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Fürstenkrone
– 163 –

Prinz Stefan lügt aus Liebe

Warum er Angst hatte, seinen wahren Namen zu nennen …

Britta von Meierhofen

Impressum:

Epub-Version © 2019 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-603-5

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Inmitten eines großen Sees der Mecklenburger Seenplatte trotzte auf einer Insel das prachtvolle Gemäuer von Schloss Amerung schon seit vielen Jahrhunderten dem Zahn der Zeit. Seine weißen Mauern blitzten im Licht der gleißenden Junisonne, und die spitzen Türme ragten stolz in den stahlblauen Himmel. Früher konnte man das Schloss nur mit Booten oder über einen schmalen Steg erreichen, der gerade mal einem Fuhrwerk Platz bot. Heute überspannte eine moderne Brücke den See und ermöglichte dem Besucher einen bequemen Zugang zur Burganlage.

Gesine, Fürstin von Amerung, saß im romantischen Gartentempel des Schlossparks, dessen offene Fenster viel Luft und Sonne hereinließen, und schmökerte in einem historischen Liebesroman. Der Autor, der unter dem Pseudonym Sebastian Kreuzberg firmierte, konnte wunderbar gefühlvoll schreiben. Gesine liebte diese romantischen Geschichten, in denen am Ende das Gute siegte und sich das Liebespaar nach manch durchgestandener Gefahr in die Arme fiel. Davon ließ sie sich auch nicht vom Lästern ihres Sohnes, Erbprinz Stefan, abhalten, der wegen der wenig anspruchsvollen Lektüre die Nase rümpfte.

Die Fürstin seufzte und ließ das Buch sinken. Stefan Prinz von Amerung war selbst ein erfolgreicher Autor, aber er schrieb knallharte Krimis, äußerst erfolgreich übrigens. Leider kamen Liebe und Romantik in diesen Geschichten kaum vor.

Dabei wirkte der fünfunddreißigjährige Prinz eher wie der personifizierte Held aus einem der Lieblingsromane der Fürstin. Er war groß gewachsen, hatte gewelltes, ziemlich langes schwarzes Haar und auffallend helle, fast golden schimmernde Augen, in denen Stolz und Verwegenheit blitzten.

In der Öffentlichkeit pflegte Prinz Stefan ein recht unangepasstes Image mit playboyhaften Zügen. Fürst Viktor und Fürstin Gesine wussten allerdings, dass dies nur Taktik war, um die Auflagen seiner Bücher zu steigern, und er im Herzen ein gefühlvoller, zurückhaltender Mann war. Dennoch schwoll besonders Fürst Viktor der Kamm, wenn sein Sohn einmal wieder in den Schlagzeilen der Boulevardpresse stand. Dann kam es nicht selten zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn.

Dabei drohte der Fürst dem Erbprinzen, ihm den Titel abzuerkennen und diesen auf den Zweitgeborenen, Prinz Enno, zu übertragen, der im Gegensatz zum Bruder einen untadeligen Ruf hatte. Der zweiunddreißigjährige Jurist kümmerte sich um die Verwaltung der fürstlichen Besitztümer, wozu neben großen Ländereien und Wälder auch eine Brauerei gehörte. Er war mit Prinzessin Jana verheiratet, einer etwas unscheinbaren, aber sehr liebenswerten Frau, und hatte zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen.

Aber schrecken konnte Fürst Viktor den Erbprinzen mit seiner Drohung nicht. Stefan fühlte sich ohnehin durch die Last des Erbes in seiner Freiheit eingeengt und dachte auch noch nicht im Mindesten daran, sich nach einer passenden Ehefrau umzusehen, die dem Haus Amerung mit ihrer Noblesse und ihrem Charisma zu neuem Glanz hätte verhelfen können.

Wieder seufzte Fürstin Gesine und widmete sich abermals ihrem Roman.

Hoch aufgerichtet, die Zügel seines Rappens in nur einer Hand und das Haupt stolz erhoben, galoppierte der Ritter in den Schlosshof ein, um die Liebste zu befreien. Sein rötlich blondes, schulterlanges Haar flammte im Licht der Sonne wie eine lodernde Fackel. Die Lippen, sonst von einem warmen Lächeln umspielt, waren nur noch ein schmaler Strich. Wo war sie, wo hielt man die geliebte Frau gefangen?

»Liest du schon wieder einen deiner rührseligen Liebesromane, Mama?«, riss die sonore Stimme des Erbprinzen die Fürstin aus ihrer Versunkenheit.

Verwirrt blickte Gesine auf. Sie brauchte eine Weile, um sich aus dem Zauber der Geschichte zu befreien. »Du solltest nicht so abfällig über diese Erzählungen urteilen, Stefan«, tadelte sie. »Sie entführen den Leser in eine heile Welt, in der man noch träumen und mitleiden kann. Deine Kriminalgeschichten sind zwar ebenfalls gut, wie die Kritiker behaupten, aber sie verursachen dem Leser Gänsehaut.

»Mama.« Prinz Stefan setzte sich neben die Mutter, ergriff ihre Hand und tätschelte sie. »So beseelt wie dieser Sebastian Kreuzberg kann ich leider nicht schreiben, so einfach ist das.« Er grinste.

»Wirklich schade«, seufzte die Fürstin und schlug das Buch zu. »Dann würde ich öfter mal eine Geschichte von dir lesen. Aber diese sind meist so furchterregend, dass ich nachts nicht schlafen kann.« Gesine warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und hob bedauernd die Schultern. »Entschuldige mich, Stefan. Aber es ist Zeit für die Kaffeestunde mit deinem Vater.« Sie runzelte die Stirn und musterte den Sohn argwöhnisch. »Ich schätze, es ist müßig, dich zu fragen, ob du uns Gesellschaft leisten möchtest?«

Prinz Stefan nickte verlegen. »Sonst gern, Mama. Aber ich habe noch eine Besprechung mit meinem Manager und möchte außerdem vor Dunkelheit zu Hause sein.«

Fürstin Gesine rollte die Augen. »Dein Zuhause ist hier auf Schloss Amerung«, tadelte sie. »Warum nutzt du nicht deine schöne, moderne Wohnung, statt dich in die Sommerresidenz an der Ostsee zu verkriechen. In dem zugigen alten Kasten holst du dir nur einen Schnupfen.«

»Ich fühle mich in der Villa einfach wohl«, erwiderte der Prinz achselzuckend und spielte mit einem der blank polierten Kieselsteine, die als Dekoration in einer Schale lagen. Er hob den Kopf und blickte zum See, auf dessen sanft plätscherndem Wasser ein paar Segelboote dümpelten.

»Am Meer finde ich die Stimmung für meine Romane«, sinnierte er. »Wenn es stürmt und sich das Wasser zu schäumenden Wellenbergen auftürmt, habe ich die richtige Kulisse, um meine Kommissare auf Verbrecherjagd gehen zu lassen. Wenn düstere Wolken den Himmel verdunkeln und dichter Nebel über die Landschaft wabert, schicke ich meine Übeltäter los.« Er lächelte amüsiert, als seine Mutter abermals die Augen verdrehte.

»Schloss Amerung liegt auch nicht auf einer Insel der Seligen und Sturm und Nebel gibt es im Herbst und Winter genug.« Sie schüttelte den Kopf. »Das sind keine Argumente, Stefan.«

Der Prinz rieb die schlanken Hände aneinander. »Das ist wohl wahr, Mama«, gab er zu. »Aber auf Schloss Amerung herrscht mir zu viel Trubel, seit die Touristen hier ein und aus gehen.« Als die Fürstin einen Einwand anbringen wollte, nickte er bedächtig. »Ich verstehe, dass die Besichtigungen und Führungen nötig sind, um den Unterhalt des Schlosses zu finanzieren. Aber mich nervt dieser Besucherstrom und die lauten Stimmen, wenn die Leute sich im Schlosshof tummeln. Da ziehe ich die Abgeschiedenheit der alten Villa vor, wo ich ungestört bei offenem Fenster arbeiten kann und nur das Rauschen des Meeres und das Kreischen der Möwen höre.«

Die Fürstin hatte sich inzwischen erhoben. Sie verzog ironisch die Lippen und stemmte die Hände in die schmalen Hüften. Trotz ihrer zweiundsechzig Jahre hatte sie sich noch ihre mädchenhafte Figur bewahrt. »Warum sagst du nicht die Wahrheit, Stefan?«, spöttelte sie. »Deine Suite ist im Südturm des Schlosses viel zu abgelegen, um vom Lärm der Touristen überhaupt etwas mitzubekommen.« Sie legte den Kopf schief und musterte den Sohn mit strengem Blick. »Du willst deine Freiheit, willst mit Freunden ungestört feiern und dich, ohne die Argusaugen deiner Eltern, deiner jeweiligen Herzdame widmen, wovon wir dann wieder über die Boulevardpresse erfahren.«

»Tut mir leid, Mama.« Prinz Stefan warf die Hände in die Luft. »Die Paparazzi sind leider überall, wenn man so bekannt ist wie ich.« Er stand auf, umarmte die Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Nun schmoll nicht«, lächelte er. »Den Winter über hast du mich wieder unter Kontrolle. In dieser Jahreszeit ist es mir in der Villa mit dem uralten Heizungssystem doch zu kalt.«

»Als wenn dein Vater und ich dich jemals kontrollieren wollten, Stefan«, empörte sich Fürstin Gesine kopfschüttelnd. »Uns ist nur daran gelegen, dass du dich ab und zu auf deinen Namen und Titel besinnst. Dem Schriftsteller Stefan von Amerung verzeiht man so manchen Eklat. Aber der Erbprinz sollte doch auf seinen Ruf achten, wenn er eines Tages das Amt des Fürsten übernehmen will.«

Stefan lachte. »Mama, bis dahin ist noch viel Zeit. Papa ist ein äußerst rüstiger Mittsechziger und wird hoffentlich noch eine ganze Weile die Amtsgeschäfte führen und mit dir an seiner Seite unser Haus repräsentieren. Ich reiße mich wirklich nicht um diese Last.«

»Trotzdem wäre es an der Zeit, dich auf dein künftiges Amt zu besinnen«, ließ sich die Fürstin nicht beirren. Sie zupfte einen imaginären Fussel von ihrem Kleid, während sie ihren Sohn von der Seite her beäugte. »Wann siehst du dich endlich nach einer passenden Frau um, Stefan? Du bist immerhin schon fünfunddreißig Jahre alt und …«

»Bitte, Mama, nicht wieder die alte Leier«, stöhnte der Prinz und hob abwehrend die Hände. »Ich fühle mich einfach noch nicht reif für die Ehe. Außerdem ist mir noch keine Frau begegnet, die dir das Wasser reichen könnte.« Er lächelte charmant, was die Fürstin versöhnte.

Gesine seufzte und stupste ihren Sohn spielerisch an die Nase. Es fiel ihr wirklich schwer, ihrem Ältesten lang zu grollen. Dann wurde sie wieder ernst und mahnte. »Denk an den Sommerball am Wochenende.« Als Stefan genervt die Augen verdrehte, wischte sie mit der Hand durch die Luft. »Ich will keine Ausflüchte hören. Diesmal bestehe ich auf deine Anwesenheit.«

Stefan stöhnte. »Ich hoffe, du hast wenigstens nicht Charlotte von Brenningen eingeladen. Diese überkandidelte junge Dame ist wirklich nicht die Frau, mit der ich mein Leben teilen möchte. Die Welt der Literatur und Kunst ist ihr absolut fremd. Sie liest allenfalls die Boulevardpresse und kennt sich mit dem neuesten Klatsch aus. Absolut nicht mein Fall, Mama.« Er schüttelte sich. »Bevor ich diese Dame eheliche, gehe ich lieber ins Kloster und friste den Rest meines Daseins in keuscher Abgeschiedenheit, während ich es meinem Herrn Bruder überlasse, sich statt meiner auf dem Parkett der Gesellschaft zu tummeln.« Er zog eine Grimasse.

»Du übertreibst mal wieder, mein Lieber«, urteilte die Fürstin trocken und klopfte ihrem Sohn ironisch lächelnd auf die Schulter. »Sei unbesorgt, Charlotte hat bereits einen sehr charmanten Verehrer gefunden, der ihre Qualitäten besser zu würdigen weiß als du.

Stefan lächelte schelmisch. »Auch andere Mütter haben schöne Töchter, es muss doch nicht gerade Charlotte sein.«

»Die Töchter anderer Mütter interessieren dich ja leider auch nicht«, behielt die Fürstin das letzte Wort und blickte ihren Sohn mahnend an. »Vergiss den Ball nicht. Diesmal verzeihe ich dir nicht, wenn du wieder mit Abwesenheit glänzt.« Leichtfüßig ging sie davon.

*

Prinz Stefan setzte sich wieder und sah der Mutter versonnen nach. Auch um ihren Verkupplungsversuchen zu entgehen, zog er die Sommerresidenz am Meer dem Schloss vor. Die Fürstin nutzte jede Gelegenheit, um ihren Ältesten mit den schönsten Damen der Gesellschaft zu konfrontieren, in der Hoffnung, dass er endlich Feuer fing. Dabei begnügte sie sich nicht mit rauschenden Bällen oder Wohltätigkeitsfesten, sondern sie gab auch Kaffeekränzchen, bei denen der Erbprinz nicht fehlen durfte, wenn er sich im Schloss aufhielt.

In einem hatte Stefan jedoch die Wahrheit gesagt: Bisher war ihm noch keine Frau begegnet, die auch nur annähernd den Charme und die Grazie seiner Mutter besaß, die er sehr verehrte.

Stefan nahm den Liebesroman an sich, den die Fürstin liegen gelassen hatte, und drehte ihn nachdenklich in den Händen. Wenn Mutter wüsste …, dachte er. Niemand kannte den Inhalt der Geschichte besser als er, denn sie stammte aus seiner Feder! Auch das war ein wichtiger Grund, warum er die meiste Zeit des Jahres an der Ostsee zubrachte: Keiner sollte erfahren, wer sich wirklich hinter dem Pseudonym Sebastian Kreuzberg verbarg, sonst würde es nur dem Image des hartgesottenen Krimiautors Stefan von Amerung schaden. Lediglich sein Freund und Manager Pawel Latzko und sein Bruder Enno wussten Bescheid.

Irgendwann hatte Stefan genug von den blutigen Kriminalgeschichten gehabt und sich den romantischen Liebesromanen zugewandt, die mehr seinem eher sanften Charakter entsprachen. Doch diese verkauften sich leider nicht so gut wie die Krimis und wurden lediglich von der Damenwelt gern gelesen. Deshalb schrieb Stefan nun zweigleisig und war ein Mann mit zwei Gesichtern. Auf dem Klappentext der Krimis lächelte Stefan von Amerung mit mokant verzogenen Mundwinkeln, während das Konterfei Sebastian Kreuzbergs einen unscheinbaren, weltentrückten Träumer zeigte, mit braunem Lockenschopf, schmalem Oberlippenbärtchen und dunkel getönter Hornbrille auf der Nase. Letztere verbarg die verräterische Augenfarbe des Prinzen, der wegen einer Allergie keine Kontaktlinsen tragen konnte.

Aber auch im Wesen unterschieden sich beide Autoren enorm. Während Prinz Stefan als weltmännischer Gentleman, der noch dazu dem Hochadel angehörte, jede Gelegenheit wahrnahm, seine Popularität zu steigern, war Sebastian Kreuzberg publikumsscheu. Er wirkte im Geheimen und trat nur ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ. Dann musste der Prinz jedes Mal höllisch aufpassen, dass er sich nicht verriet. Ihm graute schon vor der Buchmesse in Paris im nächsten Monat, bei der die Anwesenheit von Sebastian Kreuzberg unumgänglich war. Er hatte einige Preise errungen, die er nun persönlich entgegennehmen musste, wollte er seine Fans nicht verärgern.

Stefan seufzte. Gern würde er Sebastian Kreuzberg wieder in die Verbannung schicken. Die Doppelrolle war anstrengend. Aber inzwischen fand er selbst großen Spaß daran, in den sentimentalen Romanen seine sanfte Seite ausleben zu können.

Sein Bruder Enno war durch Zufall hinter seine zweite Identität gekommen, als er einmal in die Sommerresidenz geplatzt war, ohne den Besuch vorher anzukündigen. Stefan hatte gedankenversunken an seinem Computer gesessen und nicht gemerkt, wie Enno ihm neugierig über die Schulter linste. Erst als der Bruder in schallendes Gelächter ausbrach, war er aufmerksam geworden. Enno konnte sich überhaupt nicht mehr beruhigen.

Daraufhin hatte der Erbprinz dem Jüngeren bei seiner Ehre das Versprechen abgerungen, wie ein Grab zu schweigen, was der auch tat.

Der Prinz legte das Buch in ein Regal und sah auf die Armbanduhr. Er seufzte. Gern hätte er noch die herrliche Atmosphäre des sommerlich blühenden Parks ausgekostet, der für die Touristen tabu war, und hatte in Ideen geschwelgt, die sich bereits um die nächste gefühlvolle Liebesgeschichte rankten. Doch der Termin drängte.

*

Am Nachmittag des nächsten Tages saß Fürst Viktor im gemütlichen Ohrensessel in der Bibliothek und las in der Tageszeitung. Der Sessel war sein Lieblingsplatz. Seine Augen waren nicht mehr die besten, weshalb er die Nähe zum Fenster sehr schätzte. Dazu hatte man einen wunderbaren Blick über den Schlosshof und auf die Besucher, die sich darin tummelten. Im Gegensatz zum Erbprinzen störte sich der Fürst nicht an dem Tumult, der an drei Tagen der Woche im Schloss herrschte. Er liebte es, wenn das alte Gemäuer mit Leben erfüllt war, und sah es als seine Pflicht, Interessierten die Schätze und Hinterlassenschaften der Vergangenheit zugänglich zu machen, ganz abgesehen von der klingenden Kasse, die es ihm ermöglichte, das Erbe seiner Ahnen im würdevollen Zustand zu halten. Ständig musste etwas an der riesigen Schlossanlage restauriert und saniert werden.

Auch an diesem Tag schweifte der Blick des Fürsten öfters zu dem bunten Getümmel im Schlosshof ab. Er war froh, dass sein jüngerer Sohn ein Organisationstalent und wahres Finanzgenie war. Bevor Prinz Enno die Verwaltung des fürstlichen Imperiums übernommen hatte, hatte es oft Engpässe im Budget gegeben. Er, Viktor, verstand nicht viel von finanziellen Dingen. Er war ein guter Repräsentant des altehrwürdigen Hauses, ein kluger Redner und humorvoller Unterhalter. Auch besaß er Führungsqualitäten und Verhandlungsgeschick. Aber die wirtschaftliche Verwaltung der Betriebe und des Familienvermögens waren einem Treuhänder überlassen gewesen. Solange dies noch der alte Familienanwalt übernommen hatte, war das Vertrauen auch gerechtfertigt. Doch sein Nachfolger hatte das fürstliche Imperium fast in den Ruin getrieben.

Glücklicherweise hatte Prinz Enno da gerade sein Studium und das Praktikum als Wirtschaftsjurist beendet und trotz seiner Jugend die Zügel übernommen. Es verdiente Hochachtung, wie geschickt der Prinz das angeschlagene Familienschiff vor dem Kentern bewahrt und wieder in sicheres Gewässer gesteuert hatte.

Fürst Viktor war sehr stolz auf seinen Jüngsten, der mit einem scharfen Verstand gesegnet war. Kein temperamentvoller Schöngeist wie der Erbprinz, sondern nüchtern und realitätsbezogen.