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Die Autoren

 

 

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Sabine Schäper, Dr. theol., Dipl-Sozialpädagogin und Dipl.-Theologin, Professorin für Heilpädagogische Methodik und Intervention am Fachbereich Sozialwesen, Katholische Hochschule NW, Abteilung Münster. Forschungsschwerpunkte: Behinderung und Alter; Palliative Care und hospizliche Begleitung von Menschen mit geistiger Behinderung; Herausforderndes Verhalten; Teilhabeforschung.

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Friedrich Dieckmann, Prof. Dr., Diplompsychologe, Professur für Heilpädagogische Psychologie an der Katholischen Hochschule NRW Münster, Leiter des Instituts für Teilhabeforschung. Forschungsschwerpunkte: sozialraumorientiertes Wohnen von Menschen mit Behinderung, Sozialplanung, Quartiersentwicklung, Menschen mit Behinderung im Alter, Ökologische Psychologie.

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Christiane Rohleder, Dr. phil., Professorin für Soziologie im Fachbereich Sozialwesen, Katholische Hochschule NW, Abteilung Münster. Forschungsschwerpunkte: Älter werden mit einer psychischen Behinderung, inklusive Quartiersplanung für das höhere Erwachsenenalter, freiwilliges Engagement und produktive Tätigkeiten im höheren Erwachsenenalter.

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Bianca Rodekohr, Dipl.-Geogr., arbeitet als Projektleitung für die Selbständiges Wohnen gGmbh, einer Tochter des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Sie ist zuständig für die Umsetzung des SeWo-LWL-Programms für selbstständiges, technikunterstütztes Wohnen im Quartier, das Menschen mit wesentlichen Behinderungen auf dem Weg in die eigenen vier Wände unterstützt.

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Michael Katzer, exam. Kinderkrankenpfleger, Diplom-Heilpädagoge, Master of Advanced Studies in Applied Ethics (MAE); mehrjährige Tätigkeit als Fachberater, wissenschaftlicher Mitarbeiter in zwei Forschungsprojekten (SoPHiA und Mutig), Mitglied des Teilhabeinstitutes und Lehrender an der katholischen Hochschule/Abt. Münster

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Susanne Frewer-Graumann, Dr. phil., ist Leiterin des Forschungsschwerpunktes Lebenslagen, Lebensformen und soziale Integration am Institut für Gerontologie an der TU Dortmund. Forschungsschwerpunkte: Pflegende Angehörige, Behinderung und Alter, gesundheitliche Versorgung, Hospiz und Palliative Care

Sabine Schäper

Friedrich Dieckmann

Christiane Rohleder

Bianca Rodekohr

Michael Katzer

Susanne Frewer-Graumann

Inklusive Sozialplanung für Menschen im Alter

Ein Manual für die Planungspraxis

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-030790-2

E-Book-Formate:

pdf:    ISBN 978-3-17-030791-9

epub: ISBN 978-3-17-030792-6

mobi: ISBN 978-3-17-030793-3

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. 1 Einleitung
  2. 2 Inklusive Sozialplanung als kommunale Gestaltungsaufgabe
  3. Christiane Rohleder und Friedrich Dieckmann
  4. 2.1 Gesellschaftliche Ausgangslagen
  5. 2.1.1 Demografischer Wandel
  6. 2.1.2 Sozialer Wandel der Versorgungswünsche und -settings älter werdender Menschen mit und ohne (lebenslange) Behinderung
  7. 2.1.3 Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung
  8. 2.2 Gesetzliche Aufträge und Gestaltungsräume der Kommune
  9. 2.2.1 Kommunale Daseinsvorsorge
  10. 2.2.2 Altenhilfe-/Seniorenplanung
  11. 2.2.3 Kommunale Pflegeplanung
  12. 2.2.4 Anforderungen an die kommunale Senioren- und Pflegeplanung
  13. 2.2.5 Kommunale Teilhabeplanung
  14. 2.2.6 Gemeindepsychiatrie und Psychiatrieplanung
  15. 2.3 Leitprinzipien einer inklusiven Sozialplanung
  16. 2.3.1 Leitprinzip Inklusion
  17. 2.3.2 Leitprinzipien Quartiersentwicklung und Sozialraumorientierung
  18. 2.3.3 Leitprinzip Partizipation
  19. 2.3.4 Leitprinzip Adressatenorientierung
  20. 2.4 Planungsinhalte, Planungsräume, Planungsprojekte
  21. 2.4.1 Inhalte der Planung
  22. 2.4.2 Planungsräume
  23. 2.4.3 Planungsprojekte
  24. 2.5 Fazit: Mehr Teilhabechancen für das Alter(n) mit einer lebenslangen Behinderung durch inklusive Sozialplanungsprozesse
  25. 3 Strategische Elemente auf dem Weg zu einer inklusiven Sozialplanung für die Lebensphase Alter
  26. Friedrich Dieckmann, Michael Katzer und Sabine Schäper
  27. 3.1 Politische Mandatierung
  28. 3.2 Weiterentwicklung von Arbeitsstrukturen
  29. 3.2.1 Ebenen einer Arbeitsstruktur
  30. 3.2.2 Verwaltungsstrukturen
  31. 3.2.3 Kommunalpolitische Gremien
  32. 3.2.4 Beteiligen und Kooperieren
  33. 3.2.5 Kooperationsstrukturen
  34. 3.2.6 Beteiligungsstrukturen
  35. 3.3 Analyse der bestehenden kommunalen Planungspraxis und ihrer Entstehung
  36. 3.4 Steuerung durch adressatenorientierte Leitziele
  37. 3.4.1 Adressatenorientierte Leitziele
  38. 3.4.2 Adressatenorientierte Leitziele am Beispiel des Projekts SoPHiA
  39. 3.4.3 Formulierung und Operationalisierung von adressatenorientierten Leitzielen
  40. 3.5 Fazit: Strategische Elemente einer inklusiven Sozialplanung
  41. 4 Quantitative Quartiers- und Sozialraumanalyse
  42. Bianca Rodekohr
  43. 4.1 Bildung und Abgrenzung von planungsrelevanten Quartieren
  44. 4.2 Quartiersanalysen in einer inklusiven Sozialplanung
  45. 4.2.1 Methodische Überlegungen zu Quartiersanalysen
  46. 4.2.2 Stolpersteine der quantitativen Quartiersanalyse
  47. 4.2.3 Durchführung einer quantitativen Quartiersanalyse
  48. 4.2.4 Zugang zu relevanten Daten
  49. 4.2.5 Der Einsatz von Geographischen Informationssystemen (GIS) in sozialräumlichen Analysen
  50. 4.3 Fazit: Handlungsempfehlungen für technikunterstützte Sozialraumanalysen
  51. 5 Gestaltung von Planungsprojekten
  52. Sabine Schäper und Susanne Frewer-Graumann
  53. 5.1 Entstehung und Formulierung des Planungsauftrags
  54. 5.2 Bildung eines projektbezogenen Planungsteams
  55. 5.3 Aufgaben des Planungsteams
  56. 5.4 Prozessschritte in der projektbezogenen Planung
  57. 5.4.1 Konkretisierung und Aktualisierung der adressatenorientierten Leitziele in den projektrelevanten Handlungsfeldern
  58. 5.4.2 Erfassung von Bedarfslagen
  59. 5.4.3 Anschluss an bestehende Planungstraditionen
  60. 5.4.4 Konkretisierung der adressatenorientierten Leitziele
  61. 5.4.5 Konzipierung von geeigneten Evaluationsverfahren
  62. 5.4.6 Beteiligung von Bürger/innen und (potentiellen) Nutzer/innen
  63. 5.4.7 Erarbeitung konkreter Lösungsbausteine
  64. 5.4.8 Beschlussfassung in kommunalpolitischen Gremien und Umsetzung im Sozialraum
  65. 5.5 Verstetigung inklusiver Sozialplanung
  66. 5.6 Fazit: Inklusive Sozialplanung als dynamischer und ergebnisoffener Prozess
  67. 6 Partizipation
  68. Michael Katzer und Sabine Schäper
  69. 6.1 Normative Grundlagen und Voraussetzungen
  70. 6.1.1 Partizipation als Kernelement politischen Handelns
  71. 6.1.2 Partizipation – zentrale Leitidee der UN-BRK
  72. 6.1.3 Stufen der Partizipation
  73. 6.1.4 Partizipation als Bildungsaufgabe
  74. 6.1.5 Ergebnisoffenheit und zeitliche Perspektive von Beteiligungsverfahren
  75. 6.1.6 Partizipationsbarrieren
  76. 6.2 Methodische Hinweise für die Gestaltung von Partizipation
  77. 6.2.1 Politische Partizipation an kommunalen Gremien und Arbeitskreisen ermöglichen
  78. 6.2.2 Barrierefreiheit sicherstellen
  79. 6.2.3 Allgemeine öffentliche Beteiligungsverfahren
  80. 6.2.4 Spezifische aufsuchende Beteiligungsverfahren
  81. 6.3 Fazit: Partizipation als kollektiver Lernprozess
  82. 7 Evaluation inklusiver Sozialplanung unter besonderer Berücksichtigung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen
  83. Christiane Rohleder
  84. 7.1 Allgemeine Vorüberlegungen zur Evaluation inklusiver Sozialplanungsprozesse
  85. 7.2 Evaluation über quantitative Kurzbefragungen
  86. 7.3 Evaluation über Fokusgruppeninterviews
  87. 7.4 Fazit: Bedarf vertiefter Methodenforschung zur Evaluation inklusiver Veranstaltungsformate
  88. Literaturverzeichnis

1          Einleitung

 

 

 

Die demografische Entwicklung betrifft zunehmend auch die Personengruppe der Menschen mit einer lebenslangen Behinderung. Nachdem die Generation der vor und während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland geborenen Kinder mit einer Behinderung zu einem großen Anteil den »Euthanasie«-Verbrechen zum Opfer gefallen ist, und die Lebenserwartung aufgrund schlechter medizinischer Versorgung und unzureichender Förderung nicht sehr hoch war, erreichen nun die Nachkriegsgenerationen nach und nach das Rentenalter. Die Sozialsysteme und Anbieter sozialer Unterstützungsleistungen reagieren erst langsam auf diese Entwicklungen: Manche Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe haben bereits Konzepte für die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen im Alter erarbeitet, andere kommen den neuen Herausforderungen nur allmählich strukturell und konzeptionell nach.

Die Akteure im Bereich der Seniorenarbeit und Altenhilfe haben älter werdende Menschen mit lebenslanger Behinderung bisher nur sehr begrenzt im Blick. Auch die kommunale Altenhilfe- und Seniorenplanung richtet ihre Aktivitäten noch nicht prospektiv auf die zunehmende Zahl älterer Menschen mit lebenslanger Behinderung ein. Die kommunalen Fachplanungen für Menschen mit Behinderung und für Senior/innen arbeiten meist getrennt voneinander, ohne sich gegenseitig abzustimmen oder eng zu kooperieren. Zudem liegt die formale Zuständigkeit der Teilhabeplanung für Menschen mit Behinderungen in Deutschland je nach Bundesland entweder auf überörtlicher oder auf kommunaler Ebene. Die Schnittstellen zwischen den Fachplanungen innerhalb einer Kommune, zwischen den Angeboten der Alten- und Behindertenhilfe und den verschiedenen Ebenen der Planung werden bisher eher situativ und reaktiv aufgrund aktueller regionaler Notwendigkeiten bearbeitet.

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat die politische Schubkraft in Richtung inklusiver Konzepte der Begleitung und Unterstützung von Menschen mit Behinderung deutlich erhöht. Viele Bevölkerungsgruppen profitieren davon, dass sich Regelangebote in den Kommunen besser auf eine Vielfalt von Nutzer/innen einstellen oder Umwelten barrierefreier gestaltet werden. Umsetzungsstrategien für Inklusion müssen auf die kommunale Ebene heruntergebrochen werden und prospektiv ausgerichtet sein, damit sie langfristig greifen und nachhaltig wirken. Die Entwicklung von Quartierskonzepten im Bereich der Altenhilfe korrespondiert dabei mit der zunehmenden Rezeption des Konzepts der Sozialraumorientierung in der Behindertenhilfe. Hier bestehen Synergiepotentiale, die im Sinne einer bestmöglichen Versorgungssicherheit und erhöhter Teilhabechancen für alle in Zukunft besser genutzt werden könnten.

Im Bereich der kommunalen Sozialplanung werden in den letzten Jahren zunehmend integrierte und diskursive Planungsstrategien verfolgt. Ein zentrales Thema kommunaler Sozialplanung bildet angesichts des demografischen Wandels die Seniorenplanung einschließlich der Pflegebedarfsplanung. Eine inklusive Sozialplanung für Menschen mit und ohne lebenslange Behinderung im Alter bietet die Chance, die Unterstützung von Menschen mit Behinderung »demografiefest« zu machen. Des Weiteren können dadurch allgemeine Angebote und Infrastrukturen in den Kommunen inklusiver gestaltet werden. Durch eine bessere Zusammenarbeit der bisher streng versäulten Hilfesysteme lassen sich gemeinsame Potentiale und Synergieeffekte auf lokaler Ebene erschließen.

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekt SoPHiA (»Sozialraumorientierte kommunale Planung von Hilfe- und Unterstützungsarrangements für Menschen mit und ohne lebensbegleitende Behinderung im Alter«; Laufzeit 2012–2015) wurden Planungsstrategien, Planungsverfahren und Methoden für eine inklusive Sozialplanung an der Schnittstelle von Teilhabeplanung und Seniorenplanung entwickelt und beispielhaft in der Stadt Münster und im Landkreis Steinfurt (Münsterland) erprobt. Die erlebten und erprobten Planungsstrategien, -verfahren und -methoden werden in dem vorliegenden Band in allgemeine Entwicklungen der Sozialplanung und spezifische Entwicklungen der Seniorenplanung und Teilhabeplanung eingebettet (image Kap. 2). Wichtige strategische Elemente einer inklusiven Sozialplanung an dieser Schnittstelle werden vorgestellt (image Kap. 3). Eine spezielle Anforderung in inklusiven Planungskonzepten bildet dabei die inklusive und quartiersbezogene Sozialdatenanalyse und Berichterstattung (image Kap. 4). Nachfolgend werden wichtige Bausteine zur Gestaltung von Planungsprojekten (image Kap. 5) und zur Beteiligung von Bürger/innen mit und ohne lebenslange Behinderung dargestellt (image Kap. 6). Besonderes Augenmerk wird dabei auf Interessen und Sichtweisen von Personengruppen gelegt, die bisher in Planungsprozessen nur schwach vertreten sind. Schließlich werden Optionen und innovative Umsetzungsmöglichkeiten für die Evaluation inklusiver Sozialplanung diskutiert (image Kap. 7).

Die Variationsbreite der Vorschläge ist jeweils geprägt von den Erfahrungen des Forschungsprojektes im städtischen wie auch im ländlichen Raum und von Planungstraditionen und -strukturen, die in verschiedenen kommunalen Räumen äußerst unterschiedlich sein können. So stellt das Manual kein allgemeingültiges Modell einer inklusiven Sozialplanung für das Alter(n) mit und ohne Behinderung dar. Vielmehr muss jede Kommune ihren eigenen Weg gehen, kann aber aus dem Repertoire an vorgestellten Planungsschritten, -verfahren und -methoden jeweils auswählen, welche Strategien angesichts der spezifischen Anforderungen und Entwicklungsbedarfe vor Ort sinnvoll erscheinen.

Die Autor/innen möchten neben der Anregung für konkrete Planungsprojekte und die Weiterentwicklung der kommunalen Sozialplanung insgesamt die Diskussion um inklusive Planungsstrategien und -konzepte anstoßen. Mit dem Manual soll einerseits ein Beitrag zur Bearbeitung der Herausforderungen in der politischen Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und andererseits zur Entwicklung innovativer Konzepte in der Gestaltung des demografischen Wandels geleistet werden.

2          Inklusive Sozialplanung als kommunale Gestaltungsaufgabe

Christiane Rohleder und Friedrich Dieckmann

Der demografische Wandel erfordert neue Lösungen im Hinblick auf Lebensqualität und Teilhabe im Alter(n) ebenso wie hinsichtlich der Versorgung und Unterstützung einer größer werdenden Gruppe älterer Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarfen. Diese Entwicklungen betreffen nicht mehr allein das Altenhilfesystem, sondern zunehmend stärker auch die Behindertenhilfe, da immer mehr Menschen mit einer lebenslangen, d. h. relativ früh im Lebenslauf erworbenen1 Behinderung ein höheres Erwachsenenalter erreichen. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen stärkt dabei den Anspruch, dass alle Menschen, unabhängig von bestehenden Beeinträchtigungen, die gleichen Rechte auf Anerkennung der Würde, auf Wahlmöglichkeiten und Teilhabe und damit auf Inklusion in zentrale gesellschaftliche Handlungsfelder haben.

Während für den Bereich des Lebensanfangs, für Kindertagesstätten und Regelschulen, das Recht auf Inklusion in den letzten Jahren intensiv öffentlich diskutiert und praktisch erprobt wird, erfolgt beides für das höhere Lebensalter eher verhalten. Zwar hat sich die Zahl der deutschsprachigen Publikationen zum Alter(n) von behinderten Menschen, insbesondere von Menschen mit einer geistigen Behinderung, in den letzten zehn Jahren vervielfacht. Meist geht es dabei jedoch um Anpassungsbedarfe und Notwendigkeiten innerhalb des Systems der Behindertenhilfe. Seltener werden Fragen der Inklusion in Regelzusammenhänge für ältere Menschen mit lebenslanger Behinderung diskutiert und in der Praxis umgesetzt. Versorgungsfragen werden vorrangig an das System der Behindertenhilfe delegiert.2 Erste Modellprojekte auf kommunaler Ebene haben sich mit der Berücksichtigung der Bedarfe älterer Menschen mit lebenslanger Behinderung in der örtlichen Teilhabeplanung beschäftigt (Barth, Fuhr 2010; Barth 2011). Ein abgestimmtes sozialplanerisches Vorgehen für die bislang weitgehend versäulten Systeme der Behinderten- und der Altenhilfe findet sich aber kaum.

Dabei gibt es viele Übereinstimmungen in den Wünschen und Bedarfen von älter werdenden Menschen mit und ohne (lebenslange) Behinderung. Diese Wünsche beziehen sich in der Regel auf die konkrete Ebene des Lebensortes, d. h. die Kommune. Der Verbleib im angestammten Wohnsetting und dem bekannten Wohnumfeld, wohnortnahe Möglichkeiten, eigene Interessen selbständig verfolgen zu können, selber entscheiden zu können, ob und wann man lieber alleine oder in Gruppenkontexten aktiv sein möchte, aber auch der Wunsch nach Entschleunigung und Entspannung sind nur einige der Gemeinsamkeiten (Schu et al. 2014, 24 ff.). Während es jedoch in der kommunalen Sozialplanung für Menschen, die im Alter eine Behinderung erwerben, vorrangig um Exklusionsvermeidung geht, müssen die Belange von älter werdenden Menschen mit einer lebenslangen Behinderung auf der kommunalen Ebene überhaupt erst wieder in den Blick kommen, war die Behindertenhilfe in Deutschland historisch bedingt doch lange Zeit keine Domäne der Kommunen.

Es existieren allerdings auch Unterschiede zwischen älteren Menschen mit im Alter erworbener und lebenslanger Behinderung. Das Zusammenspiel von Beeinträchtigungen und Strukturen des (sozialen) Umfeldes in frühen Lebensphasen führt nicht selten dazu, dass anerkannte soziale Ziele, wie ein Schul- und Ausbildungsabschluss, eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit oder auch eine Partnerschaft und Familiengründung von Menschen mit einer lebenslangen Behinderung nicht oder nur teilweise erreicht werden konnten (Dieckmann et al. 2015, 22). Diese Teilhaberestriktionen in Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter können sich im höheren Erwachsenenalter u. a. in früher einsetzenden gesundheitlichen Einschränkungen, kleineren sozialen Netzwerken, fremdbestimmten Biographieverläufen sowie begrenzten materiellen Ressourcen niederschlagen (Dieckmann et al. 2016, 16). Diesen Voraussetzungen gilt es bei Sozialplanungsprozessen Rechnung zu tragen.

Eine inklusive, im Sinne einer gemeinsamen, hilfesystemübergreifenden sozialräumlich orientierten Planung für das Alter(n) auf kommunaler Ebene ist vor dem Hintergrund demografischer, sozialer und rechtlicher Entwicklungen sinnvoll und geboten. In den nachfolgenden Kapiteln werden diese Begründungszusammenhänge weiter ausgeführt. Kapitel 2.1 vertieft die Auseinandersetzung mit zentralen gesellschaftlichen Trends – den Strukturen des demografischen Wandels allgemein und insbesondere in der Behindertenhilfe, den Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den Wünschen und Bedarfen älter werdender Bürger/innen mit und ohne (lebenslange) Behinderung sowie den rechtlichen Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Im Anschluss thematisiert Kapitel 2.2 gesetzliche Ausgangslagen sowie Spielräume für eine inklusive Sozialplanung für das Alter(n) auf kommunaler Ebene. Kapitel 2.3 diskutiert vier zentrale Leitprinzipien einer inklusiven Sozialplanung: Inklusion, Quartiersentwicklung und Sozialraumorientierung, Partizipation und Adressatenorientierung. Mit welchen Themen sich inklusive Sozialplanungen hauptsächlich befassen, welche Planungsräume dabei betrachtet werden und in welchen Rollen Alten- und Teilhabeplaner/innen an Planungsprojekten beteiligt sind, wird im Kapitel 2.4 dargelegt. Kapitel 2.5 resümiert schließlich die zentralen Ausgangsüberlegungen für das nachfolgende Sozialplanungsmodell für das Alter(n).

2.1       Gesellschaftliche Ausgangslagen

Die folgenden Ausführungen können nur Schlaglichter auf ausgewählte gesellschaftliche Entwicklungen und Bereiche werfen. An erster Stelle steht hierbei der demografische Wandel, insbesondere auch in der Behindertenhilfe. Für Sozialplanungsprozesse relevant sind zudem veränderte Wünsche und Orientierungen älter werdender Menschen für ihre nachberufliche Lebensphase und die Versorgung bei Hilfe- und Pflegebedarf. Schließlich thematisiert dieses Kapitel die UN Konvention der Rechte behinderter Menschen, da sich in den dort formulierten Ansprüchen auf individuelle Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten sowie Teilhabe in gesellschaftlichen Regelsystemen ein grundlegender gesellschaftlicher Perspektivwechsel niederschlägt.

2.1.1     Demografischer Wandel

Allgemeine demografische Trends

Die ausgeprägte Zuwanderung von Flüchtenden in den Jahren 2014 und insbesondere im Jahr 2015 bestätigt einmal mehr, dass Kriege und soziale Krisen, Natur- und Umweltkatastrophen genauso wie medizinische Fortschritte kurz- und langfristig zu unvorhersagbaren Veränderungen von Bevölkerungsstrukturen beitragen können. Dementsprechend haben Langfristprognosen häufig eine geringe Treffgenauigkeit (Bosbach 2006). Derzeitige Strukturbrüche ändern allerdings nichts an der Tatsache, dass viele Kommunen in Deutschland bis in die 2050er Jahre hinein eine steigende Zahl älterer Mitbürger/innen verzeichnen werden, da die geburtenstarken Jahrgänge in das höhere Erwachsenenalter kommen. Dieser Trend wird in Öffentlichkeit und Politik häufig problematisiert. Er ist aber zuallererst Ausdruck von gesellschaftlichem Wohlstand sowie medizinischem Fortschritt und aktiv gestaltbar (van Dyk 2015, 89 ff.).

Ausgehend von Bevölkerungsdaten aus dem Jahr 2013 kommt die 2. Variante der 13. Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes3 zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2030 die Zahl der älteren Menschen zwischen 65 und unter 80 Jahren von 12,6 Millionen auf 15,6 Millionen und die der über 80-Jährigen von 4,7 Millionen auf 6,2 Millionen steigen wird. Bis zum Jahr 2060 wird eine Abnahme der 65- bis unter 80-Jährigen auf 14,6 Millionen, aber eine Zunahme der 80-Jährigen und Älteren auf ca. 9,0 Millionen prognostiziert (Statistisches Bundesamt 2015a, 20).4

Insbesondere die Zunahme der Hochaltrigkeit5 ist für Fragen der zukünftigen Entwicklung von Hilfe- und Unterstützungsbedarfen im Alter(n) von besonderer Relevanz, steigen mit dem höheren Lebensalter doch die Risiken von Multimorbidität, Behinderung und Pflegebedürftigkeit. Von den zum 31.12.2015 insgesamt knapp 7,6 Millionen amtlich erfassten Personen mit einer Schwerbehinderung war ein knappes Drittel älter als 75 Jahre (Statistisches Bundesamt 2017c, 5). Auch die Pflegequote nimmt in den höheren Altersgruppen stark zu. Insgesamt bezogen 2015 2,9 Millionen Menschen Leistungen der Pflegeversicherung. Während von den 70–75-Jährigen nur 5,4% eine Pflegestufe hatten, waren es bei den 80–85-Jährigen bereits 21%, bei den über 90-Jährigen über 66% (Statistisches Bundesamt 2017b, 9). Der Themenreport »Pflege 2030« der Bertelsmann-Stiftung prognostiziert bis zum Jahr 2030 einen weiteren Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen auf bundesweit 3,425 Millionen (Rothgang et al. 2012, 35). Angesichts der Zunahme Pflegebedürftiger im Zeitraum von 2013 bis 2015 um 8,9% oder 234.000 Personen (Statistisches Bundesamt 2017b, 7) scheint diese Langfristprognose deutlich zu niedrig angesetzt.

Mit steigendem Lebensalter ist auch ein höheres Risiko dementieller Erkrankungen verbunden. Die mittlere Prävalenz von Demenzerkrankungen liegt bei den 70- bis unter 75-Jährigen bei 3,5%, bei den über 90-Jährigen bei knapp 41% (Bickel 2014, 2). Für die Planung von Versorgungsstrukturen ist dies insofern von besonderer Relevanz, als Institutionalisierungsrisiken im höheren Alter vor allem mit Demenzerkrankungen verknüpft sind (Kuhlmey, Blüher 2015, 9 f.). Eine repräsentative Studie in deutschen Pflegeheimen kommt zu dem Ergebnis, dass im Mittel etwas über 68% aller Bewohner/innen eine Demenzerkrankung hatten. Von diesen Erkrankten hatte mehr als die Hälfte (56,6%) eine schwere Demenz (Schäufele et al. 2013, 202).

Hinter den bundesweiten demografischen Trends stehen regional sehr unterschiedliche Entwicklungen. So finden sich z. B. Regionen, in denen die Zunahme der älteren Bevölkerung durch den Wegzug von Personen im erwerbsfähigen Alter flankiert wird und mit Bevölkerungseinbußen einhergeht; Regionen, die als beliebte Erholungsziele durch eine Zuwanderung im Rentenalter gekennzeichnet sind oder auch Regionen, in denen Geburten- und Zuwanderungsüberschüsse bestehen, während parallel die Zahl älterer Bürger/innen zunimmt (Amrhein, Backes 2012, 318; Deutscher Bundestag 2016, 106 ff.6). Diese unterschiedlichen Bevölkerungsdynamiken stellen jeweils andere Herausforderungen an die kommunale Entwicklungs- und Sozialplanung und unterstreichen die Notwendigkeit eines regelmäßigen, regionalen Monitorings demografierelevanter Daten (Rehling et al. 2011, 268).

Demografische Trends in der Behindertenhilfe

Bislang erfolgt die Aufbereitung demografischer Daten selten unter ausdrücklicher Berücksichtigung von Menschen mit einer früh im Lebenslauf erworbenen Beeinträchtigung. Dabei zeigt sich ein ausgeprägter demografischer Wandel auch für Menschen mit lebenslanger Behinderung. Angesichts der ersten Generationen, die den Nationalsozialismus überlebt haben, und der sukzessiven Annäherung ihrer Lebenserwartung an die durchschnittliche Lebensdauer der Gesamtbevölkerung (Dieckmann, Metzler 2013, 156), erreichen zunehmend mehr Menschen mit lebenslanger Behinderung die gesetzliche Ruhestandsgrenze.

Bundesweit finden sich noch keine Primärdaten, anhand derer die Größe dieser Gruppe exakt bestimmt werden könnte.7 Für NRW legten Dieckmann et al. (2015, 33) erste Schätzungen der Zahl über 60-8 bzw. 65-Jähriger mit einer früh erworbenen körperlichen, psychischen oder geistigen Behinderung vor (image Tab. 1). Für das Ausgangsjahr 2011 wird angenommen, dass in NRW ca. 53.000 und damit knapp 20% aller über 65-jährigen Menschen mit einer Schwerbehinderung diese früh erworben haben.

Die Berechnungen kommen zudem zu dem Ergebnis, dass körperliche Behinderungen (34,9%) sowie nicht eindeutig einer einzigen Hauptkategorie zuordenbare Formen der Beeinträchtigung (41,7%) im Jahr 2011 mehr als drei Viertel aller lebenslangen Behinderungsformen bei schwerbehinderten über 65-jährigen Menschen in NRW ausmachen. Für ältere Personen mit einer psychischen Behinderung wird von 7.800 Personen, für Senior/innen mit einer geistigen Behinderung von knapp 4.700 Personen ausgegangen.

Tab. 1: Schätzungen zur Anzahl Schwerbehinderter mit lebenslanger Behinderung für verschiedene Altersgruppen in NRW/Ausgangsdaten 20119/*tatsächliche Werte (eig. Zusammenfassung nach Dieckmann et al. 2015, 33)

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Art der BehinderungAltersgruppeüber 35 Jahreüber 60 Jahreüber 65 Jahre

Für Sozialplanungsprozesse ist relevant, wie sich in verschiedenen Versorgungsbereichen jeweils Anzahl und Anteil älterer Menschen mit einer lebenslangen Behinderung darstellen. Hier sei exemplarisch ein Blick auf die ambulanten und stationären Wohnhilfen der Eingliederungshilfe geworfen. In NRW hat im Stichjahr 2011 nur eine geringe Zahl (ca. 300) der über 60-jährigen Menschen mit einer lebenslangen körperlichen Behinderung Wohnhilfen in Anspruch genommen. Höher lag die Zahl bei älteren Menschen mit einer geistigen Behinderung. 2011 lebten ca. 5.300 über 60-Jährige mit einer geistigen Behinderung in Wohnsettings der Eingliederungshilfe, darunter drei Viertel in stationären Einrichtungen. Bei den über 60-Jährigen mit einer psychischen Behinderung erhielten knapp 5.800 Wohnhilfen (Dieckmann et al. 2015, 90). Da Menschen mit einer psychischen Behinderung früher und stärker von der Ambulantisierung der Wohnhilfen profitiert haben, lebten 2011 nur knapp 40% der Senior/innen in stationären Wohnformen, 60% eigenständig oder ambulant betreut (ebd.).10

Das Beispiel NRW zeigt, dass sich bereits jetzt eine relevante Zahl älterer Menschen mit lebenslanger Behinderung im Ruhestandsalter befindet. Die Notwendigkeit inklusiver Sozialplanungsprozesse begründet sich aber vor allem aus zukünftigen Trends. Für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung finden sich für das Versorgungsgebiet Westfalen-Lippe erste Vorausschätzungen der Altersstruktur bis zum Jahre 2030 (Dieckmann et al. 2010, 41 ff.). Basierend auf Daten der Eingliederungshilfe für das Ausgangsjahr 2010 wird angenommen, dass die Zahl der über 60-jährigen Menschen mit einer geistigen Behinderung bis zum Jahr 2020 von 2.652 auf ca. 6.800 und bis 2030 auf ca. 11.800 Personen ansteigen wird (ebd.). Der Anteil der über 60-Jährigen an allen Menschen mit einer geistigen Behinderung in Westfalen-Lippe soll innerhalb dieses Betrachtungszeitraums von 10% auf ca. 31% zunehmen.

Tabelle 2 dokumentiert getrennt nach Leistungsbereichen Schätzungen, wie sich bis 2030 Anzahl und Anteil älter werdender Menschen mit einer geistigen Behinderung verändern werden. So wird für die Werkstätten für Menschen mit einer Behinderung im Betrachtungszeitraum eine Verdreifachung der Zahl der Beschäftigten, die es auf den Ruhestand vorzubereiten gilt, vorausberechnet. Die stärkste Zunahme älterer Nutzer/innen wird allerdings für stationäre Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe erwartet. Dieckmann et al. (2010) prognostizieren für Westfalen-Lippe, dass im Jahr 2030 fast 50% aller Bewohner/innen älter als 60 Jahre sein werden. Für ambulant betreute Wohnsettings wird davon ausgegangen, dass 2030 über ein Drittel der Bewohner/innen das 60. Lebensjahr überschritten haben. Gerade Wohnhilfen stehen dementsprechend vor der Aufgabe, ihre Konzepte alter(n)sgerecht weiterzuentwickeln. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass altersbedingte Erkrankungen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung z. T. früher einsetzen. Bei Menschen mit einer Trisomie 21 ist z. B. nicht nur das Risiko einer Demenzerkrankung erhöht, dementielle Erkrankungen treten auch deutlich früher im Lebenslauf auf (Schäper 2015, 191 f.).

Mit Blick auf kommunale Sozialplanungserfordernisse ist festzuhalten, dass in Deutschland, wenn auch aufgrund der Tötung von Menschen mit einer lebenslangen Behinderung unter dem Nationalsozialismus zeitverzögert, Menschen mit

Tab. 2: Bezieher/innen von Leistungen der Eingliederungshilfe mit einer geistigen Behinderung in Westfalen-Lippe, Stand 2010 und Vorausschätzung für 2030 (eigene Darstellung in Anlehnung an Dieckmann et al. 2010, S. 31 ff.)

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einer lebenslangen Behinderung zunehmend ein höheres Lebensalter erreichen.12 Damit gewinnen allgemeine Fragen des Alter(n)s für die kommunale Planung von Hilfs- und Unterstützungsarrangements für Menschen mit lebenslanger Behinderung an Gewicht. Themen wie z. B. aktives und gesundes Alter(n), die subjektiv sinnvolle Gestaltung freier Zeit, Teilhabe am Leben in sozialen Regelbezügen, soziale und politische Einflussnahme, aber auch der Umgang mit altersbedingt veränderten Hilfe- und Pflegebedarfen sowie die Frage der Gestaltung der letzten Lebensphase und des Sterbens gilt es bei Planungen zu berücksichtigen.

2.1.2     Sozialer Wandel der Versorgungswünsche und -settings älter werdender Menschen mit und ohne (lebenslange) Behinderung

Von zentraler Bedeutung für die kommunale Versorgungsplanung ist die Frage, wie Menschen im Alter(n) wohnen wollen. Diese Frage erhält für die meisten Menschen bei ersten Mobilitätseinschränkungen und aufkommenden hauswirtschaftlichen Hilfe- und/oder Pflegebedarfen Relevanz. Die Mehrheit der erwachsenen deutschen Bevölkerung ab 18 Jahren, die in privaten Haushalten lebt, möchte im Alter so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit versorgt werden (Kuhlmey et al. 2013). Konkrete Umzugsabsichten finden sich in vorliegenden Befragungen älterer Menschen (60+) eher selten. Bevorzugte Wohnformen nach einem Umzug bleiben »normale« oder altengerechte Wohnungen ohne Service und Betreuung (Banse et al. 2014, 116 ff.).

Erst im höheren Lebensalter (80+) steigt die Wichtigkeit von Service- und Betreuungsleistungen für die Beurteilung der Wohnsituation (a.a.O., 114 f.). Eine Repräsentativbefragung des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) (2013, 309) aus dem Jahr 2012 kommt für die Altersgruppe der 65–85-Jährigen zu dem Ergebnis, dass im Falle des Verlustes der Fähigkeit zum häuslichen Alleinleben, 59% der Befragten am liebsten mit Hilfe eines Pflegedienstes in der eigenen Wohnung verbleiben würden13. An zweiter Stelle folgt mit 32% die Option, in einer eigenen Wohnung in einem Seniorenwohnheim zu leben, 21% der Befragten können sich ein eigenes Zimmer in einem Seniorenwohnheim vorstellen, 20% bei den Kindern oder Enkeln zu wohnen. 12% der Befragten sind offen für Wohngemeinschaften mit anderen Senior/innen. Die Zustimmung zu dieser alternativen Wohnform steigt unter jüngeren Befragten leicht an (a.a.O., 310).

Der Pflegereport 2015 unterstreicht den Wunsch nach Versorgung in der eigenen Häuslichkeit. Der Report betont zudem die weiterhin bei vielen Menschen bestehenden hohen Erwartungen an die Unterstützung14 durch Familienangehörige in Kombination mit der Inanspruchnahme ambulanter Pflegedienste. Wohn- und Versorgungsformen außerhalb der eigenen Häuslichkeit stoßen, mit Ausnahme des Servicewohnens, derzeit noch auf wenig Akzeptanz. Dies betreffe dem Pflegereport folgend nicht nur stationäre Pflegeheime, sondern auch alternative Wohnformen wie z. B. Mehrgenerationenhäuser oder Wohngemeinschaften (Kuhlmey, Blüher 2015, 6 f.).

In nachrückenden Kohorten scheint sich allerdings ein gestiegenes Bewusstsein bzgl. der Grenzen der Angehörigenpflege abzuzeichnen, u. a. auch deswegen, weil zunehmend mehr Menschen im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter mit Pflegetätigkeiten in Berührung kommen. Unter den 18–79-Jährigen hatte bereits jede/r Fünfte einen Angehörigen oder eine nahestehende Person gepflegt (Kuhlmey et al. 2013, 16). Dementsprechend geben in einer Befragung von Versicherten privater Krankenkassen 67% der über 40-Jährigen als häufigsten Grund für einen möglichen zukünftigen Umzug in ein Pflegeheim die zu große Belastung von Angehörigen an, gefolgt von der Umzugsnotwendigkeit aufgrund kognitiver Einschränkungen (Kuhlmey, Blüher 2015, 8 f.).

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich familiäre Unterstützung und insbesondere Familienpflege zukünftig mangels Pflegepotential deutlich seltener realisieren werden. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe nimmt an, dass ab 2025 das informelle Pflegepotential absolut sinkt (Michell-Auli 2013, 11). Ursächlich hierfür sind u. a. der steigende Anteil kinderloser Frauen (Statistisches Bundesamt 2013, 32), die sinkende Kinderzahl pro Familie (a.a.O., 18) sowie die Zunahme älterer Singles (Baas et al. 2008). Hinzu kommen Veränderungen der sozialstrukturellen Rahmenbedingungen von Pflege, wie z. B. der gestiegene Anteil erwerbstätiger und/oder alleinerziehender Frauen, die erhöhte Ausbildungs- und Berufsmobilität sowie die abnehmende Neigung in bildungsnahen Milieus, Angehörige selbst zu pflegen.

Wie wichtig das informelle Pflegepotential für eine bedarfsgerechte Versorgung ist, zeigt eine Studie von Blinkert und Klie (2006). In dieser variierte die für Pflege und Unterstützung aufgewendete Zeit, unabhängig vom Bedarf der Betroffenen, stark nach der sozialen Situation der Pflegebedürftigen. Während Personen mit Pflegestufe I, die im ländlichen Raum bei Angehörigen lebten, im Durchschnitt eine wöchentliche Bruttobetreuungszeit von ca. 80 Stunden hatten, lag dieser Wert für Pflegebedürftige mit einem prekären sozialen Netz bei durchschnittlich 12 Stunden die Woche. Professionelle Dienste können ein schwaches informelles soziales Netz nicht annähernd kompensieren.

Dementsprechend wird für einen Teil der Heimbewohner/innen konstatiert, dass die Inanspruchnahme stationärer Pflege weniger Ergebnis des individuellen Pflegebedarfs, als vielmehr Folge des Fehlens ambulanter Unterstützungsangebote ist. Dem Kuratorium Deutsche Altershilfe folgend sind 30–40% der Bewohner/innen in Altenpflegeheimen überversorgt (Michell-Auli 2013, 8) und könnten bei entsprechender ambulanter Infrastruktur in der eigenen Häuslichkeit verbleiben. Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz, insbesondere der relativen Angleichung der Pflegesachleistungen bei ambulanter und vollstationärer Pflege ab dem 1.1.2017, wird gesetzgeberisch die ambulante Versorgung aufgewertet, während die finanziellen Leistungen für stationäre Pflege zurückgefahren werden. Diese politische Entscheidung erfordert die Weiterentwicklung eines entsprechenden Angebots an passgenauen ambulanten Dienstleistungen.

Wie sehen die Wünsche von Menschen mit lebenslanger Behinderung für das Alter(n) aus?

Während in der allgemeinen Gerontologie wie in der erwachsenen Bevölkerung der Eintritt in den Ruhestand zunehmend weniger unter der Perspektive eines kritischen Lebensereignisses, sondern vielmehr unter dem Label »Alter(n) als Chance« diskutiert wird (Backes, Clemens 2013, 63 ff.), gilt dies für Menschen mit einer lebenslangen Behinderung noch nicht entsprechend. Das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, häufig in Form des Ausscheidens aus einer Werkstatt für Menschen mit einer Behinderung, gilt als eine zentrale, nicht unproblematische Alterszäsur (Gusset-Bährer 2011, 20; Havemann, Stöppler 2010, 131). Aufgrund der kleineren sozialen Netzwerke (Driller et al. 2008) und der eingeschränkten Rollenvielfalt – ältere Menschen mit einer lebenslangen Behinderung sind seltener Partner/in, Eltern und/oder Großeltern, Vereinsmitglieder oder freiwillig Engagierte – entfällt mit der Erwerbsarbeit häufig ein zentraler Lebensbereich. Dieser ist für Menschen mit einer lebenslangen Behinderung zudem stärker als für die Durchschnittsbevölkerung mit Erfahrungen einer anerkannten Erwachsenenrolle verbunden. Gemeint sind damit persönliche Wertschätzung, Anerkennung und Verantwortung, eine geregelte Tagesstruktur, betriebliche Freizeitangebote (z. B. Sport) sowie selbst erarbeitetes Arbeitsentgelt. Angesichts dieser Bedeutung von Erwerbsarbeit werden Angebote zur Vorbereitung auf den Ruhestand für Menschen mit einer lebenslangen Behinderung als sinnvoll und notwendig erachtet (Landesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte 2004; Haveman, Stöppler 2010; Lindmeier 2010; Gusset-Bährer 2011). Herausforderungen der Gestaltung des Ruhestands bestehen dabei nicht nur aufgrund der kleineren sozialen Netzwerke, sondern auch wegen erlernter Schwierigkeiten, eigene Interessen und Bedürfnisse zu benennen, eingeschränkter finanzieller Ressourcen sowie fehlender personeller Unterstützung (Schu et al. 2014, 22 f.).

Eine erste Bestandsaufnahme der derzeitigen Praxis der Tagesgestaltung und Tagesstruktur kommt zu dem Ergebnis, dass viele Werkstätten für Menschen mit einer Behinderung Maßnahmen zur altersgemäßen Anpassung der Arbeitsbedingungen und Ruhestandsvorbereitung ergreifen (a.a.O., 28 f.). Nach Verlassen einer Werkstatt ist der Ruhestand jedoch häufig durch mehr oder weniger verpflichtende Angebote der Tagesstrukturierung bzw. Tagesgestaltung und damit erneut durch Sonderwelten bestimmt (a.a.O., 42 f.). Bislang findet sich nur in wenigen Bundesländern, wie z. B. in Bremen (a.a.O., 52 f.), der Versuch, über die Kooperation und Vernetzung verschiedener Träger der Behinderten- und Altenhilfe individuelle Freiräume und Wahlmöglichkeiten für die Gestaltung der freien Zeit im Ruhestand zu schaffen.

Hinsichtlich der Wohnwünsche wird auch für älter werdende Menschen mit einer lebenslangen Behinderung »Ageing in place« bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit als ein zentraler Wunsch identifiziert. Dies stellt die Behindertenhilfe nicht nur bei denjenigen Erwachsenen mit einer Behinderung vor Herausforderungen, die noch bei ihren älter werdenden Eltern leben (Burtscher et al., 2015). Auch eine bereits bestehende Institutionalisierung ist kein Garant dafür, dass der Verbleib im vertrauten Wohnsetting derzeit immer erfüllt werden kann. Erste Daten zu der Frage, wo ältere Menschen mit lebenslanger Behinderung bei altersbedingtem zusätzlichem Pflegebedarf tatsächlich wohnen, liegen aktuell vor (Thimm et al. 2018). Die Praxis von Trägern der Behindertenhilfe, eigene SGB XI-Einrichtungen zu schaffen, verweist auf derzeitige personelle, organisationale, finanzielle und konzeptionelle Grenzen des ambulant betreuten oder stationären Wohnens bei steigendem Pflegebedarf im Alter sowie das Risiko für Menschen mit lebenslanger Behinderung, den Anspruch auf Eingliederungshilfe am Ende des Lebens zu verlieren. Eine inklusive kommunale Sozialplanung für das Alter(n) bietet die Chance, durch eine engere Zusammenarbeit von Diensten der Alten- und Behindertenhilfe ein längeres Verweilen im angestammten Wohnumfeld zu ermöglichen.

2.1.3     Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung

Auch rechtliche Rahmenbedingungen begründen Überlegungen für eine inklusive Sozialplanung für das Alter(n). Die im Jahr 2006 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist in Deutschland seit 2009 in Kraft. Sie konkretisiert die allgemeinen Menschenrechte für Menschen mit einer Behinderung und bildet damit einen Meilenstein für die konsequente politische Umsetzung von Teilhaberechten.

Die UN-BRK

»stärkt den Anspruch, dass alle Menschen unabhängig von einer langfristigen Beeinträchtigung in Würde und Rechten gleich sind und Menschen mit Behinderung voll und wirksam an der Gesellschaft partizipieren sollen« (Aichele 2015, 85).

Zudem ist mit der UN-BRK eine veränderte Sicht auf Behinderung verbunden: Sie steht für einen grundlegenden Paradigmenwechsel vom medizinischen über das soziale zum menschenrechtlichen Modell von Behinderung (vgl. dazu ausführlicher Degener 2015, 63 ff.). Zu der Erkenntnis, dass

»Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigung und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren [entsteht (d. V.)], die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern« (BMAS 2011, 6),

Behinderung also sozial konstruiert ist, treten, Degener (2015, 64 f.) folgend, im menschenrechtlichen Modell noch weitere Aspekte. Das menschenrechtliche Modell der UN-BRK gehe z. B. über Antidiskriminierungsforderungen hinaus, indem es auch Rechte auf Gewährleistung sozialer Sicherheit und einen angemessenen Lebensstandard einfordere. Zudem werde Behinderung im menschenrechtlichen Modell der UN-BRK als Aspekt grundsätzlicher menschlicher Vielfalt und Teil persönlicher und kollektiver Identität geschätzt und berücksichtigt.

Artikel 3 der UN-BRK enthält neben dem Prinzip der Akzeptanz der Diversität behinderter Menschen noch weitere zentrale Grundsätze (a.a.O., 58):

•  Achtung der Menschenwürde und damit verbundene Anerkennung individueller Autonomie,

•  Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit und Barrierefreiheit,

•  Partizipation,

•  Gleichberechtigung von Mann und Frau,

•  Achtung der sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern.

In den nachfolgenden Artikeln der UN-BRK werden diese allgemeinen Prinzipien ausführlich ausbuchstabiert.

Mit der Ratifizierung der UN-BRK verpflichten sich die Vertragsstaaten, »alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen« (UN-BRK 2009, Artikel 4, Abs. 1a). Dies bedeutet, in allen politischen Konzepten und Programmen die Förderung der Menschenrechte von Menschen mit einer Behinderung anzustreben sowie dafür zu sorgen, dass »die staatlichen Behörden und öffentlichen Einrichtungen im Einklang mit diesem Übereinkommen handeln« (UN-BRK 2009, Artikel 4, Abs. 1d).

Die rechtlichen Vorgaben der UN-BRK gelten für alle Bereiche staatlicher Zuständigkeit. Insbesondere auf der kommunalen Ebene resultieren aus ihrer Ratifizierung Rechtsansprüche älter werdender Menschen mit (lebenslanger) Behinderung auf soziale Teilhabe und Inklusion. Die Mehrheit der Forderungen der UN-BRK bezieht sich altersunabhängig auf alle Personen mit einer Behinderung. Es finden sich jedoch auch Artikel, die ausdrücklich die besondere Schutzbedürftigkeit älterer Menschen mit Behinderung hervorheben:

•  In der Präambel wird die Sozialstrukturkategorie Alter neben anderen ungleichheitsgenerierenden Aspekten, wie z. B. Rasse, Geschlecht, ethnische oder Religionszugehörigkeit, in Zusammenhang mit der Gefahr von Mehrfachdiskriminierungen von Menschen mit einer Behinderung genannt.

•  In Artikel 8 wird im Hinblick auf notwendige bewusstseinsbildende Maßnahmen auf Vorurteilsstrukturen hingewiesen, die sich in Kombination mit geschlechts- bzw. altersbedingten Abwertungen an Beeinträchtigungen knüpfen können.

•  In Artikel 16 zum Schutz vor Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch wird betont, dass geeignete Schutzmaßnahmen Geschlecht und Alter der Personen berücksichtigen müssen.

•  In Artikel 25, Absatz b wird auf den erhöhten Bedarf bei Kindern und älteren Menschen hingewiesen, durch geeignete gesundheitliche Maßnahmen weiteren Behinderungen vorzubeugen.15

Für die kommunale Ebene und Träger von Einrichtungen der Alten- wie der Behindertenhilfe sind darüber hinaus die Artikel 19, 20 und 30 von besonderer Relevanz (BMAS 2016, 108 f.). Artikel 19 betrifft das Thema Wohnen. Hier sollen die Vertragsstaaten gewährleisten, dass

»a)  Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben;

  b)  Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist.«

Für älter werdende Menschen mit einer Behinderung gilt dementsprechend, dezentral verschiedene Wohnsettings anbieten zu können und den Verbleib in der angestammten Häuslichkeit durch behindertengerechten Wohnraum sowie gemeindenahe Unterstützungsdienste zu ermöglichen.

Des Weiteren sind für älter werdende Menschen Mobilitätsaspekte von besonderer Bedeutung. Hier greift auf kommunaler Ebene der Artikel 20, Absatz a der UN-BRK, in dem die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen aufgefordert werden, die »die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen in der Art und Weise und zum Zeitpunkt ihrer Wahl und zu erschwinglichen Kosten erleichtern«.

Schließlich ist für die Zielgruppe Artikel 30 der UN-BRK »Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport« relevant, verbindet sich mit dem Alter doch in der Regel ein Mehr an freier Zeit und damit die Frage subjektiv sinnvoller Aktivitäten. Der Artikel fordert u. a. von den Vertragsstaaten einen gleichberechtigten Zugang von Menschen mit einer Behinderung zu kulturellen Angeboten unterschiedlichster Art, die Eröffnung von Möglichkeiten, ihr kreatives Potential, auch für Dritte, zu entfalten sowie einen besseren Zugang zu Erholungs-, Freizeit- und breitensportlichen Aktivitäten.

Aus den Vorgaben der UN-BRK ergeben sich für eine inklusive kommunale Sozialplanung für das Alter(n) mit Behinderung somit Handlungsbedarfe in folgenden Teilhabebereichen:

•  Gestaltung der freien Zeit,

•  »Ageing in place« bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit,

•  Gesundheitsförderung,

•  Mobilität,

•  Partizipation.

2.2       Gesetzliche Aufträge und Gestaltungsräume der Kommune

Auch wenn leistungsrechtlich die Bundes- und die Länderebene häufig verantwortlich für Rahmensetzungen im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich sind, erfahren älter werdende Menschen mit einer (lebenslangen) Behinderung die Ausgestaltung von Lebensverhältnissen und Unterstützungsleistungen in der Regel lokal. Wollen verschiedene Sozialplanungen die kommunalen Lebensverhältnisse gemeinsam gestalten, ist es deswegen notwendig, sich die unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen für kommunale Planungen in den verschiedenen Leistungsbereichen vor Augen zu führen. Nachfolgend werden gesetzliche Rahmenbedingungen der Sozialplanung sowie aktuelle Planungsdiskurse für die Felder der Altenhilfe, der Pflege, der Eingliederungshilfe und der Gemeindepsychiatrie betrachtet.

2.2.1     Kommunale Daseinsvorsorge