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Alexandre Dumas

Der Graf von Monte Christo

Vollständige und illustrierte Ausgabe in sechs Bänden

Alexandre Dumas

Der Graf von Monte Christo

Vollständige und illustrierte Ausgabe in sechs Bänden

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
Übersetzung: Max Pannwitz
EV: Franckh’sche Verlagshandlung
1. Auflage, ISBN 978-3-962816-28-5

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Inhaltsverzeichnis

Band 1

Mar­seil­le. – Die An­kunft.

Va­ter und Sohn.

Die Ka­ta­lo­ni­er.

Das Kom­plott.

Das Ver­lo­bungs­mahl.

Der Staats­an­walt.

Das Ver­hör.

Das Kas­tell If.

Der Ver­lo­bungs­abend.

Der kor­si­sche Wer­wolf.

Va­ter und Sohn.

Die hun­dert Tage.

Der wü­ten­de Ge­fan­ge­ne und der ver­rück­te Ge­fan­ge­ne.

Num­mer 34 und Num­mer 27.

Ein ge­lehr­ter Ita­lie­ner.

Das Zim­mer des Ab­bés.

Das Bre­vier.

Der drit­te An­fall.

Der Fried­hof des Kas­tells If.

Die In­sel Ti­bou­len.

Die Schmugg­ler.

Die In­sel Mon­te Chri­sto.

Band 2

Der Schatz.

Der Un­be­kann­te.

Das Wirts­haus zum Pont du Gard.

Die Er­zäh­lung.

Die Ge­fäng­nis­re­gis­ter.

Das Haus Mo­rel.

Der fünf­te Sep­tem­ber.

Sim­bad der See­fah­rer

Er­wa­chen.

Rö­mi­sche Ban­di­ten.

Er­schei­nun­gen.

Maz­zo­la­to

Der Kar­ne­val in Rom.

Die Ka­ta­kom­ben von San Se­bas­tia­no.

Das Wie­der­se­hen.

Das Früh­stück.

Band 3

Die Vor­stel­lung.

Ber­tuc­cio.

Das Haus in Au­teuil.

Die Ven­det­ta.

Der Blut­re­gen.

Der un­be­grenz­te Kre­dit.

Die Ap­fel­schim­mel.

Staats­an­walt und Kos­mo­po­lit.

Hay­dee.

Die Fa­mi­lie Mo­rel.

Py­ra­mos und This­be.

Gift­kun­de.

Ro­bert der Teu­fel.

Stei­gen und Fal­len.

Der Ma­jor Ca­val­can­ti

An­drea Ca­val­can­ti.

Das Lu­zer­nen­ge­he­ge.

Noir­tier von Vil­le­fort.

Das Te­sta­ment.

Der Te­le­graf.

Band 4

Wie man einen Gärt­ner von den Mur­mel­tie­ren be­freit, die sei­ne Pfir­si­che fres­sen.

Ge­s­pens­ter.

Das Mit­tags­mahl.

Der Bett­ler.

Ehe­li­che Sze­ne.

Hei­ratsplä­ne.

Das Ka­bi­nett des Staats­an­walts.

Ein Som­mer­ball.

Nach­for­schun­gen.

Der Ball.

Brot und Salz.

Frau von Saint-Meran.

Das Ver­spre­chen.

Die Gruft der Fa­mi­lie Vil­le­fort.

Das Pro­to­koll.

Die Fort­schrit­te des Herrn Ca­val­can­ti Sohn.

Hay­dee.

Band 5

Man schreibt uns aus Ja­ni­na.

Die Li­mo­na­de.

Die An­kla­ge.

Das Zim­mer des ehe­ma­li­gen Bäckers.

Der Ein­bruch

Die Hand Got­tes

Beauch­amp.

Die Rei­se

Das Ur­teil.

Die For­de­rung

Die Be­lei­di­gung

Die Nacht

Das Duell

Mut­ter und Sohn.

Der Selbst­mord.

Va­len­ti­ne

Das Ge­ständ­nis.

Band 6

Der Ver­trag.

Die Stra­ße nach Bel­gi­en.

Das Wirts­haus zur Glo­cke.

Das Ge­setz.

Die Er­schei­nung.

Lo­cus­ta.

Va­len­ti­ne.

Ma­xi­mi­li­an.

Danglar­s’ Un­ter­schrift.

Der Kirch­hof Père la Chai­se.

Die Tei­lung.

Der Lö­wen­gra­ben.

Der Rich­ter.

Das Schwur­ge­richt.

Die An­kla­ge­schrift.

Die Süh­ne.

Die Abrei­se.

Das Haus in den Allées de Meil­lan.

Die Ver­gan­gen­heit.

Pep­pi­no.

Lu­i­gi Vam­pas Spei­se­kar­te.

Die Ver­ge­bung.

Der fünf­te Ok­to­ber.

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

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Band 1

Marseille. – Die Ankunft.

Am 25. Fe­bru­ar 1815 fuhr der Drei­mas­ter Pha­rao lang­sam und wie zö­gernd in den Ha­fen von Mar­seil­le. Eine Trau­er­wol­ke schi­en das Schiff zu um­schwe­ben. Ge­spannt folg­te eine schau­lus­ti­ge Men­ge al­len Be­we­gun­gen des Fahr­zeugs und be­merk­te bei des­sen Nä­her­kom­men, dass es von ei­nem auf­fal­lend jun­gen und wohl­ge­stal­ten, da­bei aber an­schei­nend eben­so tat­kräf­ti­gen wie ge­schick­ten Man­ne ge­lenkt wur­de.

Das Volk von Mar­seil­le, dem schon seit Grün­dung der Stadt ei­ni­ges Grie­chen­blut durch die Adern rollt, ist von Na­tur leb­haft und neu­gie­rig. In je­nen Ta­gen kam dazu eine be­son­de­re Un­ru­he, die vor al­lem die Her­zen der heiß­blü­ti­gen Pro­vença­len er­füll­te. Seit neun Mo­na­ten weil­te Na­po­le­on nach jä­hem Sturz von halb­gott­ähn­li­cher Macht­hö­he als Ver­bann­ter auf dem un­fer­nen Ei­se­nei­land Elba. Die Roya­lis­ten tri­um­phier­ten in Frank­reich, und nichts war ge­fähr­li­cher, als bo­na­par­tis­ti­scher Um­trie­be oder auch nur bo­na­par­tis­ti­scher Ge­sin­nung ver­däch­tig zu sein. Nichts­de­sto­we­ni­ger raun­te sich die im­mer wach­sen­de Zahl der Wohl­un­ter­rich­te­ten zu, der klei­ne Kor­se mit dem großen Zäsa­ren­kopf be­rei­te sich vor, die ihm auf­ge­dräng­te Mas­ke des ge­bän­dig­ten Lö­wen ab­zu­wer­fen. Die Be­schränkt­heit der An­hän­ger des neu­en Kö­nigs, Lud­wigs XVIII., die alle Er­run­gen­schaf­ten der Re­vo­lu­ti­on zu­rück­zu­schrau­ben wünsch­ten, die Un­ei­nig­keit der in Wien um das Erbe des Ver­bann­ten sich strei­ten­den Mäch­te, der noch fri­sche Ruh­mes­glanz des blen­den­den na­po­leo­ni­schen Na­mens lie­ßen die Au­gen vie­ler Fran­zo­sen sich im­mer auf­ge­reg­ter und er­war­tungs­vol­ler nach dem Sü­den rich­ten.

Un­ter der be­weg­ten des Pha­rao har­ren­den Men­ge fiel ein Mann auf, der, wie es schi­en, vor Un­ru­he die Ein­fahrt des Schif­fes gar nicht er­war­ten konn­te. Er sprang in eine klei­ne Bar­ke und be­fahl, dem Pha­rao ent­ge­gen­zu­ru­dern, den er auch bald er­reich­te. Als der jun­ge Lei­ter des Fahr­zeugs die Bar­ke sich nä­hern sah, ver­ließ er sei­nen Pos­ten ne­ben dem Lot­sen, des­sen Be­feh­le er mit ra­scher Ge­bär­de und leb­haf­tem Blick für die Mann­schaft wie­der­holt hat­te, nahm den Hut in die Hand und lehn­te sich über die Brüs­tung des Schif­fes.

Es war ein Jüng­ling von acht­zehn bis zwan­zig Jah­ren mit schwar­zen Au­gen und schwar­zen Haa­ren. In sei­ner gan­zen Per­son drück­te sich Ruhe und Ent­schlos­sen­heit aus, wie sie den Men­schen ei­gen­tüm­lich sind, die von Kind­heit an mit der Ge­fahr zu kämp­fen ha­ben.

Ah, Sie sind es, Dan­tes, rief der Mann in der Bar­ke; was ist ge­sche­hen, und was be­deu­tet das trau­ri­ge Aus­se­hen des Schif­fes?

Ein großes Un­glück, Herr Mo­rel, ant­wor­te­te der jun­ge Mann. Auf der Höhe von Ci­vi­ta Vec­chia ha­ben wir den bra­ven Ka­pi­tän Le­clè­re ver­lo­ren.

Und die La­dung? frag­te leb­haft der Ree­der.1

Ist glück­lich ge­bor­gen, Herr Mo­rel, und ich glau­be, Sie wer­den in die­ser Hin­sicht zu­frie­den sein; aber der arme Ka­pi­tän …

Was ist ihm denn ge­sche­hen? frag­te der Ree­der, sicht­bar er­leich­tert, was ist ihm denn ge­sche­hen, dem bra­ven Ka­pi­tän?

Er ist tot. – In das Meer ge­fal­len?

Nein, er starb an ei­ner Hir­n­ent­zün­dung. Dann wand­te sich der jun­ge See­mann sei­nen Leu­ten zu, rief: Hol­la, he! Je­der an sei­nen Pos­ten zum An­kern! und erst als er sah, dass sei­ne Be­feh­le voll­führt wur­den, kehr­te er zu Herrn Mo­rel zu­rück.

Und wie ist das Un­glück ge­kom­men? frag­te der Ree­der.

Mein Gott, ganz über­ra­schend. Nach ei­ner lan­gen Un­ter­re­dung mit dem Ha­fen­kom­man­dan­ten ver­ließ der Ka­pi­tän Nea­pel in sehr auf­ge­reg­tem Zu­stan­de. Nach 24 Stun­den fass­te ihn das Fie­ber, drei Tage nach­her war er tot … Er ruht in ei­ner Hän­ge­mat­te, eine Ku­gel an den Fü­ßen und eine am Kopf, auf der Höhe der In­sel Giglio. Wir brin­gen der Wit­we sein Ehren­kreuz und sei­nen De­gen zu­rück. Wa­rum muss­te er, fuhr der jun­ge Mann schwer­mü­tig fort, zehn Jah­re ge­gen die Eng­län­der kämp­fen, um nun einen sol­chen Strohtod zu ster­ben?

Ver­dammt! Wir sind alle sterb­lich, und die Al­ten müs­sen den Jun­gen Platz ma­chen, und von dem Au­gen­bli­cke an, wo ich si­cher bin, dass die La­dung …

Sie be­fin­det sich in gu­tem Zu­stan­de, Herr Mo­rel, da­für ste­he ich. Das ist eine La­dung, die ich Ih­nen nicht für 25.000 Fran­ken Nut­zen aus der Hand zu ge­ben rate. Dann, als man um den Leucht­turm am Ha­fen­ein­gang fuhr, rief er: Alle Se­gel ge­stri­chen!

Der Be­fehl wur­de mit der­sel­ben Ge­schwin­dig­keit aus­ge­führt, wie auf ei­nem Kriegs­schif­fe, und das Schiff rück­te nur noch lang­sam vor­wärts.

Wenn Sie her­auf­kom­men wol­len, Herr Mo­rel, sag­te Dan­tes, die Un­ru­he des Ree­ders wahr­neh­mend, hier ist Ihr Rech­nungs­füh­rer, Herr Danglars, der wird Ih­nen jede Aus­kunft ge­ben. Ich mei­nes­teils muss für die An­ke­rung sor­gen. – Der Ree­der ließ sich das nicht zwei­mal sa­gen und er­stieg be­hän­de das Schiff, wo ihm, wäh­rend Dan­tes auf sei­nen Pos­ten zu­rück­kehr­te, Danglars ent­ge­gen­kam.

Danglars war ein Mann von etwa fünf­und­zwan­zig Jah­ren, un­ter­wür­fig ge­gen sei­ne Obe­ren und barsch ge­gen sei­ne Un­ter­ge­be­nen, Ei­gen­schaf­ten, die ihn all­ge­mein bei der Mann­schaft eben­so ver­hasst mach­ten, wie Ed­mond Dan­tes bei ihr be­liebt war.

Nun, Herr Mo­rel, sag­te Danglars, Sie wis­sen be­reits das Un­glück, nicht wahr?

Ja, ja, der arme Le­clè­re! Ein bra­ver, ehr­li­cher Mann!

Und ein treff­li­cher See­mann, er­graut zwi­schen Him­mel und Was­ser, wie es sich für einen Mann ge­ziemt, dem die In­ter­es­sen ei­nes so wich­ti­gen Hau­ses wie Mo­rel und Sohn an­ver­traut sind.

Aber, ver­setz­te der Ree­der, mit den Au­gen dem ge­schäf­ti­gen Dan­tes fol­gend, es scheint mir, man braucht nicht ge­ra­de ein so al­ter See­mann zu sein, um sein Hand­werk zu ken­nen, und un­ser Freund Ed­mond hier treibt das sei­ni­ge, mei­ne ich, wie ein Mensch, der nie­man­des Rat nö­tig hat.

Ja, ant­wor­te­te Danglars, auf Dan­tes einen Blick des Has­ses wer­fend, ja, der ist jung und fürch­tet nichts. Kaum war der Ka­pi­tän tot, so über­nahm er das Kom­man­do, ohne je­mand um Rat zu fra­gen, und ließ uns an­dert­halb Tage auf der In­sel Elba ver­lie­ren, statt un­mit­tel­bar nach Mar­seil­le zu­rück­zu­keh­ren.

Was die Über­nah­me des Kom­man­dos be­trifft, sag­te der Ree­der, so war dies sei­ne Pf­licht als Se­kond; was aber das Ver­lie­ren von an­dert­halb Ta­gen auf der In­sel Elba be­trifft, so hat­te er un­recht, wenn nicht das Schiff Ha­ve­rei aus­bes­sern muss­te.

Das Schiff be­fand sich so wohl, wie ich mich be­fin­de, und die­se an­dert­halb Tage dienten bloß dem Ver­gnü­gen, ans Land zu stei­gen.

Dan­tes, sag­te der Ree­der, sich nach dem jun­gen Mann um­wen­dend, kom­men Sie hier­her!

Ich bit­te um Ent­schul­di­gung, er­wi­der­te Dan­tes, ich ste­he so­gleich zu Diens­ten; dann rief er der Mann­schaft zu: An­ker ge­wor­fen!

So­gleich fiel der An­ker, und die Ket­te ras­sel­te ge­räusch­voll hin­ter­drein. Dan­tes blieb trotz der Ge­gen­wart des Lot­sen an sei­nem Pos­ten, bis die­ses letz­te Ma­nö­ver be­en­digt war. Dann rief er: Hisst die Flag­ge Halb­mast! Kreuzt die Se­gel­stan­gen!

Sie se­hen, sag­te Danglars, auf mein Wort, er hält sich be­reits für den Ka­pi­tän.

Gott ver­dam­me mich, warum sol­len wir ihn nicht an die­sem Pos­ten las­sen? ent­geg­ne­te der Ree­der; ich weiß wohl, er ist jung, aber er scheint mir ganz bei der Sa­che und be­reits recht er­fah­ren zu sein.

Eine Zor­nes­wol­ke trüb­te Danglar­s’ Mie­ne.

Um Ver­ge­bung, Herr Mo­rel, sag­te Dan­tes nä­her­tre­tend; nun, da das Schiff gean­kert hat, ste­he ich zu Be­fehl.

Danglars mach­te einen Schritt rück­wärts.

Ich woll­te Sie fra­gen, warum Sie an der In­sel Elba an­ge­hal­ten ha­ben, be­gann der Ree­der.

Es ge­sch­ah in Voll­zug ei­nes letz­ten Be­fehls des Ka­pi­täns Le­clè­re, der mir ster­bend ein Pa­ket für den Groß­mar­schall Ber­trand übergab.

Sie ha­ben ihn also ge­se­hen, Ed­mond?

Wen? – Den Groß­mar­schall. – Ja.

Mo­rel schau­te um sich her, zog Dan­tes bei­sei­te und frag­te leb­haft: Wie geht es dem Kai­ser?

Gut, so­viel ich mit mei­nen ei­ge­nen Au­gen se­hen konn­te.

Ha­ben Sie mit ihm ge­spro­chen? Was sag­te er?

Er stell­te Fra­gen an mich über das Schiff, über Zeit und Weg un­se­rer Fahrt nach Mar­seil­le und über die La­dung. Ich glau­be, wäre ich der Herr des Schif­fes ge­we­sen, so hät­te er es kau­fen wol­len. Aber ich sag­te ihm, ich sei nur Se­kond, und das Schiff ge­hö­re dem Hau­se Mo­rel und Sohn. Ah, er­wi­der­te er, ich ken­ne das Haus. Die Mo­rel sind ein al­tes Ree­der­ge­schlecht, und ein Mo­rel stand in dem­sel­ben Re­gi­men­te mit mir in Va­lence in Gar­ni­son.

Das ist bei Gott wahr! rief der Ree­der ganz freu­dig, es war Po­li­car Mo­rel, mein Oheim,2 der spä­ter Ka­pi­tän ge­wor­den ist. Dan­tes, Sie wer­den mei­nem Oheim sa­gen, dass der Kai­ser sich sei­ner er­in­nert hat, und der alte Murr­kopf wird wei­nen. Gut, gut, fuhr der Ree­der, dem jun­gen Men­schen ver­trau­lich auf die Schul­ter klop­fend, fort, Sie ha­ben wohl dar­an ge­tan, Dan­tes, den Auf­trag des Ka­pi­täns Le­clè­re zu er­fül­len und an der In­sel Elba an­zu­hal­ten. Doch wenn man wüss­te, dass Sie dem Mar­schall ein Pa­ket über­ge­ben und mit dem Kai­ser ge­spro­chen ha­ben … es könn­te Sie ge­fähr­den.

Wie soll­te mich dies ge­fähr­den? ent­geg­ne­te Dan­tes. Ich weiß nicht ein­mal, was ich über­brach­te, und der Kai­ser rich­te­te nur die nächst­lie­gen­den Fra­gen an mich. Doch um Ver­ge­bung, hier sind die Zoll­be­am­ten. Sie er­lau­ben … nicht wahr?

Ge­wiss, mein lie­ber Dan­tes. Der jun­ge Mann ent­fern­te sich, und je wei­ter er sich ent­fern­te, de­sto nä­her kam Danglars.

Nun, frag­te er, er scheint Ih­nen gute Grün­de für sei­nen Auf­ent­halt in Elba an­ge­ge­ben zu ha­ben?

Vor­treff­li­che Grün­de, ant­wor­te­te der Ree­der, und es lässt sich nichts da­ge­gen ein­wen­den. Ka­pi­tän Le­clè­re selbst hat­te ihm den Be­fehl er­teilt.

Ah! was den Ka­pi­tän Le­clè­re be­trifft … hat Dan­tes Ih­nen nicht einen Brief von ihm zu­ge­stellt?

Nein! Hat­te er denn einen?

Ich glaub­te, der Ka­pi­tän Le­clè­re hät­te ihm au­ßer dem Pa­ket auch einen Brief an­ver­traut.

Von wel­chem Pa­ket spre­chen Sie, Danglars?

Von dem, das Dan­tes auf Elba ab­zu­ge­ben hat­te.

Wo­her wis­sen Sie, dass er ein Pa­ket ab­zu­ge­ben hat­te?

Danglars er­rö­te­te und sag­te: Ich ging an der halb ge­öff­ne­ten Tür der Ka­pi­täns­ka­bi­ne vor­über und sah, wie Le­clè­re den Brief und das Pa­ket Dan­tes ein­hän­dig­te.

Er hat mir nichts da­von ge­sagt, ent­geg­ne­te der Ree­der, wird mir aber wohl den Brief noch über­ge­ben.

Danglars über­leg­te einen Au­gen­blick und er­wi­der­te: Ich bit­te Sie, Herr Mo­rel, nicht mit Dan­tes da­von zu spre­chen; ich wer­de mich ge­täuscht ha­ben.

In die­sem Au­gen­blick kehr­te der jun­ge Mann zu­rück, wäh­rend Danglars sich ent­fern­te.

Nun, mein lie­ber Dan­tes, sind Sie frei? frag­te der Ree­der. – Ja­wohl, al­les ist in Ord­nung. – Sie kön­nen mit mir zu Mit­tag spei­sen. – Ich bit­te, ent­schul­di­gen Sie mich, Herr Mo­rel; mein ers­ter Be­such ge­hört mei­nem Va­ter. Doch ich bin dar­um nicht min­der dank­bar für die Ehre, die Sie mir er­zei­gen. – Recht, Dan­tes, ganz recht. Ich weiß, dass Sie ein gu­ter Sohn sind; aber nach die­sem ers­ten Be­su­che zäh­len wir auf Sie. – Ent­schul­di­gen Sie aber­mals, nach die­sem ers­ten Be­su­che habe ich einen zwei­ten zu ma­chen, der mir nicht min­der am Her­zen liegt. – Ah! das ist wahr, Dan­tes, ich ver­gaß, dass es un­ter den Ka­ta­lo­ni­ern je­mand gibt, der mit nicht ge­rin­ge­rer Un­ge­duld auf Sie war­tet, als Ihr Va­ter. Es ist die schö­ne Mer­ce­des.

Dan­tes er­rö­te­te.

Ah! ah! sag­te der Ree­der, ich wun­de­re mich gar nicht mehr, dass sie drei­mal zu mir ge­kom­men ist und mich um Nach­richt über den Pha­rao ge­be­ten hat. Ed­mond, Sie sind nicht zu be­kla­gen, Sie ha­ben eine hüb­sche Braut. Doch da fällt mir ein, hat Ih­nen nicht der Ka­pi­tän Le­clè­re ster­bend einen Brief für mich ge­ge­ben?

Es war ihm un­mög­lich, zu schrei­ben. Nun möch­te ich mir aber noch auf ei­ni­ge Tage Ur­laub er­bit­ten.

Um zu hei­ra­ten?

Ein­mal und dann, um nach Pa­ris zu ge­hen.

Gut, gut, Sie neh­men sich so viel Zeit, als Sie wol­len, Dan­tes. Zum Lö­schen des Schif­fes brau­chen wir an sechs Wo­chen, und vor drei Mo­na­ten ge­hen wir nicht wie­der in See. Sie müs­sen also erst in drei Mo­na­ten hier sein. Der Pha­rao, fuhr der Ree­der, den jun­gen Mann auf die Schul­ter klop­fend, fort, könn­te nicht ohne sei­nen Ka­pi­tän ab­ge­hen.

Ohne sei­nen Ka­pi­tän? rief Dan­tes mit fun­keln­den Au­gen, Sie ent­spre­chen den ge­heims­ten Hoff­nun­gen mei­nes Her­zens. Es wäre also wirk­lich Ihre Ab­sicht, mich zum Ka­pi­tän des Pha­rao zu er­nen­nen?

Wenn ich al­lein wäre, wür­de ich Ih­nen die Hand rei­chen, lie­ber Dan­tes, und sa­gen: Es ist ab­ge­macht! Aber ich habe einen As­so­cié,3 und Sie ken­nen das ita­lie­ni­sche Sprich­wort: Che ha com­pa­gno ha pa­dro­ne. (Wer einen Kom­pa­gnon hat, hat auch einen Herrn.) Doch zur Hälf­te ist das Ge­schäft we­nigs­tens ab­ge­schlos­sen, denn von zwei Stim­men ha­ben Sie be­reits eine. Über­las­sen Sie es mir, Ih­nen die an­de­re zu ver­schaf­fen; ich wer­de mein mög­lichs­tes tun!

Oh, Herr Mo­rel! rief der jun­ge See­mann und er­griff, mit Trä­nen in den Au­gen, die Hän­de des Ree­ders, Herr Mo­rel, ich dan­ke Ih­nen in mei­nes Va­ters und in Mer­ce­des’ Na­men.

Es ist gut, Ed­mond, es gibt einen Gott im Him­mel für die bra­ven Leu­te! Be­su­chen Sie Ihren Va­ter und Mer­ce­des, und kom­men Sie dann zu mir zu­rück!

Soll ich Sie nicht an das Land füh­ren?

Nein, ich dan­ke, ich blei­be hier, um mei­ne Rech­nung mit Danglars zu ord­nen. Sind Sie wäh­rend der Rei­se mit ihm zu­frie­den ge­we­sen?

Das kommt auf den Sinn an, in dem Sie die­se Fra­ge an mich rich­ten. In Be­zug auf gute Ka­me­rad­schaft, nein; denn ich glau­be, er liebt mich nicht mehr, seit­dem ich bei ei­nem klei­nen Streit die Dumm­heit be­ging, ihm vor­zu­schla­gen, zehn Mi­nu­ten an der In­sel Mon­te Chri­sto an­zu­hal­ten, um den Streit aus­zu­ma­chen, ein Vor­schlag, den er mit Recht zu­rück­wies. Fra­gen Sie mich aber nach dem Rech­nungs­füh­rer, so glau­be ich, dass Sie mit der Art und Wei­se, wie er sein Ge­schäft be­sorgt hat, zu­frie­den sein wer­den.

Wie aber? sag­te der Ree­der; wenn Sie Ka­pi­tän des Pha­rao wä­ren, wür­den Sie Danglars gern be­hal­ten?

Ka­pi­tän oder Se­kond, ant­wor­te­te Dan­tes, ich wer­de stets die größ­te Ach­tung vor de­nen ha­ben, die das Ver­trau­en mei­ner Ree­der be­sit­zen.

Schön, schön, Dan­tes, ich sehe, dass Sie in je­der Be­zie­hung ein bra­ver Bur­sche sind; ich will Sie nicht län­ger auf­hal­ten, denn Sie ste­hen ge­wiss wie auf glü­hen­den Koh­len.

Auf Wie­der­se­hen, Herr Mo­rel, und tau­send Dank! Der jun­ge See­mann sprang in den Kahn und gab Be­fehl, an der Can­ne­biè­re zu lan­den. Der Ree­der folg­te ihm lä­chelnd mit den Au­gen bis zum Kai, sah ihn aus­stei­gen und sich un­ter der bun­ten Men­ge ver­lie­ren, die von neun Uhr mor­gens bis neun Uhr abends die be­rühm­te Rue de la Can­ne­biè­re durch­strömt, auf wel­che die Mar­seil­ler so stolz sind, dass sie mit dem größ­ten Erns­te von der Welt sa­gen: Wenn Pa­ris die Can­ne­biè­re hät­te, so wäre es ein klei­nes Mar­seil­le.

Als er sich um­wand­te, er­blick­te der Ree­der Danglars hin­ter sich, der dem An­schei­ne nach sei­ne Be­feh­le er­war­te­te, in Wirk­lich­keit aber dem jun­gen See­man­ne mit dem Bli­cke folg­te. Nur war ein großer Un­ter­schied in dem Aus­druck die­ser bei­den Bli­cke, die dem­sel­ben Men­schen folg­ten.


  1. Schiffs­eig­ner  <<<

  2. On­kel  <<<

  3. Teil­ha­ber, Part­ner  <<<

Vater und Sohn.

Über­las­sen wir es dem ge­häs­si­gen Danglars, dem Ree­der einen bos­haf­ten Arg­wohn ge­gen Dan­tes ins Ohr zu flüs­tern, und fol­gen wir die­sem, der den Weg in die Rue de Noil­les ein­schlägt, in ein klei­nes auf der rech­ten Sei­te der Allée de Meil­lan ge­le­ge­nes Haus tritt, rasch die vier Stock­wer­ke ei­ner dun­keln Trep­pe hin­auf­steigt und, sich mit der einen Hand am Ge­län­der hal­tend, mit der an­de­ren die Schlä­ge sei­nes Her­zens zu­rück­drän­gend, vor ei­ner halb ge­öff­ne­ten Tür ste­hen bleibt.

Hier wohn­te sein Va­ter. Die Nach­richt von der An­kunft des Pha­rao war noch nicht bis zu dem Grei­se ge­drun­gen, der, auf ei­nem Stuh­le sit­zend, mit zit­tern­der Hand Ka­pu­zi­ner­kres­se, ver­mischt mit Reb­win­den, die sich am Git­ter sei­nes Fens­ters hin­au­frank­ten, durch Stä­be zu­sam­men­zu­hal­ten such­te. Plötz­lich fühl­te er sich von Ar­men um­fasst, und eine wohl­be­kann­te Stim­me rief hin­ter ihm: Mein Va­ter, mein gu­ter Va­ter!

Mit ei­nem Schrei wand­te sich der Alte um, und als er sei­nen Sohn er­blick­te, warf er sich be­bend und bleich in sei­ne Arme.

Was hast du denn Va­ter? rief der jun­ge Mann be­un­ru­higt, du bist doch nicht krank?

Nein, nein, mein lie­ber Ed­mond, mein Sohn, mein Kind, nein, ich er­war­te­te dich nicht, und die Freu­de bei dei­nem un­vor­her­ge­se­he­nen An­blick … ach! mein Gott, ich glau­be, ich st­er­be.

Be­ru­hi­ge dich doch, mein Va­ter, ich bin es, ich! Man sagt, die Freu­de kön­ne nicht scha­den, und dar­um bin ich hier ohne Vor­be­rei­tung ein­ge­tre­ten. Ich kom­me zu­rück, Va­ter, und wir wer­den nun glück­lich sein.

Ah, de­sto bes­ser, mein Jun­ge, ver­setz­te der Greis; aber wie wer­den wir glück­lich sein? Du ver­lässt mich also nicht mehr? Er­zäh­le mir von dei­nem Glücke!

Der Herr ver­zei­he mir, er­wi­der­te der jun­ge Mann, dass ich mich über ein Glück freue, das mit der Trau­er ei­ner an­de­ren Fa­mi­lie er­kauft ist, aber Gott weiß, dass ich die­ses Glück nicht ge­wünscht habe. Der bra­ve Ka­pi­tän Le­clè­re ist ge­stor­ben, und durch Herrn Mo­rels Für­spra­che be­kom­me ich wahr­schein­lich sei­nen Platz. Be­greifst du, Va­ter, mit zwan­zig Jah­ren Ka­pi­tän … mit hun­dert Louis­d’or Ge­halt und ei­nem An­teil am Ge­winn! Ist das nicht mehr, als ein ar­mer Ma­tro­se wie ich hof­fen durf­te?

Ja, mein Sohn, ja, das ist ein großes Glück.

Von dem ers­ten Gel­de, das ich ver­die­ne, sollst du auch ein Häu­schen mit ei­nem Gar­ten be­kom­men, um dei­ne Re­ben und dei­ne Ka­pu­zi­ner­kres­se zu pflan­zen. Aber was hast du denn, Va­ter? Man könn­te glau­ben, du sei­est un­wohl.

Ge­duld, Ge­duld, das hat nichts zu sa­gen.

Aber schon schwan­den dem Grei­se die Kräf­te, und er sank rück­wärts nie­der.

Rasch, rasch, ein Glas Wein wird dich wie­der­be­le­ben; wo ver­wahrst du dei­nen Wein? sag­te der jun­ge Mann und öff­ne­te zwei, drei Schrän­ke.

Ach, sprach der Greis matt, es ist kein Wein mehr da.

Wie, kein Wein mehr da? rief, jetzt eben­falls er­blei­chend, Dan­tes, in­dem er ab­wech­selnd die hoh­len Wan­gen des Grei­ses und die lee­ren Schrän­ke an­schau­te. Kein Wein mehr hier? Hat es dir etwa an Geld ge­fehlt?

Es fehlt mir an nichts, da du hier bist.

Ich habe dir doch bei mei­ner Abrei­se vor drei Mo­na­ten zwei­hun­dert Fran­ken zu­rück­ge­las­sen, stam­mel­te Dan­tes, sich den Schweiß ab­trock­nend, der von sei­ner Stirn lief.

Ja, ja, Ed­mond, das ist wahr; aber du hat­test bei dei­nem Ab­gang eine klei­ne Schuld bei dem Nach­bar Ca­de­rous­se ver­ges­sen. Er er­in­ner­te mich dar­an und sag­te, wenn ich nicht für dich be­zahl­te, so wür­de er sich von Herrn Mo­rel be­zah­len las­sen; du be­greifst, aus Furcht, es könn­te dir scha­den …

Aber ich war ihm 140 Fran­ken schul­dig! rief Dan­tes. Und du hast sie ihm von den 200 Fran­ken ge­ge­ben, die ich dir zu­rück­ließ?

Der Greis mach­te ein Zei­chen mit dem Kop­fe.

Du hast also drei Mo­na­te lang von sech­zig Fran­ken ge­lebt?

Du weißt, wie we­nig ich be­darf, sag­te der Greis.

Oh! mein Gott, mein Gott! ver­gib mir, rief Ed­mond und warf sich vor dem al­ten Mann auf die Knie.

Bah! Du bist hier, er­wi­der­te lä­chelnd der Greis, und nun ist al­les ver­ges­sen, al­les ist nun gut.

Ja, ich bin hier, ver­setz­te der jun­ge Mann, ich bin hier mit ei­ner schö­nen Zu­kunft vor mir und mit ei­ni­gem Geld; hier, Va­ter, nimm, nimm und lass so­gleich et­was ho­len!

Und er leer­te auf den Tisch sei­ne Ta­schen aus, die ein Dut­zend Gold­stücke und et­was klei­ne­re Mün­ze ent­hiel­ten.

Sach­te, sach­te, sag­te der Greis lä­chelnd, mit dei­ner Er­laub­nis wer­de ich dei­ne Bör­se nur be­schei­den be­nüt­zen; wenn man mich zu vie­le Din­ge auf ein­mal kau­fen se­hen wür­de, könn­te man glau­ben, ich hät­te auf dei­ne An­kunft war­ten müs­sen.

Ja, wie du willst; aber vor al­lem nimm eine Magd an! Du sollst nicht län­ger al­lein blei­ben. Ich habe ge­schmug­gel­ten Kaf­fee und vor­treff­li­chen Ta­bak in ei­nem Kist­chen im Schiffs­raum; mor­gen er­hältst du bei­des. Doch still, hier kommt je­mand.

Es ist Ca­de­rous­se, der wohl dei­ne An­kunft er­fah­ren hat.

Gut, aber­mals Lip­pen, die et­was sa­gen, wäh­rend das Herz et­was ganz an­de­res denkt! mur­mel­te Ed­mond. Doch gleich­viel, es ist ein Nach­bar, der uns einst Diens­te ge­leis­tet hat, dar­um soll er will­kom­men sein.

In dem Au­gen­blick, wo Ed­mond sei­nen Satz mit lei­ser Stim­me vollen­de­te, sah man einen schwar­zen bär­ti­gen Kopf in der Tür er­schei­nen; es war Ca­de­rous­se, ein Mann von etwa fünf­und­drei­ßig Jah­ren, sei­nes Stan­des ein Schnei­der.

Ah! Du bist end­lich zu­rück­ge­kehrt, Ed­mond? sag­te er in echt Mar­seil­ler Mund­art und mit brei­tem Lä­cheln.

Wie Sie se­hen, Meis­ter Ca­de­rous­se, und be­reit, Ih­nen ge­fäl­lig zu sein, ant­wor­te­te Dan­tes, sei­ne Käl­te nur schlecht un­ter die­ser höf­li­chen An­re­de ver­ber­gend.

Dan­ke, dan­ke, zum Glück brau­che ich nichts, und zu­wei­len kön­nen mich so­gar an­de­re brau­chen. Ich sage das nicht dei­net­we­gen, fuhr er fort, als Dan­tes eine un­will­kür­li­che Be­we­gung mach­te. Ich habe dir Geld ge­lie­hen; du hast mich be­zahlt; das kommt un­ter gu­ten Nach­barn vor, und wir sind quitt.

Wir sind nie quitt ge­gen die, wel­che uns Diens­te ge­leis­tet ha­ben, ant­wor­te­te Dan­tes, denn wenn man ih­nen sonst nichts mehr schul­det, so ist man ih­nen doch Dank schul­dig.

Wozu da­von re­den? Was ge­sche­hen ist, ist ge­sche­hen. Re­den wir von dei­ner glück­li­chen Rück­kehr, mein Jun­ge. Ich war an den Ha­fen hin­aus­ge­gan­gen und traf dort Danglars, der mir er­zähl­te, dass ihr gut an­ge­kom­men seid; und dann eil­te ich hier­her, um dir die Hand zu drücken. Nun, du stehst also aufs bes­te mit Herrn Mo­rel, du Schlau­kopf?

Herr Mo­rel hat mir stets viel Güte er­wie­sen, und ich hof­fe, sein Ka­pi­tän zu wer­den, ant­wor­te­te Dan­tes.

De­sto bes­ser, de­sto bes­ser! Das wird al­len al­ten Freun­den Freu­de ma­chen, und ich ken­ne je­mand da un­ten hin­ter der Zi­ta­del­le Saint-Ni­co­las, der nicht är­ger­lich dar­über sein wird.

Mer­ce­des? sag­te der Greis.

Ja, Va­ter, ver­setz­te Dan­tes, und jetzt, da ich ge­se­hen habe, dass du dich wohl be­fin­dest und al­les hast, was du brauchst, bit­te ich dich um Er­laub­nis, bei den Ka­ta­lo­ni­ern mei­nen Be­such zu ma­chen.

Geh, mein Sohn, geh, sag­te der alte Dan­tes, und Gott seg­ne dei­ne Frau, wie er mich in mei­nem Soh­ne ge­seg­net hat.

Sei­ne Frau! rief Ca­de­rous­se, wie Ihr rasch zu Wer­ke geht. Es scheint mir, sie ist es noch nicht.

Nein, aber al­ler Wahr­schein­lich­keit nach, ant­wor­te­te Ed­mond, wird sie es bald wer­den.

Gleich­viel, gleich­viel, sag­te Ca­de­rous­se, du hast wohl dar­an ge­tan, dich zu be­ei­len, mein Sohn.

Wa­rum?

Weil Mer­ce­des ein hüb­sches Mäd­chen ist, und es den hüb­schen Mäd­chen nicht an Lieb­ha­bern fehlt. Ihr be­son­ders lau­fen sie zu Dut­zen­den nach.

Wirk­lich? sag­te Ed­mond mit ei­nem Lä­cheln, un­ter dem sich ein leich­ter Schat­ten von Un­ru­he ver­barg.

Oh ja, ant­wor­te­te Ca­de­rous­se, und so­gar schö­ne Par­ti­en; aber du be­greifst, du sollst Ka­pi­tän wer­den, und man wird sich wohl hü­ten, dei­ne Hand aus­zu­schla­gen.

Still, sag­te der jun­ge Mann, ich habe eine bes­se­re Mei­nung als Ihr von den Frau­en im All­ge­mei­nen und von Mer­ce­des ins­be­son­de­re, ich bin über­zeugt, dass sie mir, mag ich Ka­pi­tän sein oder nicht, treu blei­ben wird.

De­sto bes­ser, de­sto bes­ser, ver­setz­te Ca­de­rous­se, wenn man sich ver­hei­ra­ten will, tut man im­mer gut, zu glau­ben. Doch, wie ge­sagt, fol­ge mir, mein Jun­ge, ver­lie­re kei­ne Zeit, mel­de ihr dei­ne An­kunft und tei­le ihr dei­ne Hoff­nun­gen mit!

Ich gehe, sag­te Ed­mond, um­arm­te sei­nen Va­ter, grüß­te Ca­de­rous­se und ent­fern­te sich.

Ca­de­rous­se blieb noch einen Au­gen­blick, nahm dann von dem al­ten Dan­tes Ab­schied, ging eben­falls die Trep­pe hin­ab und such­te Danglars wie­der auf, der ihn an der Ecke der Rue Senac er­war­te­te.

Nun, sag­te Danglars, hast du ihn ge­se­hen? Hat er von sei­ner Hoff­nung, Ka­pi­tän zu wer­den, ge­spro­chen?

Er spricht da­von, als ob er es be­reits wäre.

Ge­duld! Ge­duld! sag­te Danglars, mir scheint, er hat’s gar zu ei­lig. Und er ist im­mer noch in die Ka­ta­lo­nie­rin ver­liebt?

Wie toll; so­eben ist er zu ihr ge­gan­gen. Doch wenn ich mich nicht sehr täu­sche, wird er hier auf Schwie­rig­kei­ten sto­ßen.

Sag ein­mal, du liebst Dan­tes nicht, wie? – Ich lie­be die An­ma­ßen­den nie. – Nun also, was weißt du von der Ka­ta­lo­nie­rin? – Nichts Be­stimm­tes; nur habe ich ge­se­hen, dass Mer­ce­des, so oft sie in die Stadt kommt, von ei­nem großen schwar­zen Ka­ta­lo­ni­er, den sie Vet­ter nennt, be­glei­tet wird. – Ah, wirk­lich? Und glaubst du, die­ser Vet­ter ma­che ihr den Hof? – Ich den­ke wohl. Was zum Teu­fel kann ein Bur­sche von ein­und­zwan­zig Jah­ren mit ei­nem hüb­schen Mäd­chen von sieb­zehn wei­ter ma­chen?

Und du sagst, Dan­tes sei zu den Ka­ta­lo­ni­ern ge­gan­gen?

Ja, wenn wir ihm fol­gen, so kön­nen wir im Gar­ten der Re­ser­ve bei ei­nem Gla­se Wein das wei­te­re ab­war­ten.

Bei­de be­ga­ben sich mit ra­schen Schrit­ten nach dem be­zeich­ne­ten Orte und lie­ßen sich eine Fla­sche Wein brin­gen. Der Va­ter Pam­phi­le, der sie ih­nen vor­setz­te, hat­te Dan­tes vor kaum zehn Mi­nu­ten vor­über­ge­hen se­hen.

Die Katalonier.

Hun­dert Schrit­te von der Lau­be, wo die bei­den Freun­de den spru­deln­den La­malgue-Wein tran­ken, er­hob sich hin­ter ei­nem nack­ten, son­ni­gen Hü­gel die klei­ne An­sied­lung der Ka­ta­lo­ni­er.

Ei­nes Ta­ges wan­der­te eine An­zahl Ka­ta­lo­ni­er aus dem Mut­ter­land aus und lan­de­te hier, wo sie sich noch heu­te be­fin­det. Man wuss­te nicht, wo­her sie kam, und kann­te nicht ein­mal ihre Spra­che. Ei­ner von den Füh­rern, der Pro­vença­lisch ver­stand, bat die Ge­mein­de Mar­seil­le, ih­nen die­ses nack­te, un­frucht­ba­re Vor­ge­bir­ge zu ge­ben, auf das sie ihre Schif­fe ge­zo­gen hat­ten. Die Bit­te wur­de ge­währt, und drei Mo­na­te nach­her er­hob sich um ihre fünf­zehn Fahr­zeu­ge ein klei­nes Dorf. Seit drei bis vier Jahr­hun­der­ten sind sie ih­rem Vor­ge­bir­ge treu ge­blie­ben, ohne sich mit der Be­völ­ke­rung von Mar­seil­le zu ver­mi­schen, denn sie hei­ra­te­ten un­ter sich und be­hiel­ten Sit­ten, Tracht und Spra­che ih­res Mut­ter­lan­des bei.

In ei­ner der ein­fa­chen Hüt­ten stand ein jun­ges Mäd­chen mit ra­ben­schwar­zen Haa­ren und Au­gen an der Wand. Ihre bis an den Ell­bo­gen ent­blö­ßten Arme, die zwar ge­bräunt, aber schön ge­formt wa­ren, beb­ten wie von fie­ber­haf­ter Un­ge­duld, und sie stampf­te mit ih­rem ge­schmei­di­gen, schön ge­bo­ge­nen Fuße auf die Erde, so­dass die rei­ne, stol­ze, küh­ne Form ih­res mit ei­nem baum­wol­le­nen Strumpf be­klei­de­ten Bei­nes ein we­nig sicht­bar wur­de.

Drei Schrit­te von ihr saß auf ei­nem Stuh­le ein großer etwa zwan­zig­jäh­ri­ger Bur­sche und be­trach­te­te sie mit ei­ner Mie­ne, in der sich Un­ru­he und Trotz be­kämpf­ten. Sei­ne Au­gen sa­hen fra­gend und ver­lan­gend aus, aber der fes­te, ent­schie­de­ne Blick des jun­gen Mäd­chens be­herrsch­te den Jüng­ling.

Wie steht’s, Mer­ce­des, sag­te der jun­ge Mann, Os­tern naht; ist’s da nicht Zeit, Hoch­zeit zu ma­chen? Ant­wor­tet mir!

Ich habe Euch hun­dert­mal geant­wor­tet, Fer­nand, und Ihr müsst in der Tat Euer ei­ge­ner Feind sein, dass Ihr mich noch ein­mal fragt!

Wie­der­holt es, ich bit­te Euch, noch ein­mal, dass ich es end­lich glau­ben kann! Sagt mir zum hun­derts­ten Male, dass Ihr eine Lie­be aus­schlagt, die Eure Mut­ter bil­lig­te! Macht mir’s be­greif­lich, dass Ihr mit mei­nem Glücke Euer Spiel treibt, dass mein Le­ben und mein Tod nichts für Euch sind. Ach, mein Gott, zehn Jah­re lang habe ich ge­träumt. Euer Gat­te zu wer­den, und soll nun die­se Hoff­nung ver­lie­ren, die der ein­zi­ge Zweck mei­nes Le­bens war!

Ich bin es we­nigs­tens nicht ge­we­sen, die Euch in die­ser Hoff­nung er­mu­tigt hat, Fer­nand, ant­wor­te­te Mer­ce­des. Ihr könnt mir in die­ser Hin­sicht nichts vor­wer­fen. Stets sag­te ich Euch: Ich lie­be Euch wie mei­nen Bru­der, for­dert aber nie mehr von mir, denn mein Herz ge­hört ei­nem an­de­ren. Das habe ich Euch im­mer ge­sagt, Fer­nand.

Ich weiß es wohl, Mer­ce­des, ant­wor­te­te der jun­ge Mann. Ja, Ihr habt mir ge­gen­über das grau­sa­me Ver­dienst der Of­fen­her­zig­keit. Aber ver­ge­sst Ihr, dass bei den Ka­ta­lo­ni­ern das hei­li­ge Ge­setz be­steht, sich nur un­ter­ein­an­der zu hei­ra­ten?

Ihr täuscht Euch, Fer­nand, das ist kein Ge­setz, es ist eine Ge­wohn­heit und nichts wei­ter. Führt die­se Ge­wohn­heit nicht zu Eu­ren Guns­ten an! Ihr seid zur Aus­he­bung vor­ge­merkt; je­den Au­gen­blick könnt Ihr zur Fah­ne ein­be­ru­fen wer­den. Seid Ihr aber Sol­dat, was soll­te dann aus mir wer­den, dem ver­las­se­nen, ver­mö­gens­lo­sen Mäd­chen, das als ein­zi­ge Habe nur eine bau­fäl­li­ge Hüt­te be­sitzt, in der ein paar ab­ge­nutz­te Net­ze hän­gen … die elen­de Erb­schaft von mei­nem Va­ter und mei­ner Mut­ter? Seit sie im vo­ri­gen Jah­re starb, lebe ich fast nur von der öf­fent­li­chen Wohl­tä­tig­keit. Zu­wei­len tut Ihr, als wäre ich Euch nütz­lich, um das Recht zu ha­ben, Eu­ren Fisch­fang mit mir zu tei­len. Ich neh­me es an, Fer­nand, weil Ihr mein Vet­ter seid, weil wir mit­ein­an­der er­zo­gen wor­den sind, und mehr noch, weil es Euch zu viel Kum­mer ma­chen wür­de, wenn ich es aus­schlü­ge; aber ich füh­le wohl, dass der Fisch ein Al­mo­sen ist.

Wenn Ihr aber, die arme und ver­las­se­ne Mer­ce­des, mir bes­ser ge­fallt als die Toch­ter des stol­zes­ten Ree­ders und des reichs­ten Ban­kiers von Mar­seil­le? Was braucht ein Mann aus dem Volk wie ich? Ein ehr­li­ches Weib, eine gute Wirt­schaf­te­rin. Und wo kann ich da et­was Bes­se­res fin­den, als Ihr seid?

Fer­nand, ant­wor­te­te Mer­ce­des, den Kopf schüt­telnd, man ist eine schlech­te Wirt­schaf­te­rin und kann nicht da­für ste­hen, dass man eine ehr­li­che Frau bleibt, wenn man einen an­de­ren Mann liebt, als sei­nen Gat­ten. Begnügt Euch mit mei­ner Freund­schaft, denn ich wie­der­ho­le Euch, das ist al­les, was ich Euch ver­spre­chen kann, und ich ver­spre­che nur, was ich hal­ten kann.

Ja, ich be­grei­fe, sag­te Fer­nand, Ihr er­tragt ge­dul­dig Eure Ar­mut, aber Ihr habt Furcht vor der mei­nen. Nun wohl, Mer­ce­des, von Euch ge­liebt, wer­de ich mich auf­zu­sch­win­gen su­chen. Ihr bringt mir Glück, und ich wer­de reich. Ich kann mein Fi­scher­ge­wer­be aus­deh­nen, ich kann als Kom­mis in ein Kon­tor ein­tre­ten, ich kann so­gar Kauf­mann wer­den!

Ihr könnt das al­les nicht, Fer­nand, Ihr seid als Sol­dat vor­ge­merkt, und wenn Ihr noch hier weilt, so ist dies nur der Fall, weil ge­gen­wär­tig kein Krieg ge­führt wird. Bleibt also Fi­scher und – be­gnügt Euch mit mei­ner Freund­schaft, da ich Euch nichts an­de­res ge­ben kann.

Oh, Mer­ce­des, Ihr seid nur so grau­sam und hart ge­gen mich, weil Ihr einen an­de­ren er­war­tet; aber der ist viel­leicht un­be­stän­dig wie das Meer.

Fer­nand, rief Mer­ce­des, ich hielt Euch für gut, aber ich täusch­te mich! Ihr habt ein schlech­tes Herz, dass Ihr mit Eu­rer Ei­fer­sucht den Zorn des Him­mels her­ab­ruft. Nun wohl, ich be­ken­ne es of­fen: Ich er­war­te und lie­be den, wel­chen Ihr meint.

Der jun­ge Ka­ta­lo­ni­er mach­te eine wü­ten­de Ge­bär­de.

Ich ver­ste­he Euch, Fer­nand, Ihr wer­det Euch da­für rä­chen, dass ich Euch nicht lie­be, Ihr wer­det Euer ka­ta­lo­ni­sches Mes­ser mit sei­nem Dol­che kreu­zen! Wo­hin wird Euch das füh­ren? Da­hin, dass Ihr mei­ne Freund­schaft ver­liert, wenn Ihr be­siegt wer­det; dass Ihr mei­ne Freund­schaft in Hass ver­wan­delt, wenn Ihr Sie­ger seid. Glaubt mir, Streit mit ei­nem Man­ne su­chen, ist ein schlech­tes Mit­tel, der Frau zu ge­fal­len, die die­sen Mann liebt. Nein, Fer­nand, Ihr wer­det Euch nicht so durch Eure schlim­men Ge­dan­ken hin­rei­ßen las­sen. Da Ihr mich nicht als Frau be­sit­zen könnt, so wer­det Ihr Euch be­gnü­gen, mich zur Freun­din und zur Schwes­ter zu ha­ben. Und über­dies, füg­te sie mit un­ru­hi­gen, trä­nen­feuch­ten Au­gen hin­zu, Ihr habt so­eben ge­sagt, das Meer sei treu­los. Schon seit vier Mo­na­ten ist er ab­ge­reist, und seit vier Mo­na­ten habe ich vie­le Stür­me ge­zählt.

Fer­nand blieb un­emp­find­lich. Er such­te nicht die Trä­nen zu trock­nen, die über Mer­ce­des’ Wan­gen her­ab­roll­ten, und den­noch hät­te er für jede ih­rer Trä­nen einen Be­cher sei­nes Blu­tes ge­ge­ben; aber die­se Trä­nen flos­sen nicht für ihn. Er stand auf, ging in der Hüt­te um­her, kehr­te zu­rück, blieb mit düs­te­rem Auge und ge­ball­ten Fäus­ten vor Mer­ce­des ste­hen und sag­te: Lasst hö­ren, Mer­ce­des, noch ein­mal, ant­wor­tet: Steht Euer Ent­schluss fest?

Ich lie­be Ed­mond Dan­tes, ant­wor­te­te kalt das jun­ge Mäd­chen, und kein an­de­rer als Ed­mond soll mein Gat­te wer­den.

Und Ihr wer­det ihn im­mer lie­ben?

So­lan­ge ich lebe.

Fer­nand ließ ganz ent­mu­tigt das Haupt sin­ken und stieß einen Seuf­zer aus. Dann, plötz­lich die Stirn wie­der er­he­bend, rief er: Aber wenn er tot ist?

Wenn er tot ist, st­er­be ich.

Aber wenn er Euch ver­gisst?

Mer­ce­des! rief eine freu­di­ge Stim­me vor dem Hau­se, Mer­ce­des!

Ah, rief das jun­ge Mäd­chen, vor Ent­zücken er­rö­tend und auf­sprin­gend, Ihr seht, dass er mich nicht ver­ges­sen hat, denn er ist da!

Ei­lig lief sie zur Tür, öff­ne­te sie und rief mit ju­beln­dem Tone: He­rein, Ed­mond, hier bin ich!

Fer­nand wich bleich und be­bend zu­rück, wie ein Rei­sen­der in den Tro­pen, der sich plötz­lich ei­ner gif­ti­gen Schlan­ge mit gäh­nen­dem Ra­chen ge­gen­über sieht, stieß an sei­nen Stuhl und sank zit­ternd dar­auf nie­der.

Ed­mond und Mer­ce­des la­gen ein­an­der in den Ar­men. Die glü­hen­de Son­ne von Mar­seil­le drang durch die Öff­nung der Tür her­ein und über­goss sie mit ei­ner Woge von Licht. An­fangs sa­hen sie nichts von dem, was sie um­gab. Ein un­er­mess­li­ches Glück er­hob sie über die Welt, und sie spra­chen nur in ab­ge­bro­che­nen Wor­ten, wie sie so­wohl der leb­haf­tes­ten Freu­de wie nicht min­der dem quä­len­den Schmer­ze zum Aus­druck die­nen kön­nen.

Plötz­lich er­blick­te Ed­mond Fer­n­ands düs­te­res Ant­litz, das bleich und dro­hend aus dem Schat­ten her­vor­trat. Durch eine Be­we­gung, von der er sich viel­leicht selbst nicht Re­chen­schaft gab, fuhr der jun­ge Ka­ta­lo­ni­er mit der Hand an das Mes­ser, das in sei­nem Gür­tel stak.

Ah! um Ver­ge­bung, sag­te Dan­tes, eben­falls die Stirn fal­tend, ich hat­te nicht be­merkt, dass wir zu dritt sind! Sich so­dann an Mer­ce­des wen­dend, frag­te er: Wer ist die­ser Herr?

Die­ser Herr wird dein bes­ter Freund sein, Dan­tes, denn es ist auch mein Freund; es ist mein Vet­ter, es ist mein Bru­der, es ist Fer­nand, der Mann, den ich nach dir, Ed­mond, am meis­ten in der Welt lie­be. Er­kennst du Fer­nand nicht wie­der?

Ah, ge­wiss! sag­te Ed­mond, und ohne Mer­ce­des zu ver­las­sen, de­ren Hand er in der sei­ni­gen hielt, reich­te er mit ei­ner herz­li­chen Be­we­gung sei­ne an­de­re Hand dem Ka­ta­lo­ni­er.

Aber Fer­nand, weit ent­fernt, die­se freund­schaft­li­che Ge­bär­de zu er­wi­dern, blieb stumm und un­be­weg­lich wie eine Sta­tue. Da ließ Ed­mond sei­nen for­schen­den Blick über die be­weg­te, zit­tern­de Mer­ce­des und dann über den düs­te­ren, dro­hen­den Fer­nand glei­ten, und die­ser eine Blick sag­te ihm al­les. – Der Zorn stieg ihm zu Kop­fe.

Als ich mit so großer Eile zu Euch lief, Mer­ce­des, wuss­te ich nicht, dass ich einen Feind hier fin­den wür­de, sag­te er.

Ei­nen Feind! rief Mer­ce­des, mit ei­nem zor­ni­gen Bli­cke auf ih­ren Vet­ter; einen Feind bei mir, sagst du, Ed­mond? Wenn ich das glaub­te, so näh­me ich dich beim Arme, gin­ge nach Mar­seil­le und wür­de die­ses Haus ver­las­sen, um nie mehr da­hin zu­rück­zu­keh­ren.

Fer­n­ands Auge schleu­der­te einen Blitz.

Und wenn dir ein Un­glück wi­der­füh­re, Ed­mond, füg­te sie mit ei­si­ger Stim­me hin­zu, die Fer­nand be­wies, dass sie in der Tie­fe sei­ner fins­te­ren Ge­dan­ken ge­le­sen hat­te, wenn dir ein Un­glück wi­der­füh­re, so stie­ge ich auf das Kap Mor­gi­on und stürz­te mich über die Fel­sen hin­ab.

Fer­nand wur­de furcht­bar bleich.

Aber du hast dich ge­täuscht, Ed­mond, fuhr sie fort, du hast kei­nen Feind hier, denn hier sehe ich nur Fer­nand, mei­nen Bru­der, der dir die Hand wie ein er­ge­be­ner Freund drücken wird.

Und bei die­sen Wor­ten hef­te­te Mer­ce­des ih­ren ge­bie­te­ri­schen Blick auf den Ka­ta­lo­ni­er, der, von die­sem Bli­cke wie be­zau­bert, sich lang­sam Ed­mond nä­her­te und ihm die Hand reich­te. Aber kaum hat­te er die Hand be­rührt, als er fühl­te, dass er et­was ge­tan, das über sei­ne Kräf­te ging, und aus dem Hau­se stürz­te.

Oh! rief er, wie ein Wahn­sin­ni­ger fort­ren­nend und mit den Hän­den in sei­nen Haa­ren wüh­lend, wer wird mich von die­sem Men­schen be­frei­en! Wehe mir! wehe mir!

He, Ka­ta­lo­ni­er! he, Fer­nand! wo­hin läufst du? rief eine Stim­me.

Der jun­ge Mann blieb ste­hen, schau­te um­her und sah Ca­de­rous­se, der mit Danglars un­ter ei­ner Lau­be an ei­nem Ti­sche saß.

He! sag­te Ca­de­rous­se, warum kommst du nicht zu uns? Hast du so große Eile, dass du nicht ein­mal dei­nen Freun­den einen gu­ten Mor­gen wün­schen kannst?

Fer­nand schau­te die Män­ner mit ein­fäl­ti­ger Mie­ne an und ant­wor­te­te nicht.

Er scheint ganz ver­blüfft, sag­te Danglars lei­se und stieß da­bei Ca­de­rous­se mit dem Knie. Soll­ten wir uns ge­täuscht ha­ben und kei­nen Bun­des­ge­nos­sen in ihm fin­den?

Ver­dammt! Wol­len doch se­hen! er­wi­der­te Ca­de­rous­se und füg­te, zu dem jun­gen Mann ge­wen­det, hin­zu: Nun, Ka­ta­lo­ni­er, willst du nicht kom­men?

Fer­nand trock­ne­te den Schweiß von sei­ner Stirn und trat lang­sam un­ter die schat­ti­ge Lau­be, de­ren Fri­sche sei­nem er­hitz­ten Kör­per wohl­zu­tun schi­en.

Gu­ten Mor­gen, sag­te er, Ihr habt mich ge­ru­fen, nicht wahr? Und da­bei ließ er sich er­schöpft auf einen Stuhl fal­len.

Ich rief dich, weil du wie ein Narr liefst, und weil ich be­fürch­te­te, du könn­test dich ins Meer stür­zen, er­wi­der­te la­chend Ca­de­rous­se. Was zum Teu­fel, wenn man Freun­de hat, so muss man ih­nen nicht nur ein Glas Wein an­bie­ten, son­dern sie auch ver­hin­dern, drei oder vier Pin­ten Was­ser zu schlu­cken.

Fer­nand stieß einen Seuf­zer aus, der ei­nem Schluch­zen ähn­lich klang, und ließ sei­nen Kopf auf sei­ne Fäus­te sin­ken, die er kreuz­wei­se auf den Tisch ge­legt hat­te.

Wie geht’s, Fer­nand? Soll ich dir was sa­gen, ver­setz­te Ca­de­rous­se mit plum­per Of­fen­heit, du siehst aus wie ein aus dem Fel­de ge­schla­ge­ner Lieb­ha­ber.

Und er be­glei­te­te die­sen Spaß mit schwer­fäl­li­gem La­chen.

Bah! sag­te Danglars, ein jun­ger Mann von die­sem Schnit­te kann un­mög­lich in der Lie­be un­glück­lich sein. Du scher­zest, Ca­de­rous­se.

Oh nein, er­wi­der­te die­ser, höre nur, wie er seufzt. Ru­hig, Fer­nand, füg­te Ca­de­rous­se hin­zu, die Nase hoch­ge­hal­ten und geant­wor­tet! Es ist nicht lie­bens­wür­dig. Freun­den nicht zu ant­wor­ten, die sich nach uns­rer Ge­sund­heit er­kun­di­gen.

Mei­ne Ge­sund­heit ist gut, ant­wor­te­te Fer­nand, sei­ne Fäus­te krampf­haft zu­sam­men­zie­hend, aber ohne den Kopf zu he­ben.

Oh, siehst du, Danglars, sag­te Ca­de­rous­se und mach­te da­bei sei­nem Freun­de aus ei­nem Au­gen­win­kel ein Zei­chen, das ist die Sa­che: Fer­nand, den du hier siehst, ein gu­ter, bra­ver Ka­ta­lo­ni­er, ei­ner der bes­ten Fi­scher von Mar­seil­le, ist in ein schö­nes Mäd­chen, na­mens Mer­ce­des, ver­liebt. Doch lei­der scheint das jun­ge Mäd­chen sei­ner­seits in den Se­kond des Pha­rao ver­liebt zu sein. Und da der Pha­rao heu­te in den Ha­fen ein­ge­lau­fen ist, so ver­stehst du …

Nein, ich ver­ste­he nicht, er­wi­der­te Danglars.

Der arme Fer­nand wird sei­nen Ab­schied be­kom­men ha­ben, fuhr Ca­de­rous­se fort.

Wohl und was ist da­bei? sag­te Fer­nand, das Haupt er­he­bend, und schau­te Ca­de­rous­se wie ein Mensch an, der einen sucht, auf den er sei­nen Zorn fal­len las­sen kann. Mer­ce­des hängt von nie­mand ab, nicht wahr? Es steht ihr frei, zu lie­ben, wen sie will!

Ah! wenn du es so nimmst, ent­geg­ne­te Ca­de­rous­se, so ist es et­was an­de­res. Ich hielt dich für einen Ka­ta­lo­ni­er, und man hat mir ge­sagt, die Ka­ta­lo­ni­er wä­ren nicht die Män­ner, die sich von an­de­ren aus­ste­chen las­sen; man sag­te mir wei­ter, Fer­nand sei be­son­ders furcht­bar in sei­ner Ra­che.

Fer­nand lä­chel­te mit­lei­dig und er­wi­der­te: Ein Ver­lieb­ter ist nie furcht­bar.

Ar­mer Jun­ge! ver­setz­te Danglars, der sich den An­schein gab, als be­klag­te er den jun­gen Mann aus der Tie­fe sei­nes Her­zens. Was willst du? Er war nicht dar­auf ge­fasst, Dan­tes so plötz­lich zu­rück­kom­men zu se­hen. Er hielt ihn viel­leicht für tot, für un­ge­treu, wer weiß? Man ist in sol­chen Fäl­len umso emp­find­li­cher, je un­er­war­te­ter sie ein­tre­ten.

In je­dem Fall, sag­te Ca­de­rous­se, auf den der Wein sei­ne Wir­kung aus­zuü­ben an­fing, ist Fer­nand nicht der ein­zi­ge, den Dan­tes’ glück­li­che An­kunft är­gert! Nicht wahr, Danglars?

Du sprichst die Wahr­heit, und ich glau­be fast, be­haup­ten zu kön­nen, dass ihm dies Un­glück brin­gen wird.

Doch gleich­viel, ver­setz­te Ca­de­rous­se, goss Fer­nand ein Glas Wein ein und füll­te zum zehn­ten Male sein ei­ge­nes Glas, wäh­rend Danglars nur an dem sei­ni­gen ge­nippt hat­te, gleich­viel, in­zwi­schen hei­ra­tet er Mer­ce­des, die schö­ne Mer­ce­des; er kommt we­nigs­tens des­halb zu­rück.

Wäh­rend die­ser Wor­te be­trach­te­te Danglars mit durch­drin­gen­dem Blick den jun­gen Mann, auf des­sen Herz Ca­de­rous­ses Wor­te wie ge­schmol­ze­nes Blei fie­len.

Und wann soll die Hoch­zeit sein? frag­te er.

Oh! so weit ist’s noch nicht, mur­mel­te Fer­nand.

Nein, aber es wird bald so weit sein, ent­geg­ne­te Ca­de­rous­se; so ge­wiss, als Dan­tes Ka­pi­tän sein wird, nicht wahr, Danglars?

Danglars beb­te bei die­sem un­er­war­te­ten Strei­che und wand­te sich zu Ca­de­rous­se, um auf des­sen Ge­sicht zu le­sen, ob ihm der Stich mit Vor­be­dacht ver­setzt wor­den sei. Aber er sah nichts, als den Neid aus dem in­fol­ge der Trun­ken­heit be­reits al­bern aus­se­hen­den Ge­sich­te.

Nun gut, sag­te er, die Glä­ser wie­der fül­lend, trin­ken wir also auf die Ge­sund­heit des Ka­pi­täns Ed­mond Dan­tes, des Gat­ten der schö­nen Ka­ta­lo­nie­rin!

Ca­de­rous­se setz­te mit ei­ner schwe­ren Hand sein Glas an den Mund und leer­te es auf einen Zug. Fer­nand nahm das sei­ni­ge und schleu­der­te es auf die Erde.

He, he, he! rief Ca­de­rous­se, was er­bli­cke ich da oben auf dem Hü­gel in der Rich­tung der Ka­ta­lo­ni­er! Sieh doch, Fer­nand, du hast ein bes­se­res Ge­sicht, als ich. Ich glau­be, ich fan­ge an, dop­pelt zu se­hen, und du weißt, der Wein ist ein Ver­rä­ter. Man soll­te glau­ben, es sei­en zwei Lie­ben­de, die Hand in Hand ne­ben­ein­an­der ge­hen. Gott ver­ge­be mir! Sie ver­mu­ten nicht, dass wir sie se­hen, und um­ar­men sich so­gar.

Danglars folg­te lau­ernd al­len schmerz­li­chen Be­we­gun­gen in Fer­n­ands sich sicht­lich ent­stel­len­dem Ge­sich­te.

Oho, Dan­tes! oho, schö­nes Mäd­chen! rief jetzt Ca­de­rous­se, kommt doch mal her und sagt uns, wann die Hoch­zeit sein wird.

Willst du wohl schwei­gen, sag­te Danglars, der sich den An­schein gab, als woll­te er Ca­de­rous­se zu­rück­hal­ten, der sich mit der Hals­star­rig­keit ei­nes Trun­ke­nen aus der Lau­be her­vor­neig­te. Mach, dass du nicht von der Bank fällst, und lass die Ver­lieb­ten sich ru­hig lie­ben! Sieh Herrn Fer­nand an, und nimm dir ein Bei­spiel an ihm! Er ist ver­nünf­tig.

Vi­el­leicht wäre Fer­nand, au­ßer sich und von Danglars aus­ge­sta­chelt wie der Stier durch die Ban­dil­le­ros, hin­aus­ge­stürzt, denn er hat­te sich be­reits er­ho­ben und schi­en sich auf sei­nen Ne­ben­buh­ler stür­zen zu wol­len; aber la­chend und mu­tig er­hob Mer­ce­des ihr schö­nes Haupt und ließ ih­ren kla­ren Blick strah­len. Da er­in­ner­te sich Fer­nand ih­rer Dro­hung, sich den Tod zu ge­ben, wenn Ed­mond um­käme, und er fiel völ­lig ent­mu­tigt auf sei­nen Stuhl zu­rück.

Danglars schau­te ach­sel­zu­ckend die bei­den an­de­ren an und mur­mel­te: Was soll man mit sol­chen Ein­falts­pin­seln ma­chen? Was nützt mir der blö­de Neid, der sich im Wei­ne statt in Gal­le be­rauscht, und die kin­di­sche Ver­liebt­heit, die sich, statt zu han­deln, in Kla­gen und Win­seln ver­zehrt? – Der An­ma­ßen­de wird tri­um­phie­ren, wenn ich nicht die Kar­ten mi­sche, füg­te er mit düs­term Lä­cheln hin­zu.

Hol­la, schrie Cad­crous­se, sich halb auf­rich­tend und mit den Fäus­ten auf den Tisch stüt­zend, hol­la, Ed­mond! Siehst du die Freun­de nicht, oder bist du be­reits zu stolz, um mit ih­nen zu spre­chen?

Nein, mein lie­ber Ca­de­rous­se, ant­wor­te­te Dan­tes, ich bin nicht zu stolz, ich bin glück­lich, und das Glück blen­det, glau­be ich, noch mehr als der Stolz.

Das las­se ich mir ge­fal­len; das ist eine Er­klä­rung, sag­te Ca­de­rous­se. Ei, gu­ten Mor­gen, Frau Dan­tes.

Mer­ce­des grüß­te ernst und er­wi­der­te: Das ist noch nicht mein Name, und in mei­nem Lan­de sagt man, es brin­ge Un­glück, wenn man ein Mäd­chen mit dem Na­men ih­res Bräu­ti­gams an­re­det, ehe die­ser ihr Gat­te ge­wor­den ist; ich bit­te Sie also, nen­nen Sie mich Mer­ce­des.

Die Hoch­zeit soll also un­ge­säumt statt­fin­den, Herr Dan­tes? frag­te Danglars und be­grüß­te das jun­ge Paar.

So­bald als mög­lich, Herr Danglars. Heu­te die Ver­trä­ge bei mei­nem Va­ter, und spä­tes­tens über­mor­gen das Hoch­zeits­mahl hier in der Re­ser­ve. Die Freun­de wer­den sich hof­fent­lich ein­fin­den; das heißt, Sie sind ein­ge­la­den, Herr Danglars, und du eben­falls, Ca­de­rous­se.

Und Fer­nand? ver­setz­te Ca­de­rous­se mit ei­nem ekel­haf­ten Ge­läch­ter; Fer­nand auch?

Der Bru­der mei­ner Frau ist mein Bru­der, und wir könn­ten es nur mit tie­fem Be­dau­ern se­hen, Mer­ce­des und ich, wenn er sich in ei­nem sol­chen Au­gen­bli­cke von uns fern­hiel­te.

Fer­nand öff­ne­te den Mund, um zu ant­wor­ten; aber sei­ne Stim­me ver­sag­te, und er ver­moch­te nicht ein Wort her­vor­zu­brin­gen.

Heu­te Ver­trag, über­mor­gen Hoch­zeit! Teu­fel, Sie sind sehr ei­lig, Ka­pi­tän! Was! wir ha­ben Zeit; der Pha­rao geht nicht vor drei Mo­na­ten in See.

Man soll das Glück nie ver­säu­men, Herr Danglars, und wenn man lan­ge ge­lit­ten hat, scheut man sich, an das Glück zu glau­ben. Es ist je­doch dies­mal nicht die Selbst­sucht, die mich treibt; ich muss nach Pa­ris rei­sen.

Ah, wirk­lich, nach Pa­ris, und Sie kom­men zum ers­ten Mal da­hin, Dan­tes? – Ja.

Sie ha­ben Ge­schäf­te dort?

Nicht für mei­ne Rech­nung; es ist ein letz­ter Auf­trag von un­serm ar­men Ka­pi­tän Le­clè­re, den ich zu er­fül­len habe. Sei­en Sie üb­ri­gens un­be­sorgt, ich wer­de mir nur so viel Zeit neh­men, als ich zur Hin- und Her­rei­se brau­che.

Ja, ja, ich ver­ste­he, sag­te Danglars laut; dann füg­te er lei­se hin­zu: Nach Pa­ris, ohne Zwei­fel, um den Brief, den ihm der Groß­mar­schall ge­ge­ben hat, an sei­ne Adres­se ab­zu­lie­fern. Bei Gott, die­ser Brief bringt mich auf einen vor­treff­li­chen Ge­dan­ken. Ha, Dan­tes, mein Freund! Du stehst in der Lis­te des Pha­rao noch nicht un­ter Nr. 1.

Dann rief er dem sich be­reits ent­fer­nen­den Ed­mond zu: Glück­li­che Rei­se!

Ich dan­ke, ant­wor­te­te Ed­mond, dreh­te den Kopf um und be­glei­te­te die­se Be­we­gung mit ei­ner freund­schaft­li­chen Ge­bär­de. Hier­auf setz­ten die Lie­ben­den ih­ren Weg fort, ru­hig und freu­dig, wie zwei über die Ma­ßen Glück­li­che.

Das Komplott.

Danglars folg­te Ed­mond und Mer­ce­des mit den Au­gen, bis sie an ei­ner Ecke des Forts Saint-Ni­co­las ver­schwan­den. Dann be­merk­te er, dass Fer­nand bleich und zit­ternd auf sei­nen Stuhl ge­sun­ken war, wäh­rend Ca­de­rous­se die Wor­te ei­nes Trink­lie­des stam­mel­te.

Ah! mein lie­ber Herr, sag­te Danglars zu Fer­nand, das ist eine Hei­rat, die mir nicht alle Leu­te glück­lich zu ma­chen scheint.

Sie bringt mich in Verzweif­lung, er­wi­der­te Fer­nand.

Sie lieb­ten also Mer­ce­des?

So­lan­ge wir uns ken­nen, habe ich sie stets ge­liebt.

Und Sie rei­ßen sich die Haa­re aus, statt et­was da­ge­gen zu un­ter­neh­men? Zum Teu­fel, ich glaub­te nicht, dass die Leu­te Ih­rer Na­ti­on so han­del­ten!

Was soll ich tun? frag­te Fer­nand.

Was weiß ich! Geht es mich an? Ich bin nicht in Fräu­lein Mer­ce­des ver­liebt, denk’ ich, son­dern Sie. Su­chet, so wer­det ihr fin­den, sagt das Evan­ge­li­um.

Ich woll­te den Men­schen er­dol­chen; aber sie sag­te mir, wenn ih­rem Bräu­ti­gam ein Un­glück wi­der­füh­re, so wür­de sie sich tö­ten.

Dumm­kopf! mur­mel­te Danglars, sie mag sich um­brin­gen oder nicht, wenn nur Dan­tes nicht Ka­pi­tän wird.

Und ehe Mer­ce­des stirbt, ver­setz­te Fer­nand mit dem Tone un­er­schüt­ter­li­cher Ent­schlos­sen­heit, wür­de ich mir selbst den Tod ge­ben.

Das nen­ne ich Lie­be, sag­te Ca­de­rous­se mit ei­ner im­mer mehr wein­schwe­ren Zun­ge, oder ich ver­ste­he mich nicht dar­auf.

Sie schei­nen mir ein bra­ver Bur­sche zu sein, sag­te Danglars, und der Teu­fel soll mich ho­len, ich wüss­te et­was, Ihre Pein zu en­den, denn …

Was mei­nen Sie? sag­te Fer­nand, be­gie­rig, wei­te­res zu hö­ren.

Was sag­te ich? Ich weiß es nicht mehr! Durch die­sen Trun­ken­bold von Ca­de­rous­se habe ich den Fa­den mei­ner Ge­dan­ken ver­lo­ren. Ca­de­rous­se hat­te den letz­ten Vers ei­nes da­mals sehr be­lieb­ten Lie­des zu sin­gen an­ge­fan­gen:


Alle Sün­der trin­ken Was­ser,
Wie die Sünd­flut uns be­weist …

Sie sag­ten, mein Herr, ver­setz­te Fer­nand, Sie wüss­ten et­was, mei­ne Pein zu en­den; dann füg­ten Sie hin­zu …

Ja, denn es ge­nügt dazu, scheint mir, dass Dan­tes nicht die hei­ra­tet, die Sie lie­­­­­­­