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Die Texte für dieses Buch sind ausgesuchte Transkripte aus verschiedenen Diskurs-Serien, die Osho vor einer internationalen Zuhörerschaft gehalten hat. Alle Osho Diskurse sind als Originale publiziert worden und als Original-Audios erhältlich. Audios und das vollständige Text-Archiv finden sie unter der online- Bibliothek „Osho Library“ bei www.osho.com

Titel der Originalausgabe:

Ebook-AusgabeAuflage 2018

Umschlaggestaltung: Silke Bunda Watermeier, www.watermeier.net

eISBN 978-3-947508-04-4

OSHO

Vertrauen

Intelligenz

Gelassenheit

Aufrichtigkeit

Mut

Selbstliebe

Erkenntnis

Inhalt

EINFÜHRUNG

Eine Richtung, kein Ziel …

1. WAS HEISST VERTRAUEN?

Vertraue erst einmal dir selber

Der Zweifel – dein Freund und Helfer

Glaube kommt von außen, Vertrauen von innen

Vertrauen kann man nicht künstlich erzeugen

2. ÜBER WERT UND UNWERT

Gesegnet sind die Narren

Eine Eigenschaft, keine Beziehung

Vorsicht: Wissen!

Ohne Glauben zu leben ist ein großes Wagnis

Ungewiss und unversichert

3. LASS DEN AUGENBLICK ENTSCHEIDEN

4. DIE ILLUSION DER SICHERHEIT

Lernt die Kunst des Nichttuns

Akzeptiert die Unsicherheit

Es gibt nur eine Art zu leben

Binde erst dein Kamel an

5. ANTWORTEN AUF FRAGEN

6. SICH DER LEERE NÄHERN

Einführung

Eine Richtung, kein Ziel …

DER UNTERSCHIED IST EIN SEHR FEINER, ABER ES IST DERselbe Unterschied wie zwischen dem Verstand und dem Herzen, wie zwischen Logik und Liebe – oder noch genauer gesagt, wie zwischen Prosa und Poesie.

Ein Ziel ist etwas Eindeutiges; eine Richtung ist rein intuitiv. Ein Ziel ist etwas da draußen, mehr wie ein Ding. Eine Richtung ist ein inneres Gefühl – kein Objekt, sondern deine eigentliche Bestimmung. Du kannst deine Richtung zwar spüren, aber nicht erkennen. Dein Ziel kannst du kennen, aber nicht spüren. Ein Ziel ist in der Zukunft. Sobald es feststeht, beginnst du dein Leben auf es zuzusteuern, dein Leben darauf auszurichten. Wie kannst du die Zukunft festlegen? Was maßt du dir an, das Unbekannte festzulegen?

Die Zukunft ist das noch Unbekannte, die Zukunft ist eine vage Möglichkeit. Indem du dir ein Ziel setzt, ist die Zukunft keine Zukunft mehr – denn sie ist nicht mehr offen. Jetzt hast du dich für eine Alternative unter vielen entschieden – und nur solange dir alle Alternativen offen standen, war es eine Zukunft. Jetzt sind alle Alternativen verworfen worden; nur eine ist gewählt worden: Die ist keine Zukunft mehr, sondern deine Vergangenheit.

Wenn du dir ein Ziel setzt, spricht die Vergangenheit – hat deine vergangene Erfahrung, dein vergangenes Wissen dir ein Ziel gesetzt. Damit tötest du die Zukunft. Dann wie-derholst du immerzu deine eigene Vergangenheit. Vielleicht etwas abgewandelt, hier und da ein wenig verändert –, diesmal etwas bequemer, etwas gefälliger; frisch gestrichen zwar, renoviert, aber dennoch wie eh und je. Auf die Art verliert man die Zukunft aus den Augen: Wer sich ein Ziel setzt, verliert die Zukunft aus den Augen. Man stirbt ab. Man wird immer automatischer.

Eine Richtung hat etwas Lebendiges, Gegenwärtiges. Sie kennt keine Zukunft, sie kennt keine Vergangenheit, sondern sie atmet, sie pulsiert, aber hier und jetzt. Und aus diesem pulsierenden Moment wird der nächste Moment geboren. Nicht weil du es so willst, sondern weil du den jetzigen Moment so rückhaltlos lebst und ihn so rundum liebst, dass diese Ganzheit den nächsten Moment hervorbringt. Er hat eine Bestimmung – keine, die du vorgegeben oder aufgezwungen hast, sondern eine spontane. Das ist es, was die indischen Bauls unter einem Sahaj Manush verstehen – einem spontanen Menschen.

Der spontane Mensch führt zum wirklichen Menschen, zum wesentlichen Menschen, zum inneren Gott. Deine Bestimmung kannst du nicht entscheiden, du kannst den jetzigen Augenblick, über den du verfügst, nur leben. Indem du ihn lebst, entfaltet sich die Bestimmung. Wenn du tanzt, vertieft der nächste Moment deinen Tanz. Das geht nicht von dir aus, denn im Moment tanzt du nur. Damit gibst du zwar den Anstoß, aber das ist keine Manipulation: Der nächste Moment wird von Tanz erfüllt sein, und aus ihm wird mehr entstehen.

Ziele legt der Verstand fest. Eine Bestimmung verdient man sich, indem man lebt. Ein Ziel ist logisch: Man will Arzt werden, man will Ingenieur werden, man will Wissenschaftler oder Politiker oder reich oder berühmt werden … das sind Zielsetzungen. Seine Bestimmung? Dafür braucht man nur den jetzigen Augenblick zu leben, tief vertrauend, dass einem das Leben seine Bestimmung schon zeigen wird. Man lebt den jetzigen Augenblick so rückhaltlos, dass daraus etwas Frisches entsteht. In dieser Rückhaltlosigkeit verfliegt die Vergangenheit und nimmt die Zukunft Gestalt an. Aber diese Gestalt stammt nicht von dir, diese Gestalt hast du dir verdient.

Der Zen-Meister Rinzai lag, von seinen Schülern umringt, im Sterben. Einer von ihnen bat: „Meister, wenn du nicht mehr bist, werden uns die Leute fragen, was du eigentlich gelehrt hast. Doch du hast so viel gesagt, hast über so Vieles gesprochen, dass wir das nicht auf den Punkt bringen können. Bitte fasse deine Lehre, bevor du gehst, in einem einzigen Satz zusammen, damit wir ihn im Herzen bewahren können. Dann werden wir in der Lage sein, allen, die dich nicht gekannt haben, aber wissen wollen, was du gelehrt hast, den Kern deiner Lehre weiterzugeben.“

Sterbend riss Rinzai die Augen auf und stieß einen wahren Zen-Schrei aus, so laut wie ein Löwe! Alle waren schockiert und fragten sich, wo dieser Sterbende nur die Energie dazu hernahm?! Der Mann war unberechenbar, und zwar schon seit eh und je. Aber dass er quasi mit seinem letzten Brüllen zu einem Löwe würde – damit hatten sie nicht gerechnet. Und in ihren Schock hinein, denn natürlich waren sie starr vor Schreck, entsetzt, sagte Rinzai: „Dies ist es!“, schloss die Augen und starb.

Dies ist es … Dieser Augenblick, dieser stille Augenblick, dieser von keinem Gedanken befleckte Augenblick, dieses Schweigen ringsumher, diese Überraschung, dieses letzte Löwengebrüll eines Sterbenden – dies ist es. Ja, deine Bestimmung zeigt sich, indem du diesen Augenblick lebst. Sie ist nicht manipulierbar und planbar. Sie stellt sich von selber ein, sie ist sehr versteckt – und du kannst dir ihrer nie sicher sein, du kannst sie nur ahnen. Daher sage ich, dass sie eher wie Poesie ist denn wie Prosa; eher wie Liebe denn wie Logik; eher wie Kunst denn wie Wissenschaft. Vage – und gerade das ist das Schöne – zögerlich, so zögerlich wie ein Tautropfen auf einem Grashalm, der abgleitet ohne zu wissen wohin, ohne zu wissen warum; der in der Morgensonne einfach nur von einem Grashalm abgleitet.

Die eigene Bestimmung ist sehr versteckt, zart, zerbrechlich. Darum setzen sich alle lieber Ziele. Die Gesellschaft nagelt euch lieber auf Ziele fest. Ob Eltern, Lehrer, Kultur, Religion oder Regierung: Sie alle wollen euch vorschreiben, wie ihr zu leben habt. Sie wollen nicht, dass ihr frei seid und auf euch selber gestellt ins Unbekannte wagt. Aber genau daher diese gähnende Langeweile! Wenn ihr eure Zukunft schon vorher kennt, ist sie bereits langweilig. Wenn ihr wisst, was ihr mal sein werdet, ist es bereits langweilig.

Die Zukunft sollte eine Bestimmung sein, kein Ziel. Es sollte eher wie das Nirvana sein.

Dieses von Buddha benutzte Wort bedeutet: Alles, was du kennst, wird nicht mehr da sein. Das ist seine Definition von Nirvana: Alles, was du kennst, wird nicht mehr da sein. Alles, was du erfahren hast, wird nicht mehr da sein, alles, was dich ausmacht, wird nicht mehr da sein – sondern etwas vollkommen Neues, etwas, das du nicht verstehen kannst, weil dir dazu die nötige Sprache fehlt, dazu die nötige Erfahrung fehlt. Etwas absolut Neues, etwas Unbeschreibliches. Das Nirvana ist eine Bestimmung.

Das muslimische Firdaus, das christliche Paradies, sind dagegen Ziele, ganz eindeutig.

Der Mittelmäßige besteht auf eindeutigen Zielen, weil er so unsicher ist – er traut seiner eigenen Wahrnehmung nicht und er hat kein Urvertrauen. Der Mittelmäßige fürchtet Entdeckungen, dabei sind Entdeckungen das größte Geheimnis des Lebens. Offen zu sein für Überraschungen, immer offen zu sein, eine Überraschung zu entdecken, heißt unschuldig sein. Und das Leben ist so, dass du immer wieder was entdecken kannst. Je mehr du entdeckst, desto mehr wirst du sehen, dass es noch mehr gibt. Es ist ein nie endender Prozess; eine Richtung nehmen bedeutet immer, in Bewegung zu sein. Ein Ziel ist etwas Totes. Ziele sind Sache des Ego; eine Richtung einzuschlagen ist eine Sache der Lebendigkeit, des Seins.

Es gehört enormes Vertrauen dazu, um sich auf die Welt der Bestimmung einzulassen, denn da geht man ins Ungewisse, geht man ins Dunkel. Aber das Dunkel hat etwas Spannendes: sich ohne Landkarte, ohne einen Wegkundigen ins Unbekannte zu wagen. Jeder Schritt ist eine Entdeckung, und zwar nicht nur eine Entdeckung in der Außenwelt. Zugleich entdeckt man auch etwas in sich selbst. Ein Entdecker entdeckt nicht nur Dinge; je mehr unbekannte Welten er entdeckt, desto mehr entdeckt er gleichzeitig sich selbst. Jede Entdeckungsreise führt auch nach innen. Je mehr man erkennt, desto mehr erfährt man über den Erkennenden. Je mehr man liebt, desto mehr erfährt man über den Liebenden.

Erwartet von mir also keine Ziele. Ich kann euch nur eine Richtung andeuten: hellwach, springlebendig ins Unbekannte, stets Überraschende, Unvorhersehbare zu gehen. Ich werde euch keine Landkarte geben. Ich kann euch nur anfeuern zu entdecken. Ja, ihr braucht auch gar keine Landkarte; was ihr braucht, ist eine enorme Leidenschaft, einen enormen Entdeckerdrang. Danach lasse ich euch in Ruhe. Dann seid ihr flügge. Wagt euch ins All, ins Grenzenlose, und lernt, ihm nach und nach zu vertrauen.

Überlasst euch den Händen des Lebens, denn das Leben ist Gott. Genau das sagt Jesus mit den Worten: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe“ – was für ein Vertrauen! Selbst wenn Gott euch den Tod bringt, braucht ihr keine Angst davor zu haben. Ist es doch er, der den Tod bringt, also wird es seinen Grund haben, muss sich ein Geheimnis, eine Lektion darin verbergen: Er öffnet euch eine Tür.

Ein Mensch, der vertraut, ein religiöser Mensch steht voller Erwartung vorm Tor des Todes, er kann brüllen wie ein Löwe. Selbst im Sterben – denn er weiß, dass nichts stirbt – vermag er noch mit seinem letzten Atemzug zu sagen: „Dies ist es!“

Denn für jeden Augenblick gilt: Dies ist es. Ob Leben oder Tod; ob Erfolg oder Scheitern; ob Glück oder Unglück: Jeden Augenblick ist es Dies.

Das ist für mich das wahre Gebet. Und dann kennt ihr euren Weg. Nur keine Sorge … Ihr braucht kein festes Ziel – geht einfach voller Vertrauen weiter.

1. Was heißt Vertrauen?

IST ES EIN GLAUBE? NEIN, DENN GLAUBEN IST EINE SACHE des Verstandes. Vertrauen hat etwas mit Übereinstimmen zu tun; wer vertraut, öffnet sich. Du legst einfach deine Verteidigungsmechanismen ab, deinen Panzer beiseite; du wirst verletzlich. Du hörst dir etwas an, und ein inneres Gefühl sagt dir, ob es stimmt oder nicht. Wenn es nicht stimmt, spürst du das; wenn es stimmt, spürst du das.

Woran liegt das? Das liegt daran, dass die Wahrheit in dir wohnt. Wenn du dein Denken ganz abschaltest, kannst du deine innere Wahrheit spüren – denn Gleich und Gleich gesellt sich gern, es passt zusammen. Plötzlich passt alles, kommt ein Muster zum Vorschein und aus dem Chaos wird ein Kosmos. Die Wörter stimmen überein und eine Poesie stellt sich ein. Dann ist alles einfach an seinem Platz.

Wenn du dich öffnest und die Wahrheit ist da, stimmt ihr dein Inneres einfach zu – aber das ist keine intellektuelle Zustimmung. Du spürst ein Übereinstimmen, du wirst eins – das heißt Vertrauen. Wenn etwas nicht stimmt, perlt es einfach nur von dir ab, als wäre es gar nicht gewesen. Es ist so sinnlos, dass du es vergisst, dass du gar nicht mehr hinsiehst. Du sagst nicht mal: „Das stimmt nicht!“

Es passt einfach nicht, also beachtest du es auch nicht. Wenn es passt, wird es heimisch. Wenn es nicht passt, gehst du weiter.

Vertraue erst einmal dir selbst

SEI EMPFÄNGLICH, SEI LIEBEVOLL, UND VERTRAUE DER Natur, die dich zur Welt gebracht hat. Du hängst mit ihr zusammen, du bist nicht von ihr getrennt. Sie kümmert sich um dich; sie beschützt dich, im Leben und im Tod. Sie ist deine Sicherheit, die einzige Sicherheit, die es gibt. Fühle dich sicher, wohl in der Haut, entspannt, und irgendwann, wenn dein Verstand völlig still ist, „geschieht“ Wahrheit. Plötzlich durchdringt sie wie ein Lichtstrahl die Finsternis deiner Existenz – und alles ist offenbart.

Vertrauen ist nur möglich, wenn du dir zunächst selbst vertraust. Zuerst muss der eigentliche Grundstein in dir gelegt werden. Erst wenn du dir selbst vertraust, kannst du mir vertrauen, kannst du andern vertrauen, kannst du der Existenz vertrauen. Wenn du jedoch nicht mal dir selber vertraust, ist jedes andere Vertrauen völlig ausgeschlossen.

Die Gesellschaft vereitelt von Anfang an jegliches Vertrauen: Sie gestattet dir nicht, dir selbst zu vertrauen. Sie besteht auf allen möglichen anderen Arten von Vertrauen: vertraue deinen Eltern, vertraue der Kirche, vertraue dem Staat, vertraue auf Gott und so weiter und sofort. Aber das Grundvertrauen ist erst einmal zerstört. Und dann ist jede andere Form von Vertrauen hohl und leer – wie kann es auch anders sein! Dann sind alle anderen Formen von Vertrauen nur künstliche Blumen, für echte Blumen fehlen euch echte Wurzeln. Die Gesellschaft macht das absichtlich, ganz bewusst; denn wer sich selber vertraut, ist gefährlich für die Gesellschaft – da sie auf Knechtschaft beruht, da sie alles auf die Karte der Knechtschaft gesetzt hat. Wer sich selbst vertraut, ist unabhängig. Er ist unberechenbar, er hört nicht auf andere; sein Leben baut auf Freiheit. Er vertraut, wenn ihm danach zumute ist, wenn er liebt, und dann bekommt sein Vertrauen etwas ungeheuer Intensives und Wahres. Dann ist sein Vertrauen lebendig und authentisch. Und er ist bereit, für sein Vertrauen alles aufs Spiel zu setzen – aber nur, wenn ihm danach ist, nur wenn es stimmt, nur wenn es sein Herz bewegt, nur wenn es seine Intelligenz und seine Liebe bewegt, sonst nicht. Er lässt sich zu keinem Glauben zwingen.

Diese Gesellschaft beruht auf Glauben; sie ist durchdrungen von Selbsthypnose. Ihre ganze Struktur beruht darauf, Roboter und Maschinen statt Menschen zu erzeugen. Sie braucht Abhängige – so abhängig, dass sie ständig tyrannisiert werden wollen, so abhängig, dass sie überall nach ihren eigenen Tyrannen suchen, ihren eigenen Adolf Hitlers, ihren eigenen Mussolinis, ihren eigenen Josef Stalins und Mao Tse Tungs. Wir haben diese Erde, diese schöne Erde in ein einziges Gefängnis verwandelt. Ein paar Machtlüsterne haben aus der ganzen Menschheit einen Mob gemacht. Der Mensch darf nur existieren, wenn er sich allen möglichen Unfug gefallen lässt.

Nun, von einem Kind zu verlangen an Gott zu glauben, ist Unfug, völliger Unfug – nicht, weil das Göttliche nicht existierte, sondern weil das Kind den Durst, das Verlangen, die Sehnsucht danach noch nicht verspürt. Es ist noch nicht so weit, sich auf die Suche nach der Wahrheit zu machen, nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält.“ Es hat noch nicht die nötige Reife, um nach der Wirklichkeit Gottes zu forschen. Diese große Liebe kann gar nicht ausbleiben, aber dazu kann es nur kommen, wenn man ihm keinen Glauben aufgezwungen hat. Wird es bekehrt, bevor sein Durst zu forschen und zu erkennen erwacht, lebt es am Wesentlichen vorbei, hat es auf Sand gebaut. Es wird zwar von Gott sprechen, da man ihm eingeredet hat, dass es Gott gibt – keine Widerrede!

Und als Kind war es denen, die darauf bestanden, völlig ausgeliefert: seinen Eltern, den Priestern, den Lehrern, die es ihm beigebracht haben – und hat es hinnehmen müssen; davon hing sein Leben ab. Es durfte seinen Eltern nicht widersprechen, denn wie sollte es ohne sie überleben? Nein zu sagen war zu riskant, es musste Ja sagen. Aber das kann kein ehrliches Ja sein.

Wie könnte es ehrlich sein? Sein geheucheltes Ja ist einfach eine Überlebensstrategie. Statt einen religiösen Menschen hat man aus ihm einen Diplomaten, einen Politiker gemacht. Sein Potenzial, als authentischer Mensch aufzuwachsen, ist untergraben worden. Es ist vergiftet worden. Seine Intelligenz ist im Keim erstickt worden.

Intelligenz kann sich nämlich nur dadurch entfalten, dass der Wissensdrang erwacht. Der wird jetzt ausbleiben – denn noch ehe die Frage sich seiner Seele bemächtigen konnte, hat man ihm bereits die Antwort geliefert! Lange bevor sich der Hunger regte, wurde ihm diese Nahrung reingezwungen. Nun, ohne Hunger ist sie unverdaulich, ohne Hunger ist sie nicht zu verdauen. Das ist der Grund, warum die Leute sich wie Röhren fühlen, durch die das Leben abfließt – wie unverdauliches Essen.

Man muss mit Kindern ausgesprochen geduldig sein – und hellwach, äußerst bewusst alles zurückhalten, was das Erwachen der eigenen Intelligenz verzögern könnte. Macht keine Christen, Hindus und Moslems aus ihnen. Das erfordert grenzenlose Geduld. Dann geschieht eines Tages das Wunder, dass das Kind von sich aus nachfragt. Speist es selbst dann nicht mit vorgefertigten Antworten ab. Vorgefertigte Antworten führen nicht weiter. Vorgefertigte Antworten sind dumpf und dumm. Helft lieber seiner Intelligenz auf die Sprünge. Statt ihm Antworten zu geben, stellt lieber Herausforderungen her, die seine Intelligenz anspornen, tiefer nachzuhaken – auf dass seine Frage vordringt bis zum Kern, wo es um Leben und Tod geht.

Doch das darf nicht sein. Die große Angst der Eltern, die große Angst der Gesellschaft ist: Wer weiß, was passiert, wenn die Kinder frei entscheiden dürften? Sie könnten sich für eine andere Religion entscheiden als ihre Eltern, sie könnten niemals zur Kirche gehen – zur katholischen, evangelischen, egal welcher. Wer weiß, was passiert, wenn sie ihrer eigenen Intelligenz folgen? Sie würden eurer Kontrolle entgleiten! Diese Gesellschaft ist nur darauf aus, alle zu kontrollieren, die Seelen aller zu besitzen.

Daher müssen sie als Allererstes das Vertrauen zerstören, das Vertrauen des Kindes in sich selbst, sein Urvertrauen. Sie müssen es erschüttern, ihm Angst einjagen. Sobald es zittert, ist es kontrollierbar. Wenn es selbstbewusst ist, ist es unkontrollierbar. Wenn es selbstbewusst ist, wird es sich behaupten, wird es tun, was es will. Es wird auf niemanden hören. Es wird seinen eigenen Weg gehen, es wird sich nicht vor den Karren anderer spannen lassen. Es wird niemanden nachahmen, es wird niemals abstumpfen oder absterben – sondern so quicklebendig sein, so von Leben pulsieren, dass niemand es unterwerfen kann.

Zerstört sein Vertrauen, und ihr habt es kastriert. Ihr habt ihm seine Kraft geraubt. Jetzt wird es nur noch vor sich hinvegetieren und auf jemanden angewiesen sein, der es beherrscht, ihm sagt, wo es längs geht, und Befehle gibt. So jemand ist ein guter Soldat, ein guter Bürger, ein guter Nationalist, ein guter Christ, ein guter Moslem, ein guter Hindu. Ja, all das wird es sein, aber es wird nicht auf eigenen Beinen stehen. Es wird keine Wurzeln haben, es wird sein Leben lang entwurzelt sein. Es wird ohne Wurzeln leben, und wer ohne Wurzeln lebt, lebt im Elend, lebt in der Hölle.

So wie Bäume Wurzeln in der Erde brauchen, muss auch der Mensch in der Existenz verwurzelt sein; andernfalls wird er ein sehr einfältiges Leben führen.

Er mag es in der Welt durchaus zu etwas bringen, er mag berühmt werden …

Dazu nun folgende Geschichte:

Drei alte Freunde, alle Chirurgen, machen zusammen Urlaub. Kaum saßen sie am Strand in der Sonne, begannen sie anzugeben. Der Erste sagte: „Einmal kam ein Mann zu mir, der im Krieg beide Beine verloren hatte. Ich hab ihm künstliche Beine verpasst, und ob ihr‘s glaubt oder nicht: Heute gehört er zu den besten Sprintern der Welt! Ich rechne damit, dass er bei den nächsten Olympischen Spielen eine Goldmedaille kriegt.“

Der Zweite sagte: „Na ja, geht so. Eine meiner Patientinnen war aus dem dreißigsten Stock auf die Straße gefallen – sie hatte praktisch kein Gesicht mehr. Aber ich hab mich ja, wie ihr wisst, auf Schönheitschirurgie spezialisiert. Die Frau hättet ihr nach der Operation sehen sollen! Und wisst ihr, was neulich in der Zeitung stand? Sie ist zur Miss World gekürt worden!“

Der Dritte machte keine Anstalten etwas zu sagen. Die beiden sahen ihn an und fragten: „Und du? Was hast du in letzter Zeit gemacht?“

„Ach, nicht der Rede wert. Und außerdem ist die Sache top secret.“

Umso neugieriger wurden die Kollegen. Sie drängelten: „Wir sind doch unter uns und werden kein Wort verraten. Niemand wird etwas erfahren.“

Also gab er nach: „Okay, wenn ihr es mir versprecht. Man brachte mir einen Mann, der bei einem Verkehrsunfall seinen Kopf verloren hatte. Ich suchte verzweifelt nach einer Lösung und rannte raus in meinen Garten und erblickte einen Kohlkopf – und eine innere Stimme sagte mir: „Mach doch einfach eine Transplantation!“ Jetzt sitzt anstelle seines Kopfes ein Kohl auf seinem Hals. Und wisst ihr was? Heute ist er der Ministerpräsident von Indien!“

Ihr könnt ein Kind zerstören – Premierminister von Indien kann es allemal noch werden! Es ist also nicht von vornherein ausgeschlossen, ohne Intelligenz Erfolg zu haben. Es ist im Gegenteil schwieriger, mit Intelligenz erfolgreich zu sein; denn der intelligente Mensch ist erfinderisch, er ist stets seiner Zeit voraus und es dauert, bis man ihn versteht.

Der Dummkopf ist ohne weiteres zu verstehen. Er fällt nicht aus dem gesellschaftlichen Rahmen, auf ihn sind die Werte und Maßstäbe der Gesellschaft zugeschnitten. Aber es dauert Jahre, bevor die Gesellschaft ein Genie zu schätzen weiß. Ich sage ja nicht, das einer, der keine Intelligenz hat, nicht Erfolg haben oder berühmt werden kann – trotzdem ist und bleibt er ein Blender. Und das ist das Elend: Du kannst berühmt werden, aber wenn du ein Blender bist, wirst du deines Lebens nie froh. Du ahnst nicht, mit welchen Segnungen dich das Leben überschüttet – du wirst es nie erfahren. Denn dazu hast du nicht genug Intelligenz. Du wirst nie erkennen, wie schön die Schöpfung ist, weil du dafür kein Feingefühl hast. Du wirst niemals das reine Wunder erblicken, das dich umgibt, auf das du tagtäglich millionenfach stößt. Du wirst es nie erkennen, denn um es zu erkennen, bedarf es der enormen Fähigkeit zu verstehen, zu fühlen, zu sein.

Unsere Gesellschaft ist auf Macht aus. Unsere Gesellschaft ist nach wie vor völlig primitiv, völlig barbarisch. Eine Handvoll Leute – Politiker, Priester, Professoren –, ein paar Leute beherrschen Millionen. Und die Gesellschaft sorgt dafür, dass kein Kind Intelligenz haben darf. Aus purem Zufall kommt ab und zu ein Buddha auf die Erde.

Praktisch aus Versehen kommt es ab und zu vor, dass irgendwer den Fängen der Gesellschaft entschlüpft, dass irgendwer unvergiftet durchkommt. Offenbar ist der Gesellschaft dann irgendein Irrtum, irgendein Fehler unterlaufen. Normalerweise gelingt es der Gesellschaft, euch zu entwurzeln, euer Selbstvertrauen zu vernichten. Und wem das widerfahren ist, der wird nie wieder irgendwem vertrauen können.

Wer nicht fähig ist sich selbst zu vertrauen, wird niemals irgendwen lieben können. Das ist eine unumstößliche Wahrheit. Sie gilt ausnahmslos: Andere zu lieben vermag nur, wer sich selbst zu lieben vermag. Aber die Gesellschaft verdammt die Selbstliebe. Ihr zufolge ist sie egoistisch, ihr zufolge ist sie narzisstisch. Ja, Selbstliebe kann narzisstisch werden, muss es aber nicht. Sie kann nur dann narzisstisch werden, wenn sie nie über sich selbst hinausgeht; sie kann zu einer Art Selbstsucht werden, wenn sie sich nur auf sich selbst bezieht. Ansonsten aber beruhen alle anderen Formen der Liebe auf der Selbstliebe.

Wer sich selbst liebt, dessen Liebe beginnt früher oder später überzufließen. Wer sich selbst vertraut, kann niemandem misstrauen – nicht mal denen, die ihn reinlegen werden, nicht mal denen, die ihn schon reingelegt haben. Ja, nicht einmal denen kann er misstrauen, denn jetzt weiß er, dass Vertrauen der höchste Wert überhaupt ist.

Du kannst jemanden zwar betrügen, aber kannst du ihm damit schaden? Du kannst ihm Geld oder was auch immer abknöpfen. Wer aber weiß, wie schön Vertrauen ist, wird sich von solchen Lappalien nicht beirren lassen.

Er wird dich trotzdem lieben, er wird dir trotzdem vertrauen. Und dann geschieht ein Wunder: Wenn ein Mensch dir wirklich vertraut, ist es unmöglich, ihn zu betrügen, praktisch unmöglich.

Das kann man täglich auch selbst erleben … Wann immer du jemandem vertraust, machst du es ihm praktisch unmöglich, dich zu betrügen: Du sitzt irgendwo auf dem Bahnsteig neben irgendjemandem, einem wildfremden Menschen, und du bittest ihn: „Können Sie mal kurz auf mein Gepäck aufpassen, ich hab noch etwas vergessen?“ – und gehst weg. Du vertraust einem völlig Fremden. Doch dann wirst du praktisch nie von dem Fremden betrogen. Hättest du ihm misstraut, hätte er dich betrügen können.

Vertrauen ist ein gewisser Bann: Wie könnte er dich betrügen, wenn du ihm offensichtlich vertraust? Wie könnte er so tief sinken? Würde er dich betrügen, könnte er es sich niemals verzeihen. Das menschliche Bewusstsein ist dergestalt, dass es vertraut und Vertrauen erwartet.

Vertrauen zu spüren, ist für jeden eine Freude – und erst recht, wenn man sich nicht kennt. Du hast keinen Grund ihm zu vertrauen – und dennoch vertraust du. Damit stellst du den Betreffenden auf ein so hohes Podest, ehrst du ihn dermaßen, dass er sich vor einem Fall aus solcher Höhe hüten wird. Andernfalls wird er sich das niemals verzeihen können, wird ihn sein Schuldgefühl bis ans Ende seines Lebens belasten.

Wer sich selber vertraut, wird erfahren, wie schön das ist. Er macht die Erfahrung, dass er umso mehr aufblüht, je mehr er sich selbst vertraut. Je mehr du in Losgelassenheit und in Entspannung lebst, desto mehr bist du in dir zu Hause und heiter, desto ruhiger, kühler und stiller bist du.

Und das ist so schön, dass du anfängst, immer mehr Menschen zu vertrauen. Denn je mehr du vertraust, desto mehr vertieft sich deine Ruhe und Gelassenheit … bis hinunter zu deinem innersten Kern. Und je mehr du vertraust, desto höher steigst du auf. Wer vertraut, lernt früher oder später die Logik des Vertrauens kennen. Und irgendwann wird er dann zwangsläufig auch versuchen, dem Unbekannten zu vertrauen.

Fangt an, euch selbst zu vertrauen – das ist das Allererste. Darum geht es mir hier: das Misstrauen gegen euch selbst zu zerstören, zu dem man euch angestiftet hat, all die Verachtung zu zerstören, zu der man euch angehalten hat, und euch spüren zu lassen, dass ihr geliebt und geachtet werdet, dass die Existenz euch liebt.

Gott hat dich erschaffen, weil er dich liebt – und zwar in einem Maße liebt, dass er der Versuchung, dich zu erschaffen, nicht widerstehen konnte. Wenn ein Maler malt, dann aus Liebe. Wenn ein Dichter ein Lied komponiert, dann aus Liebe. Gott hat dich gemalt, dich gesungen, dich getanzt! Gott liebt dich! Und wenn dir das Wort Gott nichts sagt, spielt das keine Rolle – nenn es die Existenz, nenn es das Ganze.

Die Existenz liebt dich, sonst wärst du nicht hier. Entspanne dich – das Ganze weiß dich zu schätzen. Darum wird das Ganze nicht müde, in dir zu atmen, in dir zu pulsieren. Sobald du die gewaltige Achtung des Ganzen in dir spürst, und wie sehr es dich liebt und dir vertraut, wirst du in deinem Dasein Wurzeln schlagen – wirst du dir selbst vertrauen.

Erst dann kannst du mir vertrauen, erst dann könnt ihr euren Freunden, euren Kindern, eurem Mann, eurer Frau vertrauen. Erst dann könnt ihr den Bäumen und den Tieren und den Sternen und dem Mond vertrauen. Dann lebt man einfach nur noch als Vertrauen, dann geht es nicht mehr nur darum, diesem oder jenem zu vertrauen, sondern man vertraut. Und wer vertraut, ist religiös.

Nichts anderes bedeutet Sannyas. Sannyas wird all das rückgängig machen, was die Gesellschaft angerichtet hat. Die Priester, die Politiker, die Eltern, ja das gesamte Establishment sind nicht umsonst gegen mich! Das kommt nicht von Ungefähr. Mir ist klar, wie absolut, wie zwingend logisch das ist. Ich versuche, ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Ich sabotiere die gesamte Struktur unserer Sklavengesellschaft. Ich bemühe mich, Rebellen heranzuziehen, und zum Rebell wird man nur, wenn man anfängt, sich selbst zu vertrauen. Wenn ich euch dazu bringen kann, euch selbst zu vertrauen, ist euch geholfen. Sonst ist nichts nötig, alles andere ergibt sich dann ganz von selbst

Der Zweifel – dein Freund und Helfer

NACHZUFORSCHEN IST RISKANT, ES FÜHRT INS UNBEKANNTE. Man weiß nicht, worauf man sich einlässt. Man lässt alles Bekannte, alles Gewohnte hinter sich und sticht einfach in See – ohne jede Gewähr, dass man am andern Ufer irgendetwas antrifft – oder ob es überhaupt ein anderes Ufer gibt.

Also klammern die Leute sich an den Gottesglauben, während sich die etwas Robusteren – die Intellektuellen, die Intelligenzia – an den Atheismus klammern. Aber beide sind Eskapisten, die vor dem Zweifel fliehen. Und wer vor dem Zweifel flieht, lässt die Finger vom Nachforschen.

Was ist der Zweifel denn? Er ist nichts weiter als ein Fragezeichen. Er ist nicht euer Feind, sondern lediglich ein inneres Fragezeichen, das euch anspornt nachzuforschen.

Der Zweifel ist euer Freund. Der Glaube hat Angst vor Zweifeln. Angst deswegen, weil er ihn verdrängt hat. Und alles Verdrängte werdet ihr fürchten, denn irgendwo in euch rumort es weiter und wartet nur darauf sich zu rächen. Und bei der leisesten Gelegenheit wird es irgendwann mit aller Macht explodieren. Euer Glaube sitzt auf einem Erdbebengebiet und jeden Tag wächst der Zweifel, weil ihr ihn unterdrückt, in Schach haltet. Irgendwann wird er so stark, dass du ihn nicht mehr unterdrücken kannst, er wird stärker als dein Glaube. Dann wirft das deinen Glauben um.

Vertrauen hingegen hat keine Angst vorm Zweifel; denn Zweifel und Vertrauen schließen einander nicht aus. Das Vertrauen benutzt den Zweifel, weil es sich darauf versteht, sich die Energie des Zweifels zunutze zu machen. Das ist der Unterschied zwischen Zuversicht und Glaube. Glaube ist verlogen; er erzeugt eine Art Woodoo, er bringt Heuchler hervor. Vertrauen hat eine gewisse erhabene Schönheit, strahlt etwas Wahres aus. Zweifel befördern sein Wachstum, dienen ihm als Dünger. Der Zweifel ist euer Freund und nicht euer Feind.

Und solange euer Vertrauen nicht durch viele Zweifel gegangen ist, bleibt es impotent. Wie sonst soll es auch erstarken? Wie sonst soll es standfest werden? Ohne jede Herausforderung bleibt es zwangsläufig schwach. Zweifel fordern es heraus. Nur indem euer Vertrauen die Herausforderung annimmt und sich mit ihm anfreundet, wird es weiter wachsen. Dann wirst du keine gespaltene Persönlichkeit sein, die ihre innersten Zweifel mit frommen Lippenbekenntnissen übertüncht. Nein, du wirst aus einem Guss sein, du wirst du selbst sein, auf eigenen Beinen stehen. Und genau diese Individualität wird in den alten Religionen „Seele“ genannt.