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Katharina Maehrlein

Wie Agilität gelingt

Ein agiles Mindset entwickeln – typische Hürden meistern

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© 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2020 erschienenen Buchtitel »Wie Agilität gelingen kann« von Katharina Maehrlein, © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-964-8

ISBN epub: 978-3-95623-918-2

Lektorat: Anja Hilgarth, Herzogenaurach

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Titelabbildung: ikatod / Freepik

Autorenfoto: T. W. Klein, Wiesbaden

Illustrationen: Udo Linke, Frankfurt am Main

Copyright © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

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Gewidmet Olav Hack und meiner Familie – meinem Vater Ingo, meiner Mutter Ursel, meinen Töchtern Elena und Irina, meinen Enkeltöchtern Emelie und Alina und meinen Brüdern Frank und Andreas.

Mit großem Dank an meine Freundinnen und Freunde Vera Bleiholder, Michaela Schreiber, Olav Hack, Heinz Meloth, Jan Richter und an meine Kollegen Sarah Tirtey, Jan Fischbach und Peter Bender für euer Verständnis, eure Ermutigung, den wertvollen Austausch und euer Vertrauen in mich.

Danken möchte ich auch Renate Standfest und Johannes Ries, die mich im Rahmen meiner Ausbildung zum Agile Culture Coach bei der Synnecta GmbH zu einigen Gedanken und Modellen inspiriert haben.

Und vor allem: Herzlichen Dank an meine Kunden. Ihre Herausforderungen und Wünsche sind es, die mich dieses Buch haben schreiben lassen und die mich täglich lehren, warum Resilienz, Achtsamkeit und Agilität so wichtig sind. Möge es Ihnen nützlich sein!

Inhalt

Prolog: Alexander ist enttäuscht

Über das Buch

1. Was bedeutet eigentlich »agil«?

Agil ist ein Mindset

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Agilität heute – noch Luft nach oben

2. Warum an Agilität kein Weg vorbeigeht

Agilität ist der Impfstoff gegen VUKA

3. Dimensionen der Agilität

Der Kern des Ganzen: das agile Mindset

Die Dimension »Mensch«

Die Dimension »Organisation«

Die Dimension »Werkzeug«

4. Warum Agilisierung oft scheitert: typische Stolpersteine und Hürden

Typische Hürden und Stolpersteine aus der Organisation heraus

Typische Hürden und Stolpersteine, die in der menschlichen Natur liegen

Typische Hürden und Stolpersteine am Beispiel von Scrum

Toolbox 1: Agilität vorbereiten, planen und erste Schritte gehen

Die Kulturtransformations-Matrix

Leitplanken-Planung

Checkliste: Vorbereiten einer agilen Maßnahme

5. Das agile Mindset

Was ist ein »Mindset«?

Das Mindset lässt sich ändern

Wie Sie ein agiles Mindset entwickeln können

Toolbox 2: Ein agiles Mindset entwickeln und typische Hürden meistern

Selbstcheck: Wie agil sind Sie?

Wie steht es um Ihre psychologische Sicherheit?

Finde den Elefanten

Resilienz-Selbstcheck: Wie resilient sind Sie?

Ihr Resilienz-Index

Die drei guten Dinge des Tages: Ihr Glückstagebuch

Test: Wie achtsam sind Sie?

Der Werte-Reflektor

Anhang

Anmerkungen

Literatur

Die Autorin

Register

Prolog

Alexander ist enttäuscht

Bei der Fortbildung zum »agile Coach« schien es so einfach: Die Uhr auf 15 Minuten stellen für ein »timeboxed« Stand-up-Meeting, jeder sagt, was ihm wichtig ist, und sprudelt nur so vor kreativen Ideen, die werden im Backlog festgehalten, dann kommt ein Sprint, bei dem alle hoch motiviert anpacken, sich gegenseitig unterstützen und mit viel Spaß pünktlich das Sprintziel erreichen. – Ausgerüstet mit vielen bunten Klebezetteln und einer Stoppuhr hatte Alexander das neu Gelernte mit seinem Team ausprobieren wollen. Irgendwie war das gründlich in die Hose gegangen.

Er hörte noch die Stimme seines Teamleiters Marco, der mit den Worten »Mensch, das ist doch nicht agil! So ist das doch auch nur sinnloses Gerede wie immer schon, das bringt doch nix!« total genervt das Handtuch geworfen und beleidigt den Raum verlassen hatte. Und die anderen schienen auch nicht gerade begeistert gewesen zu sein. Seine Mitarbeiterin Lara hatte sich sogar geweigert, weiter mitzumachen, nachdem Christoph ihren Redebeitrag gestoppt hatte. »Timeboxing heißt, wenn die Zeit abgelaufen ist, darf niemand mehr reden, da hättest du halt früher etwas sagen müssen!« James, der Jüngste im Team, war noch zu ihr gegangen und hatte gemeint: »Hey, komm, das war doch nicht böse gemeint, nimm’s nicht persönlich, mach weiter mit, ja?« Da hatte sie sich aufgerafft und sich an der Retrospektive beteiligt: »Also, ich finde, wir müssen erst noch einige Eckdaten klären, bevor wir jetzt irgendwie loswurschteln. Mir ist das zu hektisch. Mit blindem Aktionismus kommen wir nicht weiter. Lasst uns doch erst mal irgendeine Struktur festlegen.« Und da war Marco aufgesprungen und abgerauscht …

Alexander ist 42 Jahre alt, seit zehn Jahren Führungskraft, und er liebt es, Neues zu entdecken. Seit einem Vortrag über Agilität war er Feuer und Flamme für das Thema und hatte sich vor einem Jahr freiwillig gemeldet, als die Unternehmensspitze Menschen gesucht hatte, die in einem ersten Pilotprojekt die Agilisierung im Unternehmen anstoßen wollten. Wie hatte er sich darauf gefreut, dass »seine« Firma – ein alteingesessenes Unternehmen mit 5000 Mitarbeitern und klassischer Hierarchie – endlich agil werden sollte! Jahrelang hatte Alexander erfolgreich ein Projekt nach dem anderen nach dem gewohnten Wasserfall-Modell geleitet, aber es hatte ihn schon lange genervt, dass die Planungen immer endlos dauerten, die Dokumentationsflut immer größer wurde und das Team immer demotivierter, wenn wieder einmal ein lange geplantes Projekt geplatzt war und durch ein neues ersetzt wurde, das in die gegensätzliche Richtung lief.

Immer wieder hatte er von den geradezu fantastisch anmutenden Erfolgen mit Scrum, Kanban und Co. gehört, und er war sicher: »Das ist es, was auch uns weiterbringt!« Also hatte er sich mit Feuereifer in die Vorbereitungen des ersten agilen Projekts gestürzt, hatte zahlreiche »Expeditionen« in Unternehmen unternommen, die schon weiter waren als seines, hatte dabei Marco kennengelernt, ihn abgeworben und zum Teamleiter gemacht. Denn Marco war schon Scrum Master, und Alexander war sicher, dass er das restliche Team mit seiner Begeisterung und seinen Kenntnissen über agile Praktiken mitreißen würde. Marco war genauso heiß auf agiles Arbeiten wie er selbst und hatte deshalb zu ihm gewechselt, weil er unbedingt unter agileren Bedingungen arbeiten wollte, als sie in seinem vorherigen Unternehmen gegeben waren. Hoch motiviert hatten sie gemeinsam die ersten Kickoff-Veranstaltungen durchgeführt, und nach Alexanders Fortbildung sollte es jetzt endlich so richtig losgehen.

Und jetzt? Wenn der Begriff »Ädscheil« auch nur genannt wurde, waren alle genervt und rollten die Augen nach oben … Nach der anfänglichen Begeisterung – auch im Team – war sich nun nicht einmal mehr Alexander sicher, ob »agil« wirklich sinnvoll war, und er erwischte sich immer häufiger dabei, aufgeben zu wollen. Das brachte doch nur Probleme und Ärger! Für seine Firma war das wohl nichts! Sie schafften das nicht! So dachte er in letzter Zeit oft. Er hatte doch alles umgesetzt! Er hatte alle Mitarbeiter zu einer Scrum-Schulung geschickt, die sich auf Nicht-ITler spezialisiert hatte. Trotzdem waren seine Leute eigentlich genauso wie immer, nur dass es jetzt ständig Streit und Ärger gab. Schlimmer noch, sein Team war sichtlich gestresst und am Rande seiner Belastbarkeit. Das waren zwar alle vor der Agilisierung auch schon gewesen, aber angeblich sollte agiles Arbeiten doch Spaß machen!

Ihm schien aber, dass seine Mitarbeiter nun sogar noch stärker unter Druck waren als zuvor. Letzte Woche war einer seiner besten Mitarbeiter – Peter – nach acht Wochen Krankschreibung wegen Burn-out zurückgekommen. Jetzt redete er immer von Resilienz und Achtsamkeit, dazu hatte er in der Klinik viel gelernt und wollte jetzt Meditation in der Arbeitszeit einführen. Die Kollegen machten sich darüber nur lustig …Und eine Woche vorher hatte Alexander erfahren, dass es in der Nachbarabteilung einen Selbstmord gegeben hatte, und es gingen Gerüchte um, dass der betroffene Ingenieur die andauernden Veränderungen nicht mehr ertragen hätte.

Mit hängendem Kopf saß Alexander nun da und wusste nicht weiter. »Vom Hiersitzen und Trübsalblasen wird es nicht besser, so komme ich auf keine Lösung. Am besten hole ich mir erst einmal einen Kaffee drüben im Café.« Der Weg zum Café führte durch einen Park. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und eine Gruppe von Hunden spielte ausgelassen miteinander. Amüsiert beobachtete Alexander die friedliche Szenerie und für einen Moment vergaß er seine Probleme. Während er so weiterschlenderte, kamen ihm Erinnerungen an seine Fortbildung in den Sinn. Die Seminarleiterin hatte beispielsweise davon gesprochen, wie wichtig es sei, eine Vorstellung davon zu haben, wohin die Reise gehen sollte, und er hörte sie noch sagen: »Wenn ihr euer Team mit auf die agile Reise nehmen und sie davon begeistern möchtet, dann erzählt ihnen euer ›Wozu‹, den Purpose.«

Mittlerweile im Café angekommen, bestellte er sich einen doppelten Espresso und setzte sich ans Fenster. Er kam ins Grübeln. Hatte er sich eigentlich jemals über seine Vorstellung vom Sinn und Zweck des Ganzen mit dem Team ausgetauscht? Und worum ging es den oberen Führungsetagen und der Geschäftsführung ganz konkret? Er hatte keine Ahnung! Und sein Team dann ja logischerweise auch nicht. Aber reichte es denn nicht, die Wertschöpfungsschätze heben zu wollen, die doch nachgewiesenermaßen mit agilem Arbeiten zu finden sein sollten? Gerade letzte Woche noch hatte er gelesen, dass aktuelle Studien die Wirksamkeit der Agilität bestätigen. Und außerdem hieß es da, agile Unternehmen mit flachen Hierarchien wären für Mitarbeiter attraktiver als Konzerne, in denen noch nach althergebrachter Art gemanagt würde. Und agiles Arbeiten würde die Produktivität, die Kreativität und Innovationskraft von Teams geradezu explodieren lassen … Okay, bei Marco war das so und bei ihm auch. Aber bei seinen Mitarbeitern? Die meisten würden wohl lieber wieder wie gewohnt arbeiten. Da explodierte gar nichts – ganz im Gegenteil! Nur weil er nie mit dem Team darüber gesprochen hatte, wozu sie eigentlich anders arbeiten sollten? War das der Grund? Oder woran lag es noch, dass die Agilisierung bei ihnen nicht zündete?

»Ist meine Art zu führen eigentlich agil? Oder habe ich aus alter Gewohnheit die agile Idee einfach angeordnet und das Team zu wenig einbezogen?« Alexander wollte gerade seine Espressotasse zum Mund führen, als er mitten in der Bewegung innehielt. »Wie sollte denn die Zusammenarbeit plötzlich anders sein als vorher, nur weil jetzt andere Praktiken eingesetzt werden?« Ihm fiel auf, dass bei der Scrum-Schulung zwar gezeigt worden war, wie es angewendet werden sollte, aber konnte die neue Arbeitsweise denn funktionieren, mit derselben Art des Denkens, die sich teils jahrzehntelang während einer ganz anderen Art des Arbeitens entwickelt hatte? Und wie bewusst war seinem Team eigentlich, dass dem Unternehmen gar nichts anderes übrig blieb, als agiler zu werden, wenn es in Zukunft noch wettbewerbsfähig bleiben und überleben wollte?

Alexander beschloss, die Flinte noch nicht ins Korn zu werfen. Er würde mit seinem Team ins Gespräch kommen und gemeinsam mit ihm Lösungen entwickeln, um die Hürden auf dem Weg zur Agilität aus dem Weg zu räumen. »Wenn ich gleich wieder im Büro bin, lade ich alle zu einem Meeting ein«, dachte er jetzt wieder hoffnungsvoll, trank den letzten Schluck seines Espressos und machte sich beschwingt auf den Rückweg durch den Park.

Über das Buch

Kommt Ihnen manches bekannt vor? Oder erscheint es Ihnen zu dramatisch? Alexander und sein Team gibt es natürlich in Wirklichkeit nicht. Frei erfunden sind sie allerdings auch nicht. Denn sie setzen sich aus »echten« Menschen zusammen und repräsentieren in verdichteter Form das, was ich als Beraterin, Agile Coach und Scrum Master in den letzten Jahren in Unternehmen erlebt habe und aktuell erlebe.

Manchmal kommt es aus den Chefetagen, manchmal drängen die Beschäftigten zum Wandel: »Wir müssen agiler werden!«, heißt es in immer mehr Unternehmen und Institutionen aller Branchen. Agiler? Manch einer kann es schon nicht mehr hören: »ädscheil«, häufig vollmundig als Allheilmittel für alles propagiert, was in Unternehmen nicht rundläuft. Fast ebenso oft aber mit Misstrauen und Ablehnung betrachtet und als »neumodischer Kram« abgetan, der genauso wie all die anderen modernen Methoden bald wieder verschwinden wird und »bei uns hier« sowieso nicht funktionieren kann.

Der Versuch, sich eine eigene Meinung zu bilden, endet häufig in diffusen Vorstellungen und Verwirrung, da die Informationen in der Literatur, im Internet oder bei Veranstaltungen mit Best-Practice-Beiträgen agiler Unternehmen sehr breit gefächert und teils widersprüchlich sind und darüber hinaus häufig als zu »abgehoben« erscheinen, um in der eigenen Praxis nutzbringend anwendbar zu sein. Kurz: Vielerorts knirscht es gewaltig bei der Umsetzung von Agilität!

In der Folge treffen mein Team und ich in den letzten Jahren in Unternehmen auf eine große Bandbreite unterschiedlicher Herausforderungen: Da gibt es diejenigen, die mir stolz von ihrem hohen Agilitätsgrad berichten, sich aber noch nie das agile Manifest angesehen haben. Andere kennen das Manifest zwar fast auswendig, sind aber unsicher, was sie daraus für die Praxis ableiten könnten. Es lässt ja doch recht viel Interpretationsspielraum, oder?

Einige zögern den Start einer agilen Transformation immer weiter hinaus, weil sie sich vor deren Komplexität fürchten, andere stehen gerade hilflos vor den ersten Hürden, wieder andere sind schon gescheitert und haben das Thema Agilität für sich abgehakt. Dann gibt es noch diejenigen, die sich ganz sicher sind, schon »superagil« zu sein, aber eigentlich nur »Pseudo-Agilität« betreiben und sich über die ausbleibenden Erfolge wundern. Und schließlich gibt es auch Unternehmen, die agil sind, ohne es zu wissen, oder es anders nennen, beispielsweise »lernende Organisation«.

Das reine Chaos!

Und die Menschen, die in einem solch turbulenten Umfeld experimentieren, sich anpassen und lernen müssen? Ein Teil ist geradezu euphorisch begeistert, ein anderer Teil winkt genervt und desillusioniert ab, und einem weiteren Teil fällt es schwer, sich von den gewohnten Vorgehensweisen zu verabschieden, und er hat Angst vor der ungewissen Zukunft. »Zum Wahnsinnigwerden!«, höre ich immer wieder. Viele geraten durch agile Arbeitsformen stark unter Druck. Kein Wunder, denn es geht aktuell nicht nur um einen weiteren Changeprozess, sondern um einen echten Umbruch: Das Gewohnte funktioniert nicht mehr richtig, das neue noch nicht. Das zehrt an den Nerven! Und spätestens bei dem häufig zu hörenden Sprüchlein »Es geht nicht darum, agile Dinge zu tun, sondern agil zu sein« fragt sich manch einer verständlicherweise, wie das denn gehen soll und was man bitte konkret von ihm erwartet.

So viel ist sicher: Agilität braucht eine klare Vorstellung davon, was Agilität ausmacht und in der Praxis bedeutet! Agilität erfordert ein neues Denken, ein agiles Mindset!

Was erwartet Sie im Buch?

Noch erlebe ich in meinen Beratungen, Trainings und Coachings zu oft, dass »Wir werden agil!« Chaos, blinden Aktionismus und planloses Herumirren oder abwartende Erstarrung auslöst. Und vor allem, dass die Menschen nicht ausreichend vorbereitet und mitgenommen werden! Und so scheitern viele Agilisierungsprojekte am nachvollziehbaren Widerstand der Menschen, die für die Umsetzung gebraucht würden. Mit meiner Arbeit und diesem Buch möchte ich das Thema Agilität schärfen und den Stellenwert verdeutlichen, der dabei den Themen Mindset und Werte zukommt, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich dies bald ändert!

Ob Sie Führungskraft, Mitarbeiter, Personalentwickler, Trainer, Coach oder Scrum Master sind, in meinem Buch findet jeder von Ihnen nützliche Hinweise, Hintergrundinformationen, Rüstzeug zur Entwicklung des agilen Mindsets und Ideen für einen gelassenen Umgang mit Unsicherheit und Komplexität im agilen Veränderungsprozess. Dazu kommen zahlreiche praxiserprobte Arbeitsmaterialien zum Download, die Agilität Realität werden lassen. Das Buch unterstützt Sie dabei, sich in einem eigenverantwortlichen und selbst gesteuerten Entwicklungsprozess fit für die Herausforderungen der Agilität zu machen, und zeigt unter anderem

imageTools zur Standortbestimmung,

imagewie agil Ihr Mindset schon ist, wo Sie ansetzen können, um es weiterzuentwickeln, und praktische, konkrete Empfehlungen und Übungen zur Entwicklung der »agilen Denke«,

imagewie Einzelne und Teams agile Werte erarbeiten und leben können,

imagewie Sie Resilienz und Achtsamkeit als wertvolle Ressourcen für die Entwicklung des agilen Mindsets nutzen können.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen und allzeit frohes Schaffen!

Ich freue mich auf Ihr Feedback, Kommentare oder Fragen an meine E-Mail-Adresse mail@katharina-maehrlein.de.

Ihre Katharina Maehrlein

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Kostenlose Arbeitsmaterialien zum Download für Sie als Buchkäufer

Um Ihnen die Arbeit mit den im Buch angebotenen Übungen, Tools, Tests und Checklisten zu erleichtern, stelle ich Ihnen diese samt Beschreibungen und Hinweisen als ausdruckbare Vorlagen für die praktische Anwendung in einem gesonderten Bereich meiner Website zum Download zur Verfügung. Dort bekommen Sie

imagedas Plakat »Agil ist ein Mindset«,

imagedie Übersicht »Die 12 Führungsfunktionen«,

imagedie Übersicht »Die 7 Entscheidungsprinzipien«,

imageden Lückentext »Wie wollen wir Wert schaffen«,

imagedie Toolbox 1 »Agilität vorbereiten, planen und erste Schritte gehen« nach Wahl komplett oder die darin enthaltenen Materialien einzeln,

imagedie Toolbox 2 »Ein agiles Mindset entwickeln und typische Hürden meistern« ebenfalls entweder komplett oder als einzelne Dokumente.

Alle herunterladbaren Materialien erkennen Sie im Buch jeweils an dem QR-Code bzw. Link an der entsprechenden Stelle.

Und so funktioniert Ihr Zugang:

imageMit dem Buchcode www.katharina-maehrlein.de/wag kommen Sie auf die Internetseite zum Buch. Von dieser Seite aus können Sie sich alle Dateien downloaden.

imageOder Sie scannen den QR-Code mit Ihrem Smartphone oder Tablet, um die Seite direkt aufzurufen.

imageWählen Sie im Online-Bereich das gewünschte Material aus.

Zusätzlich können Sie sich zwei kurze Videomitschnitte aus meinen Workshops als Ergänzung zum Text ansehen und auf ein Audio zugreifen. Sie sind an der entsprechenden Stelle ebenfalls mit einem QR-Code und Link versehen.

1.Was bedeutet eigentlich »agil«?

Der Hype um »Agilität« reißt nicht ab. Das Wort ist in aller Munde. Agilität ist »in«. Aber was bedeutet Agilität überhaupt? Falls auch für Sie die genaue Bedeutung des Begriffs noch schwer zu fassen und eher diffus ist, hier ein Trost: Sie sind damit nicht alleine!

Laut Duden bedeutet »agil« so viel wie beweglich, regsam und wendig. Im Volksmund versteht man unter dem Begriff auch vital, fit oder flexibel. Es stammt von dem lateinischen Wort »agilis«, das »behände, gewandt«, aber auch »beweglich« bedeutet.

Im Business-Kontext findet man viele verschiedene Definitionen – der Grund, warum Agilität in Organisationen unterschiedlich interpretiert wird. Je mehr Definitionen und daraus abgeleitete Interpretationen im Umlauf sind, desto größer wird die Verwirrung und desto häufiger die teils falsche und kontraproduktive Anwendung.

Die ganze Welt redet von Agilität – aber jeder von etwas anderem

Was Agilität ist, darüber sind sich nicht einmal Wissenschaftler und erfahrene Praktiker einig. Nur eines ist klar: Mehr Agilität soll dabei helfen, sich in der komplexen VUKA-Welt erfolgreich zu bewegen, aber wie das geht, dafür gibt es kein Rezept und keinen allgemeingültigen Weg, der für alle passen würde. Aus diesem Grund existiert eine Flut unterschiedlichster Ansätze und Konzepte zur Umsetzung von Agilität, bei denen es sogar Wissenschaftlern schwerfällt, so darauf aufzubauen, dass Praktiker daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableiten könnten, woran sie arbeiten müssen und wie.

Manche verstehen unter Agilität Scrum, andere Kanban oder Design Thinking, einige Lean und viele leider planloses Herumwursteln und Chaos.

Deshalb möchte ich erst einmal sicherstellen, dass Sie und ich ein gemeinsames Verständnis von Agilität haben und Sie sich anhand der nachfolgenden Gedanken ein eigenes – hoffentlich klareres – Bild machen können.

Agil ist ein Mindset

Um zu klären, was Agilität ist, möchte ich zunächst deutlich machen, was sie nicht ist: Agilität ist nicht nur eine Methodensammlung! Auch wenn die Anwendung von »agilen Methoden« wie Scrum, Kanban usw. Agilität fördert, kann sie für sich alleine stehend gerade in einem noch nicht agilen Umfeld nur sehr geringe Auswirkungen auf die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und ihren Menschen haben. Bleiben agile Tools und Techniken isoliert, wird man maximal pseudoagil und enttäuscht feststellen, dass die versprochenen Vorteile der Agilisierung nicht eintreffen oder gar einfach nur mehr Chaos auftritt.

Agilität ist ein Mindset, eine innere Einstellung, basierend auf den Werten und Prinzipien des agilen Manifests.

Das Herzstück der Agilität wird mit vier Werten im agilen Manifest beschrieben, über zwölf Prinzipien definiert und mit verschiedenen Rahmenwerken und Praktiken aus einem schier unüberschaubaren Werkzeugkoffer umgesetzt.

Nach Sichtung von Hunderten Ausarbeitungen aus Wissenschaft und Praxis und vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen aus der Beratung unterschiedlichster Organisationen und Menschen verwende ich am liebsten die folgende Definition, die im Hays HR-Report von 2018 vorgestellt wurde. Sie fasst aus meiner Sicht das Wesentliche gut zusammen und ist dabei konkreter und mehr »hands-on« als alle anderen Definitionen, die ich in den letzten Jahren kennengelernt habe:

»Agile Organisationen zeichnen sich durch eine hohe und schnelle Anpassungsfähigkeit an veränderte Rahmenbedingungen und Marktsituationen aus. Flexibilität hinsichtlich der Anpassungen von Produkten, Prozessen und vor allem der Mitarbeiter mit ihren Kompetenzen sind entscheidende Kriterien für erfolgreiche agile Organisationen. Agile Organisationen sind in einem hohen Grad vernetzt und die Mitarbeiter organisieren sich selbst. Zudem sind die Arbeits- und Projektteams in der Lage, in gewissem Umfang autonom Entscheidungen zu treffen. Dies erfordert eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen basiert – auf Vertrauen der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern und der Mitarbeiter untereinander.«1

Da der Fokus von Agilität auf flexiblen Vorgehensweisen liegt, die an den jeweiligen Kontext angepasst werden müssen, kann Agilität kein Pauschalrezept sein, wie etwas gemacht wird. Es gibt keine Schritt-für-Schritt-Anleitung, der man nur folgen müsste, um damit automatisch erfolgreich zu werden.

Das Konzept der Agilität bietet eher einen Rahmen, ein Mindset, bestehend aus den Werten und Prinzipien des agilen Manifests, die durch »Inspect & Adapt« in kleinen Schritten mit viel Hirnschmalz und Herzblut zum Leben erweckt und ständig weiterentwickelt werden müssen.

Agilität ist also eine Denk- und Handlungsweise, die – anders als bei klassischen Changeprojekten – nicht den Wandlungsprozess hin zu einem definierten Ziel, sondern konstanten Wandel ohne festgelegtes Ziel beschreibt.

Agilität ist auch nicht das Gleiche wie Flexibilität, denn Flexibilität wäre die Fähigkeit, wie ein Gummiband immer wieder in den Ausgangszustand zurückzuschnellen, ohne sich dabei zu verändern. Agilität ist zwar wie Flexibilität das Gegenteil von Starrheit, beschreibt aber die Fähigkeit von Unternehmen und Menschen, sich permanent auf neue Gegebenheiten umzustellen, sich zu wandeln und zu lernen, um dadurch stärker und überlebensfähig zu werden.

Das agile Manifest

Im Februar 2001 trafen sich 17 Softwareentwickler in einer verschneiten Lodge in den Wasatch Mountains im US-Bundesstaat Utah. Sie wollten sich entspannen und Ski fahren, aber auch über ein anderes, besseres Arbeiten diskutieren, da sie mit den üblichen Projektmanagement-Methoden nicht zufrieden waren. Denn bei diesen war nicht vorgesehen, dass sich zwischen dem ursprünglichen Auftrag und der finalen Lieferung substanzielle Dinge veränderten. In der Arbeitsroutine der IT-Entwickler aber war es Normalität, dass während der Programmierung plötzlich neue Anforderungen an eine Software auftauchten. Deshalb suchten sie nach Ansätzen, die es ihnen ermöglichten, darauf schnell zu reagieren.

Was die Programmierer fanden, war der Startschuss für die agile Bewegung: Als »Agile Alliance« schrieben und unterzeichneten sie gemeinsam das »Manifest für agile Software-Entwicklung«, das weit über den IT-Bereich hinaus Auswirkungen auf das zukünftige Arbeiten in Organisationen haben sollte. Ihr Grundgedanke lässt sich in einem Satz zusammenfassen: »Je mehr du nach Plan arbeitest, desto mehr bekommst du das, was du geplant hast, aber nicht das, was du brauchst.« Im Kern basiert ihr »agiles Manifest« auf vier Werten, aus denen zwölf Prinzipien abgeleitet werden (im Original zu finden unter www.agilemanifesto.org). Diese Werte sind in vier Leitsätzen formuliert, die deutlich machen, worauf es beim agilen Arbeiten in erster Linie ankommt – und worauf nicht:

Die 4 Werte

1.Menschen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.

2.Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation.

3.Die Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als die ursprünglich formulierten Leistungsbeschreibungen.

4.Das Eingehen auf Veränderungen ist wichtiger als das Festhalten an einem Plan.

Teil des Manifests ist auch das den Werten vorangestellte Statement: »Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln, indem wir es selbst tun und anderen dabei helfen. Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zu schätzen gelernt« und der nicht ganz unwichtige Nachsatz: »Obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein.«

Das heißt: Natürlich gibt es auch bei agilem Arbeiten Tools und Techniken, es muss dokumentiert werden, Verträge behalten ihre Wichtig- und Gültigkeit, und selbstverständlich gibt es einen Plan! Es bedeutet lediglich, dass dem vorderen (fett gedruckten) Teil der Wertepaare im Zweifelsfall Vorrang vor dem hinteren Teil eingeräumt werden soll.

Die 12 Prinzipien

1.Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software zufriedenzustellen.

2.Heiße Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen. Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.

3.Liefere funktionierende Software regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne.

4.Fachexperten und Entwickler müssen während des Projektes täglich zusammenarbeiten.

5.Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen, und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.

6.Die effizienteste und effektivste Methode, Informationen an und innerhalb eines Entwicklungsteams zu übermitteln, ist im Gespräch von Angesicht zu Angesicht.

7.Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß.

8.Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.

9.Ständiges Augenmerk auf technische Exzellenz und gutes Design fördert Agilität.

10.Einfachheit – die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren – ist essenziell.

11.Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams.

12.In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann, und passt sein Verhalten entsprechend an.

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Agil ist ein Mindset

Auch wenn das agile Manifest nur über die Entwicklung von Software spricht und noch immer eine Mehrzahl an Unternehmen agiles Arbeiten zuerst oder ausschließlich in ihren IT-Abteilungen einsetzt, gibt es keinen Grund, Agilität auf die IT zu beschränken. Auch Dienstleistungen und Produkte können agil entwickelt werden.

Für die Praxis bedeutete dieses Manifest eine Anleitung, mit der Teams ihre Arbeit selbstorganisiert und eigenverantwortlich flexibler gestalten können, um noch schneller noch bessere Ergebnisse zu erzielen.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Immer wieder höre ich, dass »Agile« doch nur ein »Buzzword« und das Konzept nichts Neues wäre. Stimmt das? Um das zu klären, lassen Sie uns einen Blick auf die Geschichte der Agilität werfen: Wo kommt sie her und was ist die Idee dahinter?

Eine kurze Reise durch die Geschichte der Agilität

image 1902: Lean

Lean hat seinen Ursprung im legendären Produktionssystem des japanischen Erfinders Toyoda Sakichi. Aus dessen TPS (Toyota-Produktionssystem), das er bereits 1902 konzipierte und das bis heute weiterentwickelt wird, bildete sich die Firma Toyota. Agilität hat ihre Wurzeln in Lean und es gibt großflächige Schnittmengen zwischen den beiden Konzepten. So sind beide aus der Erkenntnis erwachsen, dass umfassende Planungen bei komplexen Aufgabenstellungen an Grenzen stoßen.

Die Lean-Philosophie

Die Kernidee des Lean-Gedankens ist es, Werte ohne Verschwendung zu erschaffen, indem man

durch dezentrale kundenorientierte Strukturen alle Aktivitäten im Wertschöpfungsprozess auf den Kunden ausrichtet,

einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess bezogen auf die Qualität der Produkte und die Optimierung von Geschäftsprozessen durchläuft,

Teams mehr Eigenverantwortung übergibt,

Führung als Service am Mitarbeiter versteht,

transparente Informations- und offene Feedback-Prozesse lebt

und den Einstellungs- und Kulturwandel im Unternehmen vorantreibt.

Alle diese Lean-Prinzipien stecken auch in Agilität. Kein Wunder, dass die beiden Begriffe häufig synonym verwendet werden und es sogar eine agile Methode gibt, die »Lean« im Namen trägt: Lean Startup.

Obwohl Lean Management und Agilität wesentliche Parallelen aufzeigen, gibt es aber wichtige Unterschiede:

1.Lean konzentriert sich auf das Standardisieren von Prozessen – Agilität fügt den Fokus auf schnelle Anpassungsfähigkeit, Innovation, häufiges Einholen von Feedback von Kunden und Vernetzung von Experten in crossfunktionalen Teams hinzu.

2.Während es das Ziel von Lean ist, Prozesse so weit wie möglich zu standardisieren und zu vereinfachen, bis nur noch die für die Wertschöpfung wesentlichen Elemente übrig bleiben, legen agile Methoden höchste Priorität darauf, durch eine sehr flexible Vorgehensweise auf veränderte Anforderungen reagieren zu können, und fokussieren auf innovative individualisierte Produkte. Denn seit Beginn des Messens von Innovationszyklen halbieren sich diese alle zwei Jahre. Deshalb fügt Agilität das Prinzip des »früh und regelmäßig Lieferns« hinzu, um die Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen. Im Grunde ist auch das eine Vermeidung von Verschwendung, denn wenn ich vom Kunden schon früh Feedback bekomme, sinkt das Risiko, Produkte oder Services zu liefern, die am Markt vorbeigehen.

3.Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Konzepten liegt in deren Schwerpunkten: Bei Lean liegt er auf der Massen- bzw. Serienfertigung, bei Agilität auf der Erstellung eines hoch individualisierten Einzelproduktes. Deshalb hat sich die Lean-Philosophie vor allem in der Fertigung durchgesetzt, agile Methoden in der IT- Entwicklung.

image 1940er: Kanban

Auch Kanban stammt aus Japan und wurde bereits in den 1940er-Jahren von Toyota im Rahmen der Lean-Philosophie entwickelt.

image 1982: »Corporate Agility«

In der Tat wurden schon vor knapp 40 Jahren erste Artikel zum Thema Agilität, so wie wir sie heute verstehen, veröffentlicht, und schon 1982 gaben zwei Autoren, die Kanadier John L. Brown und Neil McK. Agnew in ihrem Buch »Corporate Agility« eine erste Definition zur Beschreibung des Begriffs, die dem bzw. den heutigen sehr ähnlich ist:

»Corporate agility, the capacity to react quickly to rapidly changing circumstances, requires a focus on clear system output goals and the capability to match human resources to the demands on changing circumstances.« (BROWN & AGNEW)

Also auf Deutsch in etwa: »Die Agilität von Unternehmen, die Fähigkeit, sofort auf sich schnell ändernde Umstände zu reagieren, setzt voraus, dass klare Ziele für die Systemleistung festgelegt werden und die damit beschäftigten Personen an die Anforderungen und an die sich ändernden Umstände angepasst werden können.«

In dieser Definition werden schon viele Aspekte genannt, die auch in späteren Agilitätsdefinitionen wesentlich sind: Agilität als schnelle Reaktion auf Veränderungen, Fokus auf klare Ziele und die Einbeziehung des Menschen als wichtige Ressource, die sich ebenfalls an die veränderten Umstände anpassen können muss.

Auch in der Organisationslehre wird schon seit Jahrzehnten Agilität – im Wesentlichen wie heute auch – als flexible, schlanke, kundenorientierte Organisationsgestaltung bezeichnet.

image 1992: Der Lehigh-Report

Und schon ab den frühen 1990er-Jahren sind, ausgelöst durch das Erscheinen des Reports der Lehigh University zur mehrjährigen Forschungstätigkeit des Iacocca Institute (Roger N. Nagel: »21st Century Manufacturing Enterprise Strategy«), zig Veröffentlichungen zu diesem Thema erschienen, mit anhaltender Tendenz. In der Folge der Aktivitäten des renommierten Instituts haben sich agile Methoden weltweit verbreitet. So wird als Geburtsstunde des Begriffes Agilität meist das Jahr 1992 genannt. Die Artikel und die Definition aus den 1980er-Jahren zeigen aber, dass Gedanken zur Agilität schon existierten, bevor der Begriff Agilität geprägt und durch die Aktivitäten des Iacocca Institute weltweit verbreitet wurde.

Der Lehigh-Report zur Studie des Iacocca Institute der Lehigh University

Der »21St Century Manufacturing Enterprise Strategy Report« sollte Antworten auf eine Kongressanfrage liefern, wie die Produktion der US-Industrie wieder global wettbewerbsfähig werden könne. Die Schlussfolgerung der Studie, validiert durch Auswertung der Ergebnisse durch Führungskräfte aus fast 200 Unternehmen, Behörden und öffentlichen Organisationen, war, dass Verbesserungen in der Fertigung des Massenproduktionssystems allein nicht genügen würden, die Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen wiederherzustellen.

Das Buch »Agil im Wettbewerb« (»Agile Competitors«) basiert auf der meist kurz »Lehigh-Report« genannten Ausarbeitung von den gleichen Autoren Steven L. Goldman, Roger N. Nagel und Kenneth Preiss, die dort Agilität und Selbstorganisation als Erfolgsformel für den Umgang mit einem durch Wandel und Instabilität gekennzeichneten Wettbewerbsumfeld darstellen: Das Zeitalter der Massenproduktion und der daraus resultierenden Wettbewerbsstrategien sei vorbei; heute komme es für die Unternehmen darauf an, als agile Wettbewerber die Chancen fragmentierter Märkte zu nutzen und Kunden sowie Lieferanten als Partner in die Wertschöpfungsprozesse einzubeziehen. Agile Wettbewerber gingen in Teilbereichen auch Allianzen mit Wettbewerbern ein, wenn sich das als vorteilhaft für alle Beteiligten erweise.

Im Vorwort schreibt H. J. Warnecke, der ehemalige Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) und Mitautor der deutschen Ausgabe:

»Als ich im Jahre 1993 zum ersten Mal mit Kenneth Preiss über ›Agility‹ sprach, war es nicht schwer, eine gemeinsame Vorstellung über die Charakteristika zukünftig erfolgreicher Unternehmen zu entwickeln. Wie so oft, wenn die Zeit reif ist für neue Ideen und Entwicklungen, entstehen sie parallel an verschiedenen Orten, mehr oder weniger unabhängig voneinander. So auch hier: Weltweit ist eine Bewegung in Gang gekommen, welche zu völlig neuen Strukturen in Industrie, Handel und Dienstleistungen führen wird.

Etwa im Jahre 1990 stellten wir uns in Deutschland die Frage, warum die intensiven, mit viel Herzblut – auch von mir – vorangetriebenen Bemühungen um hochautomatisierte, rechnerintegrierte Produktionssysteme nicht den erwarteten wirtschaftlichen Erfolg mit sich brachten. Wir ahnten, daß der Glaube an das technisch Machbare uns an eine Grenze geführt hatte. Anfangs waren wir uns nicht sicher, welcher Art diese Grenze sei. Heute können wir sagen, daß wir einen Einflußfaktor unterschätzt hatten: den des turbulenten Marktes. Zwar waren unsere Fabriken flexibel, aber diese Flexibilität durfte sich nur innerhalb des geplanten Spektrums bewegen. An dieses Spektrum hat sich der Markt jedoch nicht gehalten. Er entwickelte sich wechselhafter, sprunghafter, als wir es uns je ausmalen konnten. Nicht zuletzt beeinflußt durch die Globalisierung von Warenverkehr und Produktion sowie, insbesondere, Wissen und Informationsfluß – eine Entwicklung mit epochemachenden Auswirkungen.

Immer deutlicher wurde für uns, daß es weder möglich noch sinnvoll ist, durch in allen Teildisziplinen kontinuierlich gesteigerte Anstrengungen ein Produktionssystem zu entwerfen, das diesen Einflüssen gerecht wird. Erst mit jahrzehntelanger Verspätung erkannten wir, daß stets die Gültigkeit des Kausalitätsprinzips unterstellt worden war. Dabei hätten wir mit Blick auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaften bereits im Laufe dieses Jahrhunderts sehr zurückhaltend sein müssen.

Die Folgerungen hieraus haben wir verdichtet zum Konzept des Fraktalen Unternehmens, welches das Prinzip der Selbstorganisation zu einer machtvollen Antwort auf die verschwindende Prognosefähigkeit erhebt.

JUNI 1996, HANS-JÜRGEN WARNECKE«2

image 2001: Das agile Manifest