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JENS RABE

Optionsgewinne
mit System

Wie jeder an der Börse
mit Optionen Geld verdient

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Alle Angaben in diesem Buch stammen aus Quellen, die Autor und Verlag für vertrauenswürdig halten. Eine Garantie für die Richtigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Um Risiken abzufedern, sollten Anleger ihr Vermögen deshalb grundsätzlich streuen. Die Angaben in diesem Buch stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers dar. Die veröffentlichten Informationen geben die Meinung des Autors wieder.

Copyright 2020:

Gestaltung Cover: Daniela Freitag

ISBN 978-3-86470-622-6

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Für Nicole, Kim, Leonie und Fritz. Keine Aktie, keine Option, kein Investment und kein Geschäft können auch nur annähernd so wichtig sein, wie Ihr es für mich seid.

Inhalt

Vorwort: Braucht es noch ein Börsenbuch?

1.Optionsgewinne mit System – gibt es automatische Gewinne?

Erwartungshaltung versus Realität

Was sind Systeme und warum funktionieren sie?

Die Lüge über passives Einkommen

2.Warum der Warren-Buffett-Weg für 99 Prozent der Börsianer nicht funktioniert

Der Warren-Buffett-Weg

Das Problem ist der Neandertaler in uns

Gefährliches Halbwissen

3.Mit ETFs zum Erfolg? Leider nein

ETFs sind wie Diäten – logisch, aber unwirksam

Robo-Advisors und Co – Beleg für die Fehlbarkeit der Grundideen

4.Das DuO-Prinzip – der eingebaute Plan B

Warum du an der Börse einen Plan B benötigst

Gewinne gleichen Verluste nur mathematisch aus

Mathematisch richtig – mental leider falsch

Das DuO-Prinzip

5.Optionen – jeder hat welche, weiß es nur nicht

Was ist eine Dampfmaschine?

Uralte Prinzipien neu gedacht und neu gemacht

Ab sofort bist du der Versicherer

6.Rechte, Pflichten und das griechische Alphabet

Jetzt wird es theoretisch

Nicht Kreta, sondern Delta, Gamma, Theta, Vega

Wir sind keine Wissenschaftler

7.Dividenden – Balsam für die Seele der Investoren

Dividenden sind die neuen Zinsen? Blödsinn!

Sieh es einfach pragmatisch

Mehr ist nicht gleich besser

8.Was ewig währt, muss nicht ewig halten

Auch Könige sterben manchmal

Qualität vor Quantität

Cowboys lieben Dividenden

9.Dividendenkönige starten als kleine Prinzen

1920 – ein gutes Jahr, um Coca-Cola zu kaufen

Zehn Jahre seitwärts und dennoch gut verdient

Zehn Prozent Lohnsteigerung – Jahr für Jahr

10.Das DuO-Prinzip in der Praxis

11.Das Wichtigste, was Anfänger nicht hören wollen

Dieser ganze Mindset-Kram

Konzentriere dich auf das Wesentliche

Jeder Profi hat einen – und du?

12.Partner, ohne die es nicht geht – Broker und Co

Er ist dein Partner – nicht dein Freund

Den Aktienwald vor lauter Chartbäumen nicht sehen

Vater Staat will auch seinen Teil

13.Dein Warten macht die anderen reich – von einem, der nie loslief

Vorwort: Braucht es noch ein Börsenbuch?

Als ich 2010 am Manuskript meines ersten Buches saß und gefragt wurde, warum ich dieses Buch schreibe, war die Antwort ziemlich simpel: Ich wollte an meinem 40. Geburtstag ein Buch mit meinem Namen auf dem Cover in den Buchläden stehen haben. Und da ich bis dato kein so spektakuläres Leben geführt hatte – und somit eine Biografie ausschied –, lief es eben auf ein Sachbuch hinaus. Ich weiß, ein ziemlich banaler Grund, aber nichts als die blanke Wahrheit. Hätte ich geahnt, welche Folgen das Buch für mich und Tausende Leser haben würde, dann hätte ich es vielleicht ganz anders geschrieben. So war es jedoch einfach eine Darstellung meiner damaligen Art des Handelns – und daran hat sich bis heute auch nichts geändert. Nach der Veröffentlichung des Buches im Jahr 2011 begannen sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz immer mehr Menschen für den Optionshandel zu begeistern und ich bin stolz, dass ich mit meinem Buch dazu beigetragen habe. Gab es 2011 so gut wie kein einziges deutschsprachiges Video zum Thema Optionen auf Youtube, findet man mittlerweile Tausende davon. Unzählige Blogs und Websites beschreiben die Strategien, die für Privatanleger in der Praxis umsetzbar sind, und ein guter Teil davon stammt aus dem Buch von 2011. Allerdings gibt es einen Punkt, der mich, wenn ich heute in das Buch schaue, etwas stört. Und das ist der Fokus auf den Handel mit Rohstoff- und Futures-Optionen. Der Grund, warum ich hauptsächlich über den Handel mit Futures-Optionen geschrieben habe, liegt in meiner eigenen Historie begründet. Nachdem ich meine ersten Börsenerfahrungen in den 1990er-Jahren gesammelt und mir das Platzen der Dotcom-Blase in den Jahren 2001-2003 einige Blessuren zugefügt hatte, war ich im Laufe der Jahre neben den Aktienmärkten auch zu den Rohstoffmärkten gekommen. Mein damaliger Mentor war nicht nur ein ausgesprochener Kenner der Rohstoffmärkte, sondern auch ehemaliger Market Maker an der EUREX. Damit war es für ihn und in der Folge auch für mich vollkommen klar, dass ich neben dem klassischen Handel von Futures natürlich auch Optionen in meinen Handelsalltag einbauen musste. Für mich war dies ein ganz logischer Schritt und ich hatte ihn nie infrage gestellt. Nach Veröffentlichung des Buches stellte ich dann fest, dass Leser, die zum allerersten Mal mit dem Thema Optionen und Futures in Berührung kamen, grundsätzlich drei Probleme hatten.

Zum einen war es das Thema Optionen allgemein. Während in den USA Optionen für jeden, der an der Börse tätig ist, ein „natürliches“ Werkzeug darstellen, ist die Situation in Deutschland eine ganz andere. Hierzulande findet der Anleger eine riesige Auswahl an Finanzinstrumenten vor: CFDs, Zertifikate, Optionsscheine, Turbos und so weiter. Eine schier unüberschaubare Anzahl an Instrumenten wird dem Privatanleger von der Finanzindustrie zur Verfügung gestellt. Ja, dem Privatanleger, denn er ist der Adressat all dieser Produkte, die ihm von den Banken und Institutionen angeboten werden. Nicht ein einziger Profi käme auf die Idee, sich solcher Produkte zu bedienen. Und der Grund dafür ist die Tatsache, dass ein Großteil dieser Produkte mithilfe von Optionen erstellt und dann mit einem ordentlichen Aufgeld an die privaten Endkunden weitergereicht wird. Das Aufgeld ist der risikolose Gewinn der Banken und der Endkunde muss diese Gebühren erst einmal herausverdienen. Ist es da nicht logisch, dass die Banken und die Finanzindustrie hierzulande keinerlei Interesse daran haben, die Kunden umfangreich über die Funktionsweise und die Möglichkeiten von Optionen aufzuklären? Daher ist das fehlende Verständnis für Optionen bei einem Großteil der Menschen absolut nachvollziehbar.

Das zweite Problem für die Leser meines ersten Buches war ihr fehlender Bezug zum Thema Rohstoffe. Wir Deutschen sind kein Land der Aktionäre und schon gar kein Land der Rohstoffhändler. Unser Land ist arm an Rohstoffen, außer Kohle gibt es nicht viel, was unserem Land an Rohstoffen zur Verfügung steht. Gold, Öl, Kupfer, Zucker, Kaffee – nichts von alledem verbinden wir mit Deutschland. Ja, wir haben Bauern, die Getreide anbauen, aber als eine Nation, bei der gerade bei Lebensmitteln das Motto „Geiz ist geil“ nach wie vor angesagt ist, ist ein tiefes Verständnis für Rohstoffe nicht gegeben. Der Spekulant gilt bei uns ohnehin als eher fragwürdige Person, der Rohstoffspekulant genießt den Ruf des Teufels in Person. Das Wissen um wirtschaftliche Zusammenhänge über Angebot und Nachfrage und deren Auswirkungen auf die Preisentwicklung ist nahezu nicht vorhanden. Daher fällt es vielen Optionseinsteigern auch schwer, ihr bereits vorhandenes Wissen auf die Rohstoffmärkte anzuwenden. Ein Rohstoff wie etwa Kaffee folgt eben ganz anderen Gesetzmäßigkeiten als beispielsweise eine Aktie eines Unternehmens wie McDonald’s, die regelmäßig Dividenden abwirft und dessen Geschäftsmodell wir verstehen und nachvollziehen können. Optionseinsteiger müssen also nicht nur die Funktionsweise von Optionen an sich erlernen, sondern auch noch die Besonderheiten des Rohstoffmarktes.

Und dann wäre da noch Problem Nummer 3: die Anwendung der Technik zur Umsetzung des Optionshandels. Während ein Einsteiger in den Aktienhandel mit ein paar Klicks ein Konto bei einem Broker eröffnet und zum Kauf seiner ersten Aktie nicht viel mehr als eine Idee und die dazugehörige Wertpapierkennnummer benötigt, stellt sich dies beim Optionshandel etwas anders da. Die Masse der in Deutschland ansässigen Broker bietet keinen Optionshandel an und die wenigen deutschen Broker, die dies tun, sind eigentlich nur „Zuarbeiter“ für große Broker aus den USA. Und daher muss ein deutscher Kunde eben ein Konto in den USA mit allen dafür notwendigen Unterlagen eröffnen. Mit ein paar Klicks ist es nicht getan. Und auch die Bedienung der Handelsplattform verlangt ein wenig Übung.

Was also tun? Im vorliegenden neuen Buch habe ich versucht, das ganze Thema so darzustellen, dass noch mehr Menschen die Möglichkeiten der Optionen nutzen können. Viele Fachbegriffe aus dem Englischen habe ich durch deutsche Wörter ersetzt. Auf spezielle, tief greifende Erklärungen der Optionsmaterie habe ich bewusst verzichtet, da sie für Einsteiger weder verständlich noch notwendig sind. Niemand benötigt ausführliche Erläuterungen der Black-Scholes-Formel, um erfolgreich Optionen handeln zu können. Niemand muss in der Lage sein, die dritte Ableitung der Volatilität zu berechnen, um Optionen zum vergünstigten Kauf von Aktien zu nutzen. Optionshandel, dies ist eine meiner wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre, ist für die Masse der Privatanleger umso lukrativer, je einfacher man ihn gestaltet. Lass alles Überflüssige weg, reduziere die Anzahl an Strategien, mach es unkompliziert. Je einfacher, desto besser. Und daher habe ich mich in diesem Buch auch nicht noch einmal dem Thema Rohstoffe gewidmet, sondern dem Aktienmarkt. Aktien kann jeder verstehen, wenn er begreift, dass es keine bedruckten Papiere, sondern Beteiligungen an Unternehmen sind. Besitze ich Aktien von Coca-Cola, Apple oder der Münchener Rück, dann bin ich Mitbesitzer dieser Firmen. Mir gehört ein Teil dessen, was die Firmen jeden Tag erwirtschaften. Hat man dies begriffen und verinnerlicht, dann werden der Aktienhandel und der Aktienbesitz aus der Ecke der Spekulation herausgeholt und zu einer wirtschaftlich sinnvollen Investition für den Privatanleger. Ich hoffe, dass viele Politiker dieses Buch lesen werden, denn im Hinblick auf die Sicherheit der Renten zukünftiger Generationen wäre es mehr als wünschenswert, wenn größere Teile der Bevölkerung Anteil am wirtschaftlichen Wohlergehen der Gesellschaft hätten. Die Hürde der Technik bleibt vorerst bestehen, aber auch hier tut sich einiges. Mussten sich Privatanleger vor Jahren noch vollkommen allein durch den Dschungel aus Kontoeröffnung und Erlernen der Handelsplattform kämpfen, bieten mittlerweile viele Broker hier Hilfestellung an. Und da die gesamte Branche gerade von neuen Unternehmen aufgemischt wird, die neben einer drastischen Reduzierung der Gebühren auch eine neue Benutzerfreundlichkeit an den Tag legen, bin ich sicher, dass die Eröffnung eines entsprechenden Handelskontos und der Handel von Optionen in wenigen Jahren ein Kinderspiel sein werden.

Meine Hoffnung ist, dass möglichst viele Menschen, die bislang noch nie mit Optionen oder dem Aktienmarkt in Berührung gekommen sind, dieses Buch lesen und sich für das Thema zu erwärmen beginnen. Finanzielle Freiheit bedeutet auch gedankliche Freiheit. Wer keine Geldsorgen hat, lebt freier, weil er sich nicht zum Sklaven seiner Arbeit, seines Chefs oder einer Institution machen muss. Er kann seiner Familie ein besseres Leben ermöglichen, er kann sich besser um seine Gesundheit kümmern und viele andere Dinge mehr. Erfolgreicher Börsenhandel bedeutet viel mehr als stupides Geldvermehren. Ich wünsche dir als Leser dieses Buches viel Spaß beim Lesen, neue Erkenntnisse und Gedanken, den Mut zur Umsetzung und den notwendigen Anfangserfolg, damit du dabeibleibst. Sollten wir uns irgendwann einmal treffen, dann freue ich mich auf ein persönliches Gespräch, über Anregungen und fundierte Kritik sowie Feedback zum Buch.

Herzliche Grüße

Jens Rabe

KAPITEL

1

Optionsgewinne mit System – gibt es automatische Gewinne?

Erwartungshaltung versus Realität

Wenn man ein Börsenbuch veröffentlicht, das im Titel das Wort „Gewinne“ trägt, entsteht bei den Käufern natürlich sofort eine gewisse Erwartungshaltung in Bezug auf die Höhe dieser Gewinne. Als Autor hätte ich diese Erwartungshaltung und damit auch die Höhe der Verkäufe dieses Buches deutlich steigern können, indem ich anstatt des Titels „Optionsgewinne mit System“ tief in die Marketing-Trickkiste gegriffen und den Titel mit ein paar Zahlen oder Prozenten aufgepeppt hätte. Ich bin mir relativ sicher, dass die Verkaufszahlen dieses Buches von Beginn an deutlich höher sein würden, hätte ich es beispielsweise mit einem der nachfolgenden Titel versehen:

1.000 Prozent Gewinn mit System

Systematisch 325.738 Euro gewinnen

So gewinnst du 1 Million Euro mit System

Ein solcher Titel hätte sicherlich die Verkaufszahlen deutlich nach oben getrieben, aber gleichzeitig den Effekt verstärkt, den ich in diesem Buch unbedingt zu vermeiden versuche – nämlich die Erwartungshaltung, dass ein Leser automatisch zum Gewinner an der Börse wird, nur weil er ein Buch mit dem Wort „Gewinn“ auf der Titelseite liest.

Seit ich 1996 zum allerersten Mal mit der Börse in Berührung kam (Danke an die Bundeswehr, aber das ist eine andere Geschichte), ist mir immer wieder aufgefallen, dass einer der größten Fehler sowohl privater als auch institutioneller Anleger eine falsche Erwartungshaltung ist. Diese falsche Erwartungshaltung kann ich ganz konkret anhand meiner eigenen persönlichen Börsengeschichte erklären. Nachdem ich meinen ersten Trade abgeschlossen hatte und ich um einige 100 DM reicher war, wurde ich Opfer dieser falschen Erwartungshaltung. Denn anstatt diesen Gewinn als das zu akzeptieren, was er war, glaubte ich, dass ich den Stein der Weisen gefunden hätte. Die Realität war, dass ich einfach nur unheimliches Glück gehabt hatte, dass dieser erste Handel mit einem Gewinn beendet wurde. Genauso hätte ich aber einen Verlust erleiden können. Im Geiste sah ich mich schon in den kommenden Jahren in der Forbes-400-Liste, also der Liste der reichsten Menschen der Welt, Jahr für Jahr aufsteigen, um mich schon bald in der Gesellschaft von Bill Gates und Warren Buffett zu tummeln. Falls einer der Leser diese Liste regelmäßig verfolgt, wird er festgestellt haben, dass ich mich weder an der Spitze noch in der Mitte noch am Ende dieser Liste befinde. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich auch nur in die Nähe dieser Listenplätze kommen werde, beträgt wohl 0,00 Prozent.

Was hat es also mit dieser Erwartungshaltung auf sich? Meine Beobachtung ist, dass ein großes Problem vieler Börseneinsteiger ihre viel zu hohe Erwartungshaltung ist. Diese ist allerdings nicht nur bei Einsteigern in den Börsenhandel zu beobachten, sondern bei nahezu allen Dingen, die Menschen aus eigenem Antrieb zum ersten Mal tun. Beispiele dafür sind unter anderem der erstmalige Besuch in einem Fitnessstudio oder die ersten krampfhaften Versuche, ein Musikinstrument zu lernen. Derjenige, der zum ersten Mal in ein Fitnessstudio geht und sich im Geiste schon als nächster Mister Universum und neuer Arnold Schwarzenegger sieht. Und der Musikschüler, der zum ersten Mal seine Gitarre strapaziert, glaubt sicher auch, dass der Manager der Rolling Stones, der ihn für die nächste Welttournee engagieren möchte, nur einen Telefonanruf entfernt ist. Wir alle wissen, dass diese Erwartungshaltung vollkommen überzogen ist. Denn die Realität ist oftmals so, dass es eben viele Jahre braucht, um aus einem dicken Menschen einen Adonis zu formen und aus einem Gitarrenschüler einen einigermaßen passablen Musiker. Nun wird der eine oder andere einwenden, dass man doch sehr wohl eine langfristige und auch motivierende Vision benötige, um sein Ziel zu erreichen. Dem stimme ich vollkommen zu. Nun sollte man allerdings eine langfristige Vision nicht mit Übermut verwechseln. Denn eine zu große Erwartungshaltung an das eigene Können und die Dinge, die man in kurzer Zeit erreichen kann, führen häufig dazu, dass bei den ersten Rückschlägen eine derart starke Demotivation einsetzt, dass der- oder diejenige, der oder die mit einer zu hohen Erwartungshaltung angefangen hat, ziemlich schnell das Handtuch wirft und ganz aufhört. Auf Wiedersehen Traumkörper und goodbye Gitarrespielen am Strand. Genauso ist es beim Handel an der Börse. Viele Neueinsteiger glauben, dass sie mit wenigen Hundert oder vielleicht tausend Euro in kürzester Zeit den Weg zur finanziellen Freiheit finden werden. Stellt sich dann (logischerweise) der Erfolg nicht innerhalb weniger Monate ein, führt dies oftmals dazu, dass diese Anfänger den gerade erst begonnenen Weg schon wieder verlassen und sich ein neues Steckenpferd suchen. Zugegebenermaßen ist hieran natürlich die Finanzindustrie nicht ganz unschuldig. Denn wie eine Zeitschrift, deren Titelbild zum Kauf animieren muss, so verspricht natürlich auch die Industrie aus Coaches, Brokern, Börsenzeitschriften, Youtube-Kanälen und so weiter nur allzu gern den leichten Weg zum schnellen Geld.

Daher will ich an dieser Stelle ein möglichst realistisches Bild davon zeichnen, was du an der Börse mithilfe der in diesem Buch besprochenen Systematik erreichen kannst. Schauen wir uns die langfristige prozentuale Performance der internationalen Aktienmärkte an. Je nach Dauer des historischen Rückblicks sollte eine klassische Anlage in ein breit gestreutes Aktienportfolio eine Rendite zwischen sieben und neun Prozent pro Jahr bringen. Dies bedeutet, dass sich dein eingesetztes Kapital alle acht bis zehn Jahre verdoppelt.

Grafik 1

Startkapital: 100.000€

Jahr

Ergebnis bei 7% p. a.

Ergebnis bei 8% p. a.

Ergebnis bei 9% p. a.

  1

107.000,00€

108.000,00€

109.000,00€

  2

114.490,00€

116.640,00€

118.810,00€

  3

122.504,30€

125.971,20€

129.502,90€

  4

131.079,60€

136.048,90€

141.158,16€

  5

140.255,17€

146.932,81€

153.862,40€

  6

150.073,04€

158.687,43€

167.710,01€

  7

160.578,15€

171.382,43€

182.803,91€

  8

171.818,62€

185.093,02€

199.256,26€

  9

183.845,92€

199.900,46€

217.189,33€

10

196.715,14€

215.892,50€

 

11

210.485,20€

 

 

Dauer in Jahren, bis sich ein Depot bei unterschiedlichen Renditen erstmalig verdoppelt

Ich persönlich glaube nicht, dass es den meisten nebenberuflich tätigen Händlern unter uns möglich sein wird, diese langfristige Rendite sehr deutlich zu überbieten. Und daher gehe ich auch bei der Planung meiner Handelssystematik von ihr aus. Um nun aber dennoch etwas mehr (und wir werden gleich sehen, dass etwas mehr auch sehr viel mehr sein kann) Rendite an den Märkten zu erzielen, setzen wir die in diesem Buch angesprochene Systematik ein. Wenn ich dir jetzt sage, dass das Ziel dieser Systematik ein zusätzlicher Ertrag in Höhe von 0,3 bis 0,5 Prozent pro Monat ist, dann weiß ich, dass ich damit keine Begeisterungsstürme auslösen werde. Das liegt aber nicht an der Höhe dieses Ertragsziels, sondern vielmehr daran, dass vielen einfach nicht bewusst ist, welcher Zinseszinseffekt sich aus diesen Zusatzerträgen ergibt.

Nehmen wir an, dir würde es gelingen, im Monat 0,35 Prozent zusätzlichen Ertrag auf ein langfristiges Aktienportfolio zu erzielen. Klingen 0,35 Prozent für dich realistisch? Falls ja, herzlich willkommen bei deiner Geldmaschine. Falls nein, dann werde ich versuchen, dich davon zu überzeugen. Was bedeutet nun aber 0,35 Prozent zusätzlicher Ertrag pro Monat? Schauen wir uns das wieder in einer Tabelle an. Du kennst vielleicht schon die 72er-Regel. Diese Regel besagt, dass du mithilfe der Zahl 72 relativ schnell ausrechnen kannst, wie lange es dauert, bis sich dein Kapital bei einem bestimmten Zinssatz verdoppelt. Erwirtschaftet dein Depot sieben Prozent pro Jahr, dauert es etwa zehn Jahre, bis sich dein Kapital verdoppelt. Würdest du hingegen 14 Prozent pro Jahr erwirtschaften, dann würde sich dein Geld bereits nach fünf Jahren verdoppeln.

72 durch Zinssatz = Anzahl der Jahre bis zur Verdopplung

Du kannst dies gern auch nachrechnen und wirst feststellen, dass es nicht bis auf die letzte Nachkommastelle stimmt, für unsere Zwecke aber vollkommen ausreichend ist.

Dies führt uns jetzt wieder zurück zu den angenommenen 0,35 Prozent Ertrag zusätzlich pro Monat. Das sind auf das Jahr hochgerechnet circa vier Prozent. Vergleichen wir nun die Wertentwicklung eines simplen Buy-and-Hold-Ansatzes (beispielsweise über die passive Anlage in einem ETF) mit einer durch die in diesem Buch beschriebenen Systematik aufgepeppten Strategie, mit der wir vergleichsweise geringe vier Prozent zusätzlich pro Jahr erwirtschaften. Dann erkennen wir recht schnell, dass diese anfangs unscheinbar wirkenden kleinen Zusatzerträge langfristig betrachtet schnell zu einem stattlichen Vermögen heranreifen.

Grafik 2

Startkapital: 100.000€

Kapital

Dauer bei 8% (in Jahren)

Dauer bei 12% (in Jahren)

200.000,00€

9

6

400.000,00€

18

12

800.000,00€

27

18

1.600.000,00€

36

24

3.200.000,00€

45

30

Dauer bis zur nächsten Depotverdopplung bei unterschiedlichen Renditen

Und siehe da, aus gerade einmal vier Prozent pro Jahr werden mehrere Hunderttausend Euro zusätzlicher Gewinn. Als ich persönlich vor vielen Jahren diese Rechnung zum ersten Mal von meinem damaligen Mentor vorgeführt bekam, war ich etwas skeptisch und rechnete natürlich sofort nach. Und jeder Leser, der an dieser Stelle ebenso skeptisch und kritisch ist, wie ich es einmal war, sollte dies auch tun und sich selbst davon überzeugen, welche enormen Auswirkungen der Zinseszinseffekt hat. Und ja, natürlich ist dies eine „Milchmädchenrechnung“. Wir betrachten bei dieser Rechnung weder die Steuern noch die Tatsache, dass der Wertzuwachs nicht linear verläuft. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Erwirtschaftung nur weniger zusätzlicher Prozente langfristig betrachtet einen enormen Einfluss auf das Endergebnis hat. Wir können diesen Effekt übrigens nicht nur am Beispiel der Zinseszinsrechnung beobachten, sondern auch in vielen anderen Bereichen des Lebens. So gewinnt beispielsweise nicht derjenige Fahrer ein Formel-1-Rennen, der doppelt so schnell wie der zweitplatzierte Fahrer über die Rennstrecke rast, sondern derjenige, der vielleicht nur ein paar wenige Zehntelsekunden schneller über die Piste fährt. Und auch der Goldmedaillengewinner, der bei Olympia als Sieger des 100-Meter-Laufs ganz oben auf dem Treppchen steht, ist nicht mit der doppelten oder dreifachen Geschwindigkeit gegenüber dem Zweit- oder Drittplatzierten unterwegs gewesen. Der Lohn des Erstplatzierten, sowohl finanziell als auch bezogen auf die Anerkennung, ist aber oftmals um ein Vielfaches höher als bei denjenigen, die auf den nachfolgenden Rängen ins Ziel einlaufen. Daher ist es auch für uns Börsenhändler nicht zwingend notwendig, astronomisch hohe Gewinnziele zu formulieren, sondern es ist vielmehr entscheidend, eine Strategie zu finden, die uns einen Vorsprung, und sei er noch so klein, gegenüber den anderen Marktteilnehmern verschafft. Darüber hinaus müssen wir diese Strategie so umsetzen können, dass sie nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig wiederholbar beziehungsweise reproduzierbar ist.

Nun wird es sicherlich sehr viele geben, die an dieser Stelle einwenden werden, es sei nicht möglich, sich einen Vorsprung vor den anderen Marktteilnehmern zu erarbeiten. Allerdings wird man diese Kritik immer nur von denjenigen hören, die selbst nicht in der Lage waren, sich einen solchen Vorsprung zu erarbeiten, und daher natürlich ganz vehement diesen Standpunkt verteidigen werden, weil sie ja sonst zugeben müssten, dass sie versagt haben. Mit dem gleichen Argument könnte man nahezu jede menschliche Leistung in den letzten Jahrhunderten anzweifeln. Lange glaubte man, dass die Erde der Mittelpunkt des Sonnensystems sei, bis der polnische Astronom Kopernikus wissenschaftlich bewies, dass eben doch die Sonne (und nicht die Erde) im Mittelpunkt des Sonnensystems steht. Und niemand glaubte daran, dass man Seuchen wie die Pest, die noch im Mittelalter fast die Hälfte der europäischen Bevölkerung auslöschte, schlussendlich besiegen kann, bis Menschen wie der Bakteriologe Alexander Fleming den Gegenbeweis antraten und damit Millionen Menschen das Leben retteten. Und hätten die Gebrüder Wright auf diejenigen gehört, die felsenfest davon überzeugt waren, dass der Mensch nicht wie ein Vogel in der Luft fliegen kann, dann würden wir noch heute unsere Urlaubsreisen mit dem Pferdefuhrwerk oder der Bahn antreten und nicht bequem in einem Hunderte Tonnen schweren metallenen Monstrum über die Ozeane fliegen. Und dieselben Kritiker, die heute behaupten, man könne sich am Markt keinen Vorteil gegenüber der Masse der Marktteilnehmer verschaffen, sind im Geiste die gleichen, die das Entstehen von Weltkonzernen wie Google, Amazon, Netflix oder Facebook innerhalb weniger Jahre für völlig abwegig und unrealistisch gehalten haben. Die Realität ist: Es gibt jede Menge erfolgreicher Marktteilnehmer, die Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr und teilweise seit Jahrzehnten beweisen, dass es sehr wohl möglich ist, sich einen entsprechenden Vorteil am Markt zu sichern. Der legendäre US-Investor Warren Buffett hat dies anlässlich einer Rede am 17. Mai 1984 an der Columbia University School of Business, die unter dem Namen „The Superinvestors of Graham-and-Doddsville“ berühmt geworden ist, anschaulich bewiesen. Und jeder, der immer noch glaubt, dass es nicht möglich ist, den Markt zu schlagen, sollte sich diesen Aufsatz, den man mit wenigen Klicks im Internet finden kann, durchlesen.

Und daher sollten wir als private Investoren durchaus mit hohen Erwartungen an die Märkte herangehen. Gleichzeitig sollten wir es aber vermeiden, auf vollkommen unrealistische und nur dem Verkauf meist unsinniger Produkte dienende Versprechen von angeblichen Superinvestoren einzugehen. Gesunde Skepsis ist gut, Pessimismus hingegen ist an der Börse nicht angebracht. Gerade dem informierten, cleveren und optimistischen Anleger bieten die Börsen auch heute noch hervorragende Möglichkeiten.

Was sind Systeme und warum funktionieren sie?

Starten wir dieses Kapitel mit einem Blick auf ein Unternehmen, das in den letzten Jahrzehnten seine Gründer zu Milliardären und viele Investoren zu Millionären gemacht hat. Dieses Unternehmen ist das Sinnbild amerikanischen Unternehmertums und trotz oder vielleicht auch gerade wegen seines nunmehr fast sieben Jahrzehnte andauernden Erfolgs eine der umstrittensten Firmen weltweit. Die Firma, über die wir gleich sprechen werden, ist den meisten Menschen bekannt und ich gehe davon aus, dass jeder Leser dieses Buches entweder gelegentlich oder gar regelmäßig Kunde dieser Firma ist. Die wenigsten werden dies zwar zugeben wollen, Fakt ist aber, dass diese Firma zu den größten Versorgern der Menschheit mit Mahlzeiten gehört. Und sie ist zugleich ein Musterbeispiel für die Sinnhaftigkeit und die Funktionsweise von Systemen. Die Rede ist natürlich von McDonald’s. Aber der Reihe nach.

Am 15. Mai 1940 gründeten die Brüder Richard und Maurice McDonald in San Bernardino, Kalifornien, das erste McDonald’s-Restaurant der Welt. Im Jahr 1948 führten die Brüder ein bis dato nicht gekanntes System in ihrem Schnellrestaurant ein, das sogenannte „Speedee Service System“. Hinter diesem System verbarg sich zu Beginn erst einmal die Umstellung auf das Selbstbedienungsprinzip, das zum damaligen Zeitpunkt eher ungewöhnlich war. Gleichzeitig reduzierten die Brüder McDonald das Angebot an Speisen und Getränken dramatisch und sorgten außerdem dafür, dass jede einzelne Speise, die zubereitet wurde – hauptsächlich Hamburger und Pommes Frites –, nach dem immer gleichen Prinzip und vor allem nach einem „idiotensicheren“ System entstand. Während man zuvor beispielsweise bei der Zubereitung eines Hamburgers die Anzahl der Gurkenscheiben dem Wollen oder Können des jeweils zuständigen Mitarbeiters überließ, wurde nun nach einem bis ins kleinste Detail vorgeschriebenen System jede noch so scheinbar unwichtige Kleinigkeit festgeschrieben und durch Schulung der Mitarbeiter und deren Kontrolle auch umgesetzt. Dies führte dazu, dass in den Anfangsjahren der kleine McDonald’s-Laden ordentlich florierte. Im Jahr 1954 trat dann mit Ray Kroc ein bis dato eher mittelprächtig erfolgreicher Milchshake-Verkäufer mit der Bitte an die beiden Brüder heran, weitere Filialen eröffnen zu dürfen. Der Rest ist Geschichte. Heute betreibt das Unternehmen mit nahezu 400.000 Mitarbeitern weltweit fast 40.000 Restaurants und es dürfte nur wenige Gegenden auf diesem Planeten geben, wo man kein Restaurant mit den goldenen Bögen findet, die ein M symbolisieren.

Es mag sicherlich den einen oder anderen Leser geben, der die bei McDonald’s angebotenen Produkte nicht für das Nonplusultra in Sachen Ernährung halten wird. Im Gegenteil: In Bezug auf das Hauptprodukt, den Hamburger, wird mit Sicherheit ein Großteil der Leser in der Lage sein, ein deutlich besseres Produkt, sprich einen deutlich besser schmeckenden und wahrscheinlich auch gesünderen Hamburger, zu fabrizieren. Dies ist aber nicht der entscheidende Punkt. Denn das, was McDonald’s auch heute noch auszeichnet, ist der unbedingte Fokus auf die Systematik, mit der dieses Geschäftsmodell immer weiter ausgebaut und letztendlich zum Welterfolg skaliert wurde. Gehen wir heute in eine Filiale in New York, in Kapstadt oder in Tokio, werden wir uns als Gast in jedem dieser Restaurants sofort zurechtfinden und selbst in Ländern, deren Sprache wir nicht mächtig sind, eine Bestellung aufgeben können, um etwas zu essen oder zu trinken. Bis auf minimale regionale Unterschiede werden wir auch genau das bekommen, was wir erwarten. Denn sowohl das Aussehen, der Geruch und der Geschmack als auch die Temperatur und die Verpackung werden in jedem einzelnen der 40.000 Restaurants nahezu identisch sein, unabhängig davon, welcher der 400.000 Mitarbeiter uns gerade bedient beziehungsweise das Essen oder das Getränk zubereitet hat. Möglich ist dies nur, weil McDonald’s, wie schon erwähnt, jedes noch so kleine unscheinbare Detail ganz genau festgelegt und in ein System integriert hat.

Wir müssen nicht darüber streiten, ob uns persönlich das Essen bei McDonald’s schmeckt oder nicht. Aber wie man auch am Aktienkurs ablesen kann, ist dieses System extrem erfolgreich und wird es aller Voraussicht nach auch in den kommenden Jahrzehnten sein.

Grafik 3

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Historischer Chart der McDonald’s-Aktie

Quelle: TradeNavigator, © GenesisFT, www.duo-strategie.com

Bevor ich zur Systematik im Börsenhandel übergehe, hier nochmals ein Gedankenanstoß: Natürlich haben wir alle einen Lieblingsitaliener, einen Lieblingschinesen oder einen Lieblingsgriechen, bei dem uns das Essen deutlich besser schmeckt als bei McDonald’s. Aber sind wir doch einmal ganz ehrlich: Selbst in unserem Lieblingsrestaurant, dem wir viel durchgehen lassen, ist die Qualität nicht immer gleich und durchaus abhängig von der Tagesform der jeweiligen Mannschaft. Und nur in den seltensten Fällen können wir darauf vertrauen, dass es unser Lieblingsrestaurant auch in 5, 10, 25 oder 50 Jahren noch geben wird. Warum ist das so? Selbst Restaurants (hier könnte man auch jedes andere Geschäft nehmen), die zu einem gewissen Zeitpunkt sehr erfolgreich sind, verschwinden oftmals schon nach wenigen Jahren von der Bildfläche.

Kommen wir nun zum Börsenhandel. Auch hier gibt es Investoren wie etwa Warren Buffett – auf den wir später noch einmal zu sprechen kommen –, die sich nicht nur wenige Jahre, sondern über viele, viele Jahrzehnte erfolgreich an den Börsen gehalten haben. Dem steht aber eine Mehrzahl von privaten Tradern, Anlegern und Investoren gegenüber, die zwar gelegentlich das eine oder andere gute Jahr, vielleicht sogar ein gutes Jahrzehnt haben, jedoch auf Dauer eben nicht erfolgreich sind. Die Frage, die sich jeder Teilnehmer am Börsenspiel stellen sollte, ist die Frage nach dem „Warum“. Warum schaffen es Investoren wie Warren Buffett, George Soros und andere, dauerhaft erfolgreich zu sein, wohingegen die große Mehrzahl, langfristig betrachtet, nur Verluste schreibt? Wäre dies eine Frage der Intelligenz, könnte man mit einem simplen IQ-Test herausfinden, ob jemand als Börseninvestor geeignet ist oder nicht. Wäre es eine Frage des Wissens, dann könnte man mittels eines einfachen Wissenstests entscheiden, ob der Betreffende schon bereit ist für den Börsenhandel oder noch nicht. Der Leser wird sich jetzt aber schon denken können, dass es weder eine Frage der Intelligenz noch des Wissens ist, ob man letztendlich ein Gewinner oder ein Verlierer in diesem Spiel ist, sondern dass es andere Dinge sein müssen, die am Ende entscheiden, zu welcher Spezies wir gehören. Und ein Punkt, der unbestreitbar zum Erfolg oder Misserfolg beiträgt, ist die Tatsache, ob ein Investor einen systematischen Prozess hat, den er fortlaufend verfolgt, oder ob er an der Börse mehr oder weniger zufällig agiert.

Schauen wir uns einmal den typischen Privatanleger an. Warum kauft ein Privatanleger Aktien eines bestimmten Unternehmens oder investiert in eine bestimmte Region, ein bestimmtes Land oder ein bestimmtes Wertpapier? Der häufigste Grund dafür wird sein, dass er irgendwo einen Artikel darüber gelesen, einen Beitrag dazu gesehen oder einen Bericht gehört hat, in dem die Vorteile eines Investments von einer anderen Person dargelegt wurden. In den letzten Jahren habe ich es immer wieder erlebt, dass beispielsweise Zuschauer unseres Youtube-Kanals ohne jegliche Eigenrecherche im Nachgang auf ein Video, das ich veröffentlicht habe, quasi blind eine Aktie gekauft oder verkauft haben. Und obwohl mich natürlich solch ein Quasi-Expertenstatus ehrt, ist es doch der vollkommen falsche Weg, um sein Geld an der Börse zu investieren. Denn glaubt wirklich jemand, dass ein Manager eines milliardenschweren Hedgefonds am Montagmorgen losgeht und für mehrere Millionen Dollar eine Aktie kauft, nur weil er am Wochenende einen Artikel oder einen Bericht über diese Aktie gelesen hat? Nein! Warum tun dies dann aber die meisten Privatanleger und zugegebenermaßen auch etliche institutionelle Anleger? Der Grund ist, dass den meisten nicht bewusst ist, dass zu einem erfolgreichen Geschäft – und Börsenhandel ist letztendlich nichts anderes als ein Geschäft – eine entsprechende Systematik gehört, die zwei Dinge in sich vereinigen muss. Zum einen muss die Systematik einen grundlegenden positiven Erwartungswert haben und zum anderen muss sie dauerhaft reproduzierbar sein. Und ein positiver Artikel über eine Aktie hat weder einen grundlegenden positiven Erwartungswert noch gibt er demjenigen, der sich auf diesen Artikel verlässt, die Möglichkeit, einen reproduzierbaren Prozess aufzubauen.

Auch meine ersten Erfahrungen an der Börse beruhten auf dem simplen Handeln irgendwelcher heißen Tipps, die ich in Börsenzeitschriften oder den damals gerade aufkommenden Foren im Internet gelesen hatte. Hier ein Erfolg, da ein Misserfolg und schon allein aufgrund der Gebühren ein langfristiges Vorgehen, das zwangsläufig zu negativen Renditen führen muss. Erst als mir bewusst wurde, dass langfristiger Anlageerfolg nur möglich ist, wenn man immer und immer wieder einem bestimmten System folgt, veränderten sich auch meine Anlageerfolge. Schauen wir dazu einfach noch einmal kurz beim Altmeister Warren Buffett vorbei. Obwohl dieser mittlerweile mehr als sieben Jahrzehnte an den Börsen aktiv ist, hat sich seine Grundsystematik nicht geändert. Natürlich haben sich sein Stil und die Dinge, in die er investiert, im Laufe der Jahrzehnte an die jeweiligen aktuellen Gegebenheiten angepasst, aber grundsätzlich ist das, was er tut, heute nichts anderes als vor 70 Jahren. Genauso ist es auch mit der Firma McDonald’s, die heute ein vollkommen anderes Angebot als in den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts hat, aber dennoch ihrem System nicht nur treu geblieben ist, sondern es in den letzten Jahren sogar immer weiter ausgebaut und verbessert hat.