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Management Know-how für die Praxis

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h. c. Helmut Kohlert

Helmut Kohlert

Vertriebsgrundlagen – Kunden verstehen und gewinnen

Verlag W. Kohlhammer

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-031176-3

E-Book-Formate:

pdf:     ISBN 978-3-17-031177-0

epub:  ISBN 978-3-17-031178-7

mobi:  ISBN 978-3-17-031179-4

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Vorwort

 

 

 

Für den Vertriebsmitarbeiter ist es wichtig, die meist dynamischen Wünsche der Kunden zu verstehen. Sind die augenblicklichen Ansprüche des Kunden, z. B. in puncto Qualität, bekannt? Für den Vertriebsleiter spielt es eine Rolle, dass die Vertriebsmitarbeiter die richtigen Verkaufsargumente mit den richtigen »Value Propositions« an den Kunden kommunizieren. Das betrifft nicht nur Vertriebsmitarbeiter, sondern auch alle anderen Abteilungen im Unternehmen, die allesamt einen Beitrag für den Kunden liefern, um kein Marktangebot am Kunden vorbei zu entwickeln.

Erfolgreichen Unternehmen gelingt es, dass alle noch so unterschiedlichen Funktionen und Mitarbeiter »an einem Strang« ziehen. Die Reibungsverluste sind so gering wie möglich und es ist sichergestellt, dass sich das Unternehmen mit dem Kunden beschäftigt. Technisch-orientierte Unternehmen, die sonst sehr auf die Güte ihrer Produkte setzen, können sich durch eine bessere interne Vernetzung besser als Problemlöser des Kunden positionieren. Damit erhält die Kundenbeziehung eine neue Qualität.

Die Zielsetzung dieses Buches ist es, die Inhalte, die für einen Vertriebsmann bzw. -frau relevant sind und deren mögliche Umsetzung im Unternehmen darzustellen. Es wird sich darauf beschränken, was der Vertriebsmitarbeiter wissen muss. Dabei wird zwischen dem Unternehmen, für das der Vertriebsmitarbeiter tätig ist und dem Vertriebsmitarbeiter im Kundengespräch kaum unterschieden. Der Kunde verbindet mit dem Vertriebsmitarbeiter das Unternehmen, für das dieser tätig ist. Dies gilt vor allem dann, wenn er sonst niemanden von dem Unternehmen kennt. Daher ist diese Gleichsetzung des Autors durchaus gewollt!

Es werden in diesem Buch, je nach Sachverhalt, zwei Perspektiven des Vertriebsmitarbeiters eingenommen. Geht er zu einem neuen Kunden, muss er erstens die Branche, den Markt und Wettbewerb des Kunden kennen, innerhalb derer er sich bewegt. Zweitens beschäftigt er sich im eigenen Interesse auch damit, wieviel Potenzial der Kunde hat, welche Kontakte zu den Vertriebsmitarbeitern des Wettbewerbers bestehen und was diese dem Kunden offerieren. Von den methodischen Inhalten sind beide Perspektiven gleich, nicht aber von der Ausgestaltung im Tagesgeschäft.

Es wird immer vom Vertriebsmitarbeiter gesprochen, das ist die Perspektive dieses Buches. Die Vertriebsmitarbeiterin ist hier eingeschlossen. Auf eine formell richtige Ansprache wird verzichtet, um den Lesefluss zu gewährleisten. Entsprechende Begriffe sind im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes als nicht geschlechtsspezifisch zu betrachten.

Mein besonderer Dank gilt den Mitarbeitern des Kohlhammer Verlages, die dieses Buch möglich gemacht haben, sie waren mit wertvollen Hinweisen während der Entstehungsphase eine große Hilfe, sowie meiner Assistentin, Frau Elena Neufeld, LL.M., B.A., für die Durchsicht des Manuskripts.

 

Esslingen, im August 2018

Helmut Kohlert

Inhalt

 

 

 

  1. Vorwort
  2. 1 Markt- und Kundenorientierung in technisch geprägten Unternehmen
  3. 1.1 Markt- und Kundennähe im erfolgreichen Unternehmen
  4. 1.1.1 Besondere Anforderungen in B2B- und B2G-Märkten
  5. 1.1.2 Grundorientierung im Unternehmen des Kunden
  6. 1.1.3 Transformation zum kundenzentrierten Unternehmen
  7. 1.2 Kundennähe durch Dienstleistungen
  8. 1.2.1 Besonderheiten bei Dienstleistungen
  9. 1.2.2 Entstehen neuer Dienstleistungen
  10. 1.3 Dienstleistungen im Verkaufsprozess
  11. 1.3.1 Kreislauf der Dienstleistungen im Verkaufsprozess
  12. 1.3.2 Pre-Sales-Dienstleistungen als Teilstück des Verkaufsprozesses
  13. 1.3.3 TCO-Ansatz als Verkaufshilfe in der Pre-Sales-Phase
  14. 1.3.4 After-Sales-Dienstleistungen zur Kundenbindung
  15. 1.4 Rolle des Vertriebs bei der De-Commoditisierung
  16. 1.5 Vertriebsmitarbeiter als Berater des Kunden
  17. 2 Erkenntnisse über das Umfeld des Kunden
  18. 2.1 Verständnis für das Umfeld des Kunden
  19. 2.2 Verständnis für die Branchensituation des Kunden
  20. 2.2.1 Fakten zur Branche
  21. 2.2.2 Branchenstrukturanalyse nach Porter
  22. 2.3 Erkenntnisse aus dem Geschäftsmodell des Kunden
  23. 2.4 Markt des Kunden und Markt des Vertriebsmitarbeiters
  24. 2.5 Analyse des Wettbewerbs
  25. 2.6 Güte des Marktangebots des Kunden
  26. 2.6.1 Kunde im Produktlebenszyklus
  27. 2.6.2 Kunde im Zyklus des Technologieumfelds
  28. 2.7 Nutzenargumente für den Kunden
  29. 2.7.1 Herausstellen der eigenen Kundenwerte durch den Vertriebsmitarbeiter
  30. 2.7.2 Aufbau einer Vertrauensbasis
  31. 2.7.3 Kundenvorteile in der Nutzenargumentation des Vertriebsmitarbeiters
  32. 3 Die eigenen Stärken – Herausstellen des Besonderen durch den Vertriebsmitarbeiter
  33. 3.1 Stärken des Vertriebsmitarbeiters in der Praxis
  34. 3.2 Stärken in der Nutzenargumentation
  35. 3.3 Positionierung des Vertriebsmitarbeiters beim Kunden
  36. 3.3.1 Kommunikation beim Kunden
  37. 3.3.2 Besondere Situation des Marktführers in der Positionierung
  38. 4 Kundenbeziehung als »Value Proposition«
  39. 4.1 Kundenannäherung
  40. 4.2 Kundengewinnung
  41. 4.2.1 Erkennen der Geschäftsinitiativen von Neukunden
  42. 4.2.2 Entscheidungssituation beim Kunden
  43. 4.2.3 Kleinkunden – die unterschätzte Größe
  44. 4.2.4 Rückgewinnung ehemaliger Kunden
  45. 4.3 Management der Kunden
  46. 4.3.1 Klassifizierung von Kunden
  47. 4.3.2 Kundenpflege auf Basis der Kundenklassifikation
  48. 4.3.3 Kundenloyalität durch Reduktion des »Wechsel wollen«
  49. 4.3.4 Basisbaustein Kundenzufriedenheit
  50. 4.3.5 Königsdisziplin Kundenbegeisterung
  51. 4.3.6 Beschwerden und Empfehlungen
  52. 5 Methoden für den Vertriebsmitarbeiter
  53. 5.1 Methoden im Überblick
  54. 5.2 Beteiligte im Einkaufsprozess des Kunden
  55. 5.2.1 Grundstruktur eines »Buying Center« beim Kunden
  56. 5.2.2 Vertriebsarbeit mit dem »Buying Center«-Konzept
  57. 5.2.3 Selbst machen oder einkaufen
  58. 5.3 Analyse von Geschäftsgelegenheiten
  59. Literaturverzeichnis
  60. Stichwortverzeichnis

1          Markt- und Kundenorientierung in technisch geprägten Unternehmen

 

 

1.1       Markt- und Kundennähe im erfolgreichen Unternehmen

1.1.1     Besondere Anforderungen in B2B- und B2G-Märkten

Die Verkürzung der Thematik auf technisch geprägte Unternehmen ist der Tatsache geschuldet, dass es zahlreiche grundsätzliche Unterschiede zwischen den Business-to-Consumer « (B2C)-Märkten mit dem Konsumenten und den B2B-» Business-to-Business « (B2B)-Märkten mit anderen Unternehmen im Zentrum der Betrachtung gibt. B2C-Märkte sind grundsätzlich auf Masse ausgelegt, während es sich im B2B-Markt mitunter nur um ein paar wenige Kunden je Kundensegment handelt, allerdings auch mit dem entsprechenden Auftragsvolumen. Die Marktangebote sind im B2C-Markt standardisiert, um die breite Masse auf einfachem Wege zu erreichen, im B2B-Markt handelt es sich oft um technisch komplexe Lösungen. Soziale Motive dominieren im Käuferverhalten im B2C-Markt, die Marke spielt eine erdrückende Rolle, während im B2B-Markt das Rationale überwiegt. Dementsprechend spielt im B2C-Markt die Werbung eine große Rolle, um eben diese Masse zu erreichen, im B2B-Markt der persönliche Verkauf der oftmals sehr erklärungsbedürftigen Marktangebote. Indirekte, lange Vertriebswege kennzeichnen den B2C-Markt, während er im B2B-Markt kurz, nämlich direkt vom Hersteller zum Kunden sein kann. In B2C-Märkten erscheint die Einbeziehung der Kundenperspektive deutlich fortgeschrittener, als in B2B-Märkten. Das ist insofern unverständlich, da es gerade im B2B-Markt mitunter auf passgenaue Lösungen für den Kunden ankommt, während der Konsument sich auch an Kompromisse gewöhnen kann. Der » Business-to-Government « (B2G)-Markt, d. h. öffentliche Auftraggeber, wird dort gesondert betrachtet, wo Unterschiede bestehen.

B2B-Märkte können nochmals unterteilt werden, das gilt durchaus auch für B2G-Märkte:

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Abb. 1.1: Fraktionen in B2B-/B2G-Märkten und die Rolle des Vertriebsmitarbeiters

•  Das Produktgeschäft umfasst die relativ standardisierte Herstellung und Vermarktung von Marktangeboten, die vom Kunden isoliert eingesetzt werden. Unterschiede können weniger zum Produkt der Wettbewerber aufgezeigt werden, als durch die Qualität des Vertriebsmitarbeiters, der eine Beziehung zum Kunden aufbaut und aufrechterhält.

•  Das Systemgeschäft ist geprägt durch die Zusammenfassung von Funktionseinheiten zu komplexen Systemen, oftmals in Form einzelner Module, die dann zusammengefügt werden können. Dazu gehören fast immer auch ausgeprägte Dienstleistungselemente.

•  Das Anlagengeschäft (oder Projektgeschäft) bezieht sich auf umfassende Marktangebote, deren einzelne Elemente beim Kunden zu einem funktionstüchtigen System zusammengefügt werden. Das Know-how des Anbieters liegt nicht in den einzelnen Elementen, oftmals sind es nur Standardteile, sondern darin, dass durch ihr Zusammenwirken eine neue technische Lösung geschaffen wird.

•  Das Key-Account-Geschäft ist durch eine längerfristige Geschäftsbeziehung gekennzeichnet. Der Anbieter erstellt verschiedene Markangebote, die vom Kunden sukzessiv in Anspruch genommen werden. Das eigentliche Know-how liegt in der Kundenbeziehung und den teilweise auch internen Kenntnissen beim Kunden über seine Abläufe bis hin zu seinen strategischen Absichten. Diese Beziehung erzeugt eine sehr enge und stabile Bindung.

Unternehmen mit Kunden im B2B- und im B2G-Markt befinden sich in unterschiedlichen Stadien, von noch immer sehr produktzentrierten bis hin zu lösungszentrierten Anbietern. Die Besonderheiten, denen technisch geprägte Unternehmen, ob sie jetzt andere Unternehmen beliefern oder öffentliche Auftraggeber, ausgesetzt sind, sollen in der Folge dargestellt werden. Die Konsequenzen für den Vertriebsmitarbeiter in einem Unternehmen werden aufgezeigt. Eines vorab: Der B2B-/B2G-Markt kann gut beschrieben werden, allerdings gibt es keinen Standard in der Vorgehensweise, zu unterschiedlich sind die Unternehmen bzw. Organisationen:

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Abb. 1.2: Besonderheiten im B2B- und im B2G-Markt und Konsequenzen für Vertriebsmitarbeiter – Teil 1

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Abb. 1.3: Besonderheiten im B2B- und im B2G-Markt und Konsequenzen für Vertriebsmitarbeiter – Teil 2

•  Bei der TCO-Analyse (total cost of ownership) handelt es sich um ein Abrechnungsverfahren, bei dem alle anfallenden fixen und laufenden Kosten von Investitionsgütern abgeschätzt werden. Damit erhält man eine Kostenaufstellung, die auch alle anderen Aspekte der späteren Nutzung (Energiekosten, Reparatur und Wartung) inkludiert. Das wirkt sich auf die Investitionsentscheidung aus, sofern man der Analyse folgt.1

•  Unter KPI (key performance indicators) versteht man betriebswirtschaftliche Kennzahlen, durch die der Fortschritt oder die Zielerreichung innerhalb eines Unternehmens gemessen werden können.

Während im B2G-Markt der Bürger als der Endkunde des Staates, der ihn dafür auch in Form von Steuern und zusätzlich noch Gebühren bezahlt, keine Rolle zu spielen scheint, ist das im B2B-Markt anders. Ohne eine klare Vorstellung von den Kunden des Kunden wird es immer schwieriger, ein Marktangebot für den Kunden zu formulieren. Man muss wissen, was er damit tut, um weitere Nutzenargumente für den Kunden zu generieren und die eigenen Leistungen den wirklichen Bedürfnissen der Kunden anzupassen. Wird der eigene Kunde durch den Vertriebsmitarbeiter erfolgreicher, hilft das auch dem Vertriebsmitarbeiter. Was gibt es Schöneres, als einen Kunden, der durch die Unterstützung des Vertriebsmitarbeiters Umsatzwachstum realisieren kann?

1.1.2     Grundorientierung im Unternehmen des Kunden

Wer hätte damals gedacht, dass der berühmte Artikel »Marketing Myopia« von Theodore Levitt aus dem Jahre 1960 mehr als ein halbes Jahrhundert später noch nichts an Aktualität eingebüßt hat und in technisch geprägten Unternehmen immer noch relevant ist: Die Kernforderung von Levitt an wachstumsorientierte Unternehmen war, die Wünsche und Bedürfnisse der eigenen Kunden zu kennen und auf sie einzugehen, anstatt auf eine vermeintliche Unsterblichkeit der eigenen Marktangebote zu setzen: Die Ursache für bedrohtes, gebremstes oder bereits zum Erliegen gekommenes Wachstum liegt nicht in der Marktsättigung – es liegt im Versagen des Managements.2 Die Kundenferne führt zu den Glaubenssätzen, dass erstens durch eine expandierende und wohlhabender werdende Bevölkerung das eigene Wachstum bereits sichergestellt ist, zweitens es für das Hauptprodukt der eigenen Branche keinen konkurrierenden Ersatz geben kann und sich drittens die ausschließliche Beschäftigung mit einem eigenen Marktangebot, das sich für sorgfältig kontrollierte wissenschaftliche Experimente, Verbesserungen und Kostensenkungen im Herstellungsprozess anbietet.

Die These, dass Wachstum der Bevölkerung bereits, möglicherweise nach einigen Turbulenzen, Wohlstand impliziert, geistert bis heute durch die Politik. Allerdings zeichnet die Anzahl der Menschen alleine noch keinen qualifizierten Markt aus, etwa dann nicht, wenn der Zustrom in die Sozialsysteme erfolgt und Menschen nur durch Transferleistungen versorgt werden können. Ist dies auf Dauer angelegt, etwa weil die Eingangsvoraussetzungen zu gering sind und über Generationen hinweg kaum korrigiert werden können, droht gar der gesellschaftliche Kollaps.

Eine Grundorientierung ist die Einstellung, die ein Unternehmen bei seinen Marktaktivitäten begleitet.3 Ohne die einzelnen Grundorientierungen zu bewerten, werden hier zunächst zwei Orientierungen gegenübergestellt, sie stellen auf dem Weg zum Lösungsgeschäft gegensätzliche Pole dar. Es gibt keine gute Grundorientierung, die alle anstreben sollten oder eine schlechte, die alle Unternehmen vermeiden sollten. Sie muss aber zum Unternehmen, seiner Branche und seinem Umfeld passen. Die produktzentrierte Grundorientierung zeichnet sich heute in technisch geprägten Unternehmen durch die folgenden drei Merkmale aus:

•  Die angebotene Lösung als Bündel von Produkten und Dienstleistungen, wie Instandhaltung und Ersatzteilversorgung, wird in einem Marktangebot zusammengefasst.

•  Die angebotene Lösung wird an die spezifischen, aber aggregierten Kundenanforderungen, wie geringe Betriebskosten, angepasst.

•  Die Umsetzung der angebotenen Lösung erfolgt in einem schlüsselfertigen Gesamtsystem.

Es dreht sich alles um die Erhöhung des Kundenwertes, um das Produkt noch exklusiver und damit für ein bestimmtes Kundensegment begehrenswerter zu machen. Meist finden sich diese Unternehmen in Nischenpositionen mit einer hohen Bedeutung der Marke. Hat der Kunde seine Bedürfnisse im Vorfeld ausdrücklich formuliert, das Unternehmen sie exakt erfasst und das Angebot darauf ausgelegt, kann ein hoher Kundenwert entstehen; davon ist in der Praxis aber meist nicht auszugehen.4

Der wirkliche Kundenwert geht über die aktuellen Bedürfnisse des Kunden heraus und verknüpft diese mit den beim Kunden latent vorhandenen sowie den zukünftigen Bedürfnissen mit dem Ziel, die Erwartungen des Kunden zu übertreffen und ihn zu begeistern. Eine kundenzentrierte Grundorientierung ist damit mehr als nur das Produkt plus Dienstleistung, sondern umfasst die Beschäftigung mit allen Schritten, die der Kunde durchläuft, von der Pre-Sales- bis zur After-Sales-Phase:5

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Abb. 1.4: Produktzentrierte und kundenzentrierte Grundorientierungen

In der Literatur werden die beiden Begriffe Kunden- und Marktzentrierung und -orientierung oftmals synonym verwendet. Da sie in dieser Arbeit jedoch differenzierte Betrachtung finden, ist es notwendig, diese zu spezifizieren. Unter Kundenzentrierung wird die Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten auf den bestehenden und den zukünftigen Kunden verstanden. Sie stellt somit die umfassende, kontinuierliche Ermittlung und Analyse der individuellen Kundenerwartungen sowie deren interne und externe Umsetzung in unternehmerische Leistungen mit dem Ziel, langfristig stabile und ökonomisch vorteilhafte Kundenbeziehungen zu etablieren.6 Daneben existiert das Konstrukt der Marktzentrierung. Im Gegensatz zur Kundenzentrierung schließt die Marktzentrierung sämtliche Marktteilnehmer ein, auch Wettbewerber, Absatzmittler, Anteilseigner oder Fremdkapitalgeber.7 Demnach kann die Kundenzentrierung als Teilmenge der Marktzentrierung gesehen werden.

Um noch einmal die Unterschiede zwischen produkt- und kundenzentrierter Grundorientierung zu verdeutlichen, zeigt das folgende Beispiel, dass es keine gesetzten Grundorientierungen in einer Branche gibt, sondern es auf das Geschäftsmodell8 des Unternehmens ankommt:9

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Abb. 1.5: Beispiele für produktzentrierte und kundenzentrierte Grundorientierungen

Ein Lösungsanbieter mit einer proaktiven Kundenzentrierung wird darüberhinaus versuchen, neue Verbesserungsmöglichkeiten in den Wertschöpfungsaktivitäten seines Kunden aufzudecken, sowie Veränderungen im Umfeld des Kunden zu antizipieren,10 also Kundenbedürfnisse zu ermitteln, die der Kunde nur latent hat oder an die er noch gar nicht gedacht hat. Vor allem bei letzterem ist Vorsicht geboten, nicht umsonst wird es als » Missionary Selling« bezeichnet, da das meist höchst innovative Marktangebot die Geschäftsprozesse des Kunden verändert. Das ist wesentlich schwieriger als ein klar definiertes Kundenbedürfnis zu befriedigen und oft nicht vom Erfolg gekrönt. Es ist immer einfacher, bestehende Herausforderungen des Kunden, die dem Vertriebsmitarbeiter bewusst sind, zu adressieren, als Probleme des Kunden zu lösen, die er gar nicht hat bzw. noch nicht erkennt.11 Eine Einschränkung sollte aber getroffen werden: Bei technologiezentrierten Unternehmen kann das allerdings dazu führen, dass der Fortschritt gar gebremst wird, da die befragten Kunden sich so manche innovative Leistung gar nicht vorstellen können und folglich auch nicht nachfragen. Allerdings weiß man dann auch erst beim Kauf derselben, ob das innovative Marktangebot ein Erfolg wird.

Die meisten Unternehmen aus B2B-Märkten kommen eher von einer produktzentrierten Grundorientierung und entwickeln sich in Richtung Kundenzentrierung weiter. Technische Kompetenz, angereichert mit komplementären Dienstleistungen reicht allerdings nicht aus, um wirklich zu einer Kundenzentrierung zu kommen. Dau bedarf es einem Lösungsdenken, angelehnt an den Bedürfnissen der Kunden. Diese Lösungsorientierung muss vielfach erst noch entwickelt werden.12

Die Grundorientierungen wurden bislang auf produkt- und kundenzentriert begrenzt. Es bestehen aber noch weitere Grundorientierungen, die aus Gründen der Vollständigkeit genannt werden sollen:

•  Ist ein Unternehmen sehr fertigungszentriert, steht bei ihm die Erzielung von »Economies of Scale« im Mittelpunkt. Geld wird dadurch verdient, dass seine Marktangebote in großen Mengen gefertigt und so breit wie möglich vertrieben werden. Die pure Quantität ist der kritische Erfolgsfaktor: So viel wie möglich, so preisgünstig wie möglich, immer unter der Wahrung einer bestimmten Standardqualität. Die Kernfragen lauten hier: Ist das Marktangebot skalierbar? Können mit bloßer Replizierbarkeit Gewinne erzielt werden?

•  Dagegen ist ein sehr vertriebszentriertes Unternehmen davon überzeugt, dass ein guter Vertrieb der Kern eines jeden Unternehmens darstellt. Das sagt noch nichts über die Güte seiner Marktangebote aus, so dass hier mehr Informationen benötigt werden.

•  Sehr gesellschaftszentrierte Unternehmen schwimmen mit dem Zeitgeist. Dafür gibt es kaum erfolgreiche Beispiele, da sich dieser Geist eben schnell wieder ändern kann. So wurde im Jahr 2015 die Griechenland-Krise schnell als gelöst empfunden, da in den Nachrichten die Thematik Immigration in das grenzenlose Europa die vorherige Krise überschattete.

Neu hinzugekommen ist den letzten Jahren die holistische Grundorientierung mit einer breiten und integrierten Perspektive aller Einflussfaktoren und deren Integration. Genannt werden hierzu die folgenden vier Komponenten, die die holistische Grundorientierung konstituieren:13

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Abb. 1.6: Dimensionen einer holistischen Grundorientierung im Unternehmen