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Nr. 11

 

NEUBEGINN

 

In der Verbotenen Zone von Susmal – ein System soll initialisiert werden

 

Dietmar Schmidt

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Auf der Erde schreibt man das Jahr 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Seit über 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. Sie haben unzählige Planeten besiedelt und sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet. Terranische Raumschiffe erforschen das Universum, manche werden zu Legenden – insbesondere die gigantische, hantelförmige SOL.

Perry Rhodan hat die Menschheit von Beginn an bei ihren Vorstößen ins All geleitet. Als er in der Milchstraße eine kosmische Katastrophe abwenden will, wird er unfreiwillig in die ferne Galaxis Tare-Scharm versetzt.

Dort stößt er auf Nachkommen der SOL-Besatzung. Rhodan entdeckt, dass der Mittelteil der SOL – mit seinem Sohn Roi Danton an Bord – in einer Proto-Chaotischen Zelle gefangen ist. Mit einer gefährlichen Aktion kann er die Verschollenen retten.

Aber als er letzte Chaosspuren entfernen will, die der SOL anhaften, gerät er mitten in einen Bürgerkrieg – und eine äonenalte Gefahr erwacht von Neuem. Perry Rhodans einzige Chance ist ein NEUBEGINN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner stemmt sich gegen das Chaos.

Mahlia Meyun – Die Heilerin ist eine Getriebene ihrer Schuld.

Roi Danton – Rhodans Sohn geht in einen Risikoeinsatz.

Colwin Heltamar – Der Yakonto muss Farbe bekennen.

1.

 

Wir Eoracten sind es, die den wahren Willen der Kosmokraten erfüllen, indem wir ihnen verschaffen, was sie sich nicht wünschen dürfen.

– Bericht Colwin Heltamar

 

Unter dem Deckmantel des Pragmatismus blickten die Eoracten in die Proto-Chaotische Zelle – und die Proto-Chaotische Zelle blickte auf sie.

– Bericht Roi Danton

 

»Die haben ja wohl den Verstand verloren!«, rief Viena Zakata mit Blick auf das zentrale Außenbeobachtungsholo, in dem erst Dutzende, dann Hunderte von Schiffen zu sehen waren. Wie viele andere Alt-Solaner übte der Ortungsspezialist mit den vorstehenden Zähnen wieder seine alte Funktion an Bord des Fernraumschiffs aus.

»Sofern sie je welchen besessen haben«, brummte Ruud Servenking, der in seinem Schwebe-Kontursessel der Abteilung Bordmaschinen vorsaß.

Für Perry Rhodan war es noch immer seltsam, genau die Abteilungsleiter in der Kommandozentrale der SOL zu sehen, die er bereits vor so langer Zeit gekannt hatte. Für ihn waren sie seit der letzten Begegnung unvermittelt gealtert, aber benahmen sich fast, als wäre nichts geschehen. An ihrer Seite saßen auch einige junge Offiziere wie die Erste Pilotin Tanyda Maigona völlig selbstverständlich auf ihren Stationen, bereits alte Hasen für die Solaner, für Rhodan jedoch neue Gesichter.

»Können wir uns ein wenig mehr an die Schiffsdisziplin halten?«, fragte Fee Kellind. Die grauhaarige Kommandantin der SOL hatte ihren angestammten Platz im Mittelteil des wieder zusammengefügten Kombinationsraumschiffs eingenommen. Aber ihr Versuch, markig für ordnungsgemäße Meldungen zu sorgen, geriet etwas wacklig.

Bei dem, was hinter ihnen lag, hatte Perry Rhodan volles Verständnis, dass Kellind noch nicht wieder ganz sattelfest war. Den Neu-Solanern war es gemeinsam mit Rhodan gelungen, den Mittelteil der SOL aus der Proto-Chaotischen Zelle zu bergen. Allerdings hatten sie dabei etwas in den Einsteinraum eingeschleppt – einen schwarzen Chaosfleck, der das Hantelschiff an den Rand der Zerstörung gebracht hatte. Im »chaotischen Mischraum« der Verbotenen Zone im Susmalsystem hatten sie das Phänomen im letzten Moment neutralisieren können.

Geblieben war den Alt-Solanern das schlechte Gewissen, dass sie sich von einem Erpresser hatten austricksen lassen, der die Kinder der SOL in seine Hand bekommen hatte – und die Erinnerung an den Aufenthalt in der Proto-Chaotischen Zelle im Zentrum von Evolux; an die fremden Bewusstseinssplitter, unter denen außer Roi Danton alle Besatzungsmitglieder des SOL-Mittelteils gelitten hatten; an die changierenden Realitätsebenen auf dem Flug ins Susmalsystem und deren Auflösung durch den erneuten Freitod des Kommandanten Junyoll Odalkir ...

All das hatte sich für die Besatzung des Mittelteils binnen nur weniger Wochen abgespielt. Es gab viel zu verarbeiten, aber nicht die nötige Ruhe dafür. Denn nachdem die SOL knapp dem Untergang entronnen war, war umgehend die nächste – zumindest potenzielle – Bedrohung gefolgt: zwei verfeindete Ksuniflotten, die nun in unmittelbarer Umgebung des terranischen Generationsraumschiffs manövrierten.

»Jetzt mal eine präzise Meldung, Major!«, forderte Kellind schon deutlich gefasster vom Chef der Abteilung Funk und Ortung.

Zakata nickte, sein weißer Pferdeschwanz wippte. »Zwei Großverbände aus Ksunikampfraumern stürzen im freien Fall aufeinander zu, mit den Hecks voran. Ihr wisst selbst, was das bedeutet.«

Servenking grunzte abschätzig. »Die Ksuni verwenden primitive Fusionsantriebe. Diese Triebwerke sind zugleich ihre Hauptbewaffnung. Sie wollen auf kurze Distanz die Fusionsmotoren zünden und einander mit den Antriebsstrahlen attackieren.«

»Außerdem haben sie vermutlich elektromagnetische Massetreiber«, merkte Oberst Akim Xerayne an, der Chef der Schiffsverteidigung. »Ihnen fehlt jede auf Hyperenergie beruhende Technik; sie haben keine Andruckabsorber, und die höchste beobachtbare Beschleunigung ihrer Einheiten liegt knapp unter drei Gravos. Ihre rückständige Technik hindert sie allerdings nicht daran, sich jetzt schon zu beharken.« Er vergrößerte einen Bildausschnitt im Zentralholo. Lichtfunken zuckten von den lang gestreckten Sphäroiden der Ksunischiffe weg.

»Diese Dinger da beschleunigen sogar mit etwa fünfzig Gravos«, fügte er hinzu. »Sie sind also unbemannt; die Ksuni haben noch keine Antigravtechnologie. Eine derartige Beschleunigung müsste jedes Lebewesen innerhalb kürzester Zeit töten. Es handelt sich somit um Raumtorpedos.«

Rhodan schwieg, er ließ die Zentralebesatzung machen. Die Leute hatten die Ksuni zwar noch nicht aus erster Hand kennengelernt wie die Neu-Solaner, aber sie hatten große Erfahrung in Fragen von Erst- oder auch Zweitkontakten mit fremden Zivilisationen. Wenn er ihnen zu oft in die Parade fuhr, konnte es sie verunsichern. Besser, sie fassten wieder aus sich heraus Zutrauen in ihre Fähigkeiten.

Rhodan rechnete ohnehin nicht mit großen Schwierigkeiten. Der technische Stand im Susmalsystem entsprach in etwa dem der Ferronen im Jahr 1975 alter Zeitrechnung, als er mit der GOOD HOPE zur Wega gesprungen war: Fusionstechnik, aber noch keine Nutzung hyperphysikalischer Phänomene. Mittlerweile wussten die Ksuni, dass es dergleichen gab, und vermutlich war es nur eine Frage der Zeit, bis auch sie höherdimensionalen Vorgängen auf die Spur kamen. Es sei denn, sie bombten einander wechselseitig in die Steinzeit zurück.

Die Funken erloschen. »Die Triebwerke haben Brennschluss«, erläuterte Xerayne. »Die Torpedos durchqueren das All nun ebenfalls im freien Fall, werden den feindlichen Verband aber erreichen, lange bevor es zum Gefechtskontakt mit den Fusionstriebwerken kommt. Mit Radar und anderen normalenergetischen Ortungsgeräten lassen sie sich kaum aufspüren. Wir haben sie natürlich in den Massetastern.«

Strahlen blitzten von Ksunischiffen in die Leere, und mit einem Mal strahlten brillante Leuchtwolken auf. »Torpedoabwehrlaser«, erkannte Xerayne. »Sie fangen die Fernlenkgeschosse ab.« Zwischen den Ksunischiffen detonierten vier grellweiße Miniatursonnen. »Fast alle.« Er holte einen der Glutbälle heran. Zwei, dann drei nahe Einheiten explodierten, an weiteren Schiffen zeigten sich Feuererscheinungen, Plasmaausbrüche, ohne dass sie vernichtet wurden. Von einigen lösten sich die ersten Rettungskapseln.

»Fusionsbomben mit hoher Ausbeute an schnellen Neutronen. Verheerend für Mensch und Material.« Xeraynes Stimme war seine Abscheu anzumerken. »Oder für Ksuni.«

»Kaum fliegen wir in die Verbotene Zone ein, geraten wir in eine Raumschlacht«, sagte Rhodan.

Er hatte das Ziel vor Augen: das alte Kolonnen-Dock aus der Zeit vor zwanzig Millionen Jahren, als die Terminale Kolonne TRAITOR die Galaxis Tare-Scharm in eine Negasphäre hatte umwandeln wollen. Das Gebilde in Form eines Hohlzylinders mit einem Außendurchmesser von vierzig und einer lichten Innenweite von fünfundzwanzig Kilometern bestand aus drei aufeinandergestapelten Werftringen, die je acht Kilometer hoch waren. Ein Stück davon entfernt flammte der rote Feuerring des Situationstransmitters im All.

In genau dieses Dock mussten die Menschen der SOL hinein und irgendwie die Schutzschirmkonstruktion abschalten, die sie in einer relativ kleinen Raumblase gefangen hielt. Dass genau zwischen ihnen und der alten TRAITOR-Station ein Gefecht tobte, war eine Schwierigkeit mehr, als Rhodan brauchen konnte.

Er merkte selbst, dass er ein wenig resigniert klang, rief sich zur Ordnung und musterte die einander gegenüberstehenden Flotten. Erst durch die ortungstechnische Datenaufbereitung der SOL-Positronik überhaupt sichtbar, mutete ihnen etwas Archaisches an, wie sie in festen Formationen aufeinander zufielen und sich Fünkchen zuzuwerfen schienen. Mit modernen Kampfschiffen sah man so etwas nie. Deren Gefechte liefen bei hohen Geschwindigkeiten mit jähen Manövern ab, von denen die Ksunischiffe augenblicklich zerrissen worden wären, hätten ihre Triebwerke solche Leistungswerte hergegeben. Allerdings hätten auch moderne Raumfahrzeuge in der Verbotenen Zone ihre Stärken nicht ausspielen können, weil der Radius dieser Sphäre nur wenig größer war als der Abstand von Luna zur Erde. Alle Manöver mussten sich auf diesem engen Raum abspielen, denn wer einmal in die Zone eingeflogen war, kam nicht mehr so leicht hinaus.

Das entbrennende Gefecht hatte etwas Unausweichliches und zugleich Elegantes an sich, präsentierte sich als ein grauenvolles Ballett des Todes. »Von den Ksunischiffen geht keine Gefahr für die SOL aus«, zog Akim Xerayne ein Fazit. »Der normalenergetische Schutzschirm reicht völlig aus, um alles abzuweisen, was ...«

»Da wäre ich mir nicht so sicher«, unterbrach ihn Viena Zakata. Der Ortungschef vergrößerte einen anderen Bildschirmausschnitt. »Sie haben eine Geheimwaffe.«

 

*

 

Dieses Raumschiff im Außenbeobachtungsholo stammte auf keinen Fall aus den Werften der Ksuni. Der dunkle Rumpf hatte die Form eines ovalen Diskusses mit scharfer Kante, über den sich grellweiß leuchtende Furchen von den Schiffspolen bis zum Rand zogen. Die im Holo eingeblendeten Ortungswerte verrieten, dass der 95 Meter dicke Diskus 810 Meter lang und 610 Meter breit war.

Perry Rhodan benötigte die Messwerte nicht. Auch wenn er kein fotografisches Gedächtnis besaß wie sein arkonidischer Freund Atlan – diese Maße hatten sich während schrecklicher Jahre in sein Gedächtnis eingebrannt.

»Ein Traitank«, sagte er. »Ein Kampfschiff der Terminalen Kolonne TRAITOR.« Er presste die Lippen zusammen. »Ich dachte, hier gäbe es keine Traitanks mehr. Oder irgendwelche Raumschiffe der Kolonne.«

»Offenbar wurdest du falsch informiert«, stellte Kellind fest.

Akim Xerayne warnte: »Ein Traitank kann der SOL durchaus gefährlich werden.«

»Und er ist nicht allein.« Viena Zakata ließ weitere Traitanks im Hauptholo erscheinen, dazu kleinere Raumfahrzeuge ähnlicher Bauart, die nur 140 Meter lang waren. »Aufklärer-Traitanks mit wesentlich leistungsfähigeren Triebwerken und Ortungsgeräten.«

»Wieso fliegen sie nur mit und greifen nicht in das Gefecht ein?«, rätselte Rhodan.

Wie um seine Frage zu beantworten, lief eine bläuliche Leuchterscheinung über eine der weißen Furchen auf dem Rumpf eines Traitanks. Das chaotarchische Kampfschiff feuerte eine seiner Multifunktionswaffen ab. Die Leuchterscheinung löste sich allerdings nicht vom Rumpf, sondern verpuffte als harmloses Energiegestöber.

»Weil die Ksuni anscheinend keine Ahnung haben, wie man die Bordsysteme richtig bedient«, sagte Kellind. »Wahrscheinlich können sie von Glück reden, dass ihnen noch kein Traitank um die Ohren geflogen ist.«

Ruud Servenking am Maschinenleitpult räusperte sich. »Diese Traitanks müssen Jahrmillionen alt sein und sind genauso wie das Kolonnen-Fort und das Kolonnen-Dock wahrscheinlich nie an die inzwischen veränderten Hyperimpedanz-Bedingungen angepasst worden. Die Ksuni können froh sein, dass die Einheiten überhaupt fliegen. An einer grenzenlosen Überlegenheit dieser Traitanks gegenüber der SOL melde ich deshalb starke Zweifel an.«

»Dass ich das noch erlebe, dass dieser Schurkenstreich der Kosmokraten sich positiv für uns auswirkt!«, äußerte Kellind grimmig.

Rhodan gab ihr recht. Der Eingriff der Kosmokraten in die Naturgesetze des Universums hatte einen Großteil von höherwertiger Technik unbrauchbar gemacht und die Menschheit vor schwerwiegende Probleme gestellt. Die SOL war damals mehr als ein Jahrzehnt auf einem Planeten gestrandet, bevor sie sich nach schwierigen Reparaturen wieder ins All hatte erheben können.

»Triebwerksaktivität bei einem Teil des Verbands steuerbord!«, rief Zakata. Im nächsten Moment wurde die Änderung auch normaloptisch im Außenbeobachtungsholo sichtbar. Strahlende Lichtnadeln schwenkten mehrere Schiffe aus ihrem Kurs. Leuchtend grün legte sich eine extrapolierte Bahnkurve in die dreidimensionale Darstellung. »Sie gehen auf Kollisionskurs mit der SOL. Feindliche Absichten können nicht ausgeschlossen werden.«

Das Fusionslicht wurde heller, als das Angriffsgeschwader begann, seine Geschwindigkeit abzubremsen. »Sie können nicht ad hoc manövrieren wie ein Schiff mit Andruckabsorbern«, informierte Zakata. »Sie müssen sich lange vorher überlegen, was sie tun wollen.«

»Was bedeutet, dass wir ihnen leicht ausweichen können«, sagte Kellind.

»Na ja ...« Zakata wies ins Holo. »Das wissen sie auch; sie kennen unsere Fähigkeiten zumindest ansatzweise, und sie kennen unser Ziel. Ich fürchte, sie werden versuchen, uns vom Kolonnen-Dock fernzuhalten. Aber das ist noch nicht alles ...« Er legte ein weiteres Detailbild ins Zentralholo. Ein Kolonnenkampfschiff flackerte und verschwand immer wieder für einen Sekundenbruchteil ganz. »Ich fürchte außerdem, sie lernen gerade, wie das Dunkelfeld aktiviert wird.«

»Ich sage trotzdem, dass sie weniger uns gefährden als sich selbst«, warf Xerayne ein.

»Kommunikationsversuche?«, fragte Rhodan.

»Nein, nichts«, antwortete Zakata.

»Rufen wir sie!«

Erste Ksuniraumschiffe desaktivierten ihre Antriebe, andere bremsten weiter ab. Der Verband fächerte auseinander. Rhodan war klar, was sie vorhatten: Sie wollten die SOL mit immer neuen Wellen unterschiedlich schneller Kampfschiffe auf unterschiedlichen Kursen bedrängen; ein selbstmörderischer Ansatz. Sie erwarteten, dass die SOL versuchen würde, ihnen auszuweichen – zu Recht. Aber wenn das nicht gelang, wenn ein Manöver zu knapp geriet, konnte ein Ksunischiff am Schutzschirm um das Fernraumschiff zerschellen. Für die Besatzung käme dann jede Hilfe zu spät.

Als genüge diese potenzielle Bedrohung für die Ksuni nicht, verwandelte sich einer der Traitanks jäh in eine atomare Sonne, und seine Explosion griff auf in der Nähe fliegende Ksunischiffe über. Eine expandierende Plasmawolke wälzte sich mit der letzten Geschwindigkeit der unglücklichen Einheiten auf die SOL zu.

Colwin Heltamar lachte höhnisch auf. »Was für ungeschickte Idioten!«

Rhodan wandte sich ihm zu. Der Yakonto hatte bei der Flucht aus der Proto-Chaotischen Zelle von Evolux die entscheidenden Informationen geliefert, wie die Alt-Solaner von den Bewusstseinssplittern befreit werden konnten, von denen sie besessen gewesen waren. Auch in der Krise während des Flugs zum Susmalsystem hatte er sich sehr für die SOL und ihre Besatzung engagiert. Trotzdem reagierte das zierliche Wesen mit der smaragdgrünen Haut manchmal in einer Weise, die Rhodan abstieß.

»Was mich beschäftigt«, sagte der Terraner, »ist mehr die Frage, woher die Traitanks kommen. Nach unserem Wissensstand sollte es sie hier gar nicht geben.«

Tanyda Maigona machte sich bereit. Die schwarzhaarige Erste Pilotin war über ihre SERT-Haube mit SENECA verbunden und konnte mithilfe der Simultanen Emotio- und Reflex-Transmission dem Raumschiff direkt Steuerbefehle erteilen, ohne dass ein Umweg über Benutzerschnittstellen genommen und die Anweisungen umgeformt werden mussten. Ihre Reaktionsschnelligkeit würde der SOL zudem erlauben, den viel trägeren Ksunischiffen auszuweichen und sich notfalls durch den Verband hindurchzuschlängeln.

An Rhodans Sessel piepte so leise, dass nur er es hörte, das Interkomsignal einer Privatnachricht. Er zögerte, dann nahm er sie entgegen.

»Was gibt es?«, fragte er. »Wir geraten soeben in ein Raumgefecht.«

Das Frauengesicht, das im Interkomholo erschien, konnte man nicht unbedingt schön nennen, aber es war auf eine herbe Weise attraktiv. Mahlia Meyun suchte Rhodans Blick. »Perry, dein Sohn ist auf der Medostation. Er wollte sich durchchecken lassen, weil er seit seinen Wechseln zwischen den Pararealitäten ständig bohrende Kopfschmerzen hatte.«

Rhodan erschrak. »Geht es ihm gut?«

»Was?«, fragte Meyun überrumpelt. »Ja, doch, bestens! Wir haben ihn nur sicherheitshalber hierbehalten. Aber erstens sind die Kopfschmerzen weg, zweitens kann er sich nun an den geistigen Kontakt mit dem Bewusstsein erinnern, mit dem wir die Parafragmente aus den Alt-Solanern vertreiben konnten. Dieser Teil seines Gedächtnisses wurde anscheinend durch die Sprünge zwischen den Realitätsebenen wieder aktiviert, mit einigen vorübergehenden Nebenwirkungen. Er möchte ...«

»Mahlia, es tut mir leid ...«

Das erste Ksunischiff schoss geradewegs auf die SOL zu. Tanyda Maigona lenkte das Fernraumschiff zur Seite und musste dabei noch achtgeben, dass der Ksuni nicht in die Strahlen des Impulstriebwerks geriet, mit dem sie das Manöver vollzog. Fee Kellind hatte ihren Einsatz angeordnet, weil die Ksuni diese Emissionen wenigstens sehen konnten. Gravotrontriebwerke arbeiteten unsichtbar, ihre Wirkung auf ein Ksunischiff wäre jedoch genauso verheerend gewesen. Auch weitere Raumfahrzeuge folgten auf Kollisionskurs.

»Ich höre mir Mikes Bericht später an«, sagte Perry Rhodan. »Wir haben mal wieder Ärger mit den Ksuni, den wir leider nicht aufschieben können.«

2.

 

Durch seine überlegene wissenschaftliche Einsicht war es Eoract möglich, seinen Anhängern eine Form von Unsterblichkeit zu verschaffen.

– Bericht Colwin Heltamar

 

Mithilfe seiner Methode band Eoract seine Anhänger unwiderruflich an sich und entfremdete sie von ihren sterblichen Kollegen. Sie durchlebten die Jahrmillionen, aber sie waren isoliert.

– Bericht Roi Danton

 

Im Lazarettzimmer schaltete Mahlia Meyun das Interkom ab, atmete einmal durch und rief sich ins Bewusstsein, wie erleichtert sie war, nicht in der Kommandozentrale zu sitzen. Sie trug keine Verantwortung mehr für die SOL – und auch nicht, wie das Holo der Bordübertragung ihr zeigte, für selbstmörderisch veranlagte Ksuni.

Bei dem Gedanken an die fischgesichtigen Einwohner des Susmalsystems überfiel sie ein Schauder. Vor einem Monat war sie mit Rhodan und einigen Evolux-Solanern schon einmal in der Verbotenen Zone gewesen, wo sie im Kolonnen-Fort um ihr Leben gekämpft hatten. Sie war davongekommen, andere hatten den Tod gefunden.

Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen, damit das Bild des graubärtigen Ksuni verschwand, der Ianik Meygon ermordet hatte, atmete erneut durch und wandte sich Roi Danton zu.

»Dein Vater hat gerade keine Zeit für dich«, sagte Mahlia. »Er muss das Schiff retten. Und die Ksuni, die es gefährden.«

Danton lag auf einem Krankenbett in der Medostation, die Mahlia zu ihrer neuen Wirkungsstätte erkoren hatte. Über ihm schwebten die Infusionsbeutel, die ihn mit Wasser und Elektrolyten versorgten. Trotzdem schmunzelte er matt.

»Das erinnert mich an meine unbekümmerten Kindertage«, sagte er. »Immer hatte mein Vater jemanden zu retten.« Seine Bemerkung hätte im Einklang mit seinem Lächeln ironisch klingen können, doch Mahlia hörte eine Anspannung darin, den Groll über eine Kränkung, die sehr alt war und sehr tief saß.

»Er möchte deinen Bericht später hören.«

Eoract