te wei­ter, wir hat­ten bis zum Stral­sun­der Ha­fen acht­und­zwan­zig Ki­lo­me­ter zu fah­ren, und un­ser Käu­fer, der Käp­t’n Ole Pe­der­sen der klei­nen schwe­di­schen Brigg Svio­nia war trotz sei­ner sil­ber­nen Ohr­rin­ge ein höchst zwei­fel­haf­ter Bur­sche und wür­de al­les ver­su­chen, mich um den Kauf­preis zu prel­len. Und zum drit­ten war es rich­tig, dass ich zum ers­ten Mal in mei­nem Le­ben eine der­ar­ti­ge Auf­ga­be zu er­fül­len hat­te, weil näm­lich un­ser In­spek­tor Hoff­mann mit ei­nem ge­bro­che­nen Bein im Bett lag.

Aber dies war mir nun doch zu viel! Schließ­lich war ich kein ba­rer Säug­ling mehr, son­dern schier drei­und­zwan­zig Jah­re alt, Erb­herr auf, zu und von Stram­min, so gut wie ver­lobt und Be­sit­zer ei­nes viel­ver­spre­chen­den rot­blon­den Bärt­chens (und ver­dammt vie­ler Som­mer­spros­sen). Au­ßer­dem war un­ser lie­bes Stral­sund kein Ort, wo die Ot­tern und der Rost hau­sen, oder wie es sonst in der Schrift heißt, son­dern eine gute, alte, ehr­ba­re Ha­fen­stadt, voll tu­gend­sa­mer Bür­ger, die ei­nem Stram­min in je­der Not bei­ste­hen wür­den.

So rief ich denn mit ge­wal­ti­ger Stim­me über den Hof: »Jung­hanns, ab­fah­ren!« und der Vor­spän­ner Jung­hanns knall­te mit der Peit­sche, sei­ne Füch­se war­fen die Köp­fe und leg­ten sich in die Sie­len: knar­rend setz­te sich der Vier­zöl­ler in Be­we­gung. Und der nächs­te Knecht knall­te mit sei­ner Peit­sche und der drit­te, der sie­ben­te, der zehn­te, der fünf­zehn­te – don­nernd fuhr ein Ge­spann nach dem an­de­ren durch die ge­wölb­te Tor­fahrt, acht­zig Füch­se, ei­ner wie der an­de­re. Und alle Knech­te fuh­ren vom Sat­tel aus und sa­hen ge­nau­so statt­lich und zu­ver­läs­sig aus wie ihre Gäu­le. Stolz er­füll­te wie­der ein­mal mein Herz auf un­ser Rit­ter­gut Stram­min, und ich wuss­te, die Knech­te wa­ren eben­so stolz wie ich, und ich bin über­zeugt, selbst die Füch­se wa­ren stolz dar­auf, die schwe­ren Wei­zen­wa­gen für ein sol­ches Gut zie­hen zu dür­fen.

»Wenn es euch recht ist, Mama, Papa«, sag­te ich und mach­te eine klei­ne, scherz­haf­te Ver­beu­gung, »so wird sich euer Aus­hilfs­in­spek­tor jetzt auf die St­rümp­fe ma­chen.« Und ich wink­te mit den Au­gen dem Stall­bur­schen, der mei­nen Reit­fuchs Alex am Fuß der Freitrep­pe auf und ab führ­te.

»Du hast völ­lig Zeit, noch eine Tas­se Tee mit uns zu trin­ken, Lutz«, sag­te Mama.

»Und noch mehr Er­mah­nun­gen an­zu­hö­ren, nein, ich dan­ke schön!« rief ich. Aber als ich ihr Ge­sicht sah, be­reu­te ich, was ich eben ge­sagt. »Oh, ver­zeih mir, Mama«, sag­te ich schnell, »das war eben sehr un­ge­zo­gen von mir. Aber ich glau­be, ich ma­che mich jetzt wirk­lich auf mei­ne Rei­se. Alex wird schon recht un­ru­hig. Aber ich ver­spre­che dir, ich wer­de nur im ›Hal­ben Mon­d‹ am Markt lo­gie­ren, ich wer­de mit kei­nem Un­be­kann­ten trin­ken, kein jun­ges Mäd­chen an­schau­en. Ich wer­de das Geld kei­ne Mi­nu­te von mir las­sen …«

»Ich weiß, ich weiß«, ant­wor­te­te Mama, schon wie­der ganz ver­söhnt. »Den bes­ten Wil­len hast du. Wenn du nur nicht gar so sehr ein Stram­min wä­rest.«

»Und was fehlt den Stram­mins?« frag­te Papa kampf­lus­tig. »Was hast du an den Stram­mins aus­zu­set­zen, Amé­lie?«

»Dass sie sich in je­des Aben­teu­er stür­zen, dass sie den Mor­gen schon über dem Vor­mit­tag ver­ges­sen, das fehlt den Stram­mins, Herr von Stram­min«, ant­wor­te­te Mama mit ei­ni­ger Stren­ge. »Dass sie kei­nem Mäd­chen­ge­sicht und kei­ner Spiel­kar­te wi­der­ste­hen kön­nen. – Nun, nun, Ben­no«, mein­te sie, als Papa sehr rot wur­de und Blit­ze durch sein Ein­glas schoss, »du hast doch wohl kaum Ur­sa­che, dich über die­se Be­mer­kun­gen zu er­re­gen. Wer hat die­sen Win­ter von Can­nes ab­ge­ra­ten? Wer hat ge­sagt: Mon­te liegt gar zu nahe? Und wer hat geant­wor­tet: kei­nen Fuß set­ze ich in die­se Spiel­höl­le, kei­ne Kar­te rüh­re ich dort an? Und nun? Wa­rum fah­ren wir denn un­sern letz­ten Wei­zen vom Hof und ver­kau­fen ihn an einen Schuft von Ka­pi­tän statt an un­sern eh­ren­er­prob­ten Ka­lan­der?«

»Der Schwe­de zahlt drei­ßig Mark für die Ton­ne mehr«, mur­mel­te Papa, nun doch sehr be­tre­ten.

»Er wird sie nie zah­len«, er­klär­te Mama. »Er wird über­haupt nicht zah­len. Er wird un­sern Jun­gen be­gau­nern und ihn in tau­send Ver­le­gen­hei­ten stür­zen. Aber, Lutz«, wand­te sich Mama wie­der an mich, der bei die­ser Aus­ein­an­der­set­zung wie auf Koh­len ge­stan­den hat­te, denn die­se Per­son, die Thi­baut, hat­te das al­les mit der spitz­bü­bischs­ten Mie­ne an­ge­hört, ein wah­rer Ga­min … »Aber, Lutz«, sag­te Mama, »ich weiß, du wirst lie­ber ohne einen Pfen­nig Geld zu­rück­keh­ren als mit dem kleins­ten Fle­cken auf dei­ner Ehre.«

»Liebs­te Mama«, sag­te ich und bück­te mich, um ihr die Hand zu küs­sen.

Aber sie zog mich an sich und küss­te fei­er­lich mei­ne Stirn. »Was man auch ge­gen die Stram­mins ein­wen­den kann«, sag­te sie dann, »in schwie­ri­gen La­gen hat ein Stram­min im­mer ge­wusst, was ihm sei­ne Ehre ge­bot. Und ein Las­senthin auch«, setz­te sie hin­zu, denn Mama ist eine ge­bo­re­ne Las­senthin, wor­an ich in den nächs­ten Ta­gen noch mehr­fach ein­dring­lich er­in­nert wer­den soll­te.

»Und nun«, fuhr Mama mit ei­nem je­ner plötz­li­chen Über­gän­ge fort, die sie so liebt, und zog mich di­rekt vor Fräu­lein Thi­baut, »se­hen Sie nach, Ma­de­moi­sel­le Ma­de­lei­ne, ob Lutz auch völ­lig com­me il faut1 ist. Ich will doch, dass er in Stral­sund gute Fi­gur macht.«

Ich fühl­te, dass ich un­ter dem hel­len, mus­tern­den Blick der »Ei­dech­se« rot wur­de. Die­ses Frau­en­zim­mer hat lan­ge, ge­schlitz­te Au­gen, und sie kann mich da­mit so scham­los an­se­hen, dass ich ein­fach rot wer­den muss. Jetzt sah sie mich von un­ten bis oben an, als sei ich nur ein Hau­ben­stock, kein jun­ger Mann. Ich trug lack­le­der­ne Reit­s­tie­fel vom bes­ten Schus­ter in Ber­lin, die wie an­ge­gos­sen sa­ßen, eine schwarz-weiß-ka­rier­te Reit­ho­se und eine Jop­pe2 aus blau­ge­nopp­ter schot­ti­scher Wol­le – ich sah wie ein Prinz aus.

»Ge­stat­ten Sie, jun­ger Herr«, sag­te die Thi­baut, stell­te sich auf die Ze­hen und fing an, mei­nen Schlips auf­zu­bin­den. »Ich wür­de bin­den die Scarf un peux plus légè­re.«

Ich bin über­zeugt, die Schlei­fe saß völ­lig rich­tig, sie woll­te mir nur am Hal­se her­um­fum­meln, so nahe an mir ste­hen, dass sie mich be­rühr­te. Nun hat­te sie noch die Frech­heit, mir zwi­schen den Lip­pen ge­schwind ihre Ei­dech­sen­zun­ge zu zei­gen. Kein Mensch weiß, was ein jun­ger Mann von Fa­mi­lie auch auf dem Lan­de für Nach­stel­lun­gen zu er­dul­den hat. »Ma­chen Sie end­lich Schluss mit dem Ge­fum­mel!« rief ich zor­nig und mach­te mich los. »Mei­ne Schlei­fe saß aus­ge­zeich­net.«

»Com­me il est ra­vissant!« rief Ma­de­lei­ne und klatsch­te in die Hän­de. »Le vrai Par­si­val! Tou­tes les jeu­nes fil­les à Stral­sund sick wer­den ver­lie­ben.«

»Ja­wohl, in mei­ne Som­mer­spros­sen!« rief ich är­ger­lich, und dann nahm ich end­gül­tig Ab­schied von Mama. Sie küss­te mich noch ein­mal, dies­mal auf den Mund; ich weiß, Mama ist stol­zer auf mich, als es je ein Mensch auf der gan­zen Welt sein kann.

Papa brach­te mich noch ei­ni­ge Schrit­te. Ich hat­te die Zü­gel des Alex über mei­nen Arm ge­streift und hör­te mit ei­ni­ger Un­ge­duld sei­ne neu­er­li­chen Er­mah­nun­gen an: Ich sol­le kei­nes­falls den Wei­zen auf das Schiff las­sen, ehe ich nicht das Geld für ihn in der Ta­sche hät­te. Ich sol­le nicht un­ter Deck ge­hen und mit dem Ka­pi­tän trin­ken. Ich sol­le, wenn mir ir­gend et­was zwei­fel­haft er­schie­ne, lie­ber drei­ßig Mark Mehr­ge­winn pro Ton­ne schie­ßen las­sen und zu un­serm al­ten Ge­trei­de­händ­ler Ka­lan­der ge­hen: »Ob­wohl wir jede Mark so nö­tig wie das lie­be Brot brau­chen.«

»Lie­ber Papa«, sag­te ich ener­gisch, lös­te mei­nen Arm aus dem sei­nen und stieg auf den Alex, »seit ich lebe, höre ich dies Ge­re­de von der un­ent­behr­li­chen Mark. Und da­bei ha­ben wir noch im­mer recht hübsch ge­lebt, wir und un­se­re Leu­te auch. Ich wer­de die Sa­che so gut re­geln, wie ich kann, und wird doch was falsch, so wer­den wir ge­nau­so wei­ter­le­ben wie vor­her. Du wirst abends dei­nen Rot­sporn trin­ken und über die schlech­ten Zei­ten stöh­nen. Gott be­foh­len, und grüß die Mama noch schöns­tens.«

Da­mit gab ich Alex den Kopf frei und ließ Papa ste­hen, wo er stand. Die Wahr­heit zu sa­gen, ich hat­te jetzt all­mäh­lich den Bauch voll Zorn von all die­sem Ge­schwätz. War der Han­del mit dem schwe­di­schen Käp­t’n wirk­lich so ge­fähr­lich, so hät­te ihn Papa nicht ab­schlie­ßen dür­fen, je­den­falls hät­te er sel­ber mit­rei­ten kön­nen. Aber so war Papa im­mer: am liebs­ten setz­te er al­les auf eine Kar­te, und ging es dann schief, wein­te er al­len Leu­ten die Ohren voll.

Na­tür­lich konn­te nicht die Rede da­von sein, dass ich ernst­lich auf Papa böse war. In ganz Vor­pom­mern ein­schließ­lich In­sel Rü­gen gab es kei­nen bes­se­ren und groß­zü­gi­ge­ren Papa. Aber er hat­te eben auch die Schat­ten­sei­ten der Groß­zü­gig­keit, er war, was man so »leich­tes Tuch« nennt, und da ich von Mama her ziem­lich viel von den Las­senthins ab­be­kom­men habe, die sehr ge­naue Leu­te sind (wie ge­nau, soll­te ich noch heu­te er­fah­ren), är­ger­te mich das manch­mal.

Aber der schö­ne, jun­ge Ju­ni­mor­gen, die Vö­gel, die noch so eif­rig in mei­nes Va­ters Park lärm­ten, der Him­mel vol­ler Son­ne – all dies und am al­ler­meis­ten mei­ne fri­sche Ju­gend ver­trie­ben die­sen klei­nen Är­ger so­fort. Ich rück­te mich be­hag­lich im Sat­tel zu­recht und woll­te eben den Alex zu ei­nem mun­te­ren Tra­be aus­grei­fen las­sen, als ganz über­ra­schend aus ei­nem Busch eine Ge­stalt mir in den Weg trat. Der Alex mach­te einen Satz. »Hoho, Alex!« rief ich und klopf­te ihm be­ru­hi­gend auf den Hals. Und zu Ma­de­lei­ne Thi­baut: »Schon wie­der Sie! Ich be­grei­fe nicht, wie Sie so schnell hier­her­ge­lau­fen sein kön­nen. Aber ganz egal – ich habe ge­nug von Ih­nen, von Ihrem Schlei­fe­rich­ten und Zun­ge­zün­geln. Fort mit dir, Alex!«

Und ich gab dem Gaul die Spo­ren, aber nur sach­te.

»Jung­herr!« rief die Thi­baut hin­ter mir. »Lutz, ich brau­che Ihre Hil­fe!«

Auf die­sen in ganz rich­ti­gem Deutsch ge­ru­fe­nen Not­schrei pa­rier­te ich den Alex noch ein­mal. Denn die Ma­de­lei­ne be­herrscht die deut­sche Spra­che voll­kom­men, und nur in ih­ren über­mü­ti­gen Stun­den ge­fällt sie sich in ei­nem Ra­de­bre­chen, das Mama höch­lich amü­siert, mich aber gar nicht.

»Mei­ne Hil­fe?« frag­te ich er­staunt. »Wo­rin kann ich Ih­nen wohl hel­fen, Ma­de­lei­ne?«

»In­dem Sie die­ses Päck­chen in die Hän­de von Pro­fes­sor Ar­land vom Kö­nig­li­chen Ernst-Mo­ritz-Arndt-Gym­na­si­um in Stral­sund ge­ben«, sag­te Ma­de­lei­ne und gab mir ein weiß ein­ge­wi­ckel­tes Pa­ket­chen, das mit ei­nem him­melblau­en Ban­de um­schlun­gen war. Ich nahm es un­will­kür­lich. »Sie müs­sen es ihm aber selbst ge­ben, kei­ner darf zu­ge­gen sein, und Sie müs­sen er­rei­chen, dass er es noch in Ih­rer Ge­gen­wart öff­net.«

»Das ist ein selt­sa­mer Auf­trag, Ma­de­lei­ne«, sag­te ich un­schlüs­sig und be­fühl­te das Pa­ket­chen. Es war leicht, es fühl­te sich an, als sei­en Pa­pie­re dar­in, Brie­fe. »Ich ken­ne Pro­fes­sor Ar­land gar nicht.«

»Er aber kennt Sie. Oder er glaubt Sie zu ken­nen!« rief Ma­de­lei­ne hef­tig. »Und er glaubt, ein Recht zu ha­ben, ei­fer­süch­tig auf Sie zu sein. Se­hen Sie, Lutz, in die­sem Päck­chen sind alle Brie­fe, die er mir ge­schrie­ben hat, und wenn ich sie ihm nun durch Sie zu­rück­schi­cke, und er sieht Sie selbst, Sie ver­ste­hen mich, Lutz?«

Ich dach­te, das Päck­chen noch im­mer in Hän­den, nach. »Wenn ich aber Ihren Bo­ten in die­ser selt­sa­men Sa­che ab­ge­be, Ma­de­lei­ne«, sag­te ich dann, »so ste­he ich doch ge­wis­ser­ma­ßen für Sie ein. Und wenn Herr Pro­fes­sor Ar­land auch un­recht tut, mir zu miss­trau­en, so wer­den Sie doch zu­ge­ben müs­sen, dass Sie manch­mal et­was frei­ge­big mit den Bli­cken Ih­rer Au­gen, mit Ihrem Ei­dech­sen­zün­geln und – viel­leicht – auch mit Ihren Küs­sen sind, Ma­de­lei­ne?«

»So, bin ich das?« rief Ma­de­moi­sel­le Thi­baut, jetzt wirk­lich zor­nig. »Aber wir sind, gott­lob, nicht alle tro­ckene, pe­dan­ti­sche pom­mer­sche Jung­her­ren mit Fisch­blut in den Adern. Wir freu­en uns an der Welt und an je­der gu­ten Stun­de und se­hen einen Kuss für kei­ne Sün­de an. Aber, Lutz«, fuhr sie ru­hi­ger und doch viel ernst­haf­ter fort, und das el­fen­bein­far­be­ne Ge­sicht mit den ge­schlitz­ten Au­gen sah jetzt bei­na­he schön aus, »ich bin gar nicht si­cher, dass nicht auch ein­mal Ihre Stun­de schlägt, und dann wer­den Sie froh sein, wenn es nur mit ei­nem Au­gen­blitz und ei­nem Kuss ab­ge­gan­gen ist. Da wer­den Sie ver­ste­hen, dass ein Herz treu sein kann, auch wenn der Mund ein­mal un­treu ist.«

»Nun schön, Ma­de­lei­ne«, ant­wor­te­te ich, nur halb über­zeugt. »Ich ken­ne Sie nun fast drei Jah­re, und ich weiß, dass Sie trotz al­lem wel­schen3 Fir­le­fan­zes ein gu­tes Mäd­chen sind.«

»Kom­men Sie her, Lutz!« rief sie. »Bücken Sie sich ein we­nig.« Und als ich ihr ganz über­rascht den Wil­len tat, warf sie mir die Arme um den Na­cken und küss­te mich drei-, vier­mal auf den Mund. »So, und nun rei­ten Sie los, Lutz, und er­zäh­len Sie dies dem Mar­cel­lin Ar­land, und wenn ihn das nicht von Ih­rer Harm­lo­sig­keit über­zeugt, so soll ihn der Teu­fel ho­len und in der hin­ters­ten und hei­ßes­ten Höl­le mit der äl­tes­ten Hexe ver­kup­peln.«

»Welch eine Spra­che im Mun­de ei­nes jun­gen Mäd­chens!« rief ich em­pört, kaum war ich wie­der zu Atem ge­kom­men. »Und welch un­glaub­li­ches Be­neh­men!«

»Und welch lang­wei­li­ger, höl­zer­ner Land­jun­ker!« rief sie la­chend zu­rück. »Welch tum­ber, sit­ten­rei­ner Par­si­fal! Was für einen treff­li­chen Schul­meis­ter Sie ab­ge­ge­ben hät­ten, Lutz!«

Da­mit lief sie durch die Bü­sche zu­rück zum Haus, ich aber hielt da mit mei­nem bra­ven Ale­xi­us, das omi­nöse Päck­chen mit dem noch viel omi­nöse­ren Auf­trag noch im­mer in der Hand. Da ich aber un­mög­lich zu­rück­rei­ten und es vor Papa und Mama dem schlim­men Mäd­chen zu­rück­ge­ben konn­te, ver­wahr­te ich es seuf­zend in der Sat­tel­ta­sche und über­ließ es dem Schick­sal, wie es mich mit Pro­fes­sor Ar­land zu­sam­men­brin­gen wür­de.

Ich über­hol­te mei­ne Vier­zöl­ler kurz hin­ter Strietz, das de­nen von Be­lau ge­hö­rig ist, nicht son­der­lich we­gen sei­ner Wirt­schafts­füh­rung be­rühmt. Dort wa­ren sie aber schon bei der Heu­ern­te, und ich un­ter­hielt mich eine Wei­le mit un­serm Groß­spän­ner Jung­hanns über die Wet­ter­aus­sich­ten und ob wohl die Be­laus recht hat­ten, die jetzt schon mäh­ten, oder wir, die erst nach mei­ner Rück­kehr aus Stral­sund an­fan­gen woll­ten. Mei­ner An­sicht nach hat­te das Wet­ter noch kei­nen rech­ten Be­stand.

Jung­hanns war aber nicht bei der Sa­che, er woll­te gern er­fah­ren, wo­hin sie den Wei­zen fah­ren soll­ten, doch si­cher wie­der zu Ka­lan­der? Gra­de das aber soll­te auf Pa­pas Wunsch nicht er­zählt wer­den. Papa woll­te, ich soll­te erst noch ein­mal mit dem schwe­di­schen Käp­t’n re­den. So sag­te ich nur, ich wür­de sie un­be­dingt kurz vor Stral­sund ab­fas­sen, dort soll­ten sie auf mich war­ten, aber ich wür­de schon be­stimmt vor ih­nen da sein. In Nip­perow soll­ten sie zwei Stun­den füt­tern, ein Fäss­chen Bier wür­de dort für sie auf­lie­gen.

Wäh­rend sich Jung­hanns noch be­dank­te, ritt ich schon los, und ich ritt in ei­nem schlan­ken Trab bis Nip­perow durch, wo ich ge­gen elf Uhr am Kru­ge halt­mach­te. Hier be­ging ich den ers­ten schwe­ren Feh­ler an die­sem Tage: in mei­ner gu­ten Stim­mung be­stell­te ich nicht nur ein Fäss­chen Bier für mei­ne Leu­te, son­dern auch vier Fla­schen Stral­sun­der Korn, im­mer für fünf Mann eine. Das ist an sich nicht viel, aber ich hat­te nicht be­dacht, dass we­nig Korn Durst auf mehr Korn macht und dass die Leu­te bei sol­cher Fahrt alle ei­gen Geld bei sich in den Ta­schen führ­ten. Die Fol­gen soll­te ich noch er­le­ben, vor­läu­fig war ich aber in bes­ter Stim­mung. Wa­rum aber das? Weil mich ein Mä­del schon am frü­hen Mor­gen ge­küsst hat­te. Ich war in die­ser Hin­sicht nicht ver­wöhnt wor­den, ein­mal, weil Mama, die das leich­te Stram­mi­ner Blut fürch­te­te, im­mer ein Auge auf mich ge­hal­ten hat­te, zum an­de­ren, weil ich wirk­lich ein et­was schwer­fäl­li­ger Kna­be bin. Die Wahr­heit zu sa­gen, un­ter all mei­ner gu­ten Kin­der­stu­be steck­te ein Groß­teil Schüch­tern­heit: ich hat­te ein biss­chen Angst vor den jun­gen Mäd­chen. So si­cher ich tat, ich wäre maß­los ver­le­gen ge­wor­den, hät­te eine in mei­nem Arm ge­le­gen. Kurz und gut, ich war an die­sem Mor­gen noch das, was ich schon durch drei­und­zwan­zig Jah­re ge­we­sen war: ein ech­tes Mut­ter­söhn­chen.

Ich glaub­te, Ma­de­lei­nes Küs­se noch auf mei­nen Lip­pen zu spü­ren, und in die­ser Stim­mung be­hag­te mir we­der das Ge­schwätz des Gast­wirts, noch ge­fie­len mir die vie­len Flie­gen in sei­ner Gast­stu­be. Wie­der stieg ich auf mei­nen Alex und ritt von neu­em los. Wo­hin aber? Für Stral­sund war es noch viel zu früh, mein Ge­spräch mit dem schwe­di­schen Käp­t’n dort war in zehn Mi­nu­ten ab­ge­tan, und im Ho­tel »Hal­ber Mond« wür­de ich heu­te Abend noch lan­ge ge­nug sit­zen müs­sen. Eine Mit­tags­pau­se aber wür­de auch ich ma­chen müs­sen, schon des Ale­xi­us we­gen. So ritt ich denn von der Land­stra­ße ab und auf klei­nen Ne­ben­we­gen und Feldrai­nen der See zu. Stram­min ist ein herr­li­ches Gut, ich wün­sche mir kei­ne schö­ne­re Hei­mat, aber wir lie­gen ein we­nig fern von der See, mehr als zehn Ki­lo­me­ter. Wir ha­ben die Wol­ken von der See und den Wind von der See und oft die Mö­wen und den Ge­ruch der See, aber wir ha­ben ih­ren An­blick nicht. Drum seh­nen wir uns wohl nach ihr.

Nun gibt es ge­nug brei­te Wege zur See, aber eben die woll­te ich ver­mei­den. Genau hier in der Ge­gend sind die Scha­len­bergs be­gü­tert, und Bes­sy ist auch eine Scha­len­berg. Ich habe es schon ge­sagt, ich bin so halb und halb ver­lobt – und zwar mit der Bes­sy. Wir ha­ben nie ein Wort über die Sa­che ge­spro­chen, aber wir wis­sen bei­de, so ist es zwi­schen un­sern El­tern aus­ge­macht, und im Grun­de ha­ben wir auch nichts da­ge­gen. Bes­sy ist ein ganz pracht­vol­les Mä­del, groß, wei­zen­blond, schön; wenn ich et­was ge­gen sie habe, ist es das, dass sie mich im­mer eine Spur auf­zieht, sie kann mich ein­fach nicht ernst neh­men. Das ist für je­man­den, der ein­mal den Ehe­mann ab­ge­ben soll, nicht sehr an­ge­nehm.

Das ist aber auch das ein­zi­ge, was ich an Bes­sy aus­zu­set­zen habe, wir kom­men im­mer glän­zend mit­ein­an­der aus. Sie ver­steht enorm viel von Pfer­den, rei­tet fast eben­so gut wie ich, ist Jä­ge­rin – da kann ei­nem der Ge­sprächss­toff nie knapp wer­den. Von ei­ner him­mel­stür­men­den Ver­liebt­heit ist na­tür­lich zwi­schen uns nicht die Rede. Wir ken­nen uns von Kin­des­bei­nen an, wie man so sagt. Da­mals ha­ben wir uns ge­gen­sei­tig an den Haa­ren ge­ris­sen, und ein­mal habe ich sie auch ins Was­ser ge­sto­ßen, sie aber gleich wie­der ’r­aus­ge­holt. Heu­te sind wir die bes­ten Ka­me­ra­den, al­les an­de­re wür­de sich in der Ehe schon fin­den – dach­te ich da­mals. Wir ha­ben uns so eine Art dal­b­ri­ge Spra­che mit­ein­an­der zu­recht­ge­macht, die uns über jede Ver­le­gen­heit fort­hilft: ver­lobt und doch nicht rich­tig ver­lobt und vor al­len Din­gen nicht ver­liebt, nichts von Hän­de­drücken und Küs­sen – ihr ver­steht mich schon. Da hilft so ein biss­chen Dal­b­rig­keit über die stil­len Mi­nu­ten fort.

Nun, über den Grund und Bo­den die­ser Scha­len­bergs ritt ich jetzt see­wärts und hat­te nicht den ge­rings­ten Wunsch, mei­ne so­ge­nann­te Braut Bes­sy zu se­hen. Ich hat­te nicht etwa ein schlech­tes Ge­wis­sen we­gen der drei oder vier Küs­se der Ma­de­lei­ne, ganz im Ge­gen­teil, mit die­sen Küs­sen hat­te sie mich ei­gent­lich über­zeugt, dass man küs­sen kann, ohne un­treu zu sein. Son­dern ich woll­te ein­fach al­lein sein. Ich woll­te al­lein sein und die See an­schau­en. Wenn man noch jung ist, hat man sol­che Wün­sche, spä­ter ist man sich selbst meist zur Last. Spä­ter kennt man sich selbst nur zu gut. Aber da­mals hat­te ich noch kei­ne Ah­nung von mir und fand mich hoch­in­ter­essant.

Nun, ich kam an die See, die hier na­tür­lich nur »Bod­den« heißt, gut zwei Ki­lo­me­ter ab hat­te ich vor der Nase die gelb­grü­ne Küs­te Rü­gens. Ich hing dem Alex den Fut­ter­beu­tel um, mach­te ihn mit lan­gem Tren­sen­zü­gel an ei­nem Bir­ken­bäum­chen fest und warf mich selbst ins Gras. Zu es­sen hat­te ich kei­ne Lust. Ich lausch­te auf den See­wind, ich hör­te auf das Plät­schern der Wel­len, manch­mal schri­en die Mö­wen, dann schnaub­te wie­der Alex.

»Ja­wohl, Ale­xi­us«, ant­wor­te­te ich ihm. »Hier sind wir in Son­ne und Wind und ha­ben nichts aus­zu­ste­hen. Ich fin­de, wir ha­ben es ver­dammt gut auf die­ser schö­nen Erde.«

Aber das war nur so ein all­ge­mei­nes Ge­re­de, ich war eben ein­fach glück­lich. An was Be­son­de­res habe ich nicht ge­dacht, we­der an Küs­se noch an Wei­zen noch an sonst was. Ein­fach ani­ma­lisch glück­lich.

Nach ei­ner Wei­le hat­te ich aber dann doch kei­ne Ruhe mehr, so ge­dan­ken­los da­zu­lie­gen. Ich kram­te in mei­nen Ta­schen her­um und such­te mei­ne Mund­har­mo­ni­ka her­vor. Von Mu­sik ver­ste­he ich, wohl­ge­merkt, gar nichts, und was man gar klas­si­sche Mu­sik nennt, die ödet mich zum Ster­ben an. Aber mei­ne Mund­har­mo­ni­ka lie­be ich über al­les, und ich ex­er­zie­re im­mer auf ihr, wenn ich mich wohl füh­le. Na­tür­lich su­che ich dazu die stills­ten Plät­ze aus, denn es wäre wohl ein we­nig lä­cher­lich, wenn be­kannt wür­de, dass der Jung­herr von Stram­min auf der Har­mo­ni­ka flö­tet wie der kleins­te Pfer­de­jun­ge. Aber hier war ich schön al­lein für mich; der Alex war sol­che Vor­füh­run­gen schon ge­wöhnt, sie stör­ten ihn nicht, er fraß ru­hig wei­ter.

Ich ge­riet gleich in ei­nes mei­ner da­ma­li­gen Lieb­lings­lie­der. Ich hat­te es ei­nem Leut­nant ab­ge­lauscht, der es sehr vir­tu­os zur Zupf­gei­ge ei­nem Kreis von jun­gen Da­men vor­ge­träl­lert hat­te: das Lied von dem ent­lau­fe­nen Ha­sen mit den vie­len La­ri­dah. Ei­gent­lich ist es jam­mer­scha­de, dass der Mund­har­mo­ni­ka­spie­ler nicht auch zu sei­nem ei­ge­nen Spiel sin­gen kann, aber ich hat­te mich schon an die­sen Nach­teil mei­nes In­stru­men­tes ge­wöhnt und sang in­ner­lich je­den Vers ge­fühl­voll mit. Ich war ge­ra­de bei je­ner Stro­phe, die da heißt:


Also, Her­ze, sei zu­frie­den,
La­ri­dah!
Vie­le Ha­sen gib­t’s hie­nie­den,
La­ri­dah!
Ist der eine dir ent­lau­fen,
La­ri­dah!
Kannst du einen an­de­ren kau­fen.
La­ri­dah!

Da ra­schel­te es hin­ter mir im Gra­se, Alex tat einen Schno­ber, ich sprang auf, und Bes­sy stand vor mir.

»Habe ich Euer Lieb­den in Dero Ge­füh­len ge­stört?« frag­te sie la­chend und amü­sier­te sich schon wie­der über mei­ne Ver­le­gen­heit und die Hast, mit der ich mei­ne Har­mo­ni­ka zu ver­ste­cken such­te, wo doch je­des Ver­ste­cken längst un­nütz ge­wor­den war. »Wel­cher Hase ist Euch denn ent­lau­fen, Erb­prinz? Oder wa­ret Ihr schon wie­der bei ei­nem neu­en An­kauf?« Und sie träl­ler­te ge­fühl­voll:


»Ei­nen schö­nen, wei­chen, wei­ßen,
La­ri­dah!
Mucki-Nucki soll er hei­ßen,
La­ri­dah!«

»Oh, höre auf, Bes­sy«, bat ich. »Wo in al­ler Welt kommst du über­haupt her? Ich fin­de es ge­mein von dir, mich so zu über­ra­schen.«

Sie be­trach­te­te mei­ne Ver­wir­rung mit et­was Nach­denk­lich­keit. »Also hat der Erb­prinz von Stram­min wirk­lich an einen an­de­ren Ha­sen ge­dacht. Lutz, Lutz, du ent­wi­ckelst dich. Aus Kna­ben wer­den Män­ner.« Und sie setz­te sich ins Gras.

Ich setz­te mich ne­ben sie. »Re­den Dero Lieb­den bloß kei­nen Un­sinn«, sag­te ich, noch im­mer ver­wirrt. »Ich habe über­haupt an kei­nen Ha­sen ge­dacht. We­der an ent­lau­fe­ne noch an neue.«

»Ko­misch«, sag­te die Bes­sy. »Wirk­lich ko­misch. Da rei­tet der hohe Herr fünf­zehn Ki­lo­me­ter über Land, setzt sich aus­ge­rech­net auf den Grund und Bo­den ei­ner ge­wis­sen Prin­zes­sin hin, spielt ein ge­fühl­vol­les Lied und be­haup­tet, we­der an die Prin­zes­sin noch an an­de­re Häs­chen ge­dacht zu ha­ben. Wenn das nicht ko­misch ist!«

»Und doch ist es die rei­ne Wahr­heit«, wi­der­sprach ich eif­rig. »Ich bin näm­lich nicht ex­tra hier­her­ge­rit­ten, son­dern ich be­glei­te un­se­re Wa­gen, die mit Wei­zen nach Stral­sund fah­ren.«

Bes­sy setz­te sich auf. »Wollt Ihr etwa Eu­ren Wei­zen an den al­ten Schwe­den Ole Pe­der­sen ver­kau­fen?« frag­te sie ge­spannt.

»Es soll ei­gent­lich ein Ge­heim­nis sein«, ant­wor­te­te ich, »aber Dero Lieb­den dür­fen es schon wis­sen; wir sind des­sen wil­lens.«

»Dann will ich dir was sa­gen, Lutz, der Alte wird dich be­stimmt be­gau­nern.«

Ich warf mich ver­dros­sen zu­rück ins Gras. »Hör auf, Bes­sy. Die­se Li­ta­nei höre ich nun schon alle Tage. Und über­haupt, was weißt du da­von?«

»Ge­nug, Erb­prinz, mehr als ge­nug. Weil wir ihm näm­lich vor­ges­tern sechs­hun­dert Zent­ner ge­lie­fert ha­ben und weil Dero er­ge­bens­te Die­ne­rin mit dem al­ten Schwe­den in sei­ner Ka­jü­te ge­ses­sen und sü­ßen Schwe­den­punsch ge­süf­felt hat.«

»Bes­sy!« rief ich, setz­te mich auf und starr­te sie an. »Es ist doch nicht die Mög­lich­keit! Und er hat dich be­gau­nert?«

»I wo!« lach­te sie. »Ich habe un­ser Geld auf Hel­ler und Pfen­nig be­kom­men, wir wa­ren aber auch die Leim­ru­te, mit der er euch an­de­re kö­dern will. Und, ganz un­ter uns ge­sagt, Lutz, der Alte mit sei­nen Sil­be­rohr­rin­gen in den mä­ßig ge­wa­sche­nen Ohren ist recht emp­fäng­lich für Mäd­chen­la­chen oder wei­ße Mäd­chen­ar­me. Vi­el­leicht zahl­te er dar­um so wil­lig.«

Ich fühl­te, wie mir das Blut zu Kopf stieg. »Bes­sy –!« rief ich. Aber dann lach­te ich. »Auch du singst heu­te eine an­de­re Wei­se als sonst, Scha­len­ber­ge­rin. Dein Va­ter oder dein Bru­der wür­de es nie zu­ge­las­sen ha­ben …«

»Es gab aber kei­nen Va­ter oder Bru­der, ich war ganz al­lein. Glaubst du, dass man ei­ner Bes­sy von Scha­len­berg nicht an­ver­trau­en kann, was man ei­nem Lutz von Stram­min zu­traut? Oder hast du eu­ern al­ten Hoff­mann da­bei?«

Ich fühl­te, un­se­re Un­ter­hal­tung ge­riet stark auf ein ge­fähr­li­ches Gleis, aber nun gab es schon kein Zu­rück mehr. »Und wenn dies auch al­les so ist, Bes­sy«, sag­te ich hit­zig, »so wer­de ich doch nie glau­ben, dass du mit ei­nem al­ten, schmie­ri­gen Se­gel­schiff­ka­pi­tän al­lein in sei­ne Ka­jü­te ge­stie­gen bist, mit ihm ge­trun­ken hast und die­se Arme …« Ich fass­te sie und emp­fand trotz mei­nes Zor­nes flüch­tig, wie schön, kühl und le­ben­dig sie sich an­fass­ten –, »und dass du die­se Arme um sei­nen Hals ge­legt hast, bloß um ein paar Mark mehr her­aus­zu­schin­den.«

»Und wenn ich es ge­tan hät­te?« frag­te Bes­sy sanft (ich hielt noch im­mer ih­ren Arm), »wür­de es Euer Lieb­den Kum­mer ma­chen? Wür­de es Euer Lieb­den auch nur et­was an­ge­hen?«

Sie sah mich sehr ernst an, und ich hat­te stär­ker denn je das Ge­fühl, dass sie mit mir Kat­ze und Maus spiel­te. »We­gen Geld, Bes­sy!« rief ich mah­nend. »Be­den­ke wohl, we­gen ein paar schmie­ri­ger Ta­ler!«

»Ja­wohl«, ant­wor­te­te sie arg­lis­tig. »We­gen ein paar schmie­ri­ger Ta­ler. Vi­el­leicht aber auch dar­um, weil es mir Spaß mach­te, einen al­ten Gau­ner zu be­gau­nern.«

»Und dar­um hast du dei­nen Arm um sei­nen Na­cken ge­legt, Bes­sy?«

»Da­rum! Und viel­leicht habe ich dar­um so­gar noch mehr ge­tan, viel­leicht habe ich ihm dar­um so­gar noch einen Kuss ge­ge­ben. – Oh, nur einen Kuss auf die Ba­cke!« rief sie ei­lig.

Aber ich hat­te ih­ren Arm schon so has­tig von mir ge­sto­ßen, als sei er eine gif­ti­ge Schlan­ge. »Ich dan­ke Ih­nen, mein Fräu­lein!« rief ich. »Sie brau­chen mir nicht wei­ter zu er­zäh­len. Dies ist ge­nug!« Ich schüt­tel­te die Hän­de und sah sie in maß­lo­ser Wut an. »Aber ver­stehst du gar nicht …?« rief ich wie­der. »Nein, ich sehe, Sie ver­ste­hen nichts! Aber dies ist wahr­haf­tig ge­nug!« Ein an­de­rer Ge­dan­ke über­kam mich. Ich muss­te la­chen. »Weiß Gott, es trifft sich aus­ge­zeich­net, dass mich heu­te am frü­hen Mor­gen schon ein schö­nes Mäd­chen ab­ge­küsst hat. So bin doch we­nigs­tens nicht ich der Be­tro­ge­ne!«

Da­mit ließ ich sie ste­hen, wo sie stand, und wand­te mich mei­nem Alex zu. Aber ich war erst da­bei, ihm sei­nen Fut­ter­beu­tel ab­zu­neh­men, als sie mich an der Schul­ter be­rühr­te. »Lutz, was du eben ge­sagt hast, das war doch ge­lo­gen?«

»Es war so we­nig ge­lo­gen wie dei­ne Ge­schich­te von dem Ole Pe­der­sen«, ant­wor­te­te ich und wech­sel­te die Tren­se mit der Kan­da­re aus.

Sie starr­te mich nach­denk­lich an. »Ich glau­be es nicht. Alle wis­sen, dass du mir be­stimmt bist, und kei­ne wür­de es wa­gen …«

»Wa­gen?« frag­te ich und dreh­te mich scharf nach ihr um. »Es ist also ein Wa­g­nis, mich zu küs­sen? Für Fräu­lein Bes­sy aber ist es kein Wa­g­nis, einen al­ten, schmie­ri­gen Schiffs­ka­pi­tän ab­zu­küs­sen?«

»Ach, hör auf mit dem Un­sinn!« rief sie und stampf­te zor­nig mit dem Fuße auf. »Ich will wis­sen, wer dich ge­küsst hat!« Sie sah mich prü­fend an, ich fühl­te, wie ich rot wur­de un­ter ih­rem Blick, als kön­ne sie mei­ne Ge­dan­ken er­ra­ten. Und wirk­lich, sie rief: »Die Thi­baut! Die klei­ne Kat­ze mit ih­ren Schlitzau­gen und dem gal­li­gen Teint. Siehst du, jetzt habe ich dich er­wi­scht. Ich habe es schon im­mer ge­se­hen, wie sie um dich ’r­um­ge­tän­zelt und -ge­schwän­zelt ist, aber ich dach­te, du wä­rest zu dumm. Hast du es also end­lich doch ge­merkt?«

Mei­ne Wan­gen brann­ten vor Scham. Ich rich­te­te mich steif auf. »Ers­tens möch­te ich dich dar­auf auf­merk­sam ma­chen, dass man sehr wohl eine küs­sen, ei­ner an­de­ren aber im Her­zen treu sein kann …«

Sie rief spöt­tisch: »Oh, welch eine Weis­heit aus dem Mun­de Eu­rer Lieb­den! Es ist mir ge­nau, als hör­te ich die klei­ne, falsche Kat­ze mi­au­en.«

»Und dann«, fuhr ich un­be­irr­bar fort, »ver­gisst du ganz, dass du schon vor­ges­tern we­gen Geld, wohl­ge­merkt, we­gen Geld einen al­ten Ka­pi­tän ab­ge­küsst hast und dass seit­dem al­les zwi­schen uns zu Ende ist. Seit­dem geht es dich gar nichts mehr an, wen ich küs­se.«

Ich setz­te einen Fuß in den Bü­gel und schwang mich in den Sat­tel.

»Wann es zwi­schen uns zu Ende ist, das wer­de ich dir schon recht­zei­tig sa­gen«, rief Bes­sy und warf den Kopf zu­rück. »Das aber ver­spre­che ich dir, ich wer­de heu­te Nach­mit­tag dein Fräu­lein Thi­baut be­su­chen und wer­de ihr sehr gründ­lich bei­brin­gen, was ich über die­se Küs­se­rei den­ke.«

Ich hat­te schon rei­ten wol­len, aber nun hielt mich der Schreck an. »Bes­sy«, sag­te ich, »das wirst du nicht tun. Ich schwö­re dir, Ma­de­lei­ne – Fräu­lein Thi­baut ist ganz un­schul­dig. Ich, ich habe ihr ein paar Küs­se ge­stoh­len, ganz ge­gen ih­ren Wil­len.«

Sie lach­te. »Ich hof­fe, die­se Küs­se sind ge­schick­ter aus­ge­fal­len als dei­ne Lü­gen, Lutz, sonst ist die Thi­baut be­stimmt nicht auf ihre Kos­ten ge­kom­men. Und nun rei­te zu, und küm­me­re dich um dei­nen Wei­zen. Ich wer­de mich schon um dei­ne an­de­ren An­ge­le­gen­hei­ten küm­mern.«

Sie hat­te dem Alex einen Schlag ver­setzt, ich zü­gel­te ihn aber noch ein­mal und sag­te bit­tend: »Bes­sy, willst du die­sen Be­such bei Fräu­lein Thi­baut nicht noch um einen Tag ver­schie­ben? Lass es uns mor­gen noch ein­mal hier an die­ser Stel­le be­spre­chen – mit käl­te­rem Blu­te.«

»Nichts da, mein Freund!« rief Bes­sy. »Ich will die Kat­ze mei­ne Maus fan­gen leh­ren!«

»Es ist also aus mit uns«, sag­te ich und ritt ab, Wut und Verzweif­lung im Her­zen.

Am liebs­ten hät­te ich kehrt­ge­macht und wäre in ei­nem ge­streck­ten Ga­lopp heim nach Stram­min ge­rit­ten, die klei­ne Ma­de­lei­ne auf die­sen Be­such vor­zu­be­rei­ten. Aber konn­te ich mei­nen Wei­zen im Stich las­sen? Und was hät­te ich schließ­lich in Stram­min aus­rich­ten kön­nen? Die Ma­de­lei­ne konn­te sich ein-, viel­leicht so­gar zwei­mal vor der Bes­sy ver­ste­cken, aber das wür­de die Bes­sy nie ent­mu­ti­gen. Und selbst wenn ich mir vor­stell­te, ich wür­de als ge­treu­er Rit­ter die Un­schuld Ma­de­lei­nes an ih­rer Sei­te ge­gen Bes­sys Ver­dacht ver­tei­di­gen – ich hat­te eben schon eine recht trau­ri­ge Fi­gur ab­ge­ge­ben, ich war mir gar nicht si­cher, dass ich bei ei­nem zwei­ten Kampf bes­ser ab­schnei­den wür­de. Schließ­lich war die Ma­de­lei­ne auch kein heu­ri­ger Hase und wür­de sich ih­rer Haut schon weh­ren. Nicht um­sonst hat­te sie dies Züng­lein.

Aber die Bes­sy! Die Bes­sy war viel wich­ti­ger, die­se mei­ne so­ge­nann­te Braut, mit der nun al­les zu Ende sein soll­te, was sie aber nicht wahr­ha­ben woll­te. Ich muss ge­ste­hen, die Scham­lo­sig­keit, mit der sie ihr Ver­ge­hen mit dem al­ten Käp­t’n als völ­lig ne­ben­säch­lich be­han­del­te, mach­te sie mir ganz ab­scheu­lich. Aber dann ge­fiel sie mir in an­de­rer Hin­sicht ei­gent­lich zehn­mal bes­ser als frü­her. In un­se­re küh­len Be­zie­hun­gen war ein Wir­bel­wind ge­fah­ren, ich hat­te die ver­trau­te Ju­gend­ge­fähr­tin mit ganz an­de­ren Au­gen als frü­her an­ge­se­hen. Frei­lich, der Him­mel soll­te mich vor solch ei­nem Ehe­weib be­wah­ren, die mich schon jetzt völ­lig als ihr Ei­gen­tum an­sah. Zu Ende war es mit uns, und nach­dem sich der Sturm in mei­nem In­nern erst et­was ge­legt hat­te, kam ich ganz von selbst dazu, den Vers aus dem Ha­sen­lied vor mich hin zu sum­men:


»Ach, mein Schatz ist durch­ge­gan­gen,
La­ri­dah!
Erst wollt ich ihn wie­der­fan­gen,
La­ri­dah!
Doch dann hab ich mich be­son­nen,
La­ri­dah!
Manch Ver­lo­ren ist Ge­won­nen,
La­ri­dah!«

Un­ter sol­chen Ge­dan­ken war ich längst wie­der auf die große Land­stra­ße nach Stral­sund ge­langt und hat­te mich schon bei dem und je­nem am Wege Ar­bei­ten­den nach mei­nen Wei­zen­fuhr­wer­ken er­kun­digt. Sie wa­ren aber noch nicht vor­bei­ge­kom­men. Ei­gent­lich hät­te mich das be­denk­lich ma­chen müs­sen, denn der Nach­mit­tag war schon ziem­lich vor­ge­rückt. Aber in mei­ner au­gen­blick­li­chen Stim­mung lag es mir nicht sehr, viel über die­se Fuhr­wer­ke nach­zu­den­ken: ich hat­te mit mir selbst ge­nug zu tun. Ich sag­te mir nur, dass bei ei­ner sol­chen wei­ten Über­land­fuh­re im­mer et­was vor­kommt: Eine Deich­sel bricht, ein Rei­fen läuft vom Rade, oder sie hat­ten ein­fach zu lan­ge Mit­tags­pau­se ge­macht.

Da­mit war ich der Wahr­heit ziem­lich na­he­ge­kom­men, und nun hät­te ich ei­gent­lich an den von mir ge­spen­de­ten Stral­sun­der Korn den­ken müs­sen. Ich tat es aber nicht, weil ich näm­lich ge­ra­de an den Käp­t’n Ole Pe­der­sen dach­te. Ich ließ den Alex ra­scher aus­grei­fen; ich war plötz­lich ganz be­gie­rig dar­auf, dem Schif­fer in sei­ner Ka­jü­te ge­gen­über­zu­sit­zen und ihm mei­ne Mei­nung über jun­ge Mäd­chen, wei­ße Arme und alte Män­ner zu sa­gen.

Ich war schon gar nicht mehr weit von Stral­sund ab, höchs­tens sechs, sie­ben Ki­lo­me­ter, und sah schon die Tür­me der eh­ren­fes­ten, gu­ten Stadt: Ni­ko­lai, Ma­ri­en und Ja­ko­bi, da zü­gel­te ich den Alex. Denn mir ent­ge­gen kam am Stra­ßen­rand ein Männ­lein mit ei­ner Ak­ten­ta­sche ge­wan­delt oder, rich­ti­ger, ge­hum­pelt, näm­lich der Ge­hei­me Jus­tiz­rat, Rechts­an­walt und No­tar, Herr Gum­pel.

Der Herr Gum­pel ist mir seit mei­nen Kin­der­ta­gen eine wohl­ver­trau­te Fi­gur. Er ist näm­lich der Be­ra­ter al­ler Fa­mi­li­en und Höfe um Stral­sund her­um, weit und breit, der Sch­lich­ter al­ler Strei­tig­kei­ten, der ver­schwie­ge­ne Mit­wis­ser der tiefs­ten Fa­mi­li­en­ge­heim­nis­se. Da­rum er­staun­te und be­küm­mer­te es mich, den wür­di­gen Mann hier mit wun­den Fü­ßen die Land­stra­ße ent­lang­wan­deln zu se­hen, denn jede Fa­mi­lie hät­te es sich zur Ehre ge­rech­net, Herrn Gum­pel be­lie­big vie­le Mei­len im bes­ten Kutschwa­gen spa­zie­ren­zu­fah­ren.

Ich pa­rier­te dar­um mei­nen Alex und rief er­staunt: »Ja, Sie, Herr Ge­heim­rat?! Was ma­chen Sie denn in al­ler Welt hier zu Fuß?«

Die fins­te­re Mie­ne des Ge­heim­ra­tes er­hell­te sich ein we­nig bei mei­nem An­ruf. Er setz­te die Ak­ten­ta­sche um­ständ­lich ins Gras, zog ein Ta­schen­tuch her­vor und trock­ne­te sich die Stirn. »Sieh da, sieh da«, sprach er da­bei. »Der Jung­herr von Stram­min. Das ers­te freund­li­che Ge­sicht, das mir auf die­sem un­freund­li­chen Wege be­geg­net. Wie geht es der Frau Mama? Und dem Herrn Papa? Ich dach­te ei­gent­lich, er wür­de mich vor der Ern­te noch ein­mal ru­fen.«

»Ach, de­nen geht es al­len gut, Herr Ge­heim­rat«, ant­wor­te­te ich et­was un­ge­dul­dig. »Und ich fah­re heu­te vier­hun­dert Zent­ner Wei­zen nach Stral­sund, so­dass Papa dies­mal wohl ohne Ihre Hil­fe bis zur neu­en Ern­te durch­kom­men wird. Aber was ma­chen Sie hier so mut­ter­see­len­al­lein auf der Land­stra­ße? Wer hat ver­bum­melt, Ih­nen den Wa­gen zu schi­cken?«

»Nie­mand hat es ver­bum­melt«, ant­wor­te­te der Ge­heim­rat mit erns­ter Mie­ne. »Die Wahr­heit ist – ich schlei­che hier wie ein In­dia­ner auf dem Kriegs­pfa­de. Ich will je­man­den über­ra­schen, der mich an­ge­mel­det nicht emp­fan­gen wür­de.«

»Aber wie ist das mög­lich?« rief ich und sah rat­los in die Run­de über un­ser schö­nes vor­pom­mer­sches Flach­land, aus dem sich da und dort zwi­schen Baum­grup­pen oder Parks die Gie­bel der Guts­häu­ser er­ho­ben. »Wen gibt es denn bei uns, der Sie nicht je­der­zeit gern emp­fan­gen wür­de, Herr Ge­heim­rat?« Plötz­lich aber schwieg ich stil­le, wie auf den Mund ge­schla­gen, denn mein Auge war auf ein etwa zwei Ki­lo­me­ter ent­fern­tes grauschwarz ver­wit­ter­tes Haus ge­fal­len, des­sen obers­te Fens­ter­schei­be gra­de noch über dunkle Tan­nen zu uns her­sah, fast dro­hend her­sah, schi­en es mir. »Ach so«, schloss ich ganz klein­laut.

»Se­hen Sie, Lutz«, sag­te der Ge­heim­rat. »Sie wis­sen es auch, und es ist so­gar ein On­kel von Ih­nen, ge­nau­er: ein Groß­on­kel, durch die Frau Mama näm­lich.«

»Ich weiß schon«, ant­wor­te­te ich et­was mür­risch, denn das klang fast wie ein Vor­wurf. »Der alte Herr von Las­senthin. Aber in un­serm Hau­se wird sein Name nie ge­nannt, wir le­gen kei­nen Wert auf die­se Ver­wandt­schaft, Mama schon gar nicht. Und wenn wir ihn un­ter uns nen­nen, un­ter uns jun­gen Leu­ten, so nen­nen wir ihn nur den Rau­bold.«

»Auch ich«, sag­te der Ge­heim­rat Gum­pel weh­mü­tig, »habe nie ge­dacht, dass ich die­ses Haus wie­der be­tre­ten wür­de. Aber, Lutz, mein Jun­ge, wenn man um Hil­fe ge­be­ten wird von ei­nem Schwa­chen, der sich selbst nicht hel­fen kann …«

Ich muss wohl den al­ten Herrn sehr ge­spannt an­ge­se­hen ha­ben, denn er brach sei­ne Rede so­fort ab. Es deuch­te ihn wohl, er habe schon zu viel ver­ra­ten. »Aber das sind schlim­me Ge­schich­ten, Lutz«, fuhr er fort, »von de­nen so ein jun­ger Mensch wie du am bes­ten nichts weiß, und so will ich denn wei­ter­pil­gern auf mei­nem Wege.«

»Nein, Herr Ge­heim­rat!« rief ich ent­schlos­sen, »wenn Sie so ohne Zö­gern be­reit sind, dem Schwa­chen zu hel­fen …«

»Nicht ohne Zö­gern, Lutz, son­dern nur sehr zag­haft.«

»So habe ich noch eine hal­be Stun­de Zeit, Sie bis an Ihr Ziel zu brin­gen. Mei­ne Wei­zen­fuhr­wer­ke sind noch im­mer nicht in Sicht, stei­gen Sie auf mei­nen Ale­xi­us und scho­nen Sie Ihre wun­den Füße. Er ist lamm­fromm, wenn ich ihn am Zü­gel füh­re.«

Eine Wei­le pro­tes­tier­te der alte Herr noch we­gen der Un­ge­le­gen­hei­ten, die er mir mach­te, aber wie bei vie­len war sein Fleisch schwä­cher als sein Geist, der wahr­haf­tig völ­lig furcht­los war. So saß er denn bald mit bau­meln­den Bei­nen auf mei­nem Fuch­sen, der sich ein paar­mal ver­wun­dert nach dem selt­sa­men Rei­ter­lein um­sah, aber mir wil­lig ge­nug am Zü­gel ging.

Je nä­her wir ka­men, umso mehr ver­sank Ücke­litz (so heißt der Be­sitz des al­ten Herrn von Las­senthin) zwi­schen den schwar­zen Tan­nen. Kei­ne Fens­ter mehr blick­ten zu uns her­über. Umso mehr dach­te ich an den al­ten Herrn, den ich nur drei- bis vier­mal in mei­nem Le­ben ge­se­hen hat­te, an den ich mich aber sehr gut er­in­ner­te als einen schwe­ren, großen Mann mit ei­nem rot­brau­nen Ge­sicht, ei­nem weiß­zot­ti­gen Bart, ganz kah­lem Schä­del und schar­fen, hel­len, sehr klei­nen Au­gen un­ter bors­ti­gen wei­ßen Au­gen­brau­en. Er war ein wirk­li­cher Kin­der­schreck, ein wah­rer »Rau­bold«, und so hat­te er sich auch im­mer be­nom­men. Mit al­len Nach­barn hat­te er Streit an­ge­fan­gen, im­mer hat­te er Pro­zes­se ge­führt, auf den ei­ge­nen Vor­teil aufs kleins­te be­dacht. Nie aber hat­te er an die Rech­te der an­de­ren ge­dacht, mit wah­rer Freu­de hat­te er auf Feld und Flur der an­de­ren ge­jagt, ge­wil­dert muss man schon sa­gen, und traf ihn etwa der Jagd­herr, so hat­te es ihm nichts aus­ge­macht, den auch noch zu ver­prü­geln. Das hat­te vie­le schlim­me Ge­schich­ten ge­ge­ben, die nicht alle hat­ten ver­tuscht wer­den kön­nen, so ge­schickt der Ge­heim­rat Gum­pel auch war.

In den letz­ten Jah­ren war es stil­ler ge­wor­den um den Rau­bold, kein Mensch hat­te mehr et­was mit ihm zu tun ha­ben wol­len, er hat­te ein­sam und schon halb ver­ges­sen, ein bö­ser Men­schen­feind, in sei­nem Ücke­litz ge­haust. Dann war noch ein­mal ein großes Ge­re­de ge­kom­men, aber die­ses Mal nicht über den Va­ter, son­dern über den Sohn. Denn einen Sohn hat­te der alte Herr von Las­senthin, wenn auch schon längst kei­ne Frau mehr. Den Sohn, mei­nen On­kel also, aber kei­ne zehn Jah­re äl­ter als ich, den Gre­gor von Las­senthin, kann­te ich bes­ser, und ich konn­te ihn viel­leicht noch we­ni­ger aus­ste­hen als den Va­ter. Der Alte war doch we­nigs­tens ein Kerl, wenn auch ein un­an­ge­neh­mer, der Sohn aber war so ein rich­ti­ger Schön­ling, ein Frau­en­mann, wei­bisch, künst­lich. Er kam sel­ten ge­nug zu uns her­auf nach Vor­pom­mern, meist leb­te er in Ita­li­en oder in Mün­chen, und man­che be­haup­te­ten auch, er sei ein rich­ti­ger Kunst­ma­ler in Öl. Ich habe aber nie ein Bild von ihm zu se­hen be­kom­men, und wenn er bei uns war, tat er nichts an­de­res als zwi­schen Wei­ber­rö­cken her­um­zu­ho­cken und Lie­der zur Lau­te zu sin­gen und al­len Mäd­chen die Köp­fe zu ver­dre­hen. Ein­fach ein Hor­ror, die­ser Kerl!

Dass es zwi­schen ei­nem sol­chen Va­ter und ei­nem sol­chen Sohn nie gut ge­hen konn­te, war klar, und Gre­gor war im Jahr auch höchs­tens vier Wo­chen auf Ücke­litz, wahr­schein­lich ge­ra­de die Zeit, die not war, dem Va­ter das Geld für ein wei­te­res Jahr Lie­der- und Lu­der­le­ben ab­zu­ja­gen. In der letz­ten Zeit aber soll es zu ei­nem völ­li­gen Bruch zwi­schen den bei­den ge­kom­men sein, denn Gre­gor war, wie das Ge­re­de er­zähl­te, ehr­los mit der jun­gen Frau ei­nes an­de­ren durch­ge­gan­gen. Der hat­te ihn ge­stellt, aber Gre­gor war fei­ge ge­knif­fen und hat­te sich bei sei­nem Va­ter ver­ste­cken wol­len. Ehr­los war der Alte nie ge­we­sen, er hat­te den Sohn vor die Pis­to­le des an­de­ren zwin­gen wol­len, war dann aber schließ­lich für ihn ein­ge­tre­ten und hat­te den Sohn für im­mer fort­ge­jagt …

Was an all die­sen Ge­schich­ten wahr und er­fun­den war, das wuss­te wohl au­ßer den zu­nächst Be­tei­lig­ten nur der alte Ge­heim­rat da auf mei­nem Alex, und dass der mir nichts er­zäh­len wür­de, stand fest. Im Grun­de war es mir auch ganz egal, die­se so­ge­nann­ten Wei­ber­ge­schich­ten sind mir im­mer ekel­haft ge­we­sen, und ich habe den Gre­gor schon des­we­gen nie aus­ste­hen kön­nen, weil er, der mit den Frau­en so schmei­chel­te und ga­lant tat, in Her­ren­ge­sell­schaft beim Wein stets die schmut­zigs­ten Ge­schich­ten er­zähl­te. Rein um un­sern stil­len Weg et­was zu be­le­ben, frag­te ich aus mei­nen Ge­dan­ken her­aus plötz­lich den al­ten Ge­heim­rat: »Was macht ei­gent­lich der Gre­gor? Ist er jetzt auf Ücke­litz oder treibt er sich wie­der in der Welt um­her?«

Mei­ne un­er­war­te­te Fra­ge warf den al­ten Rat fast aus dem Sat­tel. »O Gott!« rief er. »Nun fragst du mich auch noch nach dem Un­glücks­men­schen, Lutz, und ich grü­bel­te die gan­ze Zeit dar­über, wie ich zu ihm kom­me, ohne dass der Alte es merkt!«

»So ist der Gre­gor also auf Ücke­litz?« frag­te ich wei­ter. »Die Leu­te er­zäh­len doch …«

»Glau­be du den Leu­ten und ih­ren Er­zäh­lun­gen nie ein Wort«, sag­te Herr Gum­pel streng. »Es ist al­les ganz, ganz an­ders.« Er schüt­tel­te trau­rig den Kopf und sah mir prü­fend von oben her ins Ge­sicht. »Du hast so ein gu­tes, of­fe­nes Ge­sicht, Lutz«, fuhr er fort, »und ich möch­te dich um nichts in der Welt in die­se schlim­me Ge­schich­te hin­ein­zie­hen. Ich dürf­te ja nie wie­der dei­ner Frau Mama die Hand ge­ben. Und doch grü­bele ich schon die gan­ze Zeit, ob ich dich nicht um einen klei­nen Dienst bit­ten kann.«

»Und was wäre das für ein Dienst?« frag­te ich, et­was neu­gie­rig und et­was un­ge­dul­dig.

»Sieh ein­mal, Lutz, mein Jun­ge«, sag­te der Ge­heim­rat vor­sich­tig. »Ich habe es dir ja schon ge­sagt, ich muss den Sohn spre­chen, ohne dass der Va­ter es merkt – in ei­ner ge­rech­ten Sa­che, wohl­ver­stan­den. Wür­dest du es nun für mög­lich hal­ten, dass du mir vor­aus­rit­test und dich bei dem al­ten Rau­bold – Gott sei’s ge­klagt – mel­den ließest und ihn nur etwa eine Vier­tel­stun­de im Ge­spräch fest­hiel­test? Schließ­lich bist du doch sein Nef­fe, sein Groß­nef­fe, will ich sa­gen.«

»Ich kann ver­dammt schlecht lü­gen, Herr Ge­heim­rat«, mein­te ich be­denk­lich. »Was soll ich denn für einen Vor­wand ha­ben?«

»Ach, ir­gend­ei­nen. Dass dein Pferd lahmt oder dass dir schlecht ge­wor­den ist.«

»Das wür­de er mir bei­des nicht glau­ben. Aber ich könn­te ihn ei­gent­lich we­gen der Wei­zen­lie­fe­rung an Ole Pe­der­sen um Rat fra­gen. Nur, Herr Ge­heim­rat, ich möch­te wirk­lich nicht gern was für Gre­gor ge­gen den Al­ten tun. Ich kann den Gre­gor noch we­ni­ger aus­ste­hen als den Al­ten.«

»Aber ich habe dir doch ge­sagt« – der Ge­heim­rat war jetzt end­gül­tig bei dem ge­wohn­ten »Du« an­ge­langt, das er nur Ma­mas we­gen im­mer wie­der zu ver­bes­sern such­te –, »ich habe dir doch ge­sagt, dass du für einen Schwa­chen kämp­fen sollst.«

»Ach«, sag­te ich in mei­nem Ju­gend­stolz, »für die­ses weg­ge­lau­fe­ne Frau­en­zim­mer?«

»Still! Still!« rief der Ge­heim­rat fest, sah sich nach al­len Sei­ten um und leg­te den Fin­ger auf den Mund. »Du weißt nicht, was du re­dest. Du hast auf Ge­schwätz ge­hört, und das soll­te ein Ehren­mann nie tun. Also willst du mir hel­fen oder willst du nicht?«

Mei­ne Hei­mat Vor­pom­mern ist ein schö­nes Land, das ich über al­les lie­be. Aber es ist kein ge­heim­nis­vol­les Land; so wie es of­fen und plan da­liegt, ent­behrt es der Über­ra­schun­gen und Aben­teu­er. Ich war jung, hier wink­ten ein Aben­teu­er, eine ver­läs­ter­te Frau, ein schwäch­li­cher Ver­füh­rer, ein kau­zi­ger Al­ter. Ich über­leg­te kei­ne Mi­nu­te, da sag­te ich schon: »Ich will, Herr Ge­heim­rat.«

»Ich dan­ke dir, Lutz, mein Jun­ge«, sag­te der alte Herr und schüt­tel­te mir die Hand. »Du soll­test mir auch nur in die­ser einen klei­nen Sa­che hel­fen. Der Him­mel ver­hü­te es, dass dei­ne Mut­ter mir ein­mal Vor­wür­fe macht.«

»Nun, Herr Ge­heim­rat, ei­nes müs­sen Sie mir schon au­ßer­dem noch er­lau­ben, dass ich näm­lich hin­ter­her mit mei­nem Alex auf Sie war­te und Sie wie­der heil nach Stral­sund brin­ge.«

Man sieht, den Wei­zen und den Käp­t’n Ole Pe­der­sen, die Brie­fe der klei­nen Ma­de­lei­ne und die zor­ni­ge Bes­sy hat­te ich schon voll­kom­men ver­ges­sen, so tief steck­te ich be­reits in mei­nem neu­en Aben­teu­er. Ich war da­mals eben wirk­lich nicht mehr als drei­und­zwan­zig Jah­re alt, nein, kaum so­viel. Wir ent­war­fen nun noch un­sern Schlacht­plan, der ein­fach ge­nug war: Ich soll­te of­fen auf den Hof rei­ten und mich beim Al­ten mel­den las­sen, wäh­rend der Ge­heim­rat Gum­pel in­des von der Gar­ten­sei­te her ins Schloss und beim Gre­gor ein­drin­gen wür­de.

Ich saß wie­der auf, und wir schüt­tel­ten ein­an­der noch ein­mal die Hän­de. »Hals- und Bein­bruch, Lutz«, sag­te der alte Herr fast ge­rührt. »Und wenn et­was doch schief­geht, den­ke zu­erst an dei­ne Frau Mama und an dich. Ich bin ein al­ter ju­ris­ti­scher Fuchs und la­vie­re mich auch aus den schwie­rigs­ten La­gen.«

Ein we­nig bäng­lich ritt ich nun doch auf den großen Hof, der selbst an die­sem schö­nen Ju­ni­tag fins­ter und öde dalag. Die Hufe mei­nes Alex klap­per­ten über die Pflas­ter­stei­ne, zwi­schen de­nen Gras ge­nug wuchs, aber kein Mensch ließ sich se­hen, dem ich die Zü­gel des Gauls in die Hän­de hät­te ge­ben kön­nen. Öde und grau blick­ten die Fens­ter des Her­ren­hau­ses auf mich her­ab, als leb­te kein Mensch hin­ter ih­nen. So muss­te ich schon mein ei­ge­ner Stall­bur­sche und An­mel­der sein. Ich schlang des Alex Zü­gel um die ge­brech­li­chen Res­te ei­nes Sta­ke­ten­zau­nes und stieg die Stu­fen zur Haus­tür hin­auf.

Ich war aber noch nicht auf der letz­ten, da flog die Tür auf, als hät­te ein Fuß­tritt sie ge­sprengt, und in der Öff­nung stand mein Groß­on­kel in ei­ge­ner Per­son und schrie mich an: »Mach, dass du von mei­nem Hof kommst, du Ben­gel! Ich bin für nie­man­den hier, hüt bün ick miss­kum­pa­bel!«

Da­bei sah er mich un­ter sei­nen bu­schi­gen Brau­en so zor­nig an, dass ich es ihm ohne wei­te­res glaub­te, dass er »miss­kum­pa­bel« war, was wohl nach all­ge­mei­nem Sprach­ge­brauch schlech­ter Lau­ne hei­ßen soll­te. Ich mach­te aber mei­­­­­­­­­­­­­­­­­­­