KORAN ERKLÄRT 2

Wichtige Verse kurz und verständlich erläutert

Herausgegeben von Andreas-Peter Weber unter Mitwirkung von Thorsten Gerald Schneiders

Suhrkamp

Inhalt

Grußwort

Vorwort des Herausgebers

Einleitung

Von Thorsten Gerald Schneiders

Auslegungsfragen

Die Grundsätze der Koranauslegung

Von Prof. em. Dr. Manfred Kropp

Dossier zur Authentizität des Korantexts

1a: Das Problem des Bedeutungsspektrums von Wörtern

Von Dr. Munther A. Younes

1b: Zur Frage von nachträglich hinzugefügten Versen

Von Dr. Munther A. Younes

2a: Die Fallstricke der arabischen Schrift

Von Dr. Munther A. Younes

2b: Geht es um Kamelkarawanen oder um die Seefahrt?

Von Dr. Munther A. Younes

Abrogation – ein zentrales Instrument fürs Textverständnis

Von Prof. em. Dr. Kees Versteegh

Eine sprachwissenschaftliche Tour de Force

Von Prof. em. Dr. Manfred Kropp

Göttliche Symbole und Allegorien

Von Dr. Massimo Campanini

Exkurs: Wie ein säkularer US-Künstler den Koran versteht

Von Sandow Birk*

Gottes Eigenschaften

Die 99 schönsten Namen Gottes

1. Betrachtung

Von Prof. em. Dr. Hans Zirker

2. Betrachtung

Von Prof. Dr. Devin Stewart

Gott und die Berge

Von Prof. Dr. Walid Saleh

Zur Barmherzigkeit verpflichtet?

Von Prof. Dr. William Graham

Keine Vergebung

Von Prof. Dr. Gabriel Said Reynolds

Der Gottesname »al-Rahmān« und die Benennung von Suren

Von Prof. i. ‌R. Dr. Hartmut Bobzin

al-Hamdu li-llāh – »Lobpreis sei Gott«

Von Dr. Mohammed Rustom

Gottes Zeichen in Mensch und Natur

Von Dr. Mohammed Rustom

Der Prophet Mohammed

War sein Name wirklich Mohammed?

Von Dr. Carlos Andrés Segovia

Ein neuer Noah

Von Dr. Carlos Andrés Segovia

Auf Himmelsreise

Von Prof. Dr. Mona Siddiqui

Mohammeds Konflikte – Stoff für einen Spielfilm

Von Dr. Hadiye Ünsal

Seine frühen Widersacher

Von Dr. Miklos Muranyi

Warum Mohammed keinen Sohn haben durfte

Von Prof. Dr. David Stephan Powers

Die früheren Propheten

Abraham soll seinen Sohn opfern

Von Dr. Ali Aghaei

Mose – ohne Schuhe im rätselhaften Tal Tūwa

Von Prof. Dr. Devin Stewart

Die Josefserzählung

Von Prof. Dr. Jaakko Hämeen-Anttila

Sālih und die rätselhafte Kamelstute Gottes

Von Dr. Shaun E. Marmon

Ismael und die Brutalität des Märtyrertums

Von Prof. Dr. Reuven Firestone

Geschichte und Legenden

Die Königin von Saba

Von Dr. Asad Q. Ahmed

Kain und Abel und das Töten

Von Prof. Dr. Sebastian Günther

Die Siebenschläfer

Von Dr. Hermann Kandler

Alexander der Große oder der Mann mit den zwei Hörnern

Von Prof. Dr. Jaakko Hämeen-Anttila

Die mysteriöse Figur al-Khidr

Von Prof. Dr. Patrick Franke

Der hundert Jahre währende Schlaf des Abimelech

Von Prof. Dr. Robert G. Hoyland

Moses Ratschlag an seinen Feind Korach

Von Dr. Mohammed Rustom

Gärten von Damaskus, Palmyra oder Maʾrib als Vorbild für das Paradies

Von Prof. Dr. Nasser Rabbat

Wer sind die Sabier?

Von Prof. Dr. Werner Arnold

Die Gesellschaft

Pluralität als Zeichen Gottes

Von Dr. Mahmoud Abdallah

»Ihr seid die beste Gemeinschaft«

Von Dr. Munirul Ikhwan

Taufe und Beschneidung

Von Dr. Hamza Mahmood Zafer

Der Grundsatz »Das Gute gebieten, das Schlechte verbieten«

Von Dr. Caner K. Dağlı

Bestrafung oder Vergebung?

Von Dr. Mahmoud Abdallah

Das Prinzip Rache

Von Dr. Caner K. Dağlı

Die Zakat – eine moderne Sozialversicherung im Altertum

Von Prof. Dr. Vardit Rispler-Chaim

Freundschaft als soziale Basis

Von Prof. Dr. Muna Tatari

Reichtum, Materialismus und sozialrevolutionäre Ideen

Von Dr. Tilmann Kulke

Sklaven und Sklavenhalter

Von Prof. Dr. Bernard Freamon

Warum Rechtsgelehrte eine solch hohe Stellung genießen

Von Prof. Dr. Devin Stewart

Die Regelung des Erbrechts

Von Dr. Shady Hekmat Nasser

Die Anderen – Freundschaft für Freundschaft, Feindschaft für Feindschaft

Von Prof. Dr. Asma Afsaruddin

Nichtmuslime sind nicht gleich Nichtmuslime

Von Prof. Dr. Mustansir Mir

Harraner, Mandäer, Zoroastrier – zur Akzeptanz religiöser Minderheiten

Von Prof. Dr. Jaakko Hämeen-Anttila

Steht auf für die Gerechtigkeit!

Von Prof. Dr. Farid Esack

Die Milde vieler liberaler Muslime ist fehl am Platz!

Von Prof. Dr. Farid Esack

Eigenschaften des Menschen

Die sprichwörtliche orientalische Gastfreundschaft

Von Prof. Dr. Mona Siddiqui

Menschen mit Behinderung

Von Prof. Dr. Vardit Rispler-Chaim

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Von Prof. Dr. Reiko Kuromiya Okawa

Die Undankbaren

Von Dr. Mohammed Rustom

»Kein Zwang in der Religion« – oder?

Von Prof. em. Dr. Stefan Wild

Wie der Mensch zum Muslim wird

Von Prof. Dr. Frank Griffel

Gott und der Wille des Menschen

Von Dr. Nicolai Sinai

Die Dattelpalme – Früchte vom »gute Baum«

Von Dr. Mohammed Rustom

Religiöse Pflichten

Das Schweinefleischverbot und seine Bedeutung

Von Dr. Nicolai Sinai

Der Fastenmonat Ramadan

Von Prof. Dr. Hüseyin İlker Çınar

Das Spenden

Von Prof. Dr. Hüseyin İlker Çınar

Gottes Gebotsliste

Von Prof. i. ‌R. Dr. Adel Theodor Khoury

Glaube allein reicht nicht aus

Von Prof. Dr. Bülent Uçar

Gewalt, Krieg und Frieden

Todesstrafe Steinigung

Von Prof. Dr. Ruud Peters

Mord, Totschlag und Wiedergutmachungen

Von Prof. i. ‌R. Dr. Adel Theodor Khoury

Die Bedeutung von »Dschihad«

Von Prof. Dr. Reuven Firestone

Die Märtyrer und das Paradies

Von Dr. Shaun E. Marmon

Fehden mit den Götzendienern

Von Prof. Dr. Roy Mottahedeh

»Hart gegen die Ungläubigen« – Der Vertrag von Hudaybiya

Von Dr. Munirul Ikhwan

Kampf gegen ein ominöses »Volk von gewaltiger Macht«

Von Dr. Sahiron Syamsuddin

Juden und Christen

Banū Quraiza – Die Auslöschung eines jüdischen Stammes

Von Dr. Shady Hekmat Nasser

Antisemitismus? – Zu Affen und Schweinen gemacht

1. Betrachtung

Von Dr. Holger Zellentin

2. Betrachtung

Prof. Dr. Reuven Firestone

Die Geschichte der Sabbatbrecher

Von Dr. Holger Zellentin

Jesu Abendmahl

Von Prof. Dr. Devin Stewart

Kein Vater, Sohn und Heiliger Geist – Eine klare Absage an die Trinitätslehre

Von Dr. Hamza Mahmood Zafer

Christliche Mönche

Von Prof. Dr. Alexander D. Knysh

Kritik an der Verehrung religiöser Würdenträger

Von Dr. Holger Zellentin

… weil sich Juden und Christen »Söhne Gottes« nennen

Von Dr. Holger Zellentin

Die Frau

Die Stellung der Frau innerhalb der Urgemeinde

Von Prof. em. Dr. Adel Theodor Khoury

Kopftuch und Schleier

Von Prof. Dr. Mona Siddiqui

Von Frauen, Sklaven, Eunuchen und Transsexuellen

Von Dr. Shaun E. Marmon

Wie frauenfeindlich ist das Erbrecht?

Von Dr. Shady Hekmat Nasser

Dossier zu Sure 4,34 »… und schlagt sie!«

1. Betrachtung

Von Prof. Dr. Asma Afsaruddin

2. Betrachtung

Von Prof. em. Dr. Bruce B. Lawrence

3. Betrachtung

Von Sandow Birk*

Liebe und Sexualität

»Eure Frauen sind euch ein Acker«

Von Dr. Maria Massi Dakake

Geschlechtsverkehr innerhalb und außerhalb des Ramadans

Von Prof. Dr. Farid Esack

Homosexualität

Von Dr. Jonathan A. ‌C. Brown

Beziehungen zu Sklavinnen

Von Dr. Shaun E. Marmon

Medizin und Ethik

Die Schwangerschaft

Von Prof. Dr. Thomas Eich

Abtreibung und künstliche Befruchtung

Von Prof. Dr. Abdulaziz Sachedina

Reproduktionsmedizin – Menschliches Klonen und die Frage der Verwandtschaft

Von Prof. Dr. Abdulaziz Sachedina

Umwelt und Tiere

Fleischkonsum in Zeiten von Massentierhaltung

Von Asmaa El Maaroufi, M. ‌A.

Islamische Umweltethik – Wenn selbst Flora und Fauna Gott loben

Von Dr. Sarra Tlili

Menschen als Zerstörer der Natur

Von Dr. Mohammed Rustom

Wundersame Tiergeschichten

Von Prof. em. Dr. Kees Versteegh

Glaube und Wissenschaften

Der Koran als Triebfeder für die Forschung

1: Die Astronomie

Von Prof. Dr. George Saliba

Der Koran als Triebfeder für die Forschung

2: Die Mathematik

Von Prof. Dr. George Saliba

Eine Quelle der Philologie

Von Prof. i. ‌R. Dr. Hans Daiber

Geisterwelt und Magie

Die Angst vor Zauberei und bösen Blicken

Von Prof. em. Dr. Stefan Wild

Geister namens Dschinn

Von Dr. Amira El-Zein

Schöpfung, Apokalypse und Jenseits

Das Universum

Von Dr. Stephen R. Burge

Das Erdbeben am Ende aller Tage

Von Prof. Dr. Shigeru Kamada

Zwei rätselhafte Gewässer

Von Dr. Tommaso Tesei

Die Geschichte des Teufels

Von Prof. Dr. Gabriel Said Reynolds

Satan und der Oberste Rat der Engel

Von Dr. Massimo Campanini

Philosophisch-theologische Betrachtungen

Das Ringen mit der Zeit

Von Dr. Ghassan El Masri

Moral und Gerechtigkeit

Von Dr. Samer Rashwani

Wissen und Gewissheit

Von Dr. Massimo Campanini

Wie Gut und Böse entstehen

Von Prof. Dr. Reinhard Schulze

Gründliches Nachdenken über die Welt

Von Dr. Mohammed Rustom

Von Blitz und Donner

Von Dr. Mohammed Rustom

Mystische Betrachtungen

Der Lichtvers

Von Prof. Dr. Enes Karić

Die Schöpfung des Menschen

Von Prof. Dr. Enes Karić

Religion und moderne Politik

Abraham und die Dschihadisten

Von Dr. Orhan Elmaz

Kritische Anmerkungen

1: Zur Frage eines Eroberungsanspruchs der Muslime

Von Prof. Dr. Otto Jastrow

Kritische Anmerkungen

2: Zur Frage der religiösen Toleranz im Islam

Von Prof. Dr. Otto Jastrow

Über den Islam

Eine Religion zwischen den Kulturen der Welt

Von Prof. Dr. Reza Aslan

Das Selbstverständnis der Religion

Von Dr. Miklos Muranyi

Die Kurzfassung des neuen Glaubens

Von Prof. Dr. Walid Saleh

Das Urbekenntnis

Von Prof. em. Dr. Hans Zirker

Die Autorinnen und Autoren des Bandes

Verzeichnis der ausgelegten Suren

Grußwort

Der Deutschlandfunk hat mit dem wöchentlichen Informationsformat »Koran erklärt« etwas Einmaliges geschaffen, das es trotz der Vielfalt unserer Medienlandschaft so bislang nicht gegeben hat. Weder im In- noch im Ausland wurde eine vergleichbare Produktion entwickelt. Ihr wichtigstes Merkmal brachte jüngst eine Hörerzuschrift, wie ich finde, treffend auf den Punkt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich finde es klasse und lobenswert, dass endlich Leute eingeladen und befragt werden, die keine scheinbaren Experten sind. Vor allem beim Thema Islam scheint jeder ein Experte zu sein. Daher freue ich mich sehr, Beiträge von Menschen zu hören, die sich wissenschaftlich und beruflich mit diesem Thema dauerhaft und systematisch beschäftigen.

Vielen Dank für diese Bereicherung!

Mit freundlichen Grüßen,

Faruk Civelek

In der Tat sichert die sorgfältige Auswahl der Autoren diese besondere Qualität, von der Herr Civelek hier spricht. Es sind ausnahmslos anerkannte Wissenschaftler und islamische Theologen, die seit Jahren zu ihren Themen forschen. Viele tun das auf international höchstem Niveau. Sie lehren an renommierten Universitäten in Deutschland, aber auch in Harvard, Princeton, Oxford, Cambridge oder an der Sorbonne und stellen weltweit Referenzen für das Verständnis der heiligen Schrift des Islams dar.

In ihren jeweils fünfminütigen Sendebeiträgen ließen sie jeden Freitagvormittag die Hörerinnen und Hörer auch im Internet in verständlicher Sprache an ihrem großen Wissen teilhaben. Durch ihren Sachverstand und die sorgfältige Redaktion durch den Deutschlandfunk konnte »Koran erklärt« zu einem solchen Erfolg werden.

Dafür möchte ich mich bei den Autorinnen und Autoren, dem Programmdirektor Andreas-Peter Weber, dem verantwortlichen Redakteur Thorsten Gerald Schneiders ebenso sehr herzlich bedanken wie bei meinem damaligen Referenten Dr. Sebastian Engelbrecht, der »Koran erklärt« mit mir zusammen konzipiert hat.

Ich selbst habe mich jahrelang über diese Themen mit meinem alten Studienfreund Sultan Ghalib al Qu'aiti bin Hadhramaut ausgetauscht, einem gläubigen Muslim und in Cambridge promovierten Islamwissenschaftler und Historiker, der zunehmend daran leidet, wie sein Glaube von den einen missverstanden und von den anderen geschändet wird.

Als ich als Intendant von Deutschlandradio dann vor vier Jahren die Entscheidung zu dieser Sendereihe traf, hätten wir alle diesen großen Zuspruch von Woche zu Woche nicht für möglich gehalten.

2017 ermittelte der Wissenschaftler Dr. Raphael Rauch von der Universität Zürich für einen Fachbeitrag in der Zeitschrift für Medienethik und Kommunikation in Kirche und Gesellschaft »Communicatio Socialis« (Nr. 3/2017, S. 391-405): »Nimmt man die Zahlen des Senders als Grundlage, dann dürfte ›Koran erklärt‹ auf etwa 254 ‌000 Hörer kommen. Demzufolge ist ›Koran erklärt‹ die islamische Sendung mit der größten Reichweite in Deutschland.«

Ungeachtet mancher Zweifler und Kritiker war es gerade für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk an der Zeit, ein eigenständiges Programmangebot mit Informationen, Aufklärung und differenzierter Betrachtung zum Islam anzubieten. Diese Religion wird seit Langem von der einen Seite für Gewalt und Terror gegen Nichtmuslime oder Abweichler und von der anderen Seite für Diffamierung und Anfeindung von Muslimen missbraucht. Die fundierte Befassung mit dem Koran durch ausgewiesene Kenner, Muslime wie Nichtmuslime, schien mir ein notwendiger und wertvoller Beitrag zu sein.

Es freut mich daher sehr, dass nun auch die zweite gedruckte Ausgabe dieser Hörfunkreihe vorliegt und diese abermals im Suhrkamp Verlag in Berlin erscheint. Möge das Buch eine ebenso große Verbreitung finden wie der 2017 zum Ende meiner Amtszeit von mir selbst herausgegebene erste Band »Koran erklärt«.

Ich wünsche Ihnen Vergnügen beim Lesen und informative Einblicke in die Entstehungsgeschichte, die Strukturen und Inhalte des Korans.

Vorwort des Herausgebers

Religion und Glaube im traditionellen Sinn sind in Deutschland zunehmend auf dem Rückzug. Mit der Zahl der Kirchenaustritte steigt die Zahl der Konfessionslosen, Agnostiker und Atheisten. Dennoch hat Religion in ihren historisch gewachsenen Dimensionen weiterhin eine wichtige sozialpolitische Bedeutung. Diese abzubilden, gehört zum gesetzlichen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, also auch des Deutschlandradios.

Unser Land hat eine klare christliche und humanistische Tradition. Es ist jedoch auch in religiöser Hinsicht vielfältiger geworden, das gehört zur Wirklichkeit in Deutschland, und das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Man mag die Aussage »Der Islam gehört zu Deutschland« problematisch finden, inhaltlich wenig griffig oder nicht zielführend, aber sie enthält einen wahren Kern. Dem muss und will sich ein Haus wie das Deutschlandradio mit seinen drei Programmen Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova stellen. Laut Rundfunkstaatsvertrag sollen wir ausdrücklich den »gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern« und »Beiträge insbesondere zur Kultur« anbieten, wobei unter Kultur explizit auch »Religion« gefasst wird. Nicht zuletzt ist auch die Besetzung unseres Hörfunkrates, des obersten Aufsichtsgremiums für die Programmkontrolle, auf die Vielfalt der Gesellschaft ausgerichtet. Von daher war für mich als Programmdirektor klar, dass eine Sendung wie »Koran erklärt«, die hier in Buchform dokumentiert wird, einen Platz im Programm haben soll.

Für das Christentum und das Judentum gibt es – historisch bedingt – eigene Sendeplätze, die von Vertretern der Religionsgemeinschaften in inhaltlicher Eigenverantwortung gestaltet werden. Im Fernsehen ist das zum Beispiel das »Wort zum Sonntag«, in unseren Radioprogrammen die werktägliche »Morgenandacht« um 6.35 Uhr und die Sendung »Schalom – Jüdisches Leben heute«, immer freitags um 15.50 Uhr. In diesen Angeboten spiegelt sich die rechtliche Vorstellung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Staat und Kirchen beziehungsweise Religionsgemeinschaften wider, die auch in unserem Grundgesetz verankert ist. Für die konkrete Ausgestaltung wurden der Rundfunkstaatsvertrag, die Landesmediengesetze und Satzungen der Rundfunkanstalten verabschiedet, die öffentlich-rechtlichen wie privaten Sendern verschiedene Wege der Kooperation eröffnen oder vorschreiben.

Mit Blick auf den Islam gestaltet sich die Umsetzung aus verschiedenen Gründen vergleichsweise kompliziert: Unter anderem hat das mit einem Mangel an Organisationsstrukturen und mit dem vorherrschenden Verständnis des deutschen Staatskirchenrechts beziehungsweise des deutschen Religionsverfassungsrechts zu tun. Islamische Religionsgemeinschaften bilden beispielsweise nur in Ausnahmefällen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die größeren Zusammenschlüsse von Musliminnen und Muslimen in Deutschland werden durch den deutschen Staat nicht als Religionsgemeinschaft im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes anerkannt. Das hemmt die Beteiligung von Musliminnen und Muslimen an einer Mitgestaltung hiesiger Medien.

Wir aber sind der Meinung: Angesichts der Brisanz und der Vehemenz vieler aktueller Islamdebatten sollte einer gezielten Auseinandersetzung mit dem Islam nichts im Weg stehen. Deshalb entwickelte der Deutschlandfunk 2015 ein Format, das auch ohne eine Einbindung von Religionsgemeinschaften tiefergehende und regelmäßige Informationen über den Islam bieten sollte. Um die Verkündung eines Glaubens konnte und sollte es dabei freilich nicht gehen.

Es gab schon früher Versuche, islamische Glaubensvorstellungen in den Medien der Bundesrepublik zu thematisieren: Deutschlandfunk Kultur als Nachfolger des RIAS in Berlin räumt schon seit vielen Jahren religiösen Minderheiten – hin und wieder auch muslimischen – kurze Sendezeiten ein. Ab 2006 ging im SWR das »Islamische Wort« oder im ZDF das »Forum am Freitag« auf Sendung. Die Angebote waren aber auf das Internet oder auf Spartenkanäle beschränkt. Mit »Koran erklärt« wurde dann ab März 2015 erstmals in Deutschland ein Format zum Islam im Hauptprogramm eines bundesweiten Rundfunkvollprogramms regelmäßig ausgestrahlt.

Die Produktion ist eine Erfolgsgeschichte und hat unserem Haus inzwischen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Anerkennung und Zuspruch eingebracht. Es würde mich freuen, wenn wir damit auch anderenorts Anstöße zu ähnlich qualitativ hochwertigen Programmangeboten geben.

Damit ist unsere Auseinandersetzung mit dem Islam aber längst noch nicht am Ende: Der Deutschlandfunk hat inzwischen die Beitragsreihe »Den Islam denken und leben« eingeführt, und während sich »Koran erklärt« eher mit den theologischen Grundlagen befasst, beleuchtet diese stärker die praktische Bedeutung der Religion für deutsche Musliminnen und Muslime im Alltag. Darüber hinaus wird sich das Deutschlandradio selbstverständlich auch weiterhin in seinen täglichen Informations- und Hintergrundsendungen zu Religion und Gesellschaft dem Thema Islam aus allen Perspektiven widmen.

Einleitung

Von Thorsten Gerald Schneiders

Immer wieder erreichen den Deutschlandfunk Zuschriften von Hörerinnen und Hörern sowie Internetnutzerinnen und Internetnutzern, die kritisch nachfragen, warum so viel Aufhebens um den Islam gemacht wird. In der Tat ist diese abrahamitische Religion in der Öffentlichkeit omnipräsent: In regelmäßigem Turnus erscheinen neue Bücher, oder jemand unternimmt einen politischen Vorstoß zum Thema, nahezu täglich werden journalistische Beiträge dazu verfasst.

Die Begründungen für dieses Phänomen sind komplex. Der Islam ist nach dem Christentum die größte Religionsgemeinschaft der Welt, Gleiches gilt für Deutschland. Insofern ist es naheliegend, dass der Islam neben dem Christentum und neben dem Judentum mit seiner fast 2000-jährigen Geschichte in Mitteleuropa häufiger im Fokus steht als andere Religionen. Allerdings unterscheidet sich die Relation der Zahl der Muslime zur Gesamtbevölkerung auf nationaler von der auf globaler Ebene. Weltweit bekennt sich geschätzt etwa ein Viertel der Weltbevölkerung zum Islam. In Deutschland sind es gerade einmal fünf bis sechs Prozent, sodass die Vermutung einer überproportionalen Hervorhebung durchaus ihre Berechtigung gewinnt.

Die quantitative Größe der Religionsgemeinschaft allein reicht kaum aus, um die anhaltend intensive Beschäftigung damit hinreichend zu erklären. Bei einer genaueren Betrachtung der Beiträge rund um das Thema Islam gelangt man zu der Erkenntnis, Muslime sind mehr als eine Religionsgemeinschaft, sie und ihr Glaube sind Gegenstand intensiver politischer und gesellschaftlicher Debatten. Die islamische Welt, deren Kernländer in direkter Nachbarschaft zu Europa liegen, wird von Kriegen und Konflikten geprägt, fast alle Staaten haben autoritäre Regierungen, wobei Religion und Politik oft zu einer nahezu unauflöslichen Melange verschmelzen.

Einerseits treten Muslime als politische Akteure auf, die ihren Glauben zur Grundlage politischer Entscheidungen machen wollen. Unter diesen sogenannten Islamisten sind Menschen, die für ihre Ziele Gewalt und Terror legitimieren, was sowohl nach klassischen Nachrichtenregeln als auch nach soziologischen Erkenntnissen die allgemeine Aufmerksamkeit steigert. Andererseits treten Nichtmuslime als politische Akteure auf, zu deren Agenda die Abwertung des Islams und seiner Anhänger gehört. Unter ihnen sind Aktivisten, bei denen sich die Ablehnung bis zur Islamfeindlichkeit steigert und deren Handlungen ebenfalls Gewalt und Terror als Mittel der Auseinandersetzung einschließen.

Da sowohl Islamisten als auch Islamfeinde zumeist mit Verzerrungen und fragwürdigen Zuspitzungen in ihren Darstellungen arbeiten, kursieren in der Öffentlichkeit zahlreiche falsche Vorstellungen und Halbwahrheiten. Diese beziehen sich unter anderem auf den Koran, der die Hauptquelle für die religiösen Grundlagen im Islam darstellt. Es ist somit von besonderem Interesse, sich fachlich mit dem Verständnis der im Koran enthaltenen Texte zu befassen, um zur notwendigen Versachlichung zu kommen. Dazu will das vorliegende Buch beitragen.

Es dokumentiert wie der 2017 im Suhrkamp Verlag erschienene und von Dr. Willi Steul, Intendant a. ‌D., herausgegebene erste Band weitere Beiträge aus der Radiosendung »Koran erklärt«, die weltweit einzigartig im Hinblick auf Konzeption und Expertise ist, weshalb dieses Buch trotz des möglichen Übermaßes einer Thematisierung des Islams nicht nur seine Berechtigung findet, sondern aus unserer Sicht relevant ist.

Jeder gesendete Beitrag füllte jeweils freitagvormittags fünf Minuten im Hauptprogramm des Deutschlandfunks. Der Aufbau der Sendung ist immer gleich: Zunächst wird ein Koranauszug zitiert, dessen Verständnis dann ausgewiesene Fachwissenschaftlerinnen oder Fachwissenschaftler darlegen, die als Gastautoren gewonnen werden konnten. Abschließend wird der erläuterte Koranauszug als Gedächtnisstütze noch einmal wiederholt.

Die Sendung richtet sich an alle Interessierten gleichermaßen, eine bestimmte Zielgruppe gibt es nicht. »Koran erklärt« wird redaktionell vom Deutschlandfunk verantwortet, eine Kooperation mit islamischen Glaubensgemeinschaften findet nicht statt, da die Sendung als ein rein journalistisches Produkt konzipiert wurde. Beigetragen haben neben deutschen zahlreiche internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Ausgangstexte zum Teil in Fremdsprachen eingereicht haben, sodass diese ins Deutsche übersetzt werden mussten – einige Beiträgerinnen und Beiträger werden durch die Sendung und die Drucklegung erstmals in deutscher Sprache publiziert. Die Übersetzungen wurden von mir als Redakteur der Sendung vorgenommen und in der Regel durch die Verfasserinnen und Verfasser persönlich autorisiert.

Sowohl die Erklärungen als auch die Koranübersetzungen sind auf die Gestaltung eines Programms im Radio ausgerichtet. Aufbau, Sprache und Schreibstil der Manuskripte folgen weitgehend den Prinzipien des Hörfunkjournalismus, die unter anderem Sätze von Komplexität befreien, Redundanzen fördern oder Fremdwörter vermeiden. Die einzelnen Texte wurden für die Lektüre behutsam redigiert, vom Deutschlandfunk mit Überschriften versehen, um die Wiederholung des Koranauszugs am Ende gekürzt und nach thematischen Überlegungen neu zusammengestellt.

So sind mehrere kleine Kapitel entstanden. Inhaltlich reichen sie von den Grundprinzipien der Interpretation und des Verständnisses dieses jahrhundertealten Textes bis hin zu modernen Themen, die unter Verweis auf Verse des Korans verhandelt werden. Dabei werden theologische Fragen ebenso diskutiert wie weltliche. Es geht zunächst um Gott, um Mohammed und die Propheten vor ihm sowie die Geschichten und Legenden berühmter koranischer Figuren. Anschließend wenden sich die Beiträge dem Menschen als Teil einer Gesellschaft und als Individuum zu. Heute mitunter heikle und vielbeachtete Aspekte wie Krieg und Gewalt, das Frauenbild oder das Verhältnis zu anderen Religionsgemeinschaften finden ebenso ihren Niederschlag wie eher selten erörterte Sujets, worunter beispielsweise die Sicht auf Menschen mit Behinderung fällt, auf die Natur, Tiere, Magie oder die (Natur-)Wissenschaft.

Die Ausführungen der Gastautorinnen und -autoren zielen auf reine Informationsvermittlung ab und erheben keine dogmatischen Ansprüche. Ebenso wenig geht es ihnen darum, die jeweils ausgewählten Koranauszüge, meist handelt es sich um einzelne Verse, umfassend darzulegen. Im Zentrum stehen in der Regel bestimmte Aspekte und die wichtigsten Auskünfte dazu.

Die Auslegung des Korans ist und bleibt eine fortwährende Aufgabe, die nie zu einem Abschluss gebracht werden kann, da der Weltenlauf die Rahmenbedingungen für das Verständnis historischer Überlieferungen permanent verändert. Zudem gibt es verschiedene Strömungen im Islam von fundamentalistisch bis liberal, die eigenen Prinzipien bei der Interpretation der Verse folgen.

Unsere Gastautorinnen und -autoren haben sich darum bemüht, wie es in der Wissenschaft Usus ist, eine professionelle Distanz zum Gegenstand ihrer Forschungen einzuhalten und gegebenenfalls persönliche Ansichten kenntlich zu machen. Ihre Texte sind keine wissenschaftlichen Abhandlungen, sondern leicht verständliche Essays, geschrieben für ein Publikum ohne spezifisches Vorwissen zum Koran. Sendung und Buch liefern somit Annäherungen an das Verständnis des Korans, beruhend auf theologischen und/oder islamwissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Transliteration arabischer Namen und Fachbegriffe orientiert sich vor diesem Hintergrund nicht an einem festgelegten Regelsystem, sondern an der Maxime einer bestmöglichen Lesbarkeit. Für solche Wörter, die auch im Deutschen gebräuchlich sind, wird die deutsche Schreibweise verwendet.

Die Übersetzungen der einzelnen Koranverse aus dem arabischen Originaltext folgen keiner bestimmten deutschen Ausgabe. Für eine Radiosendung wie »Koran erklärt« ist es aus rein pragmatischen Gründen unmöglich, sich für eine zu entscheiden. Das liegt bereits daran, dass die Autoren Hartmut Bobzin, Adel Theodor Khoury und Hans Zirker jeweils eigene Koranübersetzungen vorgelegt haben, mit denen sie arbeiten. Des Weiteren muss man mit Blick auf das Kriterium eines guten Hörverständnisses feststellen, dass das nicht durchgängig von ein und derselben Ausgabe erfüllt wird. Mitunter liefern unterschiedliche Werke besser geeignete Übersetzungen, weil mal hier, mal dort die einfachere grammatische Struktur oder die moderneren Ausdrücke benutzt wurden. Ähnlich ist es hinsichtlich des inhaltlichen Zuschnitts einer »Koran erklärt«-Folge, denn auch die Formulierungen, die im Sinne einer Radiosendung eindeutiger auf das ausgewählte Thema zulaufen, finden sich nicht immer in einer einzigen Ausgabe. Bei fremdsprachigen Beitragsmanuskripten, wo die eigenständige Übersetzung von Koranversen ins Deutsche nötig gewesen ist, wurden primär die Arbeiten von Rudi Paret, Adel Theodor Khoury, Hans Zirker, Hartmut Bobzin und Max Henning (herausgegeben von Annemarie Schimmel) sowie das »Corpus Coranicum« konsultiert.

Für detaillierte Ausführungen zu den redaktionellen Entscheidungen über die Auswahl der Gastautorinnen und -autoren sowie der Koranauszüge und zu den historischen Dimensionen der Exegese der heiligen Schrift des Islams möchte ich auf meinen Beitrag im ersten Band »Koran erklärt« hinweisen: »Die Geschichte der Koranauslegung im Überblick. Von den Anfängen bis zu einer Informationssendung im Deutschlandfunk«.