Der Regen prasselte gegen die Scheiben, vor denen sich dichtes Geäst im Wind bog.
Nic blieb gerade noch ausreichend Zeit, »Na super« zu sagen, da prallte bereits ein überdimensionales Fellknäuel gegen ihn. Polternd ging er zu Boden.
»Lila.« Freudig umarmte er die Labradorhündin, die herumsprang, sich kraulen ließ und dann doch nicht still sitzen konnte.
»Bilde dir nur nichts ein«, kommentierte Jason. »Sie hat nur Hunger. Wenn wir Glück haben, verspeist sie dich.«
Nics älterer Bruder lehnte mit verschränkten Armen im Türrahmen und blickte mit geschürzten Lippen auf ihn herab. Ihm verdankte Nic, dass Lila auf die Worte ›doofer Nic‹ bellend um ihn herumsprang. Sein Bruder hatte das total lustig gefunden, ihre Mum weniger, weshalb Jason jeden Putzzauber in- und auswendig beherrschte.
»Willst du nicht lieber schlafwandeln gehen?«, erwiderte Nic. »Darin hast du doch Übung.«
»Das werden lustige zwei Tage.« Jason lachte auf und schlurfte in die Küche.
Das Ritual hatte ihn dem 5. Haus der Traumwandler zugeteilt. Abgesehen von der Tatsache, dass sie Träume durchstreifen konnten, taten sie nicht viel. Auf entsprechende Nachfragen nach ihrem sonstigen Tun gab Jason keine Antwort.
Mit Lila, die Nic nicht von der Seite wich, betrat er ebenfalls die Küche. Noch heute war dies sein Lieblingsraum im Haus. Der Duft von Kaffee vermischte sich mit dem von Tee und Ahornsirup. Getrocknete Kräuter lagen in einer getöpferten Schale und auf dem Herd köchelte eine Kürbissuppe.
»Wo sind Mum und Dad?«
»Dad hat Wichtigeres zu tun, als hier rumzusitzen«, kommentierte Jason, während er abwechselnd seinen Tee schlürfte und in irgendeinem Magazin blätterte.
»Frag ihn doch das nächste Mal, ob er dich mitnimmt. Du tätest uns allen einen großen Gefallen.«
Jasons hob seinen Blick. »Seit wann kannst du kontern?«, fragte er verblüfft.
Die altbekannte Wut über seinen Bruder stieg in Nic empor.
»Ah, ein Zufallstreffer.« Jason grinste und wandte sich wieder dem Magazin zu.
Ohne lange nachzudenken, sog Nic mit seinem Anima Magie aus der Umgebung und wob einen kleinen, aber gemeinen Arktischen Wind, den er mit Bittere Distel verwob. In der Schule gehörte er zum Standardrepertoire des ersten Jahrgangs.
Während er lächelnd davonging, brüllte sein Bruder hinter ihm auf. Was ein simpler Geschmacksvariationszauber und eine ordentliche Portion eisige Kälte mit einem Tee machen konnten, war erstaunlich.
»Du elender …«
Nic verzichtete darauf, sich noch mehr anzuhören, und sprang die Treppenstufen hinauf. Natürlich hatte er bereits als Teenager gelernt, Schutzzauber über sein Zimmer zu werfen, genau wie seine Brüder. Dort war er sicher. Unter ihm polterte es, Jason kam angerannt.
Vorbei an lächelnden Familienfotos, einem Farn, der wirklich immer im Weg stand, und achtlos abgestreiften Schuhen, rannte Nic in sein Zimmer. Praktischerweise war die Tür schon geöffnet. Dass sein Gepäck aus der Schule hierhergebracht worden war – genau hinter die offene Tür –, verdankte er vermutlich Jason. Mit einem Aufschrei stürzte Nic über den Koffer und knallte frontal gegen den Schreibtisch.
Aus dem Gang erklang Lachen. »Ich wollte dir noch sagen, dass dein Gepäck angekommen ist.«
Jasons Schritte entfernen sich.
Murrend raffte Nic sich wieder auf. Der Spiegel neben seinem Schreibtisch enthüllte eine kleine Platzwunde. Da er sein dunkelblondes Haar mittellang trug, waren einige Strähnen blutverklebt. Schnell heilte er die Wunde und trottete in das Bad im Nebenraum, um sich das Blut abzuwaschen.
Erst dann sank er auf das Bett und atmete durch.
Sein Zimmer sah so aus, wie er es vor wenigen Wochen verlassen hatte. An den Wänden hingen Poster von Feist und Arcade Fire, daneben eine Fotocollage seiner Freunde. Sogar das Bett roch noch nach ihm, tief unter dem Weichspüler.
Nic kickte seine Sneaker durch das Zimmer und trat vor das Fenster. So richtig konnte er es noch nicht glauben. Morgen würde er seinen einundzwanzigsten Geburtstag feiern und damit endgültig volljährig werden. Der Gedanke, dass nach all den Jahren des Lernens von Basismagie endlich sein Talent hervortreten würde, jagte einen Schauer durch seinen Körper.
Vor dem Fenster erfasste der Wind die Schaukel und ließ sie hin und her pendeln. Der Ast, an dem das Holzbrett mit zwei Tauen befestigt war, erzitterte.
Dass sein Elternhaus am Waldrand stand und in der Ferne der Lake Nipissing zu sehen war, hatte er erst zu schätzen gelernt, als man ihn in die Akademie brachte. Wie alle wichtigen Institutionen der magischen Welt, wusste auch von der Schule niemand, wo sie – örtlich gesprochen – zu finden war. Hätten die Lehrer die Spiegelverbindung abgeschaltet, wäre keiner der Eltern dazu in der Lage gewesen, die Schule hinter ihrem Schleier zu finden.
Aus genau diesem Grund waren alle Fluchtversuche Nics erfolglos geblieben. Nach der ersten Woche hatte er damit begonnen, sich einzuleben, und einzig Matt und Jane war es zu verdanken, dass er nicht als Außenseiter geendet hatte. Der kleine arrogante Sohn eines Ratsmitgliedes, das dachten sie alle und ließen es ihn spüren. Würde es in seinem neuen Haus auch so sein?
»Es gibt Essen!«, brüllte Jason und riss Nic damit aus den trüben Gedanken.
Seufzend erhob er sich. Die Treppenstufen knarzten vertraut, als er hinabstieg. Das warme Lächeln seiner Mutter begrüßte ihn. Ohne ein Wort zog sie ihn in ihre Arme. Er legte den Kopf auf ihre Schultern und in diesem Augenblick kam er wirklich zu Hause an.
»Peinlich«, flötete Dustin.
Nics ein Jahr jüngerer Bruder hatte seine Prüfungen für dieses Jahr ebenfalls abgeschlossen. Für ihn begann nächstes Semester das Abschlussjahr. Beinahe hätte er noch zwei Wochen länger bleiben müssen, weil er seine Klausur in Magisches verweben 4 verschlafen hatte. Ohne die Einsicht der Lehrer, dass ihm jemand einen Streich gespielt hatte, hätte sich Nic nur mit Jason herumschlagen müssen.
Hoffentlich erfuhren Nics Eltern nie, dass er für den Streich verantwortlich war, der Dustin beinahe ferngehalten hätte.
»Ich wusste gar nicht, dass hier ein Spiegel hängt«, patzte Nic zurück.
»Ich meinte deine Umarmung.«
Nics stöhnte innerlich auf. »Das ist mir klar. Du bist echt nicht der Hellste.« Er verzichtete darauf, seinem Bruder die Beleidigung zu erklären.
»Benehmt euch.«
Seine Mutter musste nicht einmal die Stimme heben. Sie war eine jung gebliebene Frau Ende vierzig mit glänzenden Locken und gütigen Augen. Ihre Stimme allerdings konnte schneidend wie ein Rasiermesser sein. Sofort setzte sich Jason kerzengerade an den Tisch, Dustin sank schweigend auf den Platz daneben.
»Irgendwann musst du mir den Zauber beibringen«, flüsterte Nic.
»Du kannst mir die Teller bringen«, gab sie freundlich zurück.
»Sollte ich nicht irgendwie der Ehrengast sein, oder so?«
Keine Antwort war auch eine Antwort.
Die Suppe roch nach Würze und Heimat, Kürbis und Liebe. Natürlich sprach er das nicht laut aus, doch sein Magen schlug einen freudigen Purzelbaum, als sie endlich saßen und er den ersten Löffel zum Mund führte.
»Wo ist Dad?«, fragte Nic.
»Ratsgeschäfte«, erwiderte seine Mutter knapp. »Du weißt, er …«
»Schon gut.«
Sie schenkte ihm ein angedeutetes Lächeln, in dem eine Prise Traurigkeit mitschwang.
Das Abendessen verlief friedlich, sah man von den üblichen Wortgefechten ab, die seine Brüder sich lieferten oder mit ihm ausfochten. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass sein Geburtstag in vier Stunden begann. Nic ging jede Wette ein, dass die beiden Geschwistermonster sich etwas hatten einfallen lassen, um ihn zu ärgern.
Glücklicherweise gehörte es zum Brauch, dass sein Geburtstag erst im Morgengrauen begann. Sie würden also nicht hineinfeiern. Nach dem Essen verschwanden Jason und Dustin. Seine Mutter stellte ihm Fragen zur Akademie, Jane und Matt und wollte wissen, welches Haus er sich erhoffte.
»Für mich war es auch schwer«, sagte sie. »Du lässt dein gesamtes Leben für vier Jahre zurück, so lange verschreibst du dich dem Haus. Natürlich haben wir uns alle hoch und heilig versprochen, dass wir in Kontakt bleiben. Aber wenn du erst einmal in deinem Haus bist, lernst du neue Leute kennen, findest neue Themen, die dich interessieren. Dein Blick auf die magische Welt wird ein völlig anderer sein.« Sie seufzte. »Die Konkurrenz zwischen den Häusern sorgt automatisch dafür, dass man über gewisse Themen nicht spricht. Nur wenige Freundschaften überstehen das.« Sie berührte sanft Nics Arm. »Jane, Matt und du, ihr werdet es schaffen, da bin ich sicher.«
Nick fragte sich, wie sie das immer wieder tat. Sie wusste stets, was er dachte, sah es ihm irgendwie an. »Ist schon okay.« War es nicht, aber was sollte er sagen?
Sie lächelte und das genügte.
Während sein Vater sehr schnell Karriere in der magischen Welt gemacht hatte, hatte seine Mutter nur die Pflichtjahre im Haus der Pflanzensprecher abgeleistet. Danach hatte sie ihre Pflanzenmagie privat angewandt, um einen wunderschönen Garten zu schaffen, das Haus mit Leben zu erfüllen und sie drei aufzuziehen. Nebenbei schrieb und illustrierte sie Kinderbücher für einen kanadischen Verlag.
Die Zeiger der Uhr tickten leise und als sein Geburtstag nur noch zwei Stunden entfernt war, verabschiedete er sich mit einem Kuss von seiner Mutter und ging nach oben ins Zimmer. Die Müdigkeit kam so schnell, dass er nur noch Hose und Pullover abstreifte und unter die Bettdecke kroch.
Der Schlaf umfing ihn wie ein wärmender Schein, um den herum ein Blizzard tobte. Er ließ sich in seine Träume fallen, wo Jason und Dustin ihn verfolgten, aber Jane und Matt zur Rettung eilten. Doch das Haus, in das sie flüchteten, stürzte ein. Nic stand vor den Trümmern und wuchtete verzweifelt Steine beiseite, um seine beiden besten Freunde zu retten. Nie zuvor hatte er sich derart machtlos gefühlt.
Er öffnete abrupt die Augen. Sein gesamter Körper stand unter Spannung, doch er streifte die Angst ab und handelte nach tausendfach trainierten Reflexen. Während der letzte Schutzzauber seines Zimmers fiel, sprang er in die Höhe, riss die Arme empor und wob in Gedanken einen Mystischen Schild.
Vergeblich wartete er darauf, dass die Wirklichkeit sich umformte und die schillernde Fläche mit den Glyphen entstand. Er konnte die Magie nicht sehen, die zweite Sicht gelang nicht …
Entsetzt realisierte er, dass sein Anima nicht reagierte. Natürlich trug er den Ring aus ziseliertem Titan. Das Metall formte Ornamente aus, die den blauen Saphir umhüllten. Doch Letzterer blieb kalt und blass.
»Ausgezeichnete Reflexe, Nicholas«, begrüßte ihn sein Vater. »Heute wird die Magie sich dir jedoch widersetzen. Die Nichtsschaffer haben ein totes Feld um dein Anima gelegt, du kannst keine Magie verweben.«
»Hallo, Dad«, gab Nic nur zurück.
Was sollte er auch sagen? Abgesehen von Weihnachten und Geburtstag sah er seinen Vater lediglich in den Nachrichten und las über ihn in diversen Artikeln von Gegnern oder Unterstützern des Rates. Dass Politik schmutzig war, hatte Nic Zeile für Zeile gelernt.
»Ich beglückwünsche dich zu deiner Volljährigkeit«, erklärte sein Vater mit der ihm eigenen britischen Steifheit.
Wie immer sah er aus, als sei er frisch aus der Reinigung zurückgekehrt, wo jemand seine Weste gebügelt und gestärkt hatte, während er noch drinsteckte. Der Vollbart war perfekt gestutzt, das Haar akkurat geschnitten. Die Kette einer Taschenuhr lugte aus der Weste hervor.
»Danke.« Nicht die hellste Erwiderung, aber was sollte er auch sagen? Der Mann vor ihm war praktisch ein Fremder.
»Folge mir bitte.«
Ohne abzuwarten, verließ sein Vater das Zimmer, die Stufen knarzten. Nic schlüpfte in seine Jeans und rannte los, noch während er den Gürtel schloss, was beinahe zu einem peinlichen Treppensturz geführt hätte. Ein würdiger Start für einen einundzwanzigsten Geburtstag, wie Jason und Dustin zweifellos bestätigt hätten. Sein Vater schritt mit kerzengeradem Rücken aus, durch die Eingangshalle, vorbei am Spiegel in sein Büro.
Das verbotene Büro!
Auf diesem Raum lagen so viele Schutzzauber, dass nicht einmal der Dämon persönlich sie hätte durchdringen können. Natürlich hatten sie es als Kinder immer wieder erfolglos versucht. Dieses Mal stand die Tür offen und sein Vater wartete geduldig, bis Nic eingetreten war.
»Was tun wir hier?«, fragte er mit krächzender Stimme.
»Das werde ich dir offensichtlich gleich sagen«, kam es zurück und prompt fühlte sich Nic wieder wie ein Sechsjähriger, der eine ganz und gar dumme Frage gestellt hatte.
Der Raum bestand vollständig aus Regalen. Zumindest wirkte es so. Abgesehen von dem wuchtigen Schreibtisch, der die gesamte Raumbreite gegenüber der Tür einnahm, gab es nur deckenhohe Regale, die mit Wälzern vollgestopft waren. Nic erkannte das Standardwerk von Elias Manson über die Konsistenz und Regenerationsfähigkeit von Magie, aber auch Werke zu den magischen Talenten diverser Häuser und fortgeschrittene Theorien über vergessene Geschichte.
Sein Vater trat an den Schreibtisch, klappte den Kopf einer Büste zur Seite und betätigte einen darin verborgenen Knopf. Keine Magie wurde wirksam, stattdessen setzten sich simple Mechanismen in Gang. Eines der Regale teilte sich und gab eine dahinterliegende Kabine frei.
Fast hätte Nic erwartet, zwei Haltestangen vorzufinden, an denen sie in die Tiefe rutschen konnten. »Führt der in die Bathöhle?« Er bereute den Spruch sofort.
Schweigend bedeutete sein Vater ihm, die Kabine zu betreten. Anstelle eines Bedienungsfeldes mit Knöpfen war ein Hebel aus Messing in die Wand eingelassen. Die Wand dahinter war offen und gab den Blick auf allerlei Zahnräder frei. Sein Vater betrat die Kabine ebenfalls und drückte den Hebel klickend nach unten in die Aussparung, worauf die Räder sich drehten und die Kabine in die Tiefe sank.
»Weiß Mum hiervon?«, fragte Nic.
»Nein«, erklärte sein Vater. »Ja. Was ich meine: Ich habe es ihr nicht erzählt, doch deine Mutter ist zu schlau, als dass sie nicht wüsste, dass da etwas unter unserem Haus ist.«
Ja, das entsprach ganz der Art seiner Eltern. Manchmal fragte sich Nic, wie es möglich gewesen war, dass aus den beiden ein Paar wurde. Vermutlich hatte sein Dad sich geräuspert, worauf seine Mum das kurzerhand als ›Willst du mich für alle Zeit hegen und pflegen‹ missinterpretiert hatte.
Die Kabine kam mit einem Quietschen zum Halt. Wieder ratterten die Zahnräder, beide Türhälften zogen sich in die Wand zurück. Dahinter kam ein Raum zum Vorschein, der einem Jules-Verne-Roman hätte entsprungen sein können. In dem Fall wäre sein Vater der englische distinguierte Gentleman, der sich als wahnsinniger Wissenschaftler entpuppte.
Sicherheitshalber linste Nic zu ihm hinüber. Doch da war kein Wahnsinn in seinem Blick. Eher … Besorgnis. Aber das war unmöglich, sein Vater war niemals besorgt. Von starken Emotionen hielt er sich grundsätzlich fern.
»Du darfst die Kabine verlassen«, kam es prompt von links.
Zögerlich betrat Nic den Raum.
Auf einem Podest in der Mitte ragten drei seltsame Spulen empor, die aus Chrom und Zinn gegossen worden waren. Die Spitzen bildeten Steine verschiedenster Farbe, die von innen heraus glühten.
»Sind das Anima?!«
Und nicht nur das, die Steine leuchteten in den vertrauten Farben seiner Mum, Dustins und Jasons.
Sein Vater ging nicht auf die Frage ein. Stattdessen stolzierte er zu dem Schaltpult, das seitlich des Podestes aus dem Boden emporwuchs. Touchscreens waren darauf keine zu finden, stattdessen altmodische Hebel und Stellräder. Im Zentrum war eine Kugel eingelassen, von der die Hälfte hervorragte, ein silbriger Glanz ging davon aus.
Um die Anordnung herum standen Regale an der Wand, die mit zerfledderten Schriften gefüllt waren. Auf einer Werkbank lagen Gegenstände, die Nic auch bereits in den Laboren an der magischen Akademie gesehen hatte.
»Bitte stell dich zwischen die Chavale-Spulen.«
»Chavale-Spulen«, echote Nic fassungslos.
»Du solltest wissen, dass Egmont Chavale ein bedeutender Magier des 18. Jahrhunderts w…«
»Ich weiß, wer das ist! Ich meine, war«, patzte Nic. »Aber wieso stehen diese Spulen hier, haben Anima an der Spitze und warum soll ich mich in die Mitte stellen?!«
»Ist das nicht offensichtlich?« Sein Vater beäugte ihn mit hochgezogenen Brauen.
»Nein«, gab er die noch offensichtlichere Antwort zurück.
»Weil ich dein Vater bin und dich darum bitte.«
»Also das …« Wie harsch sein Dad sein konnte. »Hat das etwas mit meinem Geburtstag zu tun?«
»Stelle dich bitte auf die Plattform.«
Seufzend kam Nic der Aufforderung nach. »Und jetzt?«
»Nicht bewegen.«
Wunderbar, als hätte es in der magischen Akademie nicht genug Experimente gegeben. Zugegeben, viele davon hatten die Schüler unter sich durchgeführt, insbesondere Jane, Matt und er. Die Folgen waren nicht immer harmlos gewesen, aber der Krankenflügel besaß gemütliche Betten.
Es klackte stakkatoartig, als Nics Vater zahlreiche Schalter umlegte, Rädchen drehte und sich irgendwelche verborgenen Mechanismen in Gang setzten. Vermutlich hatte er seinen Sohn längst vergessen, der mit verschränkten Armen im Zentrum der Plattform stand.
Das Schimmern an der Spitze der Anima wurde heller. Ein Leuchten waberte durch die Luft, als hätte sich die Aurora Borealis des Pols kurzerhand zu einem Tanz eingefunden, zu Ehren von Nics Geburtstag.
Das Leuchten glitt herab.
Er ging davon aus, dass die echte Aurora Borealis weder auf der Haut brannte noch das Innere nach außen kehrte. Genau so fühlte es sich jedoch an. Nic ging in die Knie, sein Körper zuckte, die Muskeln verkrampften. Er brüllte.
Sein Vater nahm davon keine Notiz, schien nichts anderes erwartet zu haben.
Irgendwann war es vorbei.
»Du Mistkerl«, krächzte Nic.
»Ich bitte dich, Nicholas, achte auf deinen Ton.« Sein Vater kam herbeigeeilt und hielt einen Abstand von zwei Schritten.
Vermutlich Sicherheitsdistanz, damit Nic ihm nicht die blank polierten Schuhe vollkotzte.
Als Nic seinen Magen endlich wieder unter Kontrolle hatte, erhob er sich zitternd. »Was war das?«
Sein Vater bückte sich und nahm einen Stein auf, der zuvor noch nicht dort gelegen hatte.
»Wo kommt der denn her?«, fragte Nic verdutzt. »Der sieht auch aus wie ein Anima.«
»Hör mir jetzt zu«, bat sein Vater mit einer so beschwörenden Stimme, dass Nic genau das tat. Er lauschte. »Du darfst mit niemandem über das hier sprechen. Du warst nie hier unten, diese Maschine existiert nicht. Verstehen wir uns?«
»Aber …«
»Mit niemandem! Schwöre es bei unserem Blut.«
Nic verdrehte die Augen. »Du weißt aber schon, dass das nichts Magisches ist, Dad?«
»Ich appelliere an deine Ehre.«
»Na dann. Von mir aus. Ich schwöre auf unser Blut, dass ich niemandem von dem Zeug hier erzähle. Habe ja sowieso keine Ahnung, was das ist.«
»Ausgezeichnet.«
»Ansichtssache. Jetzt sag, was ist all das hier?«
Verdutzt erwiderte sein Vater Nics Blick. »Natürlich werde ich dir das nicht sagen.«
»Was?!«
»Das heißt ›Wie bitte‹. Ich dachte wirklich, sie hätten dir auf der Akademie …«
»Das ist ja wohl das Letzte!«, brüllte Nic. »Ich nehme den Schwur zurück!«
»Einen Schwur kann man nicht zurücknehmen, Nicholas.«
»Ich tue es trotzdem!«
Kurzerhand ließ er seinen Vater stehen, trat in die Aufzugskabine und knallte den Hebel herab. Als die Türen sich endlich schlossen, atmete er auf. Alles, was er tun musste, war warten. Achtundvierzig Stunden, dann kehrte seine Magie zurück, das Talent war enthüllt und er konnte heimlich hierher zurückkehren.
Sobald sein Vater wieder auf wichtiger Mission für den Rat unterwegs war, würde er sich in Ruhe umsehen und selbst herausfinden, worum es dort unten ging.
»So leicht kommst du mir nicht davon.«
Wütend verließ er den Aufzug …
… und schlug der Länge nach hin.