Kremskoje, 5. Mai 19..

Lieber Konstantin! Ich habe mein Amt angetreten und will Dir berichten, wie sich mir die Lage darstellt. Dass mir gelingen wird, was ich vorhabe, bezweifle ich nicht, es scheint sogar, dass die Umstände günstiger sind, als man voraussetzen konnte. Meine Persönlichkeit wirkt in der ganzen Familie des Gouverneurs sympathisch, von Argwohn ist keine Rede; dies ist im Grunde natürlich, nur wir Wissende konnten das Gegenteil befürchten. Wenn der Gouverneur Erkundigungen über mich eingezogen hat, so konnten diese mir nicht schaden; meine Zeugnisse von der Kinderschule an bis zur Universität sind glänzend, und das Einzige, was zu meinem Nachteil sprechen könnte, dass ich mich mit meinem Vater überworfen habe, wird dadurch entkräftet, dass sein herrschsüchtiger und verschrobener Charakter allgemein bekannt ist. Ich glaube aber eher, dass er es nicht getan hat; der Mann ist so ganz ohne Misstrauen, dass es in seiner Lage an Einfalt grenzen würde, wenn es nicht mehr mit

Sie erzählte mir, dass eben der von Dir verfasste Brief sie auf den Gedanken gebracht hätte, einen jungen Mann zu suchen, der unter dem Vorwande, ihres Mannes Sekretär zu sein, seine Person vor etwaigen Anschlägen beschützte, ohne dass er selbst es bemerkte. Es sei ihr jedoch nicht möglich gewesen, weder ihre Angst noch ihren Plan vor ihrem Manne geheim zu halten, und auf ihr inständiges Bitten und um Ruhe vor ihr zu haben, sei er endlich darauf eingegangen, teils auch, weil er seit Kurzem eine Art Nervenschmerz am rechten Arm habe, der ihm das Schreiben erschwere. Er habe aber die Bedingung gestellt, dass er wenigstens des Nachts unter dem alleinigen Schutze seiner Frau bleiben dürfe. Sie lachten beide, und er setzte hinzu, seine Frau verstehe sich so ausgezeichnet auf die Befestigung der Schlafzimmer, dass er sich dreist ihr

Außer dem Sohne sind zwei Töchter da, Jessika und Katja, zwischen zwanzig und dreiundzwanzig Jahren, blond, niedlich, einander ähnlich wie Zwillinge. Sie waren gegen mich eingenommen, weil sie die Furchtsamkeit ihrer Mutter albern finden und weil sie fürchteten, in ihrer sommerlichen Zurückgezogenheit gestört zu werden; da ihnen aber mein Äußeres hübsch und stilvoll vorkommt, und da Welja, der ihr Vorbild ist, sich zu mir hingezogen fühlt, fangen sie an, sich mit meiner Anwesenheit zu befreunden. Diese drei Kinder erinnern mich, ich weiß nicht warum, an kleine Kanarienvögel, die dicht zusammengedrängt auf einer Stange sitzen und zwitschern. Überhaupt hat die ganze Familie etwas kindlich Harmloses, das mich und meine Aufgabe vor mir selbst lächerlich machen könnte; aber ich kenne die menschliche Seele gut genug, um zu wissen, dass diesem Wesen maßloser Hochmut zugrunde liegt. Hass, ja selbst

Lju

WELJA AN PETER

Kremskoje, 6. Mai

Lieber Peter! Ich habe mich damit abgefunden, dass ich während der ganzen Dauer von Papas Urlaub hier auf dem Lande bleiben muss. Blödsinnige Sache, dieser Schluss der Universität. Ich hatte doch vollkommen recht, als ich Ruhe empfahl; denn dass wir bei einem Kampfe den Kürzeren ziehen

Der Schutzengel ist angekommen. Mama ist überzeugt, dass er das Talent hat, alle Gifte, Waffen, Dynamitpatronen und sonstigen Unfälle von Papa ab- und auf sich hinzulenken, und schätzt den begabten jungen Mann unendlich. Wir dachten, es würde ein Mann mit breitem Vollbart, biederen Fäusten und aufgeblasenen Redensarten ankommen; anstatt dessen ist er schlank, glatt rasiert, zurückhaltend, eher ein englischer Typus. Mir sagte er, sein Vater habe verlangt, dass er sich zu einer Professur melde – er hat nämlich Philosophie studiert –, aber er wolle keinen Beruf und habe besonders einen Widerwillen gegen die zünftigen Philosophen. Um ihn zu zwingen, habe sein Vater ihm alle Geldmittel entzogen, und deshalb habe er diese Stellung angenommen, zu der er im Grunde wohl wenig befähigt sei. Er sagte: »Ich glaube, ich kann mich am ersten dadurch nützlich machen, dass ich Ihre Frau Mutter ein wenig beruhige, und das scheint mir gar nicht schwer zu sein. Sie hat die liebenswürdige Eigenschaft, nicht zweifelsüchtig zu sein, und wird mich gern für einen geborenen Blitzableiter halten, wenn ich mir einigermaßen Mühe gebe, einen solchen vorzustellen.« Ich sagte: »Wenn Sie sich nur nicht dabei langweilen.«

Dein Welja

Kremskoje, 7. Mai

Liebe Tante! Da es tiefstes Geheimnis ist und bleiben soll, dass Mama einen Sekretär für Papa angestellt hat, dessen eigentliche Bestimmung ist, Papa vor den Bomben zu schützen, die ihm angedroht sind, kann ich die Tatsache wohl als bekannt voraussetzen. Vielleicht ist es auch besser, wenn sie in den weitesten Kreisen verbreitet wird, dann fangen die Anarchisten gar nicht erst an zu werfen, wodurch unserm Schutzengel seine Arbeit erleichtert wird. Du siehst, dass ich ihm wohlwill, und er verdient es schon deshalb, weil seine Anwesenheit so günstig auf Mamas Stimmung einwirkt. Am ersten Mittag fragte Mama ihn, was er geträumt habe; der erste Traum an einem neuen Aufenthalt sei bedeutungsvoll. Ich glaube, er hatte gar nichts geträumt, aber er erzählte, ohne sich zu besinnen, eine lange Geschichte, dass er sich im Innern eines herrlichen Palastes befunden habe und langsam von einem Raume zum andern gegangen sei, und beschrieb alle ganz ausführlich. Zuletzt sei er zu einem Gemach gekommen, in dem es ganz dunkel gewesen sei und auf dessen Schwelle ihn eine unerklärliche Bangigkeit befallen habe; er habe gezögert weiterzugehen, dann sich zusammengenommen, dann

Mit Papas Nerven geht es ganz gut, er hat Iwan

Geliebteste Tante, ich lege alle Tage Sträuße von Thymian, Lavendel und Rosmarin in unser Gastzimmer, nicht nur auf den Tisch, sondern auch in Schränke und Kommoden, damit es durch und durch einen hübschen Biedermeiergeruch bekommt. Belohne meine Aufmerksamkeit, indem Du kommst.

Deine Jessika

KATJA AN PETER

Kremskoje, 9. Mai

Lieber Peter! Du bist ein Kalb, wenn Du mir wirklich übel genommen hast, dass ich nicht zu Hause war, als Du mir Adieu sagen wolltest. Konnte ich wissen, dass Du kommen würdest? Und außerdem machte ich noch einen Besuch bei der alten Generalin, was doch wahrhaftig kein Vergnügen ist. Übelnehmen ist kleinbürgerlich, hoffentlich hat Welja mich angelogen. Wenn ich es nicht so