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Frank Wiggermann

Die Arena von Pola

Eine kleine Kulturgeschichte
des Amphitheaters von Istrien

Illustration

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Blüte. Das Amphitheater in römischer Zeit

Die Dekadenz. Der Verlust der urbanen Funktion

Cossa mirabelissima. Das Amphitheater in der Renaissance

La Rena di Pola. Die venezianische Zeit

Zwischen Grand Tour und Forschungsreisen. Die gebildeten Dilettanten

Das französische Intermezzo

Stille über dem Ort. Der österreichische Kaiserstaat und seine Italiener

Pyromania. Feuer im Amphitheater

On the spot. Das angloamerikanische Reisefieber

Cette construction logique et simple. Franzosen in Pola

Südistrien kolonisieren? Deutsch-österreichische Reiseperspektiven

Der Mauerbau

Auf der Suche nach dem verlorenen Eigentümer der Arena

Von der Schulmeisterei zur k.k. Konservation in Pola. Die gelehrten Archäologen

Tummelplatz für die mutwillige Jugend

Pola redenta. Die italienische Zeit

Addio Pola. Das Amphitheater als italienischer Erinnerungsort seit 1947

Anmerkungen

Abkürzungsverzeichnis

Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

Amphitheater sind Gebäude von sehr langer Dauer. Sie gehören zur geographischen Zeit Fernand Braudels1. Diese Artefakte der römischen Hochkultur sind zugleich Schauplätze der römischen Populärkultur, der Spiele und der Gewalt, gewesen. Welche Bedeutung die Menschen, Einheimische und Reisende, im Laufe der folgenden Jahrhunderte ihrem Amphitheater in Pola zugeschrieben haben, ist Gegenstand der vorliegenden Kulturgeschichte. Dabei haben sich die Überschreibungen und Nachnutzungen der Arena, deren Afterlife also, stetig verändert. Im weiten anthropologischen Sinn war das Amphitheater von Pola immer Teil der lokalen, regionalen und internationalen Kultur – der Kunst und der Fähigkeiten von Menschen, sich die Arena für ihre Bedürfnisse anzueignen2.

Man kann entlang der Geschichte und Nachgeschichte eines Amphitheaters die Geschichte einer Stadt und ihrer Menschen erzählen. Ob die Arena von Pola offen oder unzugänglich war, instand gehalten wurde oder verwahrloste, als Bühne der kulturell-politischen Veranstaltungen genutzt wurde oder eingemauert und isoliert dastand – daran lassen sich die Interaktionen zwischen Architektur und Menschen ablesen, für jede Phase der Geschichte Polas.

Dem ersten römischen Kaiser hatten die Einwohner Polas bereits mit der Errichtung des Augustustempels am Forum gehuldigt3. Unter den folgenden Imperatoren wuchs die Stadt an Einwohnern, Handel und Gebäuden. Die ersten nachchristlichen Jahrhunderte bezeichneten die größte Blütezeit des Ortes. Später verlor Pola während der mittelalterlichen Auseinandersetzungen und der Zeit des genuesisch-venezianischen Konflikts seine ebenso gesicherte wie wohlhabende Position. In der frühen Neuzeit lag der Ort, nachdem er mehrmals fast ganz zerstört und aus den Trümmern wieder aufgebaut worden war, durch Krieg und Pest wie verwaist da. Im Jahr 1797 fiel Pola von der untergehenden Seerepublik Venedig an Österreich, vorübergehend an das napoleonische Frankreich und wieder zurück in den Schoß des habsburgischen Kaisertums.

Dabei nahm die Arena immer wieder geradezu menschliche Gestalt an und trat in imaginierte Dialoge mit den Menschen, zuletzt in der italienischen Zeit nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Die personifizierte Arena, lernten die italienischen Schulkinder in den 1920er Jahren4, habe die österreichisch-ungarischen Kriegsschiffe im Hafen von Pola voller Ironie betrachtet, so wie der Augustustempel und der Sergierbogen mitleidig die k.u.k. Offiziere („gli ufficialetti austriaci“) verlacht hätten, die durch Pola paradierten. Die Kraft der italianità, von den römischen Altertümern seit eintausendneunhundert Jahren verkörpert, habe die Fremden schließlich aus dem Land Istrien geworfen – eine typische Meistererzählung nach dem Wechsel des Landesherrn im Jahr 1918. Aber das nationalistische Meisternarrativ, das man in die Köpfe der Schulkinder zu pflanzen trachtete – der römische Glanz – die venezianische Blüte – die österreichische Repression – die italienische ›Erlösung‹ der österreichischen Italiener 1918 –, führte die Grenzlanditaliener in den Abgrund des Faschismus, des Antislawismus und des Zweiten Weltkriegs. Als Titos jugoslawische Partisanen Mussolinis Krieg nach Istrien zurückbrachten, folgten Flucht und Vertreibung der meisten Italiener aus der uralten italischen Region Istrien.

Illustration

Das Amphitheater 2017. Immer noch ein stupender Ausblick auf das Meer.
Frank Wiggermann, Pola 2017.

Die Blüte.
Das Amphitheater in römischer Zeit

Im riesigen kulturellen Bereich der römischen Vergangenheiten bilden die Amphitheater eine besonders beständige Größe – durch die Jahrhunderte bis heute. Das römische Mittelmeer bildete eine Einheit, dank des Klimas, des Weines und der Oliven, die dort gediehen, aber auch des Wassers5 – und der römischen Amphitheater.

Wahrscheinlich hat schon C. Iulius Caesar in den 40er Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr. eine neue Siedlung oder Kolonie Pola geschaffen und in seine Romanisierungspolitik einbezogen6. Nachdem Caesar den Bürgerkrieg gegen Pompeius gewonnen hatte (47 v. Chr.), soll der siegreiche Diktator die Gründung einer Reihe von Kolonien längs der östlichen Adriaküste in Angriff genommen haben, da-runter die Errichtung Polas, der so genannten Colonia Pietas Iulia Pola.

Vitruvius, der römische Ingenieur-Architekt, der in Caesars Heeresdienst Erfolg hatte, aber wohl kaum eigene Bauten durchführte, beschäftigte sich in seinen Zehn Büchern über Architektur ausführlich mit der Auswahl des Platzes für halbrunde griechisch-römische Theater unter hygienischen und akustischen Gesichtspunkten. Er empfahl höher gelegene Plätze und die Durchführung des Theaterbaus an Berghängen7. An der Lage des späteren Polaer Amphitheaters, dessen Symmetrie und Dekor hätte er seine Freude gehabt. Aber das doppelte Theater (Amphi-theatrum), ein aus zwei einander gegenübergestellten griechischen Theaterhälften geschaffener singulärer römisch-italischer Bautyp für Gladiatorenspiele und Tierhetzen (munera et venationes), hatte sich noch nicht reichsweit durchgesetzt8. Vitruv zog das Theater dem Amphitheater vor. Bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. – und darüber hinaus im griechisch sprechenden Osten des Römischen Reiches, wo nur selten Amphitheater gebaut wurden9 – fanden öffentliche Spiele wohl eher im Zirkus oder dem Theater einer römischen Stadt statt.

Erst jenseits der Ermordung Caesars im Jahr 44 v. Chr. hat Octavian, der Adoptivsohn und Erbe Caesars, der neue Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.), die Anlage der Kolonie Pola vollendet. Straßen und Plätze wurden angelegt, ein Aquädukt gebaut und die öffentlichen Gebäude einer römischen Stadt eröffnet. Der perfekte Naturhafen mag die Entscheidung für die Koloniegründung namens Pola begünstigt haben10. Das Klima und Polas privilegierte Lage an der geschützten Bucht begünstigten den Wohlstand Südistriens in der folgenden Kaiserzeit. Die landwirtschaftliche Produktion (Öl, Wein, Getreide) ernährte nicht nur die zahlreichen ansehnlichen villae rusticae und die Bevölkerung der Stadt, sondern ging über den florierenden Handel in den Export11.

Pola wahrte in der Kaiserzeit des frühen 1. Jahrhunderts n. Chr. einen gewissen Vorrang gegenüber den anderen Orten Istriens. Hier war die strahlende Hauptstadt der römischen Religion. Hier errichtete man den Tempel für Roma und Augustus, hier wurde das große Theater auf dem Monte Zaro gebaut12.

Wann das Amphitheater von Pola in die Höhe gezogen wurde? Es gibt keine Inschrift oder Erklärung zum Bau der Arena. Die Abwesenheit einer Widmung bestätigt eher die Annahme, das Amphitheater sei nicht auf Kosten der Kolonie Pola oder privater Mäzene konstruiert worden, sondern von Anfang an ein öffentliches, vom Staat (auch mit lokalen Beiträgen?) finanziertes Gebäude gewesen – wie es auch vom Mittelalter bis in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts hinein der Fall gewesen ist13. Der Eigentümer wechselte regelmäßig: vom Patriarchat von Aquileia über die Seerepublik Venedig zum Kaisertum Österreich, vorübergehend nach Frankreich, zurück nach Österreich, über das Königreich Italien schließlich zum sozialistisches Jugoslawien unter Josip Broz Tito und der heutigen Republik Kroatien. Die jeweiligen Landesherren brauchten hierfür keinen besonderen Rechtstitel anzuführen, bis die Frage nach dem Eigentümer im 19. Jahrhundert unvermutet wieder auftauchte14.

Die volkstümlichste Variante zur Genese des Amphitheaters lautete generationenlang so: Antonia Cènide (Caenis), eine Freigelassene (liberta) istrischen Ursprungs, wenn nicht der Geburt, so dem bevorzugten Aufenthalt nach, vom Volk Julia genannt, habe diesen Bau, zweifellos eines der großen römischen Amphitheater aus Stein am Mittelmeer, errichten lassen. Die Caenis, eine Favoritin des Kaisers Vespasian (69–79 n. Chr.), der sie wie eine Gemahlin behandelte, war offenkundig eine fähige Frau, die zwischen Rom und Pola pendelte; sie wusste sich die Gunst des Kaisers zu sichern und nahm erheblichen Einfluss auf Politik und römischen Kult in ihrer Heimat15. So lautete jedenfalls das gängige Narrativ, das bis ins 20. Jahrhundert n. Chr. kolportiert und mit einer feenhaften Legende ausgeschmückt wurde16, allerdings ohne solide dokumentarische Basis. Auftraggeber und Baumeister des Amphitheaters, ebenso die zeitliche Ausdehnung der Arbeiten bis zur Fertigstellung des kolossalen Baus, sind unbekannt. Schriftliche Quellen fehlen.

Möglicherweise dürften die zehn Herrschaftsjahre Vespasians lang genug gewesen sein, um die Arena zu vollenden. Auch der Bau des – doppelt so vielen Zuschauern Platz bietenden – amphitheatrum Flavium (des später so genannten Kolosseums) in Rom begann wahrscheinlich unter Vespasian und wurde von dessen Nachfolger Titus (79–81 n. Chr.) fertiggestellt17. Archäologische, epigraphische, baugeschichtliche und literarische Gewissheiten gibt es allerdings nicht. Neueste Forschungen propagieren eine radikale Frühdatierung des – in mehreren Bauphasen voranschreitenden – römischen Kolosseums auf die spätrepublikanische Zeit. Der grundlegend erneuerte augusteische Vorgängerbau aus dem späten 1. Jahrhundert v. Chr. habe dann als Prototyp für viele Amphitheater in der römischen Welt – auch für die Spielstätte in Pola18 – gewirkt. Einige Jahrzehnte später hätten die flavischen Kaiser das vorhandene Gebäude wiederum erneuert, um ein viertes Stockwerk erhöhen lassen und der stadtrömischen Öffentlichkeit wieder zur Verfügung gestellt – zum Ruhm der flavischen Dynastie19.

Dass Vespasian „seine Tage in Istrien beschloss“20, ist eine Behauptung, die sich mit Suetons positiv gestimmter Lebensbeschreibung des Kaisers (121 n. Chr. verfasst) oder Cassius Dios Römischer Geschichte nicht belegen lässt.

Oder die (bis heute erhaltene) äußere und die innere Hülle des Amphitheaters sind in Pola über einen kürzeren (oder längeren) Zeitraum zusammengewachsen. Jedenfalls hat wohl schon Augustus den im Laufe der Bürgerkriege zerstörten Ort Pola als römische Kolonie neu aufbauen lassen. Der prächtige Augustustempel ist in dieser frühen Kaiserzeit errichtet worden. Vielleicht liegen die Anfänge eines kleinen inneren Amphitheaters ebenso in der augusteischen Zeit (2–14 n. Chr.), als die Kolonie Pola erblühte21?

Aber die Datierungen des Baus im Verlauf der Historiographie und Archäologie schwanken zwischen den Extremen des frühen ersten und des dritten nachchristlichen Jahrhunderts. Immer wieder fallen die Kaisernamen Augustus, Vespasian22 und Septimius Severus (193–211 n. Chr.). Die Geschichtsschreiber boten die unterschiedlichsten Begründungen für ihre Termini an. Das Amphitheater, ein elliptisches beziehungsweise polyzentrisches Doppeltheater23, das man in Pola wie in anderen römischen Städten auch vor den Toren erbaut hatte, ein Bau, der mehr Platz bot, als die römische Kolonie an Einwohnern zählte, regte die Phantasie der Forscher ununterbrochen an. Wir kommen im Laufe der Kulturgeschichte darauf zurück.

Die Arena wuchs im nördlichen Suburbium, ein paar hundert Meter außerhalb der kaiserzeitlichen Stadtmauern, die von Toren durchbrochen waren, empor. Im Nordosten der Kolonie Pola, am Ufer (der Riva) des Adriatischen Meers gelegen, war sie gut erreichbar für die auswärtigen Besucher aus Tergeste (Trieste) und Nesactium. Zwischen Theater und Adria führte die antike Via Flavia, die von Tergeste über Parenzo (Parentium) nach Südistrien gebaut war, in die Stadt Pola. An der Via Flavia, der Seeseite, lagen wohl auch die Hauptzugänge in die Arena24. Das nächste Amphitheater stand erst 180 km nordwestlich in Aquileia zur Verfügung25.

Der Bau fuori le mura hatte, über die gute Erreichbarkeit hinaus, sicherlich weitere Vorzüge: Rund um das Amphitheater war genügend Platz vorhanden; der Gestank der Menschenmassen, Tiere und Nahrungsmittel verflüchtigte sich außerhalb der Stadt; jedwede Tumulte, die man bei solchen Massenveranstaltungen nie ausschließen konnte, wären in der Stadt Pola selbst wesentlich gefährlicher geworden. Außerdem gab die relativ beengte Kolonie Pola keinen Platz her für einen so großen Bau. Und belustigten Gladiatorenkämpfe und Jagdszenen etwa nicht die Landbevölkerung, während die beiden klassischen Theater auf den städtischen Hügeln auch die gebildeteren Menschen bespielten26?

Vieles sprach offensichtlich für die periphere Anlage der Arena. Und die Lage am Meer und an der wichtigen Via Flavia, die von Triest über Parenzo nach Pola hinabführte, erleichterte natürlich, abgesehen vom späteren Zustrom des Volkes, den Transport von Baumaterial und Einrichtungen der Arena. Und schließlich wurde rund um das Amphitheater auch Handel getrieben. Reisende und Archäologen vermuteten in der Neuzeit, dass Räume und Gewölbe unter den Sitzen der Zuschauer schon zur Zeit der Römer (und fernerhin) „Boutiquen“27 gedient hätten. Das Theater fungierte auch nach der Römerzeit als „eine Art von Bazar“28.

Das Baumaterial musste den hohen Ansprüchen der Römer genügen – an die physisch-materielle Dauer des Kalksteins zumal und an die Größe der Steine. Die Steine für den äußeren Mantel, die 72 Arkaden und vier Stockwerke, kamen aus den antiken Kalksteinbrüchen (cavae romanae), die noch heute in Betrieb sind, etwa 6 km außerhalb der Stadt, südöstlich von Veruda. Bis zu zwei Kubikmeter große Quader müssen aus dem massiven, Salz- und Wetterunbilden gegenüber unempfindlichen Felsgestein geschlagen worden sein. Die Steine, die für den inneren Bau der Arena verwendet wurden, stammten vermutlich aus Castelnuovo d’Arsa oder aus den cavae bei Rovigno29.

Über die Steinbrüche südlich von Veruda informierten Reiseführer schon im 19. Jahrhundert ausführlich30. Im 20. Jahrhundert avancierten die römischen Steinbrüche zu einem Ausflugsziel der Touristen31.

Die wertvollen Blöcke, bloß durch genaue Aneinanderfügung, ein wenig Kalk und eiserne Klammern verbunden, erheben sich auf der westlichen Seite (zum Meer) in einer doppelten (nicht ganz) elliptischen Reihe von Arkaden (je 72 Bögen), die sich hangaufwärts (Richtung Osten) auf beiden Seiten zu einem einzigen Bogenrund verjüngt. Die Arkaden stützten sich auf der Seeseite auf massive Pfeiler von Bossenquadern, also Steinquadern, deren Oberfläche roh belassen war. Je näher man also dem Hügel kommt, in den das Amphitheater hineingebaut wurde, desto kleiner die Piedestale (Postamente mit Säulen), die endlich verschwinden, und desto kürzer die untere Bogenreihe, die am Hügel schließlich endet. Auf der Hügelseite fehlt die untere Etage der Bögen dann vollständig.

Über den Bögen erstreckte sich schließlich – rundum laufend – die Attika als niedriges Obergeschoss mit viereckigen Fenstern, sodass die Arena auf der Seeseite vier Stockwerke aufwies: die Pfeiler, darüber zwei Bogenreihen und die Attika; auf der Hügelseite dagegen zwei: die zweite Bogenreihe und die Attika.

In der Mitte des ovalen Amphitheaters war die elliptisch angelegte Arena, der eigentliche Spiel- und Kampfplatz aus Sand32, dessen Achsenlängen ungefähr 67 m und 41 m, vielleicht auch mehr, maßen. Schon in der frühen römischen Kaiserzeit avancierte der Begriff Arena zu einem Synonym für Amphitheater insgesamt33. Von Naumachien im Amphitheater ist nachweislich nichts bekannt, obwohl diese Annahme, insbesondere im 19. Jahrhundert, durch die Literatur geisterte34. Für Seeschlachten bot sich mit Sicherheit das nahegelegene Meer an. Es finden sich auch keine epigraphischen oder literarischen Belege für Gladiatorenkämpfe oder Spiele in Pola35. Die unterirdischen, unter der Arena angelegten Gewölbe beherbergten vermutlich Gerät, aber auch Gladiatoren und wilde Tiere.

Auch über die – in römischen Amphitheatern obligatorischen – Sonnensegel für die 21.000–26.000 Zuschauer ist, ebenso wie über die vier merkwürdigen Ecktürme des Baus, viel gerätselt und gestritten worden. Ein einziges Zeltdach für das ganze Amphitheater ist technisch kaum vorstellbar. Jedenfalls sind über der zweiten Bogenreihe jene Löcher in den Steinen sichtbar, in welche vermutlich die Balken oder Stangen für das Zeltdach gesteckt wurden.

Das polyzentrische Amphitheater, über 130 m lang, über 100 m breit und auf der Meeresseite über 30 m hoch36, war wahrscheinlich innen, an den Mauern, den Gängen und in den Räumen selbst, dekoriert und mit Fresken verziert. Davon ist heute – außer einem kleinen marmornen Reliefkopf der ägyptischen Göttin Hathor, den italienische Archäologen 1933 gefunden haben – nichts mehr sichtbar. Das Flachrelief Hathors, der Göttin der Sonne, der Fruchtbarkeit und der Musik, das die Italiener zunächst für einen Satyrkopf („una testa di satiro”) gehalten hatten, war sorgfältig von einem Handwerker gemeißelt, vielleicht zum Ausschmücken der Loge für den leitenden Magistraten und seine Entourage37.

Die letzte Nachricht über die antike Nutzung des Amphitheaters entstammt dem Martyrium des frühen Christen Germanus. Aber die Quellenlage zu Germanus ist natürlich unsicher. Die Abfassungszeit und die Zeit des berichteten Ereignisses, des Martyriums selbst, liegen weit auseinander: Der lokale Magistrat von Pola, Antoninus, verfolgte die Anhänger der christlichen Religion – unter Kaiser Numerian (283–284 n. Chr.) oder dessen Bruder? Hat er kaiserliche Anweisungen gegen die Christen in Südistrien umgesetzt? Germanus hatte sich offensichlich zum Christsein (Christianus sum) offen bekannt – ein todbringender Straftatbestand38. Überliefert ist diese lateinische Märtyrerlegende (Passio S. Germani) erst im Magnum Legendarium Austriacum, einer hagiographischen Sammlung des 12. Jahrhunderts39.

Laut Überlieferung war der 32-jährige Germanus, von aristokratischen Eltern in Pola geboren40, wohl einer der eifrigsten Anhänger des Christentums im Beten und Fasten, bevor er sein exemplarisches Martyrium erlitt. Die Passio tradierte Germanus’ Denk- und Handlungsmuster – sicherlich auf mündlicher und schriftlicher Überlieferung fußend, aber beinahe ein Jahrtausend später vollständig aufgeschrieben – in wörtlicher Rede. Danach betete Germanus, als eine Stimme zu ihm sprach: „Steh auf, Germanus, …“41 Einer alttestamentlichen Berufung zum Propheten gleich, habe die Stimme Germanus zum Martyrium wider die ungläubigen Römer ermutigt. Und Germanus meldete sich zur Stelle: „Fiat, Domine, secundum voluntatem tuam.“42

Auf die Berufung folgte die Provokation: Germanus konfrontierte Antoninus auf eigene (Gottes) Initiative hin mit dem christlichen Glauben. Antoninus warf er „insania[]“43, Tollheit und Wahnsinn, vor. Daraufhin ließ Antoninus, so die lateinische Passio, den bekennenden Christen verhaften. Im Kerker zum Dürsten und Hungern verurteilt, bereitete Germanus sich drei Tage und Nächte lang fastend und betend auf sein Schicksal vor.

Nun kam das Amphitheater von Pola, zwei Jahrhunderte nach Vespasian und einhundert Jahre nach Septimius Severus, ins Spiel: Coram publico, freilich ohne Angabe von Zahlen in der Legende, wurde Germanus in die Arena geführt. Der Christ trat vor den Magistrat und bekannte sich auf Antoninus’ Frage zum Schutz Christi. Antoninus ließ Germanus auf eine glühende Schicht legen und auspeitschen, aber Germanus dankte Gott, anstatt zu bereuen, und bat, ihm die Kraft zum Ertragen der Folter zu verleihen. Nach einer langen Auspeitschung forderte der Magistrat den Märtyrer dazu auf, den römischen Göttern (Juppiter und dessen Sohn Apollo) zu opfern, aber er holte sich eine Absage. Den heidnischen „daemones“44, denen die Römer ihr Herz schenkten, werde er, Germanus, sich niemals unterwerfen.

Pech, Fett und Öl wurden zum Kochen gebracht und über Germanus geschüttet, aber diesem geschah nichts. Vielmehr forderte er den Magistraten Antoninus, der über dieses Wunder rätselte, zur christlichen Konversion auf. Unter weiteren grässlichen Foltern dankte Germanus seinem Herrn Jesus Christus dafür, an dessen Passion teilzuhaben. Schließlich befahl Antoninus, dem Rebellen Germanus den Kopf mit dem Schwert abzuschlagen:

„Germanum deorum immortalium rebellem, qui diis immortalibus sacrificium offerre contempsit et inoboediens praeceptis domini imperatoris inventus est, secundum contumaciam suam gladio caput eius amputari praecipimus.“45

Das Todesurteil wurde außerhalb der Arena vollstreckt, wahrscheinlich an der alten römischen Straße Richtung Nesactium.

Nach Jahrhunderten mündlicher Überlieferung ist Germanus’ legendarisches Martyrium in die Hagiographie der Kirche und schließlich in das Magnum Legendarium Austriacum eingewandert. Einige Kirchlein in der Umgebung Polas wurden dem heiligen Germanus geweiht46. Volkstümlich ist er nicht geworden. Oder ermangelte es ihm – über das Ertragen der Folter hinaus – an übernatürlichen Wunderzeichen, die sein Martyrium popularisiert hätten, wie der istrische Historiker Camillo De Franceschi vermutet47? Von Reliquien ist ebenfalls keine historisch zuverlässige Spur auszumachen. Daher ist Germanus auch nicht zum Patron der Stadt Pola avanciert.

Im 13. Jahrhundert erinnerte ein liturgischer Wechselgesang im Brevier der Kathedralkirche von Pola an das Martyrium des Germanus in der Arena. In diesem (verschollenen) Antiphon, dessen Existenz der istrische Archäologe Gian Rinaldo Carli ein halbes Jahrtausend später bezeugt48, hieß es:

„In festo Sancti Germani Martyris.
[L’ISTRIA vom 25.9.1847 (Nr. 58–59)]

„Zum Fest des heiligen Märtyrers Germanus.

AD VESPERAS:

ZUR VESPERFEIER:

Antiphona. Surgens autem diluculo ac in mente habens responsum quod audierat et praecedente judice iniquitatis, clara voce dixit ad eum beatus Germanus: Nescis quia magnus est Deus noster per quem spero confundere tuam insaniam. Alleluja.

Antiphona. Als er sich aber in der Morgendämmerung erhob und im Geiste die Antwort hatte, die er gehört hatte, und als der Richter [Antoninus] des Unrechts voranging, sprach zu ihm mit klarer Stimme der selige Germanus: Weißt Du nicht, dass unser Gott groß ist, durch den ich hoffentlich Deinen Wahnsinn aus der Fassung bringe? Halleluja.

Antiph. Quarto autem die impiissimus judex jussit sibi in amphiteatro sedem poni et interrogavit eum dicens: Sub qua potestate vel cujus patrocinio cum tanta audacia ausus fuisti talia verba proclamare. Alleluja.

Antiph. Am vierten Tag aber befahl der äußerst ungläubige Richter [Antoninus], dass im Amphitheater ein Stuhl für ihn aufgestellt werde, und er befragte [Germanus], indem er sprach: Unter welcher Macht oder wessen Schutz hast Du es mit einer derartigen Verwegenheit gewagt, solche Worte laut herauszuschreien? Halleluja.

Antiph. Beatissimus Germanus respondit: Patrocinium meum Christus est, qui mihi contra te auxilium praestabit. Alleluja.

Antiph. Der allerseligste Germanus antwortete: Mein Schutz ist Christus, der mir gegen Dich Hilfe leisten wird. Halleluja.

Antiph. Tunc dixit Praesidi Sanctus Germanus: Vide miser quantam misericordiam praestat Dominus meus Jesus christianis confidentibus in eum; hic ignis nullum mihi dolorem, sed refrigerium praestat. Alleluja.

Antiph. Dann sagte der heilige Germanus zum Leiter Antoninus: Siehe, Du Elender, welch große Barmherzigkeit mein Herr Jesus den Christen, die auf ihn vertrauen, erweist; dieses Feuer verursacht mir keinen Schmerz, sondern Abkühlung. Halleluja.

Antiph. Germani Sancti martyris alleluja, celebremus solemnitatem. Alleluja Alleluja.

Antiph. Lasst uns das Fest des heiligen Märtyrers Germanus, Halleluja, feiern. Halleluja Halleluja.

Antiph. Omnes fideles Christi in hac solemnitate beati Germani devote concurrite. Alleluja.

Antiph. Eilt demütig herbei, alle Gläubigen Christi, zu diesem Fest des seligen Germanus. Halleluja.

Antiph. Vere cognoscent omnes quia Sanctus Germanus est gloriosus martyr in civitate Polensi praestans beneficia in Christo credentibus. Alleluja.“

Antiph. Wahrhaftig werden alle erkennen, dass der heilige Germanus ein rühmlicher Märtyrer ist in der Stadt Pola, der den Christusgläubigen Wohltaten beschafft. Halleluja.“

In den Märtyrerviten, die Nicolo Manzuoli 1611 in seiner Beschreibung der Provinz Istrien gesammelt hat, findet sich kein Hinweis auf Germanus49.

Zu einer Pilgerstätte des christlichen Märtyrertums hat sich das Polaer Amphitheater nicht entwickelt. Indessen wollte der wahlrömische Architekt Carlo Fontana (1638–1714) am Anfang des 18. Jahrhunderts eine große christliche Kirche auf den Boden der Arena des Kolosseums setzen und den zentralen antiken Bau Roms, den Ort christlicher Märtyrer, gleichsam christianisieren50. Dennoch: Auch in Pola stammt die letzte (vermutliche) Nachricht über die Nutzung des Amphitheaters von einem Martyrium, der Passio des Germanus.

Nur selten erinnerten später Reisende an die Martyrien in den Arenen der römischen Zeit. Der etwas exzentrische anglikanische Reverend John Mason Neale (1818–1866), ein kirchengeschichtlich interessierter Priester und College-Rektor, reiste mit Empfehlung des österreichischen Gesandten in London im Jahr 1860 nach Dalmatien. Das Amphitheater, „of snow-white marble“51, bestaunte der hochkirchlich gesinnte Mann, aber er erinnerte auch ernsthaft schaudernd an die altkirchlichen Menschen, die in der Arena für ihr Christsein gestorben seien. Seinen Reisebericht widmete der ebenso fromme wie katholisierende Mann dem österreichischen Kaiser Franz Joseph I.

Die landwirtschaftliche Bedeutung Südistriens in den langen Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit lässt sich anhand von modernen Luftaufnahmen, die die antike Aufteilung des Landes (centuriatio) visualisieren, nachweisen. Südistrien prägten allerdings auch große Latifundien, von denen, durch Zusammenlegung zahlreicher Parzellen, die ausgedehntesten wohl jene in kaiserlichen Händen waren52. Aus der Zahl der römischen centuriae lässt sich die ungefähre Menge der Einwohner ableiten, welche den Bau des großen Amphitheaters rechtfertigte – was schon Pietro Kandler im 19. Jahrhundert behauptete, der die Zahl der soldatischen Kolonisten auf über 1.000 und jene der Einwohner Polas insgesamt auf etwa 12.000 Personen schätzte53.

Die Grundbesitze und Villen der Römer waren zur Zeit Cassiodors immer noch in Nutzung54. Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus (ca. 490–590 n. Chr.), Sekretär des gotischen Herrschers über Italien, Theoderich, der 526 n. Chr. starb, vermittelte seinerzeit zwischen altrömischem Kulturerbe und neugotischer Herrschaft. Seine Briefe (Variae epistulae) umfassen eine in zwölf Bänden angelegte – natürlich gotenfreundliche – Sammlung von Schriftstücken der Gotenkönige und eigene Texte55. Als Cassiodor die Quellen um 538 zusammenstellte, lösten gerade die Byzantiner unter Justinian die ostgotische Herrschaft über Istrien ab. Im zweiundzwanzigsten Brief stimmte der Schreiber noch einmal ein Loblied auf Istrien und dessen landwirtschaftliche Produkte an: Öl, Getreide und Wein56. Nun hatte Istrien auch unweit der gotischen Hauptstadt Ravenna gelegen und eine zweite Blütezeit unter der ostgotischen Herrschaft seit 490 n. Chr. erlebt – nach dem ersten Aufschwung, der wohl durch die ganze römische Kaiserzeit hindurch gewährt hatte. Seit dem byzantinischen Sieg verschwanden die germanischen Ostgoten, die sich längst sprachlich und kulturell romanisiert hatten, endgültig von der oberadriatischen Landkarte, ohne tiefere materielle Spuren hinterlassen zu haben.

Die Dekadenz.
Der Verlust der urbanen Funktion

Das Amphitheater von Pola blieb intakt bis ins 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. Der Siegeszug des Christentums zog nicht automatisch das Ende von Brot und Spielen nach sich. Allerdings lehnten die ersten Christen, allen voran der apologetische Theologe Tertullian am Ende des 2. Jahrhunderts, die blutigen Spiele ob ihrer Grausamkeit und Gotteslästerlichkeit ab57. Das Verbot der munera gladiatoria im Laufe des 5. Jahrhunderts leitete den Niedergang der römischen Amphitheater endgültig ein58. Die gesellschaftliche Funktion der Arenen war erloschen59.

Aus den stummen Jahrhunderten nach dem Untergang des Römischen Reiches sind keine Nachrichten über das Amphitheater in Pola überliefert. Danach verwandelten die Menschen Polas ihre Arena in einen Steinbruch. Die Treppen, die nicht aus Holz, sondern aus solidem Stein gehauen waren, wurden wohl als erste abtransportiert, und vielleicht verdankte das Amphitheater sein Überleben in den folgenden tausend Jahren dem Umstand, dass die Stadt selbst allmählich verfiel und die Nachfrage nach den Steinen, jedenfalls für den Mauerbau der Stadt, eher nachließ.

Oder die Arkaden blieben stehen, weil man – nach der Entfernung des steinernen Zuschauerraums im Innern – keine Möglichkeit mehr zum Abtragen der riesigen Quader der Umfassungsmauer sah?

Istrien kam relativ ungeschoren von größeren kriegerischen Ereignissen davon, die das Land ebenso selten heimsuchten wie Naturkatastrophen oder klimatische Veränderungen. Die periphere Lage hat Pola schon vor Zerstörungen während der Zeit der Völkerwanderungen bewahrt60. Die Hunnen unter Attila, die Istrien wohl, anders als Aquileia, umgangen haben, die Ostgoten (in den ersten Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts) und die Byzantiner (seit der Mitte desselben Jahrhunderts) beerbten eine über 600 Jahre währende römische Dominanz61.

Istrien hat auch die vorübergehend marodierenden Langobarden in der Mitte des 8. Jahrhunderts überstanden. Die Franken, die Istrien ihr germanisches Feudalsystem überstülpten (seit 788), ersparten Pola Verwüstungen. Aber die karolingische Regierung brachte Istrien die drückende Grundherrschaft, die sich auf Land, Abgaben, Frondienste und Leibeigenschaft stützte. Auch die freien Bürger der Städte wurden dem fränkischen Herzog unterworfen, wenngleich die romanobyzantinisch geprägten Munizipien eine gewisse Autonomie wahren konnten, die ihnen im Placito del Risano, einer Art Rechtsabkommen zwischen der fränkischen Herrschaft und den klagenden Vertretern der Städte (804), zugesichert wurde62.

Venedig hingegen vermochte sich der fränkischen Expansion nach Oberitalien zu entziehen und unterstand weiterhin Byzanz. In dem Zuge, wie die venezianische Seerepublik ihre oligarchische Herrschaft über das Adriatische Meer ausbaute, verstärkten sich die Bande zwischen den italienischen westistrischen Küstenstädtchen und der Serenissima.

Von diesen Details war Edrisi wohl nicht viel bekannt. Edrisi, das heißt Muhammad ibn-Muhammad al-Idrīsī (ca. 1099 – ca. 1165, vermutlich auf Sizilien), aus vornehmer maghrebinischer Familie stammend, realisierte eine Sammlung geographischer Papiere mit dem Titel Libro di Ruggero, die er um 1154, im Todesjahr seines Herrschers Roger II., beendete63. Der erfolgreiche sizilianisch-normannische König Roger II., der sein Herrschaftsgebiet um Süditalien zu erweitern wusste, hatte Edrisi seinerzeit nach Palermo eingeladen.

Aber der Geograph und arabische Reisende Edrisi verwendete auf Pola, Sitz eines Bischofs und beschenkt mit seinem großen Naturhafen und den römischen Altertümern, nur eine kurze stereotype Notiz – wie er sie über andere istrische Städte, die er, anders als den Süden Italiens und Sizilien, nie bereist hatte, auch verfasste: „La città è bella, grande e popolata, ed ha naviglio sempre allestito.“64

Edrisi kannte Venedig und Istrien nur vom Hörensagen. Nicht einmal venezianische Kaufleute und andere Reisende kamen an den normannischen Hof in Palermo. Die angespannten Beziehungen zwischen Sizilien und der Seerepublik Venedig verhinderten jede Augenzeugenschaft.

Bereits im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. baute man vielleicht Sitzstufen in die Fundamentmauern der spätantiken Befestigungsanlagen Polas ein. Jedenfalls ließen sich Sitzsteine mit Initialen der Platzinhaber durchaus dem Zuschauerrund des Amphitheaters zuordnen65. In den Auseinandersetzungen mit der Großmacht Venedig wurden wiederum die Festungsmauern und viele Häuser der Stadt beschädigt oder ganz zerstört. Abermals wanderten wohl Bautrümmer der Arena weiter in den Wiederaufbau der städtischen Mauern (im 13. Jahrhundert). In diese Zeit fallen auch die Errichtung des Palazzo civico und der Kirche des San Francesco. Übrig in der Arena blieben kleine Reste des inneren Mauerwerks.

Die dauerhafte mittelalterliche Nachnutzung des Amphitheaters hat in Pola vermutlich – anders als in anderen Städten des ehemaligen Römischen Reiches – nicht funktioniert: Die Arena fand keine militärische Verwendung (die Arkaden sind nie zugemauert worden, von Zinnen oder Ähnlichem keine Spur), sie wurde offensichtlich nicht bewohnt und diente auch nicht spätantik-mittelalterlichen Begräbniszwecken. Das blutige Kampfrund der Gladiatoren und altkirchlichen Märtyrer mit einer christlichen Kirche oder Kapelle zu überbauen, kam den wechselnden Herrschern über Istrien gleichfalls nicht in den Sinn.

Die Patriarchen von Aquileia, Eigentümer der Arena, erließen – freilich am Ende ihrer Herrschaft – strenge Bestimmungen, um weitere Beschädigungen des Amphitheaters und der anderen römischen Gebäude, die wie Steinbrüche ausgeplündert wurden, zu verhindern (im 13./14. Jahrhundert)66. Der Patriarch, der Pola das Recht zugestand, sich weiterhin einen eigenen Podestà zu wählen, der aber seine persönliche Jurisdiktionsgewalt durch den sogenannten Gastaldione ausübte (ebenso wie er seine Autorität über ganz Istrien durch den Vicario repräsentieren ließ), drohte mit Geldstrafen, sollte jemand weitere Steine aus dem Amphitheater stehlen: