image
img1.jpg

Lutz LEOPOLD

Werner

Sein Weg zum Glück

img1.jpg

© 2018 Lutz LEOPOLD

Verlag: Morawa Lesezirkel GmbH, Wien

ISBN

Paperback: 978-3-99070-618-3
Hardcover: 978-3-99070-619-0
e-Book: 978-3-99070-620-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bertl

Svetlana

Harry

Karoline

Kurt

Kurt

Lyon

Sylvia

Basil

Holding

Pieter

Joop

Steve

Côte d' Azur

Bertl

Werner steht vor einer Auslage. Ihn interessiert nicht, was sich darin befindet. Er nimmt es kaum wahr. Seine Sehnsucht gilt, einem zwei Häuser entfernten Café. Die großen Fenster des Lokals leuchten im Dämmerlicht des Abends. Er kann nicht hineinsehen da dichte cremefarbene Vorhänge die Durchsicht behindern. Immer wieder gehen Männer, einzeln oder in Gruppen hinein. Heraus kommt während der Zeit, die Werner wartet, keiner.

„In der Innenstadt gibt’s ein Lokal, in dem treffen sich die Warmen.“ Einer der Schüler hat es einem anderen kichernd mitgeteilt. Werner lauscht, sagt er auch wo?

„Ich kenn es, es ist in der Weihburggasse. Die Männer zahlen dafür, wennst mitmachst.“

„Warst du schon mal dort?“ Neugierig aufgeregt fragt der Junge, mit den vielen Pickeln im Gesicht.

„Schon, ich hab mich aber nicht rein getraut“, gesteht verschämt der sonst so selbstsichere Bursche. Er legt Wert darauf älter zu wirken, als er ist.

„Feigling, aber es ist eh besser, wer weiß, was sie mit dir machen.“ Das pubertäre Geplänkel geht noch weiter, doch Werner hat genug gehört.

Seit über einer Stunde befindet er sich vor dem Café und traut sich ebenfalls nicht hinein. Gerade ist das Licht im Lokal eingeschaltet worden. Wie elektrisiert starrt Werner auf die vier hellen Flecke der Fenster. Einige Passanten schmunzeln schon, als sie den verstohlen herumblickenden Jungen bemerken.

Bertl, einem dicklichen älteren Mann fällt der Junge auf. Bertl beobachtet ihn. Der Junge treibt sich hier herum und will etwas. Wenn es das ist, was er vermutet, dann ist seiner Meinung nach, der Knabe viel zu jung.

„Hallo! Junger Mann!“, spricht Bertl Werner an. „Willst einen Pullover kaufen?“

„Ich? Wieso?“ Werner hat Sehnsucht nach einem reifen Mann, der ihn in die Arme nimmt. Öfter schon hat er davon geträumt. Der Glatzkopf, der ihn da anspricht, entspricht allerdings nicht seinem Traumbild.

„Na, du schaust im Fenster die Pullover an.“

„Ach, ja, so, ich schaue nur.“ Werners verlangender Blick zum Caféeingang macht Bertl sicher.

„Wie alt bist du denn? Die lassen keine Kinder rein.“ Er provoziert Werner bewusst.

Werner reagiert prompt verschnupft, „Siebzehn, wie kommen Sie darauf, dass ich dort hinein will?“

Bertl schaut sich den Jungen genauer an. Er hätte ihm höchstens 15 Jahre gegeben. Er kennt Männer, die auf so einen kindlich wirkenden Buben abfahren.

„Kannst du beweisen, dass du bereits siebzehn bist?“

Werner wird rot und gibt Bertl seinen Schülerausweis. „In vierzehn Tagen habe ich Geburtstag.“

„Ein Schülerausweis? Wohin gehst du?“ Bertl steht selbst auf reifere Burschen, nicht unter zwanzig. Allerdings hat der kleine zarte Junge etwas an sich, das auch ihn reizt.

„Die Handelsakademie. Ich will Kaufmann werden und viel reisen.“ Werner blüht auf, als er von seinem Zukunftstraum spricht.

„Dann solltest du auch Fremdsprachen lernen. Unterwegs bist du ohne Englisch aufgeschmissen.“ Einen Satz den Bertl nur, um das Gespräch im Fluss zu halten, von sich gibt.

Prompt entgegnet Werner aufgeregt. „Das kann ich. Ich habe auch Französisch und Tschechisch erlernt. Es macht mir Spaß. Wenn mir fad ist, übe ich einfach Vokabeln. Ich spreche oft ein Wort in vier oder fünf Sprachen herunter.“

„Du kannst doch nur drei? Oder habe ich dich falsch verstanden?“

„Deutsch kann ich auch. Außerdem suche ich mir, nur zur Belustigung, aus den Wörterbüchern ein russisches oder niederländisches Wort heraus. Auch Italienisch, da habe ich schon mehrere Wörter beisammen. Es reicht aber noch nicht für eine Unterhaltung auf Italienisch.“

„Wie lange hast du Zeit?“ Bertl hat angebissen. Der blonde Junge ist in vieler Hinsicht ein Leckerbissen. Hübsch, jung und intelligent. Viele ausländische Vertreter suchen einen diskreten Escort. Vorsichtig will er ihn in seine Geschäfte einweihen. „Um zehn muss ich im Heim sein.“

Es ist sechs, es eilt also. Ohne Überleitung geht Bertl deshalb direkt vor. „Du bist sehr hübsch. Manche Männer sind bereit dich zu verwöhnen, wenn du ein bisschen lieb zu ihnen bist.“

Werner zuckt zurück. Er will einen Mann kennenlernen. Er will einmal das versuchen, was ihn in der Nacht so quält. Die Spiele mit den Kameraden, die sich gegenseitig ans Geschlecht greifen, findet er eher eklig.

Das Bertl ihn so direkt darauf stößt, verwirrt ihn.

Mit dem nicht! „Was wollen Sie von mir?“, stößt er hervor.

„Ein jüngerer Freund von mir, sehr attraktiv, wartet in seiner Wohnung auf mich. Schau ihn dir an, wenn er dir gefällt, lass ich dich mit ihm alleine.“ Bertl ist ein erfahrener Zuhälter. Er kennt die Bedenken der unerfahrenen Burschen genau. Er hat genügend Routine und weiß, wie sie zu nehmen sind. Er vermittelt eine kleine Gruppe Stricher an Männer. Freier, die in der Öffentlichkeit stehen und sich nicht outen wollen. „Und wenn er nicht schön ist? Was geschieht dann?“ Werner ist hin und her gerissen. Ist dieser Freund, dass was er sucht?

„Dann trinken wir einen Tee und das war’s.“ Bertl lächelt ihn, wie ein freundlicher Onkel, an.

Werner nickt, „Muss ich wirklich nichts tun?“

Bertl grinst und telefoniert, mit für Werner unverständlichen Andeutungen, mit einem Rudi. Dann zahlt er und fährt mit Werner im Taxi nach Döbling hinaus.

Rudi, ein kräftiger Bodybuilder, empfängt sie in Shorts. Werner bestaunt den kräftigen nackten Oberkörper. Ein Mann! In Werner erwacht eine Sehnsucht. Wird mich der Kerl in die Arme nehmen?

„Grüß euch. Wen hast du mitgebracht Bertl?“ Rudi weiß es genau, Bertl hat es ihm am Telefon erzählt. Rudi liebt junge Burschen. Er ist beinahe schon pädophil. Neugierig taxiert er den Jüngling. Er schaut Werner tief in die dunklen Augen und erregt sich unübersehbar. Die dünne Short verbirgt nichts.

Auf der Terrasse der Villa hat Rudi bereits gedeckt. Wein, Süßigkeiten und Mehlspeisen, alles extra für Werner.

„Ich weiß nicht? Wein trinke ich sonst nicht.“ Zur Cremeschnitte greift er dafür sofort.

„Einen Schluck, wir wollen doch Bruderschaft trinken“, fordert Bertl ihn auf.

Werner gibt nach. Er trinkt den Schluck, wird von den beiden Männern geküsst. Während er Bertls Kuss widerwillig erträgt, wird ihm beim Kuss mit Rudi heiß. Hastig trinkt er noch einen Schluck und wird von Rudi nochmals geküsst. „Mach dich etwas frei. Es ist warm.“

Werner zieht sich bis auf die Unterhose aus. Bertl grinst und zieht sich wie versprochen zurück.

„Komm weiter, ich will dich lieb haben.“ Rudi geht voraus ins Schlafzimmer, Werner folgt ihm.

Vor dem Bett kann es Werner nicht fassen. Rudi hat die Shorts abgelegt und steht mit seiner ganzen männlichen Pracht vor ihm. Werner schluckt, um mit nervös zitternden Händen auch seine Unterhose abzustreifen. Sie sinken gemeinsam aufs Bett.

Rudi beginnt zärtlich und einfühlsam. Mit sanften Worten, Küssen und Wein bringt er Werner so weit. Rudi dringt in Werner ein. Der schreit erst auf, um dann in Jubel auszubrechen. Ein himmlisches Gefühl, ein erregendes Kribbeln. Die innigen Küsse, die feste Umarmung lassen ihn glauben im siebten Himmel zu sein.

„Ah, ja du bist herrlich“, jubelt Rudi auf, als er zum Höhepunkt kommt. Werner saugt sich mit den Lippen an seinem Hals fest und grunzt glücklich.

„Ich will bei dir bleiben“, flüstert er, als sich Rudi befreit und ruhig neben ihn legt.

Bertl steht plötzlich wieder im Raum. „Es ist spät, du musst rechtzeitig zu Hause sein. Ich habe das Taxi schon bestellt.“

Werner schreckt aus dem Halbschlaf auf, in dem er nach seinem Orgasmus gesunken ist. „Ja, danke Bertl. Es war so schön. Darf ich morgen wiederkommen?“, will er von Rudi, der ebenfalls aus dem Bett steigt, wissen.

Der verschwindet wortlos im Bad. Er hat einen Jungen entjungfert, das muss er Bertl extra bezahlen. Nun ist der Spaß für ihn abgeschlossen und vorbei.

„Du hast es gut gemacht, lass uns gehen. Der Fünfziger ist für dich.“ Bertl reicht dem sich Anziehenden den Geldschein.

Im Taxi erklärt er dem verwirrten Jungen: „Komm übermorgen an diese Adresse. Wann kannst du kommen?“ Als Werner schweigt, setzt er fort. „Rudi braucht das alle ein, zwei Wochen. Wenn er wieder nach dir verlangt, sage ich es dir. In der Zwischenzeit zeige ich dir andere Männer. Lerne sie erst alle kennen, bevor du dich für einen entscheidest.“ Werner kann sich nicht halten. Er beginnt zu weinen. Das erste Erlebnis und ein so profaner Abschluss. Das hat er sich anders vorgestellt. Bertl schweigt und setzt ihm am Tor des Heimes ab. Er kennt diese Zurückhaltung nach dem ersten Mal. Man muss dem Jungen Zeit lassen, das Erlebnis zu verarbeiten.

Sowohl im Heim als auch in der Schule kapselt sich Werner noch mehr ab. Bisher gilt er schon als Eigenbrötler und Streber. Einmal nimmt er einen Anlauf, um mit einem der wenigen Vertrauten über sein Erlebnis zu sprechen, lässt es aber verschämt bleiben.

Am vereinbarten Tag eilt Werner, nach der Schule, zur von Bertl angegebenen Adresse. Er ist neugierig. Ist der Kerl vielleicht sogar noch besser? Diesmal wird er einem durchschnittlich gut aussehenden Mann zugeführt. Kein Essen, kein Small Talk. Werner wird nach einer knappen Begrüßung gleich zum Bett geführt. Der Kerl, der ihn im Schlafrock empfängt, nennt nicht einmal seinen Namen. Zärtlich zieht er Werner aus. Er kennt alle erogenen Zonen und weiß sie zu stimulieren.

Nach seiner Befriedigung steigt der Kunde aus dem Bett. Bevor er im Bad verschwindet, wirft er Werner einen Fünfziger hin. „Danke“ Werner trägt es mit Fassung, das Geld ist wirklich angenehm. Er zieht sich an.

Der Mann kommt aus dem Bad und gibt Werner ein Kuvert. „Bertl hat mich gebeten, dir die Adresse für kommenden Freitag zu geben.“

Tagelang geht es so weiter. Neugierig eilt Werner jedes Mal zur nächsten Adresse. Wie schaut der Mann aus? Langsam begreift er auch, dass es wahrscheinlich mit jedem nicht mehr als ein Date wird. Ihm gefällt der Sex und die zärtlichen Küsse, mit denen ihn die Männer einstimmen. Nachts alleine im Heim träumt er von den vielen Küssen und vergleicht die Männer. Es beginnt, ihm Spaß zu machen.

Nach zwei Monaten bekommt er statt der Folgeadresse, eine Aufforderung. Er soll Bertl aufsuchen. Er eilt hin. Wird er mir einen Mann zum Heiraten vorstellen? Das ist sein naiver Wunsch. Mehr denn je sehnt er sich nach einem Partner, an den er sich anlehnen kann.

„Du machst es gut. Die Herren sind zufrieden. Ab sofort gebe ich dir aufs Handy die Adressen durch. Abrechnen tun wir monatlich“, befiehlt ihm Bertl.

Werner schluckt seine Hoffnung runter und nickt. Er ist einer von Bertls Strichjungen geworden. Eine Hure, die täglich einem anderen gehört. Einmal im Monat kommt er zu Bertl, um das Geld zu kassieren. Da lernt er auch einige seiner Kollegen kennen. Nach einem halben Jahr, bei einer Party, stellt er fest, dass er der Jüngste in Bertls Gruppe ist.

Entgegen der Erwartung und der Erfahrung, die Bertl sonst mit den Burschen macht, bleibt Werner in der Schule weiter ein Vorzugsschüler und legt alle Prüfungen vorzüglich ab. Werner scheut sich nicht, auch bei seinen Kunden am Nachmittag die nötigen Hausaufgaben zu machen. „Lass mich bitte nur etwas ins Heft schreiben?“, bittet er. „Na, sowas?“, staunt ein beleibter Mann und lacht. „Kann ich dir helfen? Ich war ganz gut in der Schule, wenn es auch ein paar Tage her ist.“

Einige Männer, vor allem wenn sie aus dem Ausland kommen, üben und lernen, mit dem süßen Schüler, hauptsächlich Sprachen. Sie betrachten es als zusätzliche Leistung des Gekauften. Werner blüht auf. So fremd ihm die Männer sind, so offen gibt er sich ihnen gegenüber. Im Heim, in dem er aufwächst, vertraut er keinem der Lehrer und Erzieher.

Nach knapp zwei Jahren kann Werner Bertl jubelnd berichten, „ich habe den Abschluss. Ich werde aus dem Heim in ein eigenes Zimmer ziehen. Eine Stelle finde ich auch bald.“

„Du kannst bei mir mehr verdienen, als in irgendeinem Büro.“ Bertl plant mit Werner anderes. „Einen Kerl, der dich zu sich in die Wohnung nimmt, habe ich auch für dich.“

„Nein, Bertl. Ich will auf eigenen Füßen stehen und mir einen Kerl fürs Leben suchen. Das Herumhuren ist nichts für mich.“

„Schau, schau, was ist aus dem Knaben in nur zwei Jahren geworden? War unter den Männern keiner drunter, der dir gefällt?“

„Schon, doch es sind Freier und keine Partner fürs Leben.“ Werner gibt sich selbstsicher, ist es aber nicht.

„Klar, sage mir rechtzeitig, wann Schluss ist.“

„Natürlich, ich bin dir ja nicht böse. Du mir hoffentlich auch nicht?“

„Wie könnte ich dir böse sein? Du bist mir doch ans Herz gewachsen“, heuchelt Bertl, der auf einer finanziellen Not des Jünglings hofft. Der meldet sich sicher bald bei mir, hofft er.

„Ich mache damit wirklich Schluss. Endgültig.“ Werner bestätigt es nochmals. Mehr für sich.

Karoline, eine erfolgreiche Geschäftsführerin, hat nach dem Tod ihres Gatten die desolate Fabrik, die ihr minderjähriger Sohn erbte, wieder zu einem rentablen Schmuckstück hochgebracht. Nun will sie von Richard, ihrem inzwischen volljährigen Sohn, dass er die Leitung der Firma übernimmt.

Richard hat andere Interessen. Er will kochen und backen und das Geschäftliche seinem Lebenspartner Fritz überlassen. Mit ihm lebt er in einer eingetragenen Partnerschaft. Fritz ist, so will es Richard, der Assistent der Geschäftsleitung. Karoline duldet es widerstrebend. Sie toleriert die Homosexualität bei ihrem eigenen Bruder und es hat sie auch bei Fritz nicht gestört. Jedoch als sie erfuhr dass Fritz der Partner ihres Sohns ist, sieht sie rot. Das kann und will sie nicht akzeptieren. Für Karoline ist Richard der Firmenchef und nicht schwul. Fritz muss weg, dann heiratet Richard ein Mädchen. Das ist ihr Plan.

Hilfesuchend wendet Sie sich an ihren Bruder. „Ich will, dass die Sauerei aufhört. Richard ist diesem Fritz total verfallen. Ich weiß nicht, wie ich sie auseinander bringe, damit ich Fritz endlich zum Teufel jagen kann.“

Eduard stellt ihr schmunzelnd die Frage. „Braucht dein Assistent nicht einen Sekretär?“

„Bist du verrückt? Ich tu in der Firma alles, um ihm das Leben schwer zu machen, damit er das Handtuch wirft und abhaut. Du schlägst mir vor, ihm einen Helfer zu verschaffen?“

„Einen schönen, hübschen Jungen, mit dem er es treibt. Das bringt Richard auf die Palme und du kannst Fritz, nachdem sich Richard von ihm trennt, rauswerfen.“ Eduard ist stolz auf seine Idee.

„Du bist genial. Woher nehme ich einen Kerl, der dazu bereit ist?“

„Lass mich machen, ich treibe dir einen passenden Jungen auf.“ Eduard hasst Fritz. Seit Jahren tut er alles, um Fritz zu schaden. Dass seine Schwester sich einbildet, ihr Sohn Richard würde ein Mädchen heiraten, sobald seine Beziehung mit Fritz zu Ende ist, findet er lächerlich.

Eduard wendet sich an Bertl. „Ich brauche einen Burschen, der als Sekretär für einen gemeinsamen Freund arbeitet und natürlich auch, na du weißt schon was?“

„Sekretär in welcher Branche? Kann sein ich habe einen für euch.“ Bertl denkt sofort an Werner, vor allem, da der Junge noch immer sehr knabenhaft aussieht. Er kennt Eduards pädophile Veranlagung. Werner wurde auch mehrmals von Eduard verlangt. Nun vermutet er, dass auch dieser Freund von Eduard einen Knaben will.

„Das Können ist nebensächlich, obwohl Sprachen von Vorteil wären.

Er bekommt einen fixen Gehalt, Spesen und einen Zweijahresvertrag.“

„Du kennst den Buben. Rede selbst mit ihm.“

„Wen meinst du?“

„Werner, der schaut doch süß aus. Willst du ihn nicht mehr?“ Bertl gibt Eduard Werners neue Adresse.

„Herrlich, der Junge ist es! Der schafft das, was ich von ihm will“, jubelt Eduard. „Du musst aber mit ihm reden. Er soll sich an mich als Suchender wenden, verstehst?“ Eduard will nicht als Bittsteller, sondern als Gönner auftreten.

Werner holt bei Bertl seinen Lohn für den vergangenen Monat ab. „Ab sofort brauchst du mir keine Adressen mehr durchgeben“, lächelt er zaghaft seinen Luden an. Er fürchtet, dass Bertl nicht so leicht nachgibt und Schwierigkeiten macht.

Bertl gibt ihm freundlich das Geld. Ganz nebenbei erwähnt er. „Ich habe einen Job für dich. Melde dich bei Eduard, der sucht für einen Bekannten einen Begleiter.“

Werner geht hoch. „Was soll ich mit der Sau? Bertl, ich will aufhören und nicht alte Geschichten aufwärmen.“ Werner war zwei Mal bei Eduard und hat das Spiel mit ihm in unangenehmer Erinnerung. Nach dem zweiten Mal hat er Bertl gebeten „den bitte nicht mehr.“

„Beruhige dich. Er hat eine interessante Aufgabe für dich. Ich kenn zwar die Firma nicht, aber schau dir den Posten an.“

„Nein und nochmals nein!“, wütend schnappt sich Werner das Kuvert mit dem Geld und verlässt Bertl.

Von der Arbeitsvermittlung bekommt Werner mehrere Adressen. Er klappert sie der Reihe nach ab. Eines Abends kommt er deprimiert von einer Firma heim. Da liegt noch der Zettel mit Eduards Telefonnummer. Er ruft ihn an, um ihn im Kaffeehaus zu treffen. „Im Landmann um sechs“, befiehlt Werner kurz und legt auf. In Eduards Wohnung will er nicht.

Eduard ist überpünktlich und sitzt bereits bei seiner Melange. Er liest eine Tageszeitung, als Werner kommt.

„Warum bist du nicht zu mir hinauf gekommen?“, stellt Eduard prompt die Frage. „Ich tu dir nichts mehr, inzwischen bist du mir zu alt geworden.“

Werner setzt sich zu ihm. „Was willst du von mir? Was für eine Stelle soll das sein? Ich habe ein gutes Angebot in der Tasche“, lügt er. „Ein sich seriös gebender Macho braucht für seine Geschäftsreisen einen Begleiter.“

„Ich will’s nicht mehr machen. Bertl habe ich es deutlich gesagt. Er behauptet, dass es um eine interessante Stelle geht.“

„Ja natürlich, sehr interessant.“ Eduard weiß nicht, wie er dem Burschen den Plan unterbreiten soll. „Du bekommst monatlich zweitausend und bist zwei Jahre fest angestellt. Möglichst schnell, möglichst innerhalb eines Jahres, musst du einen Nachweis bringen, dass du mit diesem Mann geschlafen hast. Dafür gibt es zehntausend Euro als Prämie.“

„Wie denn? Soll ich Fotos von mir mit ihm machen?“ Werner will schon aufstehen.

„Bleib, das ist viel einfacher, als du glaubst. Sobald du dich mit ihm eingelassen hast, gibst du mir Bescheid und ich erwische euch. Das genügt vollkommen.“

„Glaubst du, ich kann, wenn ich weiß, dass du jeden Augenblick zur Tür reinkommst. Bitte vergiss es.“ Jetzt steht Werner wirklich auf und geht.

Eduard bleibt verdattert zurück. Er braucht einige Stunden, bis er zum Handy greift und Bertl anruft. „Dieser Werner war schon immer ein unreifer Junge, jetzt spinnt er komplett!“, schreit er ins Handy. „Beruhige dich. Was hat er den gesagt? Kennt er den Kunden oder hat er ihn zumindest gesehen? Wie schaut der denn aus, dass er so abweisend ist?“ Bertl vermutet, dass der Endkunde ein alter hässlicher Kerl ist, da Werner ablehnt.

„Der Geschäftsmann ist Fritz Huber“, haucht verlegen Eduard. Er will Bertl den Plan nicht verraten, denn der ist ein Freund von Fritz und steckt es ihm.

„Fritz, oh ja, zeig ihm ein Foto von ihm. Du bist ein Trottel. Warum hast du mir nicht gleich gesagt, dass Fritz einen Spielgefährten sucht? Dass er so an Richard hängt, ist doch nicht normal.“ Eduard atmet auf. Bertl sieht es anders.

„Ja, ich glaube, mit mir redet Werner nicht mehr.“

„Na, ich erledige es. Schicke mir doch das Angebot der Firma Kuhrn. Dort wird er doch arbeiten?“ Bertl glaubt nun, er kann Fritz gefällig sein und will Werner die Sache schmackhaft machen.

„Ja, bekommst du“, atmet Eduard auf.

„Werner, Werner, du hast Eduard glatt im Regen stehen lassen“, schmunzelt Bertl, der Werner in seinem neuen Untermietzimmer aufsucht. Werner hat ihn eingeladen, die Freiheit seines eigenen Wohnorts zu feiern. Keine abendliche Sperrstunde mehr, die er im Heim einhalten musste.

„Er war mir immer widerlich. Verstehe bitte, ich mag nicht mehr. Ich kann und will anständig arbeiten und mir einen Freund fürs Leben suchen.“

„Ich habe ein Foto von dem Mann, den du begleiten sollst. Der Arbeitsvertrag ist auch sehr gut.“

Werner schaut verblüfft auf das Bild, das einen dreißigjährigen schönen Mann zeigt. „Warum kauft sich der einen Partner?“

„Er kauft dich nicht. Du sollst arbeiten und deine Sprachkenntnisse einbringen. Das Sexuelle ist nur nebenbei. Im Außendienst ist man viel alleine und Stricher in der Fremde sind gefährlich.“

„Was hat Eduard damit zu tun?“ Werner vermutet zu Recht, hier ist ein Haken.

„Hm, seltsam ist es schon, dass ausgerechnet Eduard ihm einen Sekretär sucht. Schau hin, es ist jedenfalls besser bezahlt, als das was dir von der Arbeitsvermittlung angeboten wird. Wenn es Probleme gibt, helfe ich dir.“

„Schön, ich schau es mir an.“

Bertl ruft Eduard an, „also das war doch nicht schwer. Fritz gefällt ihm. Weshalb suchst du einen Burschen für Fritz aus?“

„Wer sonst kann das für ihn tun? Wenn es Richard erfährt, gibt es doch Feuer am Dach.“

„Ich verstehe“, obwohl es Bertl nicht versteht. Fritz hätte sich doch direkt an ihn wenden können. Bei Gelegenheit muss ich mit Fritz darüber reden, denkt er noch.

Frau Maria Meier, die Personalchefin bei Kuhrn, bekommt die Bewerbungsunterlagen per Post, Eduard traut sich nicht persönlich vorbei. Ihn hat Fritz, vor Monaten, aus der Firma geschmissen. Die Meier ist von Werners Schulzeugnissen begeistert. Der Junge hat nicht nur in allen kaufmännischen Fächern sehr gut abgeschnitten, er beherrscht auch neben Deutsch, die Fremdsprachen Französisch, Englisch und Tschechisch perfekt. Werner wird schriftlich von ihr vorgeladen.

Werner ist neugierig. Im Bürohaus, in dem die Geschäftsleitung im 3. Stock untergebracht ist, rattern zwei ältere Lifte um die Wette auf und ab. Werner hat lange überlegt, ob er im Anzug mit Krawatte oder als moderner Bursche im Pullover und Jeans kommen soll. Er hat sich für Jeans entschieden. Beschwingt jugendlich tritt er durch das Portal.

Er fragt den Portier, der seine Zeitung ungehalten weglegt, als Werner ihn anspricht. „Wie komm ich zur Personalabteilung? Ich habe einen Termin bei Herrn Huber.“

„Herr Huber ist nicht im Haus, aber Sie sind besser beraten, wenn Sie gleich zu Frau Meier, im zweiten Stock, ins Personalbüro gehen.“

Frau Meier führt ein Einstellungsgespräch, obwohl Karoline Kuhrn, ihr bereits den Auftrag gegeben hat. „Eduard hat Ihnen Unterlagen von einem Handelsschüler gegeben. Werner Uch, den können Sie einstellen.“

Überheblich erklärt Frau Meier Werner die Position. „Wir sind ein Produzent von Keksen, Puddings und Süßwaren. Unsere Waren vertreiben wir weltweit. Ihre Sprachkenntnisse sind insofern wichtig, als Herr Huber darin, na, ja sagen wir, bescheiden ist. Sein Englisch, ich glaube die einzige Fremdsprache, die er kann, ist eher mangelhaft. Sie müssen ihn darin immer unterstützen.“

„Sprachen sind meine Stärke. Ich kann auch etwas Italienisch, allerdings nur, soweit es die Oper betrifft“, meint zögernd der Junge, als er Maria gegenübersitzt.

„Ihr Zeugnis von der Schule ist umwerfend. Nun, wir bieten Ihnen auch einen umwerfenden Gehalt.“ Die fachlichen Gegebenheiten findet Maria optimal, wundert sich allerdings über den unreifen Knaben.

„Ja, das stellt mich zufrieden. Kann ich heute anfangen?“

„Sicher, ich muss nur etwas klären. Bitte warten Sie einen Moment.“ Sie legt die Bewerbung der Geschäftsführerin vor, da sie die 2000 für etwas überhöht hält. „Ist es nicht etwas hoch für einen Neuling, eigentlich Praktikanten?“

Doch Karoline ist von Eduard informiert und segnet die Einstellung jubelnd ab. „Nein, das passt schon. Schaut der Junge gut aus?“ Will sie lediglich von Maria wissen.

„Ja er ist hübsch, halt noch kein Mann“, erklärt Maria. Auch sie weiß von dem Plan nichts, sonst würde sie Fritz sofort die Sache stecken. Karoline grinst in sich hinein. Es braucht keinen reifen Mann. Ein hübscher verdorbener Junge ist passender. „Lassen Sie es gut sein, er wird schon älter werden“, beruhigt sie die Meier.

„Kommen Sie am kommenden Montag um acht. Das ist besser, da Herr Huber Sie da gleich kennenlernt“, erklärt die Meier, als sie zurück in ihrem Büro ist.

Am Montag ist Werner unglaublich nervös. Wie wird er seinem Chef gefallen? Wie soll er sich geben? Er will unauffällig, doch kokett auf das Ziel losgehen. Deshalb zieht er sich so an, wie er glaubt, unwiderstehlich zu sein. Wieder mit einem dicken weißen Pullover, damit der Oberkörper kräftiger erscheint, eine enge dunkle Bluejeans um die Kurven der Hüfte zur Geltung zu bringen, weiße Sneakers, um noch jugendlicher zu wirken, eine schwarze Plastikuhr als einzigen Schmuck, so erscheint er bei Kuhrn.

Diesmal schickt ihn der Portier zu Juliane, der Chefsekretärin, ins Büro. Sie arbeitet für Karoline und hat bisher auch alles Anfallende für Fritz, den Assistenten der Geschäftsleitung mitgemacht.

Juliane empfängt ihn freudestrahlend. „Herzlich willkommen, Herr Uch. Ich zeige Ihnen Ihren Schreibtisch und die elektronischen Geräte. Den Betrieb zeige ich Ihnen, sobald Herr Huber kommt, damit er Sie vorher kennenlernt.“ Sie sieht in Werner eine große Hilfe, denn für zwei, noch dazu sich befehdende Managern zu arbeiten, ist mehr als stressig. Dass der Junge so unreif wirkt, weckt nur ihren mütterlichen Instinkt.

„Danke, das Büro ist wirklich fantastisch ausgestattet. Die PCs und die Programme sind besser, als das, was wir in der Schule hatten.“

„Ja Fritz, ich meine Herr Huber, hält uns auf Trapp. Daran werden Sie sich noch gewöhnen müssen.“

Werner fühlt sich sofort wohl. Juliane verwöhnt ihn um zehn Uhr mit Kaffee. „Pausen dürfen sein“, lächelt sie.

Werner richtet seinen Schreibtisch ein, schaut die Post für Huber durch und hat schon die erste Frage. „Wie soll ich die Post aufbereiten?“

„Sie dürfen alle Briefe öffnen, egal was als Adresse draufsteht und aus den Kuverts nehmen. Was wichtig ist, zeige ich Ihnen von Fall zu Fall. Auch die Mails sortieren wir hier vor, damit unsere Chefs nicht mit den Spams belastet werden.“

Gegen elf Uhr kommt Fritz. Juliane springt auf, „darf ich Ihnen Herrn Uch vorstellen? Er ist ab sofort Ihr persönlicher Sekretär.“

„Oh, das ist fein, ich habe genug um die Ohren und Sie waren die letzte Zeit auch sehr unter Druck.“ Fritz freut sich, als er Werner die Hand gibt.

Werner bleibt die Spucke weg. Der Mann schaut verdammt gut aus. In Natur noch besser, als auf dem Foto, das ihm Bertl zeigte. Im eleganten Nadelstreif, mit der dezenten Krawatte lächelt der schöne Fritz den süßen Werner an. Nun begreift Werner. Es wird doch nicht so leicht sein, mit dem ins Bett zu kommen. Dabei wünscht er es sich vom ersten Augenblick an. Mit dem mache ich es auch ohne Bezahlung. „Ich werde mich bemühen die Aufgaben bestens zu erledigen“, stammelt er verlegen. Er hat Angst, Fritz oder Juliane bemerken seine Begeisterung für den Mann.

„Das werden Sie schon schaffen. Juliane wird Ihnen die anliegenden Arbeiten sukzessive übertragen. Ich melde mich, sobald ich was brauche.“ Für Fritz ist es vorläufig erledigt. Dass der Bursche ausnehmend schön ist, hat er natürlich am Rande mitbekommen. Er denkt sich jedoch nichts dabei. Die meisten Jünglinge sind schön. Bubis sind auch nicht gerade sein Geschmack.

Werner arbeitet sich rasch ein. Die Arbeit macht ihm mehr Spaß, als er gehofft hat. Juliane bringt ihm freundlich kollegial alles bei, was er nicht in der Schule gelernt hat. Fritz sieht er leider nur selten.

Richard, der sich vor einem halben Jahr, wegen seiner Homosexualität, mit seiner Mutter überworfen hat, kommt seither nie ins Bürogebäude. Er leitet die am Stadtrand liegende Fabrikation, Backstube genannt. Werner sieht er erst Tage später, als Werner von Fritz abgeänderte Pläne und Fotos vom Baufortschritt ins Werk bringt. Fritz plant den Büroneubau, über und neben der neuen Fabrikhalle. Richard beaufsichtigt die Arbeiten. Werner ist über das Verhältnis zwischen Fritz und Richard nicht informiert. Ahnungslos übergibt er deshalb die Pläne Richard.

„Guten Tag, ich bin Herrn Hubers Sekretär“, stellt er sich vor. „Oh!“ Richard fällt sofort auf, was für ein schönes verhurtes Exemplar er vor sich hat. Fritz, du Sau denkt er. Du willst fremdgehen. Er betrachtet den hübschen Jungen aufmerksam. Er starrt ihn an. Er gibt ihm die neuen Anweisungen und Unterlagen für Fritz mit. Der Charme und die positive Ausstrahlung Werners machen Richard erst recht wild. Innerlich schluchzt er. „Wie kann ich Fritz gegen den halten?“

Werner hat in Richard ebenfalls die weiche Tunte erkannt. Er ist ja lange im Geschäft. Als er den prüfenden Blick des Mannes spürt, denkt er: Der muss aber schon gut zahlen, wenn er mich will.

Richard ist in eifersüchtiger Kampfstimmung. Am Abend daher die Frage an Fritz: „Du hast dir einen Lustknaben zugelegt?“

„Ich? Was meinst du?“ Fritz hat wirklich keine Ahnung, was Richard meint.

„Dein Sekretär, hast du ihn im Bordell kennengelernt?“, mault Richard, der Fritz die Ahnungslosigkeit nicht glaubt.

„Nein ich schwör es. Der war plötzlich da.“ Nun riecht Fritz den Braten. „Komisch, Karoline hat vorher nicht mit mir darüber gesprochen.“

„Der Junge ist schwul, glaub mir, ich hab ein Gespür dafür“, jammert Richard. „Schmeiß ihn raus. Er ist auf dich angesetzt.“

„Glaubst du wirklich, ich kann der Versuchung nicht widerstehen?“

„Es ist nicht nötig zu widerstehen, beseitige die Versuchung!“ Richard findet, dass das die bessere Lösung ist. Hemmungslos wirft er sich über Fritz, um ihn zum Sex aufzufordern. Fritz lacht und vollzieht liebend gerne einen Beweis seiner Treue.

Am nächsten Morgen beschließt er, sich den Burschen näher anzusehen. In seiner hautengen Leinenhose, mit dem knackigen Po, dem dünnen Pullover, unter dem man den trainierten Körper erkennt und in weißen Sneakers, schaut er wirklich zuckersüß aus. Lange Wimpern, dunkelbraune verträumte Augen, schlank, etwas feminin, eher knabenhaft, nicht weibisch oder kokett.

Der wurde sicher von Eduard ausgesucht, errät Fritz. Dem muss er gefallen, wenn er ihm nicht schon zu alt ist. Wahrscheinlich hat der Päderast sich beim Anblick des Buben erregt. Fritz muss grinsen. Karoline ist die treibende Kraft. Sie will ihn von Richard weg lotsen. Wie kann ich mich revanchieren? Erst muss der Junge begreifen, dass er fehl am Platz ist. Fachlich hat er, in den paar Tagen, die er da ist, Fritz noch nichts zeigen können. Fritz glaubt auch nicht, dass Werner berufliche Fähigkeiten hat, seit er weiß, wozu der Knabe dient. Juliane lobt ihn, was Fritz ignoriert. Die ist doch nur froh, eine Hilfe zu haben.

Werner deutet die prüfenden Blicke falsch. „Er hat mich endlich bemerkt“, jubelt er innerlich auf. Er schaut mit weit offenen Augen zurück.

Fritz schmunzelt, „Sie werden es noch weit bringen.“ Eine vieldeutige Bemerkung.

„Ich möchte gerne auf Ihren Reisen dolmetschen.“ Werner stellt seine Qualifikation in den Raum.

Fritz hat niemand darüber informiert. „Welche Sprache wollen Sie dolmetschen?“

„Englisch, Französisch und Tschechisch. Briefe habe ich bereits verfasst.“

„Aha“, Fritz staunt, das kann man ja einmal versuchen. Vorläufig beendet er das Gespräch, um in sein Büro zu gehen. Wenn der Bursche fachliche Qualifikationen hat, ist es vielleicht doch Zufall?

Tage später. Fritz betritt den Raum, betrachtet Werner und stellt fest: „Sie haben ein falsches Outfit. Wir haben um eins ein Essen mit unserem US-Kunden, dazu sollten Sie einen Anzug tragen.“

Werner zuckt zusammen. „Ich kann sofort fahren und bin bis elf wieder da.“

Fritz will sich mit Harry, einem New Yorker Kunden und einem Kerl von der Westküste treffen.

Ursprünglich war Werner nicht vorgesehen. Nun findet Fritz Spaß daran, ihn direkt ins schwule Milieu zu stoßen.

Als Werner wieder erscheint, trägt er einen dunkelgrauen Anzug von der Stange, der ihm nicht sonderlich passt. Fritz muss grinsen. So lieb er in der Jeans war, so unbeholfen wirkt er im Anzug. Dazu trägt er eine knallrote Krawatte mit einem dazugehörigen Einstecktuch. Er legt Werner die Akte mit den Vorstellungen der Amis hin. „Studieren Sie die Unterlagen und bereiten Sie sich auf das übliche, Small Talk und so weiter vor.“

Fritz hat sich die Unterlagen, die Harry ihm gemailt hat, nicht angesehen. Er ist nicht bereit, etwas gegen Walter zu unternehmen. Walter ist der Besitzer der Konditorei auf Long Island, Partner der Firma Kuhrn und Harrys Lebensgefährte. Fritz vermutet, dass es in dieser Partnerschaft etwas kriselt.

Werner wird erstmals mit einer Aufgabe von Fritz direkt betraut. Da er nicht weiß, wozu das Gespräch dient, ist er stark verunsichert. Der Chef, den er sich als sexuelles Zielobjekt und leichte Beute vorgestellt hat, ist so ganz anders. Er muss sich auf sein fachliches Können konzentrieren, sonst hat er hier keine Zukunft. Eduard hat ihm ein Jahr Zeit gegeben, was wenn er es bis dahin nicht schafft?

Jetzt bleiben ihm zehn Minuten, um sich einen raschen Überblick über die Geschäfte des US-Vertriebes mit der Konditorei und dem „Wiener Café“ auf Long Island zu verschaffen. Die Zahlen der Umsätze, das zu bildende Kapital und die geplante Werbung verwirren ihn. Es ist das erste Mal, das er dolmetscht. Bisher hat er den Schriftverkehr und die Telefonate geführt. Nun hat er Angst, nicht die richtigen Worte zu finden.

Sie fahren mit dem Taxi zum Restaurant, in dem das Treffen stattfindet.

Mit der Aktenmappe unterm Arm geht er, im Schlepptau von Fritz, die letzten Schritte in das teure Lokal im Zentrum. Sie werden vom Ober zum Tisch geführt, an dem bereits die zwei Amerikaner sitzen. „Hallo, mein Wiener Traum“, begrüßt Harry Fritz überschwänglich in fehlerfreien Deutsch. Werner registriert, auch Harry ist ein attraktiver, junger, schlanker Mann.

Ein brauner, dicker, älterer Mann steht auf. „Hallo“, grüßt er. Für ihn soll Werner übersetzen.

„Nun, lasst uns die Wiener Spitzenküche genießen“, schlägt Fritz vor.

Werner grüßt freundlich auf Englisch. Sie stellen sich gegenseitig vor. Harry ist sofort von dem Knaben angetan. Fritz ist ja doch ein Schlitzohr und nicht der ach so treue Ehepartner, denkt er.

„Du bist als was angestellt?“ Harry will mehr von Werner wissen. „Ich bin seit einem Monat Herrn Hubers Sekretär.“ Verdammt, auch ein Kerl, mit dem man glücklich sein könnte, stellt Werner fest. Die kräftige Gestalt mit dem markanten Kopf spricht ihn an.

Sie nehmen am Tisch Platz. Kaum ist die Champignoncremesuppe da, platzt der Dicke schon mit seinen Wünschen heraus. Er spricht Englisch. „Ich will in Sacramento genauso eine Vertriebszentrale aufbauen, wie Sie es bereits auf Long Island haben.“

Fritz schaut Werner fragend an. Harry zieht die Augenbrauen hoch, denn wenn Fritz auch fürchterlich spricht, so versteht er doch ganz gut. Werner versteht den Wink und übersetzt getreulich ins Deutsche. Fritz antwortet kurz auf Deutsch. „Mit unserem Partner in New York haben wie einen festen Vertrag, der die gesamten USA beinhaltet.“ Der Dicke wird hektisch. Er erklärt, wie man den Vertrag umgehen kann, welche Vorteile eine zweite Niederlassung für Kuhrn hat und schafft so kaum einen Bissen.

„In Sacramento habe ich im Zentrum, nahe einem lauschigen Park, ein niedliches Haus“, prahlt er. Dabei wirft er Werner einen verlangenden Blick zu.

Fritz isst seine Suppe.

„Kalifornien ist ein souveräner Staat, die Gesetze von New York gelten nicht.“

Fritz genießt seine kleine Hauptspeise.

„Ich werde sofort mindestens Zweihunderttausend hineinstecken.“

„Hm“, Fritz ist bereits bei seinem Nachtisch, eine Topfenpalatschinke in Vanillesauce.

Harry ist ebenfalls mit dem Essen fertig. Nur der arme Werner, der ständig übersetzen muss, kommt wie auch der Dicke nicht über die Suppe hinaus.

„Das Konzept mit dem Personal muss noch von Ihnen ausgearbeitet werden“, strahlt der Dicke. Er hat sich in Long Island ganz genau umgesehen. Deshalb will er, wie Walter, auch einen Wiener Konditor einstellen.

„Ihre Vorschläge sind ungemein interessant, ich glaube, wir werden dem nähertreten“, meint Fritz freundlich. Er wischt sich mit der Serviette den Mund ab. Für ihn ist das Geschäftliche beendet.

Der Dicke blüht auf, er sieht sich am Ziel. Harry seufzt. Er kennt Fritz und ahnt, was noch kommt.

„Die Werbung übernehmen doch Sie?“, lockt der Dicke, der von Harry über Fritz´ private Werbeagentur informiert wurde.

„Selbstverständlich werde ich vorher noch die Stellungnahme unseres derzeitigen Partners einholen.“ Nun sackt der Dicke zusammen. Das da nichts rauskommt, ist ihm sofort klar.

„Was fällt dir ein?“ zischt Fritz Harry an. „Wenn du deinem Freund Walter an die Gurgel willst, dann mach das im Bett.“

Werner schaut irritiert. Soll er übersetzen? Als Harry über das ganze Gesicht grinst, hält er lieber den Mund.

„Reg dich nicht auf, es ist doch trotzdem eine gute Sache.“ Harry versucht die Wogen zu glätten.

„Hast du den Kerl gehabt?“

Harry informiert auf Deutsch über den Kerl. „Er ist ebenfalls schwul. Ich habe ihn gehabt, doch sucht er selbst passive Burschen.“

Der Dicke schaut etwas fassungslos. Er hat nicht verstanden, worüber Fritz mit Harry spricht, nur so viel, dass nichts aus der Sache wird. Schließlich bestellt er noch eine Runde Drinks, um wenigstens sein Gesicht zu wahren. Werner übersetzt weiter. Etwas hilflos, als er versteht, was die Kerle so treiben. Es folgt noch etwas Small Talk. „Macht dein Süßer es?“ Will Harry von Fritz wissen, als Werner gerade aufs Klo raus ist.

„Hm, eine gute Idee, ihn dem Dicken zuzuführen.“ Fritz findet, es ist eine willkommene Rache, obwohl die Rache Karoline gelten sollte. Der arme Bursche kann ja nichts dafür.

„Wien soll ja sehr schön sein, können Sie mir einen Fremdenführer empfehlen?“, fragt abschließend der Dicke Fritz.

Plötzlich kann Fritz, ohne dass es ihm übersetzt wird, antworten. „Oh ja, Herr Uch übernimmt das im Namen unserer Firma. Seien Sie unser Gast.“

Werner, der vom Klo zurückkommt, schaut etwas verwundert. Er hat noch nie einen Gast durch Wien geführt.

Fritz erklärt Werner: „Lassen Sie sich in der Buchhaltung zweihundert auszahlen. Das sollte reichen. Ein paar Lokale werden Sie ja kennen.“ Der Gast ist begeistert. Er hofft, mit dem hübschen Fremdenführer die intimsten Abenteuer Wiens zu erleben.

„Ja, soll ich Sie im Hotel abholen?“, fragt Werner den Dicken. „Ach nein.“ Fritz geht dazwischen. „Hier haben Sie die zweihundert und machen Sie gleich mit ihm eine Fiaker Rundfahrt. Wir sehen uns morgen früh.“ Fritz freut sich diebisch. Soll doch der Junge seinen Job bei dem Dicken erfüllen.

„Ach, zahlst du die Rechnung hier, oder dein neuer Partner“, spöttelt Fritz.

„Er zahlt. Lass uns gehen.“ Harry hat zwar seinen Plan nicht durchgesetzt, doch hofft er, dass es Walter trotzdem erfährt und sich ärgert. Mehr will er nicht erreichen.

Der Dicke bezahlt die gepfefferte Rechnung und folgt seinem Fremdenführer. Werner nimmt erst den Vorschlag von Fritz an und nimmt mit dem Dicken im Fiaker, eine Rundfahrt um den Ring. Er erklärt die einzelnen Gebäude. Der Dicke kennt sich mit den Baustilen aus und erklärt einiges Werner. Danach will der Mann ins Kunsthistorische Museum. Er ist überraschend charmant und gebildet. Sie können sich über Vieles unterhalten. Für Werner ist es eine Überraschung, mit jemanden über Kunst und Theater und nicht über Sex zu sprechen. Schade, dass er keine Schönheit ist.

Der Dicke weiß es und erzählt deshalb viel von Kalifornien, von seinem Haus und was er sonst noch besitzt. Werner ist für ihn ein Junge, den er gerne mitnehmen möchte.

Am späten Nachmittag fährt Werner mit dem Gast raus zur 10er Marie. „Das ist ja toll, ist das der typische Wiener Heurige?“ Der Dicke staunt, als die Wirtin zu singen anfängt.

„Nicht ganz das, was die Touristen typisch nennen, findet in Grinzing statt, hier sind wir in einem einfachen Lokal.“ Werner zeigt ihm noch ein paar andere Wiener Orte und lässt zu, dass sie sich immer näherkommen.

„Ich bin so alleine und in der Fremde sehnt man sich nach etwas Wärme“, eröffnet zu vorgerückter Stunde der Dicke.

Werner weiß, was er meint und kichert höhnisch. Wenn der glaubt, er kann landen, dann irrt er. „Du musst doch schon müde sein. Ich bringe dich in dein Hotel.“

In der Hotelhalle, als Werner sich verabschieden will, krallt der Dicke seine Finger in Werners Oberarm. „Komm mit rauf, auf einen Schluck Whisky.“

Werner sträubt sich. Er will aufbegehren, doch das Grinsen des Portiers, der den Schlüssel übergibt, macht ihn hilflos. Er will keinen Krach provozieren und lässt sich zum Lift zerren. Im Lift allerdings „Bist du verrückt? Was willst du?“

„Ich gebe dir hundert. Ein schöner Jüngling wie du sollte doch die Gelegenheit nützen.“

Werner will abwehren, da steht der Lift still und die Tür geht auf. „Zweihundert“, faucht er. Das wird den Mann wohl abschrecken. „Aber natürlich sollst du haben.“ Der Dicke packt wieder zu und zerrt Werner in sein Zimmer.

Noch nie hat sich Werner so hilflos gefühlt, den Sex als etwas so Nebensächliches gesehen. Zweihundert setzt sich in seinem Hirn fest. Das war’s.

Als Werner sich knapp vor Mitternacht verabschiedet, gibt ihm der Dicke das Geld. Höhnisch, als Rache für den exorbitanten Betrag meint er, „na wert warst du es nicht, bist nur eine billige Hure.“

Werner ist manchmal von den Freiern beleidigt worden, doch diese Gehässigkeit, hätte Bertl nicht zugelassen. Bertl hat sorgfältig auf seine Burschen aufgepasst und den Männern, die sich nicht benommen haben, den Marsch geblasen.

Harry ist am Abend bei Richard und Fritz eingeladen. Richard, ein leidenschaftlicher Koch hat das Menü zubereitet. Fritz hat aus dem Keller das Passende zum Trinken heraufgeholt.

Als Harry spät ins Hotel kommt, trifft er auf Werner, der gerade die Stiege herunterkommt. Als Werner Harry sieht, will er ungesehen raus. Er drückt sich seitlich, um weiter in den Keller runter zu steigen. Da wird er von Harry entdeckt. „Hallo, Werner!“, ruft er ihm zu. „Wie war’s?“

Werner dreht sich zu ihm und errötet. „Ja, ja ich habe den Herrn nach Hause gebracht. Davor waren wir beim Heurigen.“

„Beim Sex ist er nicht gut, aber er zahlt großzügig. Hast du noch Zeit?“ Harry vermutet, was gelaufen ist.

Werner ist mittlerweile rot angelaufen. Ihm ist es peinlich. Dass das, was er gemacht hat, von dem attraktiven Harry so unverblümt angesprochen wird, macht ihn mehr als verlegen. Warum kann mich nicht ein solcher Kerl begehren?

„Ich, ja etwas“, stammelt er.

„Lass uns an der Bar noch einen Absacker nehmen.“ Harry wechselt das Thema, um dem Burschen die Verlegenheit zu nehmen.

Werner will weg, doch nun wird er zum zweiten Mal am Oberarm gepackt und weiter gezerrt. An der Bar bestellt ihnen Harry Whisky. Bald taut Werner auf und sie unterhalten sich vorzüglich. Harry ist überrascht, wie gebildet der Junge ist und wie leicht er zwischen Deutsch und Englisch wechseln kann. Als er einige Brocken Französisch spricht, wechselt Werner schnell auch in diese Sprache.

„So, und nun gehst du mit mir ins Bett“, fordert Harry schließlich. Werner ist entsetzt. Was sind das für Kerle? Erst der Dicke und nun Harry, so befehlend. Er nickt nur, um mit Harry aufs Zimmer zu gehen. Erst erschrickt er, als er das gewaltige Geschlecht entdeckt, doch es fühlt sich wunderbar an, als Harry ihn damit verwöhnt.

„Fritz Seiner ist noch größer. Du musst trainieren“, höhnt Harry. Für ihn ist es ein Spiel. Ein schönes Erlebnis in der Fremde.

Werner erlebt eine wunderbare Nacht. Er ist glücklich in den Armen eines schönen Mannes seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. In den zwei Jahren, die er für Bertl gearbeitet hat, ist es ihm nur selten passiert. Eng umschlungen träumt er von einem festen Verhältnis. Als am Morgen zum Abschied Harry fragt, „Wie viel bekommst du?“, ist er den Tränen nahe.

Harry merkt es sofort. „Entschuldige“, er nimmt Werner nochmals in die Arme. „Du bist süß, wenn ich könnte, würde ich dich mitnehmen. Fritz ist ein Trottel, wenn er dich nicht liebt, denn das kannst du hervorragend.“

„Ich will ja auch mit ihm, doch er hat einen Freund“, jammert Werner. „Ja und unglaublicher Weise ist er ihm treu. Ich habe mir auch schon die Zähne daran ausgebissen.“ Fritz ist wirklich blöd, der hat den Jungen tatsächlich noch nicht vernascht. Harry staunt, sowas gibt es normal nicht.

„Du hast doch auch Schwierigkeiten mit deinem Freund.“ Werner reimt es sich aus den Bemerkungen, die Fritz gemacht hat, zusammen. „Ja, so eine Partnerschaft hat auch ihre Schattenseiten. Man möchte den Partner manchmal zum Mond schießen. Glaube mir, sobald ich das mit Walter tue, bist du dran.“

„Dann schießt du mich zum Mond?“

„Nein, dann hole ich dich ins Ehebett“, lacht Harry. „Du musst gehen, Fritz kommt mich jeden Augenblick abholen.“

Diesmal kann Werner hinaus huschen, bevor ihn Fritz, der zeitgleich kommt, sieht.

Von Harry, den Fritz abholt und um 8 Uhr zum Flughafen bringt, erfährt er, was Werner die vergangene Nacht getrieben hat. „Dein hübscher Sekretär hat sich von mir vernaschen lassen. Er ist vorzüglich. Du solltest es auch mit ihm versuchen.“

„Mit dir? Ich hab ihm doch deinem Freund zum Fressen geliefert.“

„Ja, der hat ihn auch vorher gefressen, doch es war noch genug für mich übrig“, lacht Harry schmutzig.

„Na, dann guten Flug und grüße Walter“, höhnt Fritz zum Abschied.

Fritz hat sich natürlich gefragt, wie Karoline zu diesem Jungen kommt, und ist sofort auf Eduard gestoßen.

Werner kommt etwas zerzaust ins Büro. Als Fritz ihn später antrifft spöttelt er, „na, nicht zuhause gewesen „Ich habe dem Herrn das Wiener Nachtleben gezeigt“, stammelt Werner.