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Hunde erfüllen heutzutage längst nicht mehr nur spezifische Jagd- oder Wachaufgaben, aufgrund derer sie eine unerlässliche Hilfe im Zusammenleben mit dem Menschen sind. Hunde sind heute in erster Linie Begleiter. Sei es beim (Hunde-)Sport, beim Erkunden neuer Pfade auf der Wanderung durch den Wald, als vierbeiniger Kollege im Büro oder als Partner bei der täglichen Gassirunde. Wie diese gemeinsamen Ausflüge aussehen, ist ganz unterschiedlich und von vielen Faktoren abhängig. Ganz maßgeblich beeinflusst wird die Art, wie man gemeinsam unterwegs ist, vor allem vom Charakter, der Motivation und auch von der Erziehung des Hundes.

Während ein Hund völlig aufgedreht das Haus verlässt und auf jeden Reiz reagiert, gehen andere Hunde fast schon ignorant und ziemlich autark mit ihrem Menschen vor die Tür. Der eine lässt seinen Menschen draußen kaum aus den Augen, beim anderen würde man sich ein bisschen mehr dieser Aufmerksamkeit wünschen.

Zwischen diesen Extremen gibt es viele weitere Hundetypen. Zum Beispiel den pubertierenden, sexuell motivierten und deshalb sehr imponierenden Hund. Oder den Jäger, der nur noch mit der Nase über den Boden schwebt. Oder den „Aufpasser“, der die Umgebung und alle sich darin befindenden Zwei- und Vierbeiner sehr genau im Auge behält.

EINSTELLUNG DES MENSCHEN

Aber auch von der Einstellung und Motivation des Menschen ist es abhängig, wie Spaziergänge gestaltet werden. Die Bandbreite ist hier mindestens genauso groß: Der eine freut sich, seinen Hund über Apportierspiele und -training auszulasten. Andere schätzen die Anwesenheit des Hundes als Joggingpartner. Wieder andere möchten in der eigentlich gemeinsamen Zeit lieber ihren eigenen Gedanken nachhängen und vom Alltag abschalten. Der Nächste ist draußen fast ausschließlich mit der Erziehung seines Hundes beschäftigt oder genießt es, seinem Hund beim Spiel mit Artgenossen zuzuschauen. Oder letztendlich eine Kombination aus all diesen Dingen.

So lange Mensch und Hund draußen gut klarkommen, nicht gestresst sind und ihr Umfeld nicht belasten oder gefährden und so lange der Hund auf Rückruf zuverlässig kommt, besteht kein Grund, seine gemeinsamen Ausflüge zu ändern oder kritisch zu hinterfragen. Und manchmal gibt es auch wirklich keinen Grund dazu, weil Hund und Mensch entspannt unterwegs sind, es zwischen beiden einfach passt und gut läuft. Dann kann sowohl Mensch als auch Hund guten Gewissens einfach mal die Seele baumeln lassen und eigenen Gedanken nachhängen.

Hunde sind heutzutage in erster Linie Begleiter, auch in städtischem Umfeld.

FRUST AUF BEIDEN SEITEN?

In meinem Arbeitsalltag mit den unterschiedlichsten Mensch-Hund-Teams werde ich jedoch häufig mit einer gewissen Unzufriedenheit konfrontiert. Auf beiden Seiten! Der Mensch ist frustriert, weil sein Hund nicht wie gewünscht an der Leine läuft und im Freilauf nur kommt, wenn es ihm passt. Der Hund ärgert sich, dass er nicht vernünftig jagen gehen darf und ist oft mit Alltagssituationen überfordert. Spätestens jetzt sieht man Handlungsbedarf, der eigentlich schon nötig gewesen wäre, als man noch am Anfang der gemeinsamen Beziehung stand. Was kann man also tun, dass es draußen gemeinsam besser klappt? Dass man mehr Spaß zusammen hat und zufriedener nach Hause gehen kann? Und worauf kann man achten, dass es gar nicht erst zu Unzufriedenheit und Frust kommt?

Bei so viel Variabilität in der Menschen- und Hundementalität können für die gemeinsamen Spaziergänge unmöglich für alle Hundetypen (und für alle Hundehalter) die gleichen Regeln und Übungen gelten bzw. wichtig sein. Sicherlich gibt es Empfehlungen, die für einen Großteil der Mensch-Hund-Teams passen. Aber natürlich macht es einen Unterschied, ob der eigene Hund in jedem anderen einen Freund oder einen Feind sieht, um nur ein Beispiel zu nennen. Wir schauen uns im Folgenden also das an, was Hundeverhalten ausmacht. Wenn Ihnen als Hundehalter bewusst ist, um was für einen Typen es sich an Ihrem Leinenende handelt, können Sie mit alltäglichen Situationen anders umgehen, sie anders gestalten und Ihren Hund passender beschäftigen, fordern und fördern.

Viel Spaß! Ihre

Jeanette Przygoda

WAS IST VERHALTEN ÜBERHAUPT?

Faktoren, die das Verhalten von Hunden beeinflussen

Wie sich ein Hund verhält, ist von vielen Faktoren abhängig: von seiner Motivation, seinem Charakter, von Lernerfahrungen, die er in seinem Leben gemacht hat. Aber natürlich auch von seinem allgemeinen Wohlbefinden, vom Hormonhaushalt als auch von der Situation, in der er sich befindet.

Es ist davon abhängig, wer sein Gegenüber ist, ob der Hund Stress empfindet und wie er erzogen wurde. Genauso vielfältig, wie die Faktoren sein können, gibt es auch in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Definitionen von Verhalten. Ganz allgemein kann man jedoch sagen, dass die hauptsächlichsten Faktoren, von denen Verhalten abhängig ist, zum einen die Gene sind, zum anderen die gemachten Lernerfahrungen des Hundes. Darauf möchte ich ein bisschen genauer eingehen:

ANGEBORENES VERHALTEN

Reflexe und Instinkthandlungen müssen nicht erlernt werden. Sie sind von Natur aus vorhanden und in den Genen festgelegt. Ein Welpe muss beispielsweise also nicht erst lernen, was Jagdverhalten ist, denn es ist bereits in ihm angelegt. Der Jagdinstinkt reift mit der Entwicklung lediglich heran und wird von bestimmten Reizen ausgelöst, von einem davonhoppelnden Hasen zum Beispiel.

JAGEN IST EINE ANGEBORENE INSTINKTHANDLUNG
Das so genannte Vorstehen, das der Magyar Vizsla zeigt, ist eine typische Jagdhaltung von Vorstehhunden.

ERLERNTES VERHALTEN

Der zweite wichtige Faktor, der Verhalten beeinflusst, sind die Lernerfahrungen, die der Hund in seinem Leben macht. Durch Lernprozesse erwerben Hunde neue Fertigkeiten. Was genau gelernt wird und wie schnell, hängt auch vom jeweiligen Hund ab. Woran hat er Interesse? Was liegt ihm? Welcher Lerntyp ist er? Das hat dann wiederum mit Vorerfahrungen und angeborenen Eigenschaften zu tun. Ein Beispiel: Möchte man einem Hund beibringen, einen davonrollenden Ball zu stoppen und ihn zurück zu seinem Menschen zu stupsen (als Element des Treibball-Trainings beispielsweise), wird ein Hütehund diese Fertigkeit in der Regel viel schneller erlernen, weil das Umkreisen und stoppen von bewegten Gegenständen (oder Schafen oder Menschen) seiner natürlichen Veranlagung entspricht. Ein Hund des molossoiden Typs wird sich dagegen für einen davonrollenden Ball vermutlich reichlich wenig interessieren, zumindest wird er ihn nicht unbedingt stoppen wollen.

Durch die Verpaarung seiner Eltern hat ein Hund also einen Genpool (inkl. diverser Instinkte), der sein Verhalten beeinflusst. Welche Persönlichkeit ein Hund dann aber haben wird, hängt mit seinen (Lern-)Erfahrungen zusammen, besonders von denen als junger Hund (der sogenannten Sozialisierung). Aber auch danach spielen Erfahrungen und Erziehung ganz allgemein eine wichtige Rolle.

Aus diesem Grund orientiere ich mich bei der Kategorisierung der Hundetypen zum einen nach ihren Instinkten, zum anderen nach der Art ihres Auftretens, ihrer Persönlichkeit.

Hütehunde haben meist ein Interesse daran, bewegte Objekte zu stoppen.

Anderen Hundetypen fehlt häufig das Interesse oder die Ausdauer.

VERHALTEN NACH INSTINKTEN

Jeder Hund wird von vier Instinkten reguliert: dem Jagdinstinkt, dem Territorialinstinkt, dem sozialen Rudelinstinkt und dem Sexualinstinkt. Diese Instinkte werden im Folgenden noch näher erläutert. Je nachdem, um welchen Hund es sich handelt, sind diese vier Instinkte in einer anderen Gewichtung veranlagt. Die Jagdhundrasse „Deutsch Drahthaar“ hat beispielsweise eine größere Portion Jagdinstinkt angezüchtet bekommen, dem Hovawart ist sein Territorium deutlich wichtiger als anderen Hunderassen. Bei Mischlingshunden ist die Instinktverteilung natürlich davon abhängig, wie sie bei ihren Vorfahren ausgeprägt war. Auch wenn es sich um vier verschiedene Instinkte handelt, beeinflussen sie sich gegenseitig und sollten deshalb als Gesamtheit betrachtet werden. Man kann sie sich wie verschieden große Stücke einer Torte vorstellen.

Gezeigtes Verhalten, das auf Instinkten basiert, kann also

VERHALTEN NACH PERSÖNLICHKEIT

Neben den Instinkthandlungen spielt die Persönlichkeit des Hundes eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung von Verhalten.

Unter Persönlichkeit versteht man die Gesamtheit aller charakteristischen und individuellen Eigenschaften eines Individuums. Wie sich jemand verhält und wie er auf verschiedene Situationen reagiert, hängt maßgeblich mit seiner Persönlichkeit zusammen. Da die Persönlichkeit eine so große Rolle spielt, wurden viele Modelle entwickelt, um die verschiedenen Persönlichkeitstypen zu kategorisieren. Ein klares und gut verständliches Modell ist die Kategorisierung in Typ A und Typ B – Persönlichkeiten, von denen es jeweils eine stabile und instabile Variante gibt. Sie hat sich bei der Anwendung auf Hunde bewährt, weshalb sie auch hier als Kategorisierungsgrundlage verwendet wird.

1. Der territoriale Hund beobachtet aufmerksam sein Umfeld.

2. Der sexuelle Hund markiert gerne interessante Stellen.

3. Der sozial motivierte Hund läuft gerne zwischen seinen Bezugspersonen.

Typ A und Typ B

Die Einteilung in Typ A und Typ B kommt ursprünglich aus der Kardiologie, nämlich aus der Risikoforschung für Herzerkrankungen. Zwei Stresssysteme, die im Körper aktiv sein können, führen zu unterschiedlichen Stresspersönlichkeiten. Zum einen gibt es das schnell reagierende Adrenalinsystem, zum anderen ein deutlich langsamer reagierendes Cortisolsystem. Wird in Stresssituationen eher hitzig und prompt reagiert oder ruhig und besonnen? Je nachdem, durch welches System Mensch oder Hund gesteuert werden, verhält man sich anders – man ist Typ A oder Typ B.

Gezeigtes Verhalten, das auf der Persönlichkeit basiert, kann also diesen Punkten zugeordnet werden:

WELCHER TYP IST MEIN HUND?

Erkennen des dem Verhalten zugrunde liegenden Instinkts

Menschen, die einen jagdlich interessierten Hund haben, wissen das. Bei sozial motiviertem Verhalten wird das Erkennen schon schwieriger. Und wo fängt eigentlich Territorialverhalten an? Die folgenden Seiten sollen Sie bei der Einschätzung unterstützen.

JAGDLICH MOTIVIERTES VERHALTEN ERKENNEN