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Das xte Gebot

 

von Ethan Stone

 

Aus dem Englischen von Florentina Hellmas

 

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2018

http://www.deadsoft.de

 

© the author

Titel der Originalausgabe: Hacked up

 

Übersetzung: Florentina Hellmas

 

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© CK – fotolia.com

© imagincy – fotolia.com

 

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-251-9

ISBN 978-3-96089-252-6 (epub)

 

Inhalt:

Seattle wird erschüttert durch eine Reihe grauenhafter Morde. Für Detective Peter Tao ist das eine Möglichkeit, auf der Karriereleiter nach oben zu gelangen. Aber bisher sucht er vergebens nach einer Spur. Wie sucht der Mörder seine Opfer aus? Was will er erreichen?

Mit einer langen Liste an Verdächtigen, die scheinbar nichts verbindet, steht Peter vor einem Rätsel. Doch dann bekommt er den einen Hinweis und plötzlich fügen sich die Puzzleteile zusammen. Zu dumm nur, dass ausgerechnet seine neue Bekanntschaft, der geheimnisvolle Bryce Carrick, ein Teil des Puzzles zu sein scheint …

 

Kapitel 1

 

Ein neuer Tag, eine neue Leiche.

 

Ich hielt dem uniformierten Polizisten, der den Tatort bewachte, meine Marke unter die Nase und schlüpfte unter dem Absperrband durch. Der Wind, der von der nahe gelegenen Elliott Bay herüberwehte, kroch unter die Kleidung und brachte mich dazu, den Mantelkragen hochzuschlagen. Die aufgehende Sonne trug kaum dazu bei, die Kälte zu vertreiben.

„Hey, Detective Tao.“ Dr. Jill Trencher, die Gerichtsmedizinerin von King County sah auf. Der Tote lag auf dem Rücken, seine Jeans war halb heruntergezogen, Arme und Beine waren angelegt, die Augen weit geöffnet. Es schien zumindest, als wäre das Opfer männlich, ganz sicher war ich nicht. Die flache Brust unterstützte meine Annahme, aber es waren keine männlichen Genitalien zu sehen. Wo diese hätten sein sollen, war nur getrocknetes Blut.

„Was haben wir, Jill?“

Sie stand auf. „Weiß, männlich, Mitte zwanzig.“

Ich kniete mich hin, begutachtete den Körper und versuchte, mir die Gesichtszüge des jungen Mannes und sein Äußeres einzuprägen. Kurzes, hellbraunes Haar, Augenfarbe wie ein matter Penny. Gedrungener, muskulöser Körper. „Ursache und Zeitpunkt des Todes?“

„Todeszeitpunkt … gegen Mitternacht. Was das Wie betrifft – er hat eine Wunde im Nacken. Ich denke, der Mörder hat die Wirbelsäule durchtrennt. Der Tod ist ziemlich schnell eingetreten und schien schmerzlos gewesen zu sein.“

„Sogar die Kastration?“

„Es sieht so aus, als wäre die post mortem vorgenommen worden. Ich kann Ihnen mehr sagen, wenn ich ihn auf dem Tisch habe. Hier bin ich durch. Die Spurensicherung war auch schon da. Wir haben nur noch auf Sie gewartet. Sie haben länger gebraucht als gewöhnlich, um herzukommen.“

Ich stand auf und sah sie mürrisch an. „Ich war zu Hause im Bett und genau da sollte ich auch jetzt noch sein.“ Es gab keinen Grund, ihr zu sagen, dass ich nicht allein gewesen war oder wer mein Bett geteilt hatte. „Ich bin nicht der Detective in Bereitschaft.“

„Es war seine Schuld.“ Jill deutete hinter mich.

Ich drehte mich um und erblickte meinen Partner, Detective Jamey Nolan. „Warum bist du nicht zu Hause bei Chelsea?“

Er rollte mit den Augen und steckte seine Hände in die Taschen. „Ich war zufällig gerade auf dem Revier, als der Anruf der Hafenpatrouille hereinkam. Hörte sich nach einem interessanten Fall an, also habe ich ihn übernommen.“

„Soll ich dir vielleicht danken?“

„Ich schätze, du wirst dich damit abfinden müssen.“

Ich schnaubte, weil mir keine schlagfertige Erwiderung einfiel. Außerdem – ein Mann, der ermordet und kastriert worden war, konnte tatsächlich ein interessanter Fall werden. Eine erfrischende Abwechslung zu den Bandenmorden, die Jamey und ich zuletzt untersucht hatten, war es allemal.

„Seid ihr Jungs hier fertig? Kann ich die Leiche wegbringen lassen?“, fragte Jill.

Ich zückte mein Telefon und schoss ein paar Bilder vom Gesicht des Opfers.

„Ja, sind wir. Genug gejammert, Tao?“, fragte Jamey.

„Nicht annähernd“, antwortete ich grinsend. „Aber den Rest spare ich mir auf für später, wenn wir allein sind.“

Jamey und ich traten zur Seite und beobachteten, wie Jill und ihre Assistenten den Toten fortschafften.

„Also, warum warst du in aller Herrgottsfrühe auf dem Stützpunkt?“

Jamey antwortete nicht. Stattdessen drehte er sich weg und starrte auf die Bucht hinaus. Ich trat näher, legte sacht eine Hand auf seine Schulter. „Habt ihr wieder Probleme, Chelsea und du?“

Jamey funkelte mich an, aber aufgrund der Vergangenheit war meine Vermutung naheliegend. „Du kennst uns doch. Irgendwas ist immer.“

„Willst du darüber reden?“

Er sah mich kurz von der Seite an und schüttelte den Kopf. „Jetzt nicht.“

„Okay. Lass es mich wissen, wenn du es dir anders überlegt hast.“

Jamey wackelte mit den Augenbrauen und grinste mich breit an. „Ich will doch der Planung deiner Abendgestaltung nicht in die Quere kommen.“

Ich boxte ihm spielerisch mit dem Ellbogen in den Magen, was ihn vorgeben ließ, ich hätte ihn schwer getroffen. Soweit ich sagen konnte, war Jamey der einzige Arbeitskollege, der wusste, dass ich schwul war. Aber nicht, weil ich es ihm erzählt hatte. Er hatte es selbst rausgefunden – nicht wirklich überraschend bei seinen sechsundzwanzig Jahren Erfahrung als Detective – vor fünf Jahren schon, kurz nachdem wir begonnen hatten, zusammen zu arbeiten. Es machte ihm nichts aus. Tatsächlich mochte er es … nein, er liebte es, mich damit aufzuziehen.

„Wenn du dir wirklich Sorgen um meine Abendgestaltung gemacht hättest, hättest du den Fall nicht angenommen.“

Seine Augen wurden groß und er schlug die Hand vor den Mund. „Hattest du wieder – wie war nochmal sein Name?“

„Wenn du Haro meinst, dann ja. Er war letzte Nacht bei mir und wir haben beide geschlafen, als der Anruf kam.“

„Das ist jetzt was? Das vierte Mal, dass er bei dir übernachtet hat?“

„Das sechste Mal sogar“, erklärte ich. Als Jamey zwinkerte, fügte ich hinzu: „Dass du mir nicht auf falsche Gedanken kommst. Wir führen keine Beziehung. Haro und ich haben einfach viel gemeinsam, nämlich konservative, altmodische Eltern, die nicht so gut damit umgehen könnten, einen schwulen Sohn zu haben.“

„Ja, aber auch aus dieser Art von Bindung kann manchmal mehr werden.“

Ich warf ihm einen Seitenblick zu. „Selbst wenn das Schicksal vorgesehen hätte, dass ich mit einem Mann eine feste Beziehung eingehe, was lässt dich annehmen, dass ich es damit eilig habe?“

Er tätschelte meine Wange. „Ich will doch nur, dass mein bester Freund glücklich ist. Wenigstens einer von uns sollte das sein.“ Sein Gesicht wurde wieder traurig und ich wünschte, ich könnte etwas tun, um ihm zu helfen, aber solange ich nicht wusste, was los war ... „Ich brauche einen Kaffee, was ist mit dir?“

„Auf jeden Fall. Ich hatte noch keinen, seit ich heute Morgen so brutal geweckt wurde.“

„Ach, hör schon auf zu maulen.“

Wir steuerten den nächstgelegenen Starbucks an. In Seattle zu leben, bedeutete, dass es praktisch an jeder Ecke einen gab.

„Ich werde nicht aufhören, Blödmann. Ich hatte auf einen morgendlichen Blowjob gehofft.“

„Halt die Klappe, Peter. Du weißt, dass ich nichts von deinem Sexleben hören will.“

„Das liegt daran, dass du eifersüchtig bist. Vermutlich hattest du seit Monaten keinen Sex mehr.“

Statt mir jedoch eine schlagfertige Antwort um die Ohren zu hauen, wurde Jamey still. Ich wollte ich schon auffordern, mir zu erzählen, was ihn bedrückte, aber weder Ort noch Zeit erschienen mir passend, das Thema zu vertiefen. Also warteten wir schweigend, um die Straße zu überqueren. Im Coffeeshop waren drei Leute vor uns und offenbar hatte der Typ direkt vor der Theke noch nie eine Bestellung aufgegeben, denn er schien überwältigt von der Auswahl.

„Was hältst du von der Leiche?“, fragte ich.

Jamey sah sich um und flüsterte: „Das ist vielleicht nicht der richtige Ort, um sich über einen Toten zu unterhalten, dem sein bestes Stück abgeschnitten wurde.“

Ich zuckte mit den Schultern, denn es kümmerte mich nicht wirklich, ob jemand mithörte. Endlich an der Reihe bestellte Jamey für uns beide. „Zwei venti Pike’s Place Roasts, einen mit einem extra Schuss Espresso.“ Er lehnte sich zu der hübschen Frau an der Kasse. „Mein Kumpel hier braucht was zum munter werden, weil jemand seinen Schönheitsschlaf gestört hat.“

Sie kicherte und musterte mich. „Sieht nicht aus, als ob er allzu viel Schönheitsschlaf nötig hätte.“

Jamey lachte und ich spürte die Hitze in meinen Wangen aufsteigen.

„Ich bin gleich zurück“, murmelte ich, um der Situation zu entkommen. Hastig drehte ich mich um und eilte in Richtung der Toiletten. Ich konnte Jamey noch immer lachen hören, als die Tür hinter mir zufiel.

Da ich nicht wirklich pinkeln musste, spritzte ich mir lediglich kaltes Wasser in mein gerötetes Gesicht und wartete einen Moment, ehe ich in den Gastraum zurückkehrte. Jamey hatte sich derweil in einer Ecke niedergelassen und grinste noch immer bis über beide Ohren. Auf dem Weg zu ihm wurden unsere Namen aufgerufen, sodass ich auf halber Strecke kehrtmachte, der Barista unsere Getränke abnahm und mich bedankte. Als ich erneut den Raum durchquerte, warf ich einen Blick auf die Namen an unseren Bechern. Sein Name war falsch geschrieben – Jamie – wie gewöhnlich. Meiner war korrekt, aber darunter standen eine Telefonnummer und der Name Lisa. Ich sah zurück zur Kasse. Die Frau winkte mir zwinkernd zu und wieder konnte ich die Hitze in meinem Gesicht nicht kontrollieren, was Jamey ein erneutes Lachen entlockte. Mein letztes bisschen Selbstbeherrschung hielt mich davon ab, den heißen Kaffee nach ihm zu werfen.

„Du bist so ein Arsch“, murmelte ich, als ich mich ihm gegenübersetzte.

„Wirst du sie anrufen?“

„Ach, leck mich doch“, knurrte ich. Bemüht, mir dabei nicht anmerken zu lassen, dass ich es doch ein klein wenig komisch fand. Aber wirklich nur ein kleines bisschen.

„Sie wird am Boden zerstört sein.“

„Selbst wenn sie mein Typ wäre, sie ist mindestens zehn Jahre jünger als ich.“

„Oh, stimmt. Ich hatte Darren vergessen. Du stehst ja auf ältere Männer.“ Geschockt von seiner eigenen Äußerung, sah er mich entsetzt an und presste eine Hand auf seinen Mund. „Es tut mir leid, Peter. Ich hätte das nicht sagen sollen.“

Die Erwähnung meines Ex-Freundes erstickte die gelöste Stimmung im Keim.

„Können wir uns jetzt über den Fall unterhalten?“ Der erste Schluck des heißen Kaffees pumpte das Koffein regelrecht durch meinen Körper und ich spürte nahezu sofort die aufputschende Wirkung.

„Natürlich.“ Jamey zog einen Notizblock heraus und begann, seine Aufzeichnungen durchzusehen.

„Lass uns mit der Kastration beginnen“, schlug ich vor.

„Lieber nicht.“

Ich rollte mit den Augen. „Du bist nicht witzig. Wir könnten es mit einer zweiten Lorena Bobbitt zu tun haben.“

„Oh Gott, bring Chelsea nicht auf Ideen.“

Als ich ihm einen finsteren Blick zuwarf, hob er abwehrend die Hand. „Tut mir leid, ich bin jetzt völlig ernst.“ Er richtete sich auf.

„Diese Art Verstümmelung kommt nicht oft vor. Es könnte tatsächlich ein Fall der Sorte Lorena Bobbitt sein“, sagte ich und bezog mich auf die Tat einer geprügelten Ehefrau, die ihrem gewalttätigen Mann den Schwanz abgeschnitten hatte. „Ich vermute jedoch, der Mörder wollte sich für irgendwas Sexuelles rächen. Vergewaltigung, Belästigung, Missbrauch.“

„Das Opfer könnte stellvertretend für jemanden stehen. In Australien gab es einen Serienmörder, der Männer in dunkle Gassen gelockt, sie erstochen und dann kastriert hat. Er wollte sich an dem Kerl rächen, der ihn als Kind vergewaltigt hatte.“

„Es ist viel zu früh, um über einen Serienmörder zu nachzudenken.“

„Das meinte ich nicht.“ Ich nahm noch einen Schluck Kaffee. „Ich habe nur an Fälle gedacht, wo es um Kastrationen ging.“

„Woher zum Kuckuck weißt du von einem Serienmörder in Australien?“

Ich zuckte mit den Schultern und rieb mein Ohrläppchen. „Serienmörder interessieren mich.“

„Du brauchst ein anderes Hobby, Peter. Du solltest dieses Zeug nicht mit nach Hause nehmen. “

„Ach, bitte“, entgegnete ich. „Nimm dir deinen eigenen Rat zu Herzen. Erinnerst du dich an den Bartley Mord? Du hast die Akte jeden Abend mitgenommen.“

„Ja, und Chelsea hat es mir monatelang vorgehalten. Wenn ich dir einen Rat geben darf, Peter: Mach es nicht wie ich.“

„Ihr seid schon ziemlich lange verheiratet. Du meine Güte, ihr seid zusammen, seit ihr neunzehn wart, und habt euch nicht getrennt. Irgendwas musst du richtig gemacht haben.“

„Ja, ich habe eine Frau geheiratet, die mir viel mehr Chancen gegeben hat, als ich verdient habe.“ Er hielt einen Moment inne und klopfte auf seinen Notizblock.

Ich wartete, ob er ins Detail gehen würde, aber das tat er nicht. Also wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Fall zu. „Diese Spekulationen, warum der Typ ermordet wurde, bringen uns nicht weiter. Wir werden auf den forensischen Bericht warten müssen, mindestens ein paar Tage, vielleicht sogar Wochen oder Monate. Lass uns damit beginnen, ihn zu identifizieren, am besten mit ein wenig guter alter Polizeiarbeit.“

„Du meinst, die Gegend abgrasen?“

Ich nickte und stand auf. „Bist du bereit?“

„Ja.“

Wir waren schon an der Tür, als die Frau hinter der Theke uns nachrief. „Bye, Peter.“

Ich winkte und trat ins Freie, wo Jamey schon wieder gackerte. „Habe ich erwähnt, dass du ein Arsch bist?“

Er legte einen Arm um meine Schultern. „Ja, aber du liebst mich dafür.“

 

Die erste Runde sollte uns einfach ein Gefühl für die Gegend vermitteln. Das war unsere übliche Vorgehensweise, wir mussten uns nicht erst absprechen. Also liefen wir nahe dem Fundort durch den Elliott Bay Park, dann weiter zur Bell Harbor Marina. Ich registrierte, wo die Obdachlosen saßen oder schliefen, welche Restaurants und Geschäfte in der Nähe waren und wie viele Boote vertäut waren. Als wir das Ende des Docks erreicht hatten, hielten wir auf das Büro des Yachthafens zu.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Ein älterer Mann stand auf, als wir eintraten.

„Ich bin Detective Nolan, das ist Detective Tao“, sagte Jamey. „Seattle Mordkommission.“

„Geht es um die Leiche, die gefunden wurde?“

„Ja. Wir brauchen ein paar Informationen, die uns weiterhelfen können. Haben Sie diesen Mann hier schon einmal gesehen?“ Jamey zeigte ihm ein Bild unseres Opfers auf seinem Handy.

„Habe ich noch nie gesehen“, antwortete er.

„Wir glauben, er wurde gegen Mitternacht ermordet“, ergänzte ich. „Hat hier letzte Nacht jemand gearbeitet?“

Er schüttelte den Kopf. „Nee, wir arbeiten hier nicht rund um die Uhr. Ist mehr ein Nine-to-five-Job. Aus Sicherheitsgründen sollen die Boote vor Einbruch der Dunkelheit vertäut werden.“

„Wie viele Boote können hier maximal anlegen?“

„Fünfzig“, erwiderte der Mann. „Aber wir sind derzeit nicht mal halb voll.“

„Gibt es jemanden, der an Bord wohnt?“

„Spontan fallen mir zwei ein.“

„Einer davon auf der Cobalt A40, richtig?“, fragte Jamey.

Der Mann hob den Kopf. „Sie kennen sich mit Booten aus. Sie haben recht. Es gehört Mason Patel. Er ist Gott sei Dank nur am Wochenende hier.“

„Was ist mit ihm?“

„Er ist ein junger Partylöwe. Macht gern eine Menge Lärm und Unordnung. Die Leute beschweren sich dann bei mir. Allerdings muss man ihm zugutehalten, dass er seinen Dreck auch wieder wegräumt. Zum Glück bin ich derzeit nicht voll.“

„Wer ist die andere Person, die auf dem Boot lebt?“

„Deanna Harmon.“

„Wir müssen mit beiden sprechen.“

Da Jamey wusste, wo die Cobalt lag, ließen wir uns lediglich die Nummer des Anlegers der Frau geben, bevor Jamey eine Visitenkarte deponierte und wir das Hafenbüro in Richtung Mason Patel verließen.

„Woher kennst du den Namen und die Nummer des Modells?“, wollte ich wissen.

„Mein Vater hat so eins.“

Manchmal vergaß ich, dass Jamey aus einer wohlhabenden Familie kam. Er war mit Geld, mit viel Geld, aufgewachsen und man hatte erwartet, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten würde. Jameys Vater, James Howard Nolan der Dritte, war im Vorstand einer angesehenen Investmentgruppe. Jamey, James Howard Nolan der Vierte, um genau zu sein, war sein Erstgeborener und galt als schwarzes Schaf der Familie, da er sich entschieden hatte, ein Cop zu werden – zum Glück für die Bevölkerung von Seattle. Mein Partner war millionenschwer und konnte sich alles leisten. Er jedoch hatte sein Geld lediglich dafür verwendet, Chelsea das Haus ihrer Träume zu bauen. Davon abgesehen lebte er aber wie jeder Cop von einem beschissenen Gehalt.

„Sie ist schön.“ Ich war nicht leicht zu beeindrucken, aber die zwölf Meter lange Sportjacht, die inzwischen vor uns lag, war eindrucksvoll.

„Du solltest erleben, wie sie sich auf dem Wasser anfühlt. So viel Power.“

„Warum kaufst du dir nicht deine eigene? Gott weiß, du könntest es. Und es ist ja nicht so, als ob du dir sonst je was gönnst.“

„Ich habe in letzter Zeit darüber nachgedacht“, sagte Jamey und drehte seinen Ehering. „Besonders jetzt, wo ich …“

„Jetzt, wo du was?“, hakte ich vorsichtig nach.

„Vergiss es. Lass uns sehen, ob der Typ zu Hause ist.“ Er legte die Hände trichterförmig an den Mund und rief: „Hallo! Ist jemand auf dem Boot? Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen.“

Wenige Augenblicke später tauchte aus dem unteren Deck ein Kopf auf. „Was wollen Sie?“ Das schwarze Haar des jungen Mannes war wirr, seine Augen blutunterlaufen.

„Sind Sie Mason Patel?“, fragte ich.

„Wer zum Teufel will das wissen?“

„Die Seattle Mordkommission.“

In den Augen des Typen flackerte Angst auf, als Jamey und ich unsere Marken hochhielten. Er kam misstrauisch an die Oberfläche.

„Habe ich etwas angestellt, Officers? Ich hatte letzte Nacht nur ein paar Freunde zu Besuch, aber wir waren nicht besonders laut.“

„Dürfen wir an Bord kommen?“, wiederholte Jamey.

„Ähm, ja, natürlich.“

Jamey sprang leichtfüßig über das Wasser. Ich hatte trotz aller Vorsicht wesentlich mehr Mühe, nicht auf meinem Hintern zu landen, als meine Füße die nassen Planken des Bootes berührten.

„Sind Sie Mason Patel?“, fragte Jamey noch einmal.

„Ja. Brauchen Sie einen Ausweis oder so was?“

„Das wird nicht nötig sein“, erklärte ich. „Wir wollen Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Es ist uns egal, was Sie gestern getan haben.“

„Oh, gut.“ Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, was es nicht besser machte.

„Wo waren Sie gestern gegen Mitternacht? Es hat hier einen Mord gegeben“, begann Jamey.

„Ich war genau hier, auf dem Boot, mit etwa zehn Leuten.“

Zehn? Das war seine Vorstellung von ein paar Freunden?

„Haben Sie zufällig diesen Mann gesehen?“ Jamey zeigte Mason das Foto des Opfers.

„Kommt mir nicht bekannt vor. Aber ich habe mich auch nicht nach Jungs umgesehen, wenn Sie verstehen.“ Er grinste. „Es waren ein paar Mädels da, die meine ganze Aufmerksamkeit forderten.“

„Ist Ihnen sonst irgendjemand aufgefallen letzte Nacht?“

Er schüttelte den Kopf, stoppte aber mitten in der Bewegung. „Warten Sie. Doch, hätte ich fast vergessen. Da war diese Braut, als ich gegen elf Bier holen war. Sie stand in der Nähe des Büros. Als ich wiederkam, war sie zum Ende des Docks gegangen. Stand nur da und starrte aufs Wasser.“

„Haben Sie mit ihr gesprochen?“, erkundigte ich mich.

„Ich habe es versucht. Hab sie gefragt, ob sie zur Party kommen will. Aber sie hat nur den Kopf geschüttelt und sich weggedreht.“

„Wie hat sie ausgesehen?“

„Ich konnte nicht wirklich viel von ihr sehen, weil sie eine Kapuze aufhatte. Aber sie war nicht groß. Vielleicht 1,68m, höchstens. Klein und zierlich. Genau, wie ich sie mag.“ Er grinste.

Jamey nickte und zwinkerte verschwörerisch. „Können Sie uns sonst noch irgendwas über sie sagen?“

„Sie hatte rotes Haar. Das konnte ich unter ihrer Kapuze erkennen.“

Ich gab Mason meine Karte. „Rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch etwas einfällt.“

Er nahm sie und sah mich fragend an. „Hey, sollte ich mir Sorgen machen, dass, wer auch immer diesen Typen getötet hat, es wieder tun könnte?“

„Ich schlage vor, Sie verbringen vorerst nur Zeit mit Leuten, die Sie kennen“, orakelte Jamie.

„Wie zum Teufel soll ich so neue Frauen kennenlernen?“

Jamey zuckte mit den Schultern. „Dem Toten hat jemand den Schwanz abgeschnitten.“

Mason wurde bleich und für einen Moment hatte ich Angst, er würde umkippen.

„Seien Sie einfach vorsichtig“, sagte ich, als Jamey und ich von der Yacht sprangen.

Als wir außer Hörweite waren, begann Jamey glucksend zu lachen. „Hast du sein Gesicht gesehen, als ich sagte, dass dem Opfer der Schwanz abgeschnitten wurde?“

„Ja, ich dachte, er macht sich gleich in die Hose.“ Ich schmunzelte und wartete, bis Jamey sich wieder unter Kontrolle hatte.

„Ich frage mich, ob diese Rothaarige Deanna Harmon ist“, sagte ich.

„Lass es uns rausfinden.“

Ihr Boot war nett, aber nicht annähernd so eindrucksvoll wie die Cobalt. Acht Meter und mindestens zehn Jahre älter als Patels Yacht.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte eine weibliche Stimme hinter uns.

Überrascht drehten wir uns um und zückten gleichzeitig unsere Marken.

„Detectives Nolan und Tao“, sagte Jamey. „Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen. Sind Sie Deanna Harmon?“

Sie nickte.

Sie war definitiv nicht die junge Rothaarige, die Patel gesehen hatte. Diese Frau war um die sechzig und hatte kurzes, dunkles Haar.

„Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?“, fragte Jamey wieder und zeigte das Bild auf seinem Handy.

Sie betrachtete es aufmerksam durch ihre Brille, schüttelte dann aber den Kopf. „Kommt mir nicht bekannt vor. Warum fragen Sie?“

„Er wurde gestern gegen Mitternacht ermordet:“

„Oh.“ Sie schnappte nach Luft und legte eine Hand auf ihr Herz.

„Wo waren Sie um diese Zeit?“

„Mitternacht? Da war ich schon fast drei Stunden im Bett. Ich bleibe nie lange auf.“

„Haben sie gestern Abend oder heute Morgen jemanden gesehen, der Ihnen verdächtig vorkam?“

„Nicht dass ich wüsste.“

Wir stellten ihr noch ein paar Fragen, bevor wir uns verabschiedeten – nicht ohne auch ihr eine Visitenkarte mit der Bitte um Rückruf zu hinterlassen, wenn sie sich doch noch an etwas erinnern sollte.

Jamey und ich gingen am Dock entlang zurück.

„Die zierliche Rothaarige ist im Moment unsere einzige Spur“, fasste ich zusammen. „Das ist ziemlich dünn und viel zu wenig für eine Suchmeldung.“

„Wie sollte eine so kleine Frau das Opfer überwältigt haben?“, fragte Jamey. „Der Typ war nicht groß, aber ich nehme an, gegen eine Frau hätte er sich verteidigen können.“

„Jill sagt, das Messer am Hals wäre schnell gewesen. Sie könnte ihn überrascht haben. Wenn er rasch starb, hätte sie nur seine Hose öffnen, einen schnellen, sauberen Schnitt machen und verschwinden müssen. Es sieht nicht so aus, als wäre die Leiche bewegt worden.“

„Ich weiß nicht.“ Jamey schnitt eine Grimasse und schüttelte den Kopf. „Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass es eine Frau war. Ich vermute eher einen Mann hinter der Tat. Vielleicht hat unser Opfer etwas mit der Freundin eines Anderen angefangen und der Freund hat sich gerächt.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Wir können stundenlang was wäre, wenn spielen. Solange wir nicht mehr Informationen haben, halte ich mich an die Rothaarige, zumindest als mögliche Zeugin.“

Zum Abschluss unserer Runde klapperten Jamey und ich die wenigen Restaurants und Geschäfte der Bell Harbour Marina ab, zeigten das Foto unseres Opfers und fragten nach einer rothaarigen Frau. Da die meisten Läden spätestens um elf schlossen, waren zur Tatzeit nur noch vereinzelt Leute vor Ort gewesen. Wie gewöhnlich hatte niemand etwas gesehen.

 

Auf dem Rückweg zum Elliott Bay Park, wo wir unsere Autos abgestellt hatten, fielen mir zwei Obdachlose auf, etwa 30 Meter vom Fundort der Leiche entfernt. Eine Frau mit strähnigem, blondem Haar saß aufrecht auf einer Wiese, während ein Mann neben ihr schlief. Wenn ich eines von Jamey gelernt hatte, dann, dass Menschen, die auf der Straße lebten, oft die wertvollste Informationsquelle waren. Von anderen meist ignoriert, nahmen sie nicht selten alles wahr, was rund um sie geschah.

„Willst du mit ihnen reden?“, fragte Jamey.

Ich nickte.

„Ich muss mal zur Toilette“, erklärte er. „Bin gleich wieder zurück.“

Ich näherte mich der Frau und ging in die Hocke. „Kann ich Sie etwas fragen?“

Sie glotzte mich an und ihr vom Meth-Konsum gezeichneter Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Fragen kannste, aber das heißt nicht, dass ich auch antworte.“

Schmunzelnd zeigte ich ihr das Foto unseres Opfers. „Haben Sie diesen Mann gesehen?“

Sie blinzelte, schüttelte aber den Kopf. „Kommt mir nicht bekannt vor. Ich bin aber auch noch nicht so lange da.“ Sie deutete auf den schlafenden Typen neben sich. „Er ist meistens hier.“

„Glauben Sie, Sie können ihn wecken?“

„Manny.“ Sie verpasste ihm eine derbe Kopfnuss, die ihn augenblicklich in die Höhe schießen ließ.

„Was zum Teufel …?“

„Der Cop hier hat ’ne Frage an dich.“

Manny sah sie finster an, bevor er sich zu mir drehte. „Was wollen Sie?“

„Haben Sie diesen Mann gesehen?“ Ich hielt ihm das Bild hin.

Er starrte es an und nickte dann. „Ja, der Typ war letzte Nacht hier. Der lief hier rum. Ging nervös auf und ab, als wäre was nicht in Ordnung, wissen Sie?“

„Haben Sie mit ihm gesprochen?“

„Ich fragte ihn, ob er ’ne Kippe hätte. Aber er meinte, er würde nicht rauchen. Hat mir aber ’nen Fünfer gegeben.“

„Hat er gesagt, weshalb er hier war?“

Der Mann zuckte mit den Schultern. „Hab ihn nicht gefragt. Aber ich denke, er wollte jemanden treffen. Hat sich jeden genau angeguckt, der vorbeikam und hat immer wieder auf die Uhr gesehen.“

„Haben Sie ihn denn mit jemandem zusammen gesehen?“

„Nee. Ich bin dann aber los, um was zu essen zu kaufen. Als ich wiederkam, war er weg.“

„Um welche Zeit war das?“

Er rieb sich über das Gesicht und dachte nach. „Gegen elf.“

„Wie lange waren Sie weg?“

„’ne halbe Stunde vielleicht.“

„Und als sie zurückkamen, war niemand mehr da?“

„Nö.“

„Haben Sie zufällig eine kleine, rothaarige Frau gesehen?“

Die gleiche Antwort.

„Haben Sie hier geschlafen?“

Manny schüttelte den Kopf. „Hatte beschlossen, mir einen geschützten Platz zu suchen. Sah irgendwie nach Regen aus. Ich hab einen Kumpel drüben in Sinner’s Row, der hat ein Zelt.“

Das war einer von vielen Sammelplätzen der Obdachlosen in Seattle.

„Als ich heute Morgen zurückkam, sah ich all die Cops. Sind Sie deshalb hier?“

„Ja, der Mann wurde ermordet.“

Während die Frau die Luft anhielt, schloss Manny für ein paar Sekunden die Augen, als würde er ein Gebet zum Himmel schicken. Ich gab beiden meine Karte. „Melden Sie sich bei mir, wenn Sie sich an etwas erinnern oder etwas hören, das uns helfen könnte.“

In dem Moment kam Jamey zurück, zwei Tüten vom Feinkostladen auf der Bell Street in der Hand. „Mögen Sie Roastbeef- und Schinkensandwiches?“

Sie nickten gleichzeitig und Jamey gab ihnen die Tüten. „Da sind auch Kekse und Chips drin. Und ein paar Dosen Cola.“

„Danke, Mann“, murmelte die Frau. „Normalerweise schikanieren uns die Cops nur.“

Jamey machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das sind die Arschlöcher.“

Manny öffnete die Sandwichverpackung, nahm einen großen Bissen und murmelte ein Dankeschön mit dem Mund voller Roastbeef, Salat und Tomaten.

„Rufen Sie mich an, wenn Sie irgendwas hören“, sagte ich. „Egal was.“

„Es muss nicht mit dem Fall zu tun haben“, fügte Jamey hinzu. „Auch wenn Sie Hilfe brauchen. Wir sind da.“

Sie winkten und verschlangen gierig ihr Essen.

„Das war nett“, sagte ich, als wir davon stapften.

„Hey, ich habe mehr Geld, als ich im Leben ausgeben kann. Warum also nicht ein bisschen Liebe verbreiten? Außerdem … das werden sie so schnell nicht vergessen. Und man weiß nie, wann sich ein einfacher Akt der Freundlichkeit bezahlt macht.“

Wir hatten unsere Autos erreicht.

„Wir sehen uns gleich auf dem Revier. Ich bin sicher, der Chief kann es kaum erwarten, zu hören, was wir haben.“

„Leider ist es nur ein Haufen heiße Luft.“

„Das wird dann wohl eine nette Unterhaltung.“

Er rollte mit den Augen. „Eher nicht.“

 

Kaum, dass Jamey und ich das Dezernat betreten hatten, rief Deputy Chief Carmen Slight lautstark nach uns und zitierte uns in ihr Büro. Jamey und ich tauschten einen vielsagenden Blick.

„Schließen Sie die Tür, Tao.“ Slight sah nicht gerade glücklich aus. Nicht, dass sie jemals glücklich ausgesehen hätte. Mit ihrem ständig verkniffenen Mund und ihren zornig blickenden Augen wirkte sie eher wie eine Kampfhündin in Bereitschaft. Dabei war sie gar nicht übel, sie sah nur so aus.

„Was gibt es, Chief“, fragte Jamey.

Sie starrte ihn wütend an. „Ich würde Ihnen am liebsten den Hals umdrehen, Nolan.“

„Was habe ich denn getan?“ Er hob die Hände und warf ihr einen unschuldigen Welpenblick zu.

Für einen kurzen Augenblick dachte ich tatsächlich, sie würde lächeln. Stattdessen fuhr sie ihn an. „Sie haben keine Ahnung, wie es ist, morgens als Erstes von Detective Shepherd Adley angeschnauzt zu werden! Ich war kaum in meinem Büro, da überfiel er mich schon und faselte etwas von Verstoß gegen das Protokoll und so einen Scheiß.“

Trotz meiner Bemühungen mir das Lachen zu verkneifen, entwich mir ein Kichern, was mir ein böses Funkeln seitens des Chiefs einbrachte, sodass ich mich sofort wieder fing. Zum Glück wandte sie ihre Aufmerksamkeit gleich wieder Jamey zu und ich entspannte mich.

„Warum zum Teufel haben Sie diesen Fall übernommen, wenn Adley dran war?“

„Wollen Sie eine Ausrede oder die Wahrheit?“, fragte Jamey, was mich fast dazu brachte, wieder die Kontrolle zu verlieren.

„Die Wahrheit, Nolan.“

„Ich war heute Morgen um drei Uhr auf dem Revier“, erklärte er ernst. „Was sagt Ihnen das?“

Augenblicklich verschwand die Anspannung in Slights Gesichtsausdruck. „Alles in Ordnung, Jamey?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich möchte nicht darüber sprechen. Sagen wir einfach, ich habe einen Fall gebraucht, in den ich mich stürzen kann. Es tut mir leid, dass Adley sauer ist, und es tut mir leid, dass Sie es abbekommen haben. Ich hätte das mit Ihnen absprechen sollen.“

Sie winkte ab. „Egal, ist vorbei. Erzählen Sie mir, was Sie haben.“

„Nicht viel, fürchte ich“, antwortete ich. „Wir haben Klinken geputzt … also die Gegend abgesucht und mit den Leuten in der Marina gesprochen, einschließlich zweier Besucher, die auf ihren Booten wohnen.“

„Einer der beiden, Mason Patel, hat eine rothaarige Frau gesehen.“ Jamey verschränkte die Arme vor der Brust. „Er konnte aber nicht viel erkennen, da sie eine Kapuze trug und er mehr an der Party auf seinem Boot interessiert war als an der Umgebung. Deanna Harmon, die dort ebenfalls lebt, hat gar nichts gesehen. Genau wie alle anderen, mit denen wir gesprochen haben.“

„Ich habe mich mit einem Obdachlosen unterhalten“, übernahm ich wieder. „Er hat das Opfer kurz vor Mitternacht gesehen. Ich hoffe, dass er vielleicht noch etwas hört, da er regelmäßig dort unterwegs ist und gelegentlich auch auf dem Gelände übernachtet.“

„Die Obdachlosen sind eine ausgezeichnete Quelle“, sagte Slight. „Ich wünschte, mehr Detectives würden sich das zunutze machen.“

Jamey zwinkerte mir zu. Wir hatten beim Chief gerade ein paar Punkte gut gemacht.

„Was geben wir an die Presse?“, fragte Jamey, kam einen Schritt näher und lehnte sich an den Schreibtisch.

Sie straffte sich. „Ich will, dass wir so viele Details wie möglich für uns behalten. Die Familie des Opfers soll nicht aus den Nachrichten erfahren, dass er tot ist.“

„Wenn wir ihn nicht bald identifiziert haben, werden wir an die Öffentlichkeit gehen müssen“, wandte ich ein.

„Da haben Sie recht“, stimmte Slight zu. „Aber so lange …“ Sie sah uns eindringlich an. „Und enthalten Sie der Presse auf jedem Fall vor, dass der Typ seinen Schwanz los ist. Wir sagen nur, dass eine nicht identifizierte, männliche Leiche in der Nähe des Elliott Bay Parks und der Bell Harbor Marina gefunden wurde. Hoffentlich gibt es derzeit ausreichend spannende Nachrichten, damit die Reporter nicht um mehr Fakten betteln. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“ Damit entließ sie uns mit einer wedelnden Handbewegung.

Jamey und ich schlenderten zu unseren Schreibtischen, die sich in der hinteren Ecke der Einsatzzentrale gegenüberstanden.

„Ich kann nicht glauben, dass du da heil rausgekommen bist“, sagte ich.

Jamey grinste schief. „Ich habe auf die Wahrheit gesetzt. Das funktioniert aber nur, weil der Chief mich gut genug kennt.“

„Also ist es wirklich so schlimm?“

„Ja.“

„Willst du …“

„Nein, ich will nicht darüber reden.“

Ich hob abwehrend die Hände. „Schon gut, wenn du bereit bist, bin ich da.“

„Danke Peter.“

 

Manche Menschen verteufelten die moderne Technologie, aber in der Strafverfolgung war sie ein absoluter Segen. Um die Arbeit der vielen unterschiedlichen Abteilungen an einem Fall koordinieren zu können, war ein funktionierendes Netzwerk notwendig. Nur so gelang es, jederzeit an alle Informationen zu kommen, nur so konnte ich eine Akte am Computer öffnen und verfolgen, wer was herausgefunden hatte – vorausgesetzt, dass jeder Einzelne seine Arbeit ordentlich dokumentiert hatte.

Die Spurensicherung hatte Fingerabdrücke genommen, bisher aber nichts gefunden. Allerdings konnte es durchaus bis zu einer Woche dauern, eine Übereinstimmung zu finden, wenn jemand im System war. Ferner war ein Foto des Mannes durch das Gesichtserkennungsprogramm gelaufen – aber auch das bislang erfolglos.

Ich hatte begonnen die Berichte über vermisste Personen durchzugehen, nur für den Fall, dass der Computer etwas übersehen hatte. Denn ein paar Jahre zuvor hatte es in der Pathologie einen nicht identifizierten Toten gegeben. Der zuständige Beamte hatte sich auf die Gesichtserkennung verlassen, aber in der Vermisstenkartei war ein Foto gewesen, das ihn mit Schnurrbart zeigte. Den hatte er jedoch vor seiner Ermordung abrasiert. Die Leiche lag einen Monat in der Pathologie, bis die Familie ein aktuelles Foto zur Verfügung stellte. Mann, da war die Kacke am Dampfen.

Damals wurden wir angehalten, in solchen Fällen die Liste der Vermissten durchzugehen und uns die Fotos anzusehen, statt ausschließlich auf die Technik zu vertrauen. Es war eine öde, eintönige Arbeit.

„Wie wäre es, wenn ich M bis Z übernehme?“, fragte Jamey. Dankbar nahm ich sein Angebot an, schaffte es aber gerade mal bis H, bevor es Zeit war, Feierabend zu machen. Pünktlich. Denn ohne heiße Spur gab es keinen Grund länger zu bleiben.

„Gehst du nach Hause?“, fragte Jamey, als ich aufstand, um meinen Mantel zu holen.

„Ja, aber vorher schaue ich nochmal bei Jill vorbei und sehe, ob sie etwas für uns hat. Was ist mit dir?“

„Ich bin mit S fast durch“, antwortete Jamey. „Wenn ich damit fertig bin, verschwinde ich auch.“

„Okay. Ich bin Hause, falls du später vorbeikommen möchtest.“

Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern und hauchte verschwörerisch: „Keine Gäste heute?“

„Nein, sein Arsch braucht eine Pause.“

Jamey kicherte und wandte sich wieder seinem Computer zu, als ich ging.

Die Gerichtsmedizin war nur wenige Blocks entfernt, dort haltzumachen, war also keine große Sache.

„Du lieber Himmel, Tao. Glauben Sie, ich kann zaubern?“, scherzte Jill, als ich eintrat.

Ich zwinkerte ihr zu. „Eigentlich schon.“

„Nun ja, zumindest bin ich verdammt gut.“ Sie lächelte verschmitzt, bevor sie ernst wurde. „Ich habe mehrere Blutproben genommen und sie zu verschiedenen Tests geschickt. Auch ein rotes Haar, das ich bei der Untersuchung gefunden habe, ist im Labor. Die Autopsie ist noch nicht abgeschlossen, aber wie ich vermutet hatte, war die Verletzung der Wirbelsäule die Todesursache. Ein Stich in die Halswirbelsäule.“

„Können Sie mir schon etwas über die Mordwaffe sagen?“

„Scheint eine gewöhnliche Klinge gewesen zu sein. Sie drang mindestens sechs Zentimeter tief ein. Vier hätten ausgereicht, um die tödliche Verletzung hervorzurufen.

„Overkill?“, fragte ich.

Sie zuckte mit den Schultern. „Oder der Mörder wusste nicht, wie tief er zustechen muss. Der Hals ist nicht so dick und die Wirbelsäule ist direkt unter der Haut.“

„Irgendwas Wissenswertes über das Opfer?“

„Ich würde sagen, er hatte Geld. Sein Outfit kostet ein kleines Vermögen. Er trug Gucci Jeans im Wert von mindestens sechshundert Dollar. Nochmal sechshundert für die Ferragamo Slippers.“

„Tattoos oder auffällige Muttermale? Irgendwas, das helfen kann, ihn zu identifizieren?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich fürchte nicht. Es sieht so aus, als ob Sie rausgehen und Ihren Job machen müssen“, neckte sie.

Ich winkte spielerisch ab. „Kümmern Sie sich um Ihren Job, Dr. Trencher, ich kümmere mich um meinen.“

 

Kapitel 2

 

Nach einer ereignislosen Nacht hatte ich mich am nächsten Morgen gerade an meinen Schreibtisch gesetzt und den ersten Schluck Kaffee genommen, als Jameys Telefon läutete. Er nahm sofort ab.

„Ja, Ma’am“, sagte er. „Wir sind dran.“ Er legte auf und stand auf. „Wir müssen gehen. Wir haben einen Toten im Gas Works Park.“

Ich seufzte. „Nolan, du hast nicht gerade wirklich einen weiteren Fall angenommen, oder? Falls du es vergessen hast, wir haben schon einen.“

„Ich bin ziemlich sicher, dass eine Verbindung zwischen diesem und dem Gestrigen besteht.“

Ich stellte meinen Kaffee ab und sah ihn an. „Wie das?“

„Dem Typen fehlt sein bestes Stück.“

Der Gas Works Park war einst eine Produktionsstätte zur Erzeugung von Gas aus Kohle gewesen, aber der Import von Naturgas hatte die Anlage überflüssig gemacht, sodass das Gelände seit den 70ern als öffentlicher Park genutzt wurde. Das ehemalige Kesselhaus war nun ein überdachter Picknickbereich. Das Gebäude, das früher die Vakuumpumpe beherbergt hatte, war zu einem Kinderspielplatz mit einer Fülle bunt bemalter Maschinen geworden. Doch wo sonst Touristen und Mütter mit Kindern herumwuselten, herrschte heute Morgen eine nahezu gähnende Leere, da der gesamte Park einschließlich des Parkplatzes abgeriegelt worden war. Das Opfer lag hinter dem Picknickplatz. Zweifellos hingen die beiden Fälle zusammen, denn dem Toten, einem Mann, waren die Genitalien entfernt worden. Jill war bereits dabei, die Leiche zu untersuchen.

„Gibt es außer der Tatsache, dass dem Mann … ähm … etwas fehlt, noch andere Verbindungen zum Toten von gestern?“, fragte ich Jill.

Sie drehte den Kopf des Opfers zur Seite und deutete auf ein Loch in seinem Nacken. „Scheint die gleiche Todesursache zu sein, Detective.“

„Verdammt.“

Abgesehen von den Verletzungen hatten die beiden Männer optisch gesehen nicht viel gemeinsam. Während der Tote vom Hafen weiß, jung und fit gewesen war, war dieser hier ein Afroamerikaner und wesentlich älter war, mindestens fünfzig. Sein Kopf war rasiert und er schien nicht besonders gut in Form gewesen zu sein. Sein unförmiger Bauch verdeckte einen Teil des blutigen Chaos in seiner Leistengegend. Jetzt galt es herauszufinden, was die beiden ansonsten verband. Ohne ihre Namen jedoch würde das schwierig werden. Blieb die Hoffnung, sie bald zu identifizieren.

„Todeszeitpunkt – wahrscheinlich heute Morgen zwischen eins und vier“, sagte Jill.

Zwei Beamte der Spurensicherung untersuchten das Gelände, also versuchten Jamey und ich, ihnen nicht im Weg zu stehen, nachdem die Leiche abtransportiert wurde. Um einen besseren Blick auf den Fundort zu bekommen, trat ich aber irgendwann näher, konnte auf dem Boden jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken, dafür aber an der dahinterliegenden Wand: ein rotes Haar.

„Jamey, sie dir das an.“

Er kam herüber und ging neben mir in die Hocke.

„Auf dem ersten Opfer wurde auch ein rotes Haar gefunden.“

„Das muss aber nichts bedeuten“, meinte Jamey. „Das ist ein öffentliches Gebäude. Das Haar könnte von jedem sein.“

„Einschließlich unseres Mörders, nicht wahr? Kann also nicht schaden, es analysieren zu lassen und mit dem anderen zu vergleichen.“ Ich klaubte das Haar vorsichtig mit einer Pinzette von der Wand, ließ es in eine Papiertüte für Beweismittel fallen und übergab diese der Spurensicherung.

Nachdem Jamey und ich uns noch eine Weile am Tatort umgesehen hatten, gingen wir zurück zum Parkplatz. Ein Auto, ein weißer Audi Infinity, stach mir sofort ins Auge. Er wirkte neben den vielen Polizeiwagen fehl am Platz, da ja der Park für die Öffentlichkeit gesperrt worden war. Ich ging schnurstracks zu dem Fahrzeug, Jamey war direkt hinter mir. „Du denkst das Auto gehört unserem Opfer?“

„Gut möglich.“ Mit dem Bordcomputer unseres Wagens überprüfte ich das Nummernschild.

„Tyrone Osceola“, sagte ich und las laut die Zulassung vor. „Fünfzig Jahre alt.“

Jamey überprüfte das Foto. „Das ist unser Mann und er hat mindestens dreißig Pfund zugelegt, seit das Foto gemacht wurde. Hier ist auch seine Anschrift, eine Adresse in Hawthorne Hills.“ Na bitte, jetzt hatten wir wenigstens einen Namen und einen Ort, um mit unseren Ermittlungen zu beginnen.

Auf dem Weg zu Osceolas Wohnung rief ich Molly Whitmore an, die derzeitige Assistentin der Mordkommission. Nach einem unschönen Zwischenfall auf Streife war sie strafversetzt worden, in den Innendienst. Das minderte aber nicht ihre Motivation und ihr Engagement, sie war eine gute Polizistin und ausgezeichnet darin, Informationen auszugraben.

„Wie kann ich Ihnen helfen, Detective?“, fragte sie.

„Ich habe die Identität unseres neuen Opfers und bin auf dem Weg zu seiner Wohnung. Können Sie ihn einmal durch den Computer jagen und mir erste Informationen geben?“

„Ich bin schon dran.“

Zehn Minuten später rief Molly zurück.

„Was haben Sie?“

„Tyrone Osceola ist ein leitender Angestellter bei Boeing. Verheiratet mit Fiona Osceola. Keine Kinder. Ich habe mehr, aber das sind die Eckdaten.“

„Wunderbar. Und jetzt geben Sie mir alles, was Sie über seine bessere Hälfte finden können. Arbeitsplatz, Telefonnummer, Verwandte, alles.“

 

Hawthorne war eine wohlhabende Wohngegend. Unter einer Million waren die Häuser dort nicht zu haben. Jedes hatte einen individuellen Stil, das Haus der Osceolas erstrecke sich über drei Etagen, besaß einen großen, gepflegten Vorgarten, unterbrochen durch einen gepflasterten Weg, der zum Eingang führte.

Nichts rührte sich, als ich klingelte. Als wir gerade wieder gehen wollten, kam eine Frau mittleren Alters in einem pinkfarbenen Jogginganzug vorbei. Vor dem Grundstück hielt sie an und lief auf der Stelle.

„Ich habe seit zwei Tagen keinen der beiden mehr gesehen“, rief sie uns zu.

Wir gingen die Auffahrt hinunter und blieben bei ihr stehen. „So lange?“, fragte ich.

Sie nickte und fuhr fort, auf der Stelle zu joggen. „Nun, Fiona habe ich seit ihrem großen Streit überhaupt nicht mehr gesehen.“

Jamey lehnte sich über den Zaun. „Sie hatten eine Auseinandersetzung?“

Sie schnaubte. „Ein Schreiduell trifft es wohl eher. Direkt hier auf dem Rasen, wo die ganze Nachbarschaft es sehen konnte.“

Ich zückte meinen Notizblock. „Konnten Sie hören, was sie sagten? Wissen Sie, worum es bei dem Streit ging?“

„Leider nicht. Und glauben Sie mir, ich habe es versucht.“

Ich notierte Namen, Adresse und Telefonnummer und gab ihr meine Karte. „Wenn Sie einen der beiden sehen oder Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an.“ Auch wenn ich wusste, dass Tyrone nicht mehr nach Hause kommen würde, wollte ich nicht, dass die Nachbarn das jetzt schon erfuhren.

„Klar.“ Sie winkte, drehte sich um und joggte davon.

„Wollen wir die Nachbarn gemeinsam befragen, oder teilen wir uns auf“, fragte ich.

„Du nimmst diese Seite des Blocks, ich die andere.“

Das Haus der Osceolas stand praktisch in der Mitte. Es galt also, drei Häuser auf einer Seite und zwei auf der anderen abzuklappern. Ich marschierte zum Ende der Straße und begann von hinten, sprach mit einem zweiundzwanzigjährigen Mann, einer Dame im Ruhestand und einem lesbischen Paar. In den beiden anderen Häusern öffnete niemand, sodass ich lediglich meine Karte an den Türen mit der Bitte um Rückruf hinterlassen konnte. Während der junge Mann das Spektakel nicht gesehen hatte, ja die Osceolas nicht einmal kannte, hatten die ältere Dame und eine der Frauen den Zwischenfall aber beobachtet. Beide konnten sich erinnern, dass Fiona wahnsinnig wütend gewesen war, da ihr Mann sie betrogen hatte – auch wenn sie sich uneins waren, was genau Fiona gesagt hatte.

Jamey sprach mit vier Nachbarn, zwei von ihnen hatten den Streit miterlebt. Ihre Aussagen deckten sich mir denen meiner Zeugen.

„Also wir haben eine betrogene Ehefrau“, stellte Jamey fest. „Glaubst du, sie ist unsere Mörderin?“

„Das ist eine plausible Theorie. Er betrügt sie, sie dreht durch und schneidet ihm sein bestes Stück ab.“ Wir kehrten zu unserem Wagen zurück. „Aber wie passt unser erstes Opfer da rein?“

„Solange wir ihn nicht identifizieren können, ist das schwierig zu sagen“, meinte Jamey. „Außer …“ Er saß auf dem Fahrersitz und biss sich auf die Unterlippe.

„Was denkst du?“

„Was, wenn Osceola in deinem Team gespielt hat?“

„Du meinst, der erste Typ ist Osceolas Liebhaber gewesen?“ Das war eine Möglichkeit, aber reine Spekulation, solange wir nicht mehr über Osceola wussten und seine Frau ausfindig gemacht hatten.

„Vielleicht kann uns jemand bei Boeing einen Hinweis geben.“

 

Osceolas Sekretärin war eine Frau um die dreißig mit dem unglücklichen Vornamen Sprite. Geschockt vom Tod ihres Vorgesetzten brach sie auf der Stelle in Tränen aus. Jamey legte tröstend seinen Arm um sie, während ich nur geduldig darauf wartete, dass sie sich wieder sammelte. Er war schon immer besser als ich, wenn es um persönliche Interaktion ging.

„Wissen Sie, ob er Probleme in seiner Ehe hatte?“ Jamey setzte sich neben sie, ich blieb stehen.

Sie nickte. „Ich habe mehrere Auseinandersetzungen zwischen den beiden mitbekommen.“

„Worum ging es?“

„Ich weiß es nicht, ich habe mich bemüht, nicht zu lauschen.“

Ihre roten Wangen und die Tatsache, dass sie vermied, mich anzusehen, straften ihre Aussage Lügen. Jamey und ich tauschten einen wissenden Blick, er tätschelte ihren Arm.

„Sie sehen aus, als könnten sie eine Pause gebrauchen. Warum gehen wir beide nicht einen Moment an die frische Luft, während sich mein Partner mit Mr. Osceolas Boss unterhält?“

„Natürlich“, sagte sie und holte ihr Handy vom Schreibtisch.

Wenige Minuten später saß ich auf einem luxuriösen Mahagonistuhl im Büro von Paula Carson, einer mageren Frau, deren graues Haar zu einem straffen Knoten gesteckt war, was ihrem Gesicht einen strengen Ausdruck verlieh. Sie sah nicht aus, als würde sie oft lächeln. Ihr Ausdruck änderte sich kaum, als ich ihr sagte, dass Osceola tot war.

„Das ist bedauerlich“, sagte sie. „Tyrone war ein ausgezeichneter Angestellter. Er war sowohl bei seinen Vorgesetzten als auch bei seinen Untergebenen beliebt. Er wird schwer zu ersetzen sein.“

„Gibt es jemanden, der seinen Tod gewollt haben könnte?“, fragte ich. „Irgendwelche firmeninternen Auseinandersetzungen, aus denen vielleicht Ernst wurde?“

Sie richtete sich auf und verschränkte die Arme. „Ich versichere Ihnen, Detective Tao, wir haben hier alles fest im Griff. Zwischenmenschliche Probleme werden immer sofort angegangen. Wir haben ein ausgezeichnetes Konfliktlösungsprogramm.“

Ich lehnte mich vor, stützte meine Ellbogen auf die Knie und grinste sie breit an. „Das bezweifle ich nicht, Mrs. Carson. Trotzdem kann nicht immer alles rund laufen. Ich bin sicher, es gab das eine oder andere Problem.“

„Nun, ein Angestellter machte Probleme, als Tyrone ihn feuerte. Er behauptete, sein Rauswurf wäre persönlich motiviert gewesen und hätte nichts mit seiner Leistung im Job zu tun. Seine Beschwerde war unbegründet.“

„Kann ich den Namen dieser Person haben?“, bat ich.