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IMPRESSUM

Edel Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © 2018 by Sebastian Abbot

First published in the US in 2018 by W.W.Norton

Copyright © 2020 Edel Germany GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edelbooks.com

Übersetzung: Andreas Bredenfeld

Projektkoordination: Dr. Marten Brandt

Lektorat: Julia Niehaus

Umschlagfotos: © Sebastian Abbot

Layout und Satz: Datagrafix GSP GmbH, Berlin

Covergestaltung Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH | www.groothuis.de

ePub-Konvertierung: Datagrafix GSP GmbH, Berlin | www.datagrafix.com

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

eISBN 978-3-8419-0712-7

BILDNACHWEIS

Seite 22 © Justice Oteng

Seite 40 © Sebastian Abbot

Seite 49 © Sebastian Abbot

Seite 67 © Amadou Traoré

Seite 78 © Sebastian Abbot

Seite 84 © Karim Jaafar / AFP / Getty Images

Seite 97 © Karim Jaafar / AFP / Getty Images

Seite 99 © Sebastian Abbot

Seite 118 © Sebastian Abbot

Seite 140 © Sebastian Abbot

Seite 153 © Photo Visual Pro

Seite 163 © Sebastian Abbot

Seite 179 © Press Eye

Seite 188 © Sebastian Abbot

Seite 208 © Sebastian Abbot

Seite 213 © Sebastian Abbot

Seite 230 © Sebastian Abbot

Seite 233 © Sebastian Abbot

Seite 237 © FC Barcelona / Autor: German Parga

Seite 242 © Sebastian Abbot

Seite 252 © FC Barcelona / Autor: Victor Salgado

ANMERKUNGEN ZU DEN BENUTZTEN QUELLEN

Dieses Werk wurde auf der Basis von Gesprächen und Interviews, Reisen durch Westafrika, Katar, Belgien und Spanien, historischen Fotos und Videomaterial sowie Sekundärquellen – Monografien, unselbstständige Publikationen und wissenschaftliche Arbeiten – geschrieben. Die Recherchen und das Verfassen des Textes dauerten in etwa dreieinhalb Jahre, von 2014 bis 2017.

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Football Dreams haben mir bereitwillig geholfen, Informationen über das Programm und die teilnehmenden jungen Spieler zusammenzutragen. Ich durfte Interviews mit Mitgliedern des Leitungsteams wie Josep Colomer und Andreas Bleicher, aber auch mit den freiwilligen Helfern führen, die an den Sichtungen in Afrika beteiligt waren. Michael Browne, bis 2014 Cheftrainer bei Aspire, berichtete mir von seinen Erfahrungen mit den Kids von Football Dreams an der Akademie in Doha, ebenso wie mehrere andere Coaches, die dort arbeiteten, darunter Arnold Rijsenburg.

Besonders wertvoll war die Unterstützung einiger Personen, die Aspire in enger Zusammenarbeit mit Scheich Jassim aus der Taufe hoben: der französische Sportberater Vincent Chaudel, der Ägypter Zohair Ammar, der dem Gründungskomitee der Akademie beratend zur Seite stand, und Aspires erster Marketingchef Mohana Rao.

Auch das Team der Akademie im Senegal gab mir bereitwillig Auskunft: Country Director Lamine Savané, Chefcoach Jordi Rovira und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Jungs betreuten, wie Wendy Kinyeki, Ndongo Diaw, Forewah Emmanuel, Lamine Thiare und Dr. Babacar Ngom. Sie alle wussten berührende Geschichten über die jungen Spieler zu erzählen und machten auch kein Hehl aus den Problemen, mit denen das Programm zu kämpfen hatte. Ich möchte auch den Country Directors Captain Andy Sam und Colonel Sam Ahmedu danken, die in Ghana und Nigeria für Football Dreams zuständig waren und sich viel Zeit für meine Fragen nahmen. Ahmedu stellte auch den Kontakt zu Austin Bekewei her, der mir 2015 bei der Organisation einer Fahrt nach Ogulagha sehr half, damit ich mir vor Ort ein Bild davon machen konnte, wie Colomer seinen Besuch in dieser Stadt erlebt haben musste. Ich war sogar mit Clemente Konboye unterwegs, der Colomer 2007 begleitete. Insgesamt interviewte ich bei meinen Recherchen 200 Personen, von denen die meisten in der einen oder anderen Weise mit Football Dreams zu tun hatten.

Am wichtigsten waren für mich die Gespräche mit den Jungs, die im Mittelpunkt dieses Buches stehen: Bernard, Diawandou und Ibrahima. Auch was ihre Familienmitglieder, Freunde und früheren Trainer berichteten, war von großer Bedeutung. Bei Bernard galt das besonders für seinen Vater Noah Appiah, seinen ehemaligen Trainer Justice Oteng, den lokalen Football-Dreams-Koordinator Eugene Komey und den Rechtsanwalt Farouck Seidum. Youssif Chibsah, der ghanaische Ex-Nationalspieler, der Bernard nach dessen Ausstieg aus der Akademie unter die Arme griff, Wilhelm Myrer, der für ihn einen Verein in Skandinavien zu finden versuchte, und Arenton Ofoe Chiri, der ihm ebenfalls den Sprung nach Europa ermöglichen wollte, vermittelten mir ein Bild von den Herausforderungen, die Bernard nach seiner Rückkehr in die Heimat zu meistern hatte.

Diawandous Lebensumstände in Thiès wurden mir von seiner Mutter Khadidiatou Gueye, seinem Onkel Cheikh Gueye und seinem früheren Trainer Bousso Ndiaye ausführlich geschildert. Was Ibrahima angeht, lieferten seine Mutter Oumou, sein Bruder Sekou und sein früherer Trainer Amadou Traoré wertvolle Auskünfte über die Kindheit des Stürmers in Ziguinchor und beschrieben, wie er das Leben an der Akademie und die Zeit danach erlebte. Viele der Genannten ließen mich nicht nur an ihren Geschichten teilhaben, sondern führten mich persönlich an Stätten, die im Leben der Jungs eine besondere Rolle spielten – etwa zu den Orten, wo sie aufwuchsen, Fußball spielen lernten und für Football Dreams gesichtet wurden. Auch die Spieler, die in dem Buch eher am Rande eine Rolle spielen, wie Serigne Mbaye, Hamza Zakari, John Felagha, Samuel Asamoah und John Benson, lieferten mir wichtige Anhaltspunkte für die Geschichten der Hauptpersonen und ihre eigenen Geschichten. Insgesamt interviewte ich mehr als zwei Dutzend Jungs aus den ersten beiden Jahrgängen von Football Dreams und einige andere Nachwuchsspieler.

Eine der angenehmsten Etappen bei der Arbeit an diesem Buch war der Aufenthalt im Städtchen Eupen in Belgien. Mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau, die auch die Rolle der Französischdolmetscherin übernahm, machte ich die Cafés und Kneipen unsicher, um herauszufinden, wie die Eupener darüber dachten, dass Aspire den örtlichen Fußballverein gekauft hatte. Auch die Funktionäre des Vereins leisteten mir wertvolle Hilfe: Geschäftsführer Christoph Henkel, Teammanager Michael Radermacher und der Trainer Bartolomé „Tintín“ Márquez. Thomas Evers, der leitende Fußballredakteur der Zeitung GrenzEcho in Eupen, lieferte mir viele Hintergrundinformationen über den Club und trug dazu bei, dass ich die Reaktion der Eupener auf Aspire besser nachvollziehen konnte. Traurigerweise kam Evers im Mai 2015, nicht lange nach unserem Kennenlernen, bei einem Autounfall ums Leben.

Ich stützte mich bei der Arbeit an dem Buch auf Artikel aus den verschiedensten Nachrichtenmedien: BBC, New York Times, The Guardian, Financial Times, The Observer, Le Monde, Marca, AS, La Vanguardia, El Periódico de Catalunya, GrenzEcho, Belfast Telegraph, Katar Tribune, Bergensavisen, GhanaSoccerNet.com und VoetbalNieuws.be. Viele nützliche Informationen entnahm ich dem Fußballmagazin The Blizzard, unter anderem die Geschichte der französischen Top-Akademie Clairefontaine und die Anekdote von Diego Maradona, der sich bei der WM 1986 bei Jorge Valdano entschuldigte, dass er ihm den Ball nicht zugespielt, sondern stattdessen sein legendäres Tor gegen England erzielt hatte. Dem Aspire-Magazin entnahm ich verschiedene Aussagen Colomers über Diawandous Wechsel zum FC Barcelona, unter anderem das Zitat, mit dem das letzte Kapitel des Buches schließt.

Obwohl ich fast mein ganzes Leben lang selbst Fußball gespielt habe, war mir klar, dass ich mein Wissen über diese Sportart – insbesondere über den Fußball in Afrika – erweitern und auf den neuesten Stand bringen musste. Zu diesem Zweck las ich David Goldblatts meisterhaftes Werk The Ball Is Round: A Global History of Soccer und anschließend mehrere Bücher, die sich speziell mit Afrika beschäftigen, wie The Feet of the Chameleon: The Story of African Football von Ian Hawkey, Africa United: Passion, Politics, and the First World Cup in Africa von Steve Bloomfield, African Soccerscapes: How a Continent Changed the World’s Game von Peter Alegi und The Lost Boys: Inside Football’s Slave Trade von Ed Hawkins. Um mehr über den illegalen Handel mit minderjährigen afrikanischen Fußballspielern zu erfahren, führte ich Interviews mit Jean-Claude Mbvoumin, dem Gründer der Nichtregierungsorganisation Foot Solidaire.

Ich besuchte mehrere führende Fußballakademien in Afrika, darunter Right to Dream und die West African Football Academy in Ghana, ASEC Mimosas in der Elfenbeinküste sowie Diambars und Generation Foot im Senegal. Viele offizielle Vertreter dieser Akademien nahmen sich sehr viel Zeit und berichteten ausführlich von ihren Erfahrungen bei der Nachwuchssuche und Spielerausbildung in Afrika: Tom Vernon, Gareth Henderby und Joe Mulberry bei Right to Dream, Karel Brokken an der West African Football Academy, Benoît You und Julien Chevalier bei ASEC Mimosas, Moussa Kamara bei Diambars und Olivier Perrin bei Generation Foot. Außerdem führte ich Interviews mit etlichen Funktionären westafrikanischer Fußballverbände.

Um mehr über den Fußball im Nahen Osten und speziell in Katar zu erfahren, las ich When Friday Comes: Football, War and Revolution in the Middle East von James Montague und The Ugly Game: The Qatari Plot to Buy the World Cup von Heidi Blake und Jonathan Calvert. Die besondere Geschichte Katars erschloss sich mir durch das Buch Qatar: Small State, Big Politics von Mehran Kamrava, Leiter des Center for International and Regional Studies an der School of Foreign Service in Katar, einem Ableger der Georgetown University in Katar. Zusätzlich interviewte ich Dr. Kamrava und mehrere andere Katar-Experten, darunter Dr. Steven Wright von der Qatar University und Dr. David Roberts vom King’s College London. Ferner nutzte ich Informationen und Fotos des „Origins of Doha and Qatar Project“ sowie von WikiLeaks veröffentlichte Geheimdepeschen von US-Diplomaten.

Als Informationsquelle zur Welt des Fußball-Scoutings fand ich Michael Calvins Buch The Nowhere Men: The Unknown Story of Football’s True Talent Spotters sehr erhellend. Viele neue Erkenntnisse gewann ich auch aus dem Buch Youth Development in Football: Lessons from the World’s Best Academies von Mark Nesti und Chris Sulley, die einen detaillierten Überblick über die Best Practice bei der Ausbildung von Nachwuchssportlern liefern. Ich besuchte die Akademie von Manchester City, deren Leiter mir über das dort praktizierte System der Talententwicklung Auskunft gab. Darüber hinaus sprach ich mit Trainern und Scouts von anderen Spitzenclubs wie Barcelona, Real Madrid und AC Mailand.

Um mir ein Bild zu machen, was Wissenschaft und Forschung zur Entdeckung und Ausbildung von Elitesportlern zu sagen haben, las ich The Sports Gene: Inside the Science of Extraordinary Athletic Performances von David Epstein und The Gold Mine Effect: Crack the Secrets of High Performance von Rasmus Ankersen. Dank Daniel Kahnemans Buch Thinking, Fast and Slow lernte ich besser verstehen, wie Spitzensportler und andere Experten denken. In Bezug auf fußballspezifische Fragestellungen war das Buch Science and Soccer: Developing Elite Performers eine große Hilfe, dessen Herausgeber A. Mark Williams das Department of Health, Kinesiology and Recreation an der University of Utah leitet. In einem Interview erläuterte mir Williams, welche Faktoren aus Sicht der neuesten Forschung am wichtigsten sind, wenn man beurteilen will, ob ein junger Spieler erfolgreich sein wird oder nicht. Ich führte auch Gespräche mit anderen Fußballwissenschaftlern, darunter Prof. Dr. Daniel Memmert, der an der Deutschen Sporthochschule Köln das Institut für Kognitions- und Sportspielforschung leitet, und Barbara Huijgen, Sportwissenschaftlerin an der Universität Groningen.

Ergänzend zu diesen Gesprächen las ich rund 100 wissenschaftliche Arbeiten zu verschiedenen Aspekten der Talenterkennung und -entwicklung im Fußball. Das Buch stützt sich unter anderem auf folgende Studien: „Football Academies and the Migration of African Football Labor to Europe“ von P. Darby et al., 2007 erschienen im Journal of Sport and Social Issues; „Escape to Victory: Development, Youth Entrepreneurship and the Migration of Ghanaian Footballers“ von J. Esson, veröffentlicht 2015 in GeoForum; „The Developmental Activities of Elite Soccer Players Aged Under-16 Years from Brazil, England, France, Ghana, Mexico, Portugal, and Sweden“ von P. R. Ford et al., 2012 erschienen im Journal of Sports Sciences; „Determinants Analysis of Change-of-Direction Ability in Elite Soccer Players“ von A. Chaouachi et al., 2012 erschienen in The Journal of Strength and Conditioning Research; „Using Physiological Data to Predict Future Career Progression in 14- to 17-Year-Old Austrian Soccer Academy Players“ von C. Gonaus und E. Muller, 2012 erschienen im Journal of Sports Sciences; „Talent Identification in Soccer: The Role of Maturity Status on Physical, Physiological, und Technical Characteristics“ von C. Meylan et al., 2010 erschienen im International Journal of Sports Science & Coaching; „A Multidisciplinary Selection Model for Youth Soccer: The Ghent Youth Soccer Project“ von R. Vaeyens et al., 2006 erschienen im British Journal of Sports Medicine; „No Relative Age Effects in the Birth Dates of Award-Winning Athletes in Male Professional Sports“ von P. R. Ford und A. M. Williams, 2011 erschienen im Research Quarterly for Exercise and Sport; „Soccer Skill Development in Professionals“ von B. C. H. Huijgen et al., 2009 erschienen im International Journal of Sports Medicine; „Prognostic Relevance of Motor Talent Predictors in Early Adolescence: A Group- and Individual-Based Evaluation Considering Different Levels of Achievement in Youth Football“ von O. Honer und A. Votteler, veröffentlicht im Journal of Sports Sciences in 2016; „Skill Level and Eye Movement Patterns in a Sport Orientated Reaction Time Task“ von D. A. Tyldesley et al., 1982 veröffentlicht in den Proceedings of an International Symposium on Motor Behaviour: Contribution to Learning in Sport; „Identifying the Processes Underpinning Anticipation and Decision-Making in a Dynamic Time-Constrained Task“ von A. Roca et al., 2011 veröffentlicht in Cognitive Processing; „Perceptual-Cognitive Expertise, Practice History Profiles and Recall Performance in Soccer“ von A. M. Williams et al., 2012 erschienen im British Journal of Psychology; „Developmental Activities and the Acquisition of Superior Anticipation and Decision Making in Soccer Players“ von A. Roca et al., 2012 veröffentlicht im Journal of Sports Sciences in 2012; „The Role of Deliberate Practice and Play in Career Progression in Sport: The Early Engagement Hypothesis“ von P. R. Ford et al., 2009 veröffentlicht in High Ability Studies; „The Attention Window: A Narrative Review of Limitations and Opportunities Influencing the Focus of Attention“ von S. Huttermann und D. Memmert, 2017 erschienen in Research Quarterly for Exercise and Sport; „Does Grit Influence Sport-Specific Engagement and Perceptual-Cognitive Expertise in Elite Youth Soccer?“ von P. Larkin et al., 2016 veröffentlicht im Journal of Applied Sport Psychology; „Psychological Talent Predictors in Early Adolescence and Their Empirical Relationship with Current and Future Performance in Soccer“ von O. Honer und P. Feichtinger, 2016 erschienen in Psychology of Sport and Expertise; „Increased Cortical Thickness in Sports Experts: A Comparison of Diving Players with the Controls“ von G. Wei et al., 2011 veröffentlicht in PLOS One; und „The Hidden Foundation of Field of Vision in English Premier League (EPL) Soccer Players“ von Geir Jordet et al., ein Vortrag im Rahmen der Seventh Annual MIT Sloan Sports Analytics Conference 2013.

Um zu verstehen, wie die Welt des Fußballs sich durch die zunehmende Nutzung der datengestützten Analysen verändert, die durch Michael Lewis’ Buch Moneyball berühmt wurden, las ich Soccernomics: Why England Loses, Why Spain, Germany, and Brazil Win, and Why the U.S., Japan, Australia— and Even Iraq— Are Destined to Become the Kings of the World’s Most Popular Sport von Simon Kuper und Stefan Szymanski sowie The Numbers Game: Why Everything You Know About Soccer Is Wrong von Chris Anderson und David Sally. Des Weiteren führte ich ein Interview mit Anderson, Verhaltenswissenschaftler und ehemaliger Halbprofi, der als Experte für Datenauswertung mit Spitzenvereinen zusammenarbeitet. Hinzu kamen Gespräche mit verschiedenen anderen Fachleuten auf diesem Gebiet, unter anderem mit Daniel Altman, dem Gründer von North Yard Analytics, und Paul Power vom Sportanalytik-Unternehmen STATS. Außerdem sprach ich mit Ernst Tanner, dem damaligen Leiter der Nachwuchsabteilung des FC Red Bull Salzburg, der auf innovative Weise datenanalytische Methoden in der Nachwuchsarbeit nutzt. Den einen oder anderen der Top-Stars, die in diesem Buch vorkommen, wie Messi und Neymar, hätte ich gern persönlich getroffen, aber ich musste stattdessen auf Bücher zurückgreifen, in denen ihr Aufstieg in den Fußballhimmel geschildert wird. Als besonders hilfreich erwiesen sich dabei Guillem Balagués Biografie Messi und Luca Caiolis Buch Neymar: The Making of the World’s Greatest New Number 10. Graham Hunters beschreibt in seinem Buch Barca: The Making of the Greatest Team in the World auf erhellende Weise die Geschichte und Kultur des FC Barcelona.

DANK

Viele Menschen, die an Football Dreams mitwirkten, haben sich großzügig Zeit genommen und mir wertvolle Einblicke in das Nachwuchsprogramm vermittelt. Dabei wurde immer wieder deutlich, wie sehr ihnen die beteiligten Kinder am Herzen lagen und wie sehr sie ihnen wünschten, dass sie erfolgreich ihren Weg gehen. Mein besonderer Dank gilt Ivan Bravo, dem Chef von Aspire, der mein Buchprojekt schon frühzeitig und mit Begeisterung unterstützte, und Ndongo Diaw, der mich auf meiner ersten Reise in den Senegal geduldig durch das ganze Land begleitete und mir half, mit den Familien, Freunden und früheren Trainern der Football-Dreams-Kids in Kontakt zu treten. Von diesen Menschen erfuhr ich nicht nur hier, sondern auch in anderen Ländern Westafrikas zahllose Details aus dem Leben der jungen Fußballer. Besonders hervorheben möchte ich Bernard Appiahs früheren Coach Justice Oteng, Diawandou Diagnes Onkel Cheikh Gueye und Ibrahima Dramés Ex-Trainer Amadou Traoré.

Vor allem aber danke ich den Football-Dreams-Kids dafür, dass sie so viele intensive Gespräche mit mir führten. Das gilt besonders für die jungen Spieler, die im Mittelpunkt dieses Buches stehen: Bernard, Diawandou und Ibrahima. Was sie mit aller Offenheit von sich erzählten, war nicht nur aufschlussreich, es ging mir nahe. Besonders solche Berichte wie die von Spielern wie Bernard, dessen Traum vom Leben als Fußballprofi nicht in Erfüllung ging und der verzweifelt jemanden suchte, der ihm helfen konnte, eine Mannschaft in Europa zu finden. Auch mich baten die Jungs häufig um Hilfe. Schweren Herzens musste ich ihnen vermitteln, dass ich nur Journalist bin.

Bei diesem Projekt erfuhr ich Unterstützung und Zuspruch von so vielen weiteren Menschen, dass ich sie hier nicht alle nennen kann. Sie leben in Westafrika, Katar, Belgien, Spanien und an vielen anderen Orten: Scouts, Trainer, Spieler, Fans, Verbandsfunktionäre, Forscher, Übersetzer, Fahrer und Freunde, die mich großzügig aufnahmen und mithalfen, meine Ausgaben auf ein Minimum zu begrenzen. Ohne ihre Hilfe wäre ich nie an die entfernten Reiseziele gelangt, hätte keine Kontakte zu den gewünschten Interviewpartnern knüpfen können und nicht die vielen, vielen Informationen erhalten, die ich brauchte, um diese Geschichte erzählen zu können.

Einigen Personen muss ich aber doch namentlich danken, weil es das Buch ohne ihre Hilfe nicht gäbe. An erster Stelle sind dies meine Agenten Will Lippincott und Ethan Bassoff. Sie erkannten das Potenzial, das in meiner zunächst noch vagen Idee steckte, und halfen mir beim Verfassen des Exposés.

Das war allerdings nur der erste Schritt. Ohne die Hilfe und Unterstützung von Matt Weiland, meinem Lektor bei W. W. Norton & Company, und vielen seiner Kolleginnen und Kollegen wäre kein Buch daraus geworden. Matt zeigte seine ganze Meisterschaft, als es darum ging, den Text so zu strukturieren, dass aus den verschiedenen Bestandteilen eine durchgängige Erzählung entstand. Außerdem betätigten wir uns an den Wochenenden in Brooklyn als Straßenfußballer. Ich glaube nicht, dass es auf der Welt einen besseren Lektor für dieses Buch gegeben hätte.

Der größte Dank gebührt meiner Familie. Nie hätte ich mich an ein solches Projekt herangewagt, wenn meine Eltern Marjorie und Steve Abbot mir nicht das Selbstvertrauen mitgegeben hätten, das man braucht, um in seinem Leben auf Risiko zu gehen, und wenn sie mir nicht schon als kleinem Jungen die Augen für die Wunder dieser Welt geöffnet hätten. Geduldig kutschierten meine Eltern mich als Kind und Jugendlichen zum Training und zu unzähligen Fußballspielen – deshalb danke ich ihnen nicht zuletzt dafür, dass sie meine Liebe zum Sport gefördert haben.

Ein Mensch stand mir während der gesamten Entstehung dieses Buches mehr als jeder andere hilfreich zur Seite: meine fantastische Ehefrau Elizabeth Radin. Sie fand die Idee, meinen Job an den Nagel zu hängen und ein Buch über Football Dreams zu schreiben, keineswegs verrückt, sondern bestärkte mich. Sie begleitete mich auch durch die unzähligen stressigen Phasen, die es bei jedem Buchprojekt gibt, und las jeden Textentwurf. Außerdem war sie im Senegal und in Belgien meine Französischdolmetscherin und kennt sich inzwischen viel besser mit Fußballvokabular aus, als sie je für möglich gehalten hätte. Ich hätte dieses Buch nicht schreiben können, wenn Elizabeth mich nicht mit ihrer Liebe und Unterstützung über die Ziellinie getragen hätte.

EPILOG

Diawandous Sprung nach Barcelona mochte Colomer wie der Auftakt zu großen Football-Dreams-Erfolgen vorgekommen sein, aber in Wahrheit näherte das Programm sich bereits dem Ende. 2016 – zwei Jahre nachdem Diawandou mit der ersten Mannschaft des FC Barcelona ins Camp Nou einlief – beschloss Aspire, das Programm nach zehn Jahren einzustellen.

Kurioserweise waren es finanzielle Probleme, die bei dieser Entscheidung den Ausschlag gaben. Die Reichtümer Katars erwiesen sich trotz allem als begrenzt. Wie viele Golfstaaten musste Katar einen starken Rückgang der Öl- und Gaspreise verkraften, der 2014 einsetzte und den Umsatz letztlich um rund 70 Prozent schrumpfen ließ. Später erholten sich die Preise zwar etwas, aber Ende 2016 lagen sie immer noch weit unter Vorkrisenniveau. Der Preissturz ließ Katars Vermögen um Hunderte Milliarden Dollar schrumpfen und hatte zur Folge, dass in allen Bereichen, und damit auch bei Aspire, die Staatsausgaben drastisch gekürzt wurden. Die Akademie musste entscheiden, worauf sie verzichten konnte, und Football Dreams bot erhebliches Einsparpotenzial.

Es wurde nie an die große Glocke gehängt, wie viel Aspire für das Programm ausgegeben hat. Auch über viele andere Aspekte von Football Dreams wurde geschwiegen. Anfang 2016 schätzte ein offizieller Vertreter der Akademie, dass sich Aspire das Projekt deutlich mehr als 100 Millionen Dollar, vielleicht sogar 200 Millionen Dollar hat kosten lassen. Das ist deutlich mehr als die Summe, die Real Madrid aufbringen musste, um Cristiano Ronaldo von Manchester United zu kaufen, was sicherlich der einfachere Weg ist, an einen Fußballstar zu kommen.

Im Verhältnis zum Reichtum Katars war der finanzielle Aufwand, den Aspire trieb, zwar relativ gering, aber natürlich wurde auch bei diesem radikalen Fußballexperiment darauf geachtet, dass die Investition sich auszahlt. Der ursprüngliche Plan, mithilfe von Football Dreams die von Scheich Jassim geplante katarische Weltklasse-Nationalmannschaft auf die Beine zu stellen, war eindeutig nicht aufgegangen, da Aspire die afrikanischen Kids nur für ein paar Jahre in Doha aufnahm und Katar sich letztlich auch nicht für die WM 2018 qualifizierte. 2019 überraschte Katar die Weltöffentlichkeit zwar mit einem 3:1-Finalsieg über Japan und gewann damit zum ersten Mal den Asien-Cup, aber an dem Sieg war kein einziger Football-Dreams-Spieler beteiligt. Wie das Land sich gegen die Giganten der Fußballwelt schlagen wird, wenn es 2022 sein Weltmeisterschaftsdebüt feiert – weil es als Turnierausrichter automatisch qualifiziert ist –, bleibt abzuwarten.

Aspire preist Football Dreams auch als humanitäres Projekt, aber in dieser Hinsicht fällt die Bilanz durchwachsen aus. Dass das Programm das Leben etlicher Menschen veränderte, steht außer Frage. Ohne Football Dreams hätte Diawandou es wohl kaum jemals zum FC Barcelona geschafft und Serigne Mbaye wäre sehr wahrscheinlich nicht der erste gehörlose Spieler in der ersten Liga des Senegal geworden. Ibrahima wäre vielleicht niemals in der Lage gewesen, seiner Mutter ein Haus zu bauen. Auch den beteiligten Ländern kam das Programm zugute, weil die Vereine, bei denen die Scouts ihre Sichtungen durchführten, Fußballausrüstung im Wert von einigen Millionen Dollar und zudem Tausende von Moskitonetzen mit Messis Konterfrei zur Malariaprophylaxe spendiert bekamen.

Wenn man allerdings die Transparenz und das Kosten-Nutzen-Verhältnis zum Maßstab nimmt, dürfte Football Dreams schlecht benotet werden. Ein großer Teil des ausgegebenen Geldes kam lediglich einer sehr kleinen Anzahl von Menschen zugute – nämlich den rund 20 Nachwuchsspielern pro Jahr, die Aspire aufnahm, und ihren Familien. Es ist ungeheuer schwer, die richtigen Spieler auszuwählen, nur wenige Jungs konnten ihren Traum von der Profikarriere in Europa verwirklichen. Im Unterschied zu vielen Spielern aus dem ersten Jahrgang bekamen spätere Jahrgänge nicht die Möglichkeit, nach Eupen zu gehen, und für etliche nahm das Ganze ein trauriges Ende – ein unbefriedigendes Ergebnis für ein derart kostspieliges Projekt. Hinzu kommt, dass nur wenige Spieler während ihrer Zeit an der Akademie einen Schulabschluss machten. Die meisten hatten keinen Plan B für den Fall, dass aus der Profifußballerlaufbahn nichts wurde.

Niemand unterstellt, dass die Verantwortlichen nicht mit den besten Absichten handelten. Sie mögen den einen oder anderen Fehler gemacht haben, aber Fehler machten auch die jungen Spieler. Dass das Personal der Akademie wollte, dass die Jungs Erfolg haben, steht außer Frage. Das Grundproblem ist, dass sich Jugendfußball auf höchstem Niveau nur schwer mit humanitären Zielsetzungen koppeln lässt. Es werden einfach zu viele Träume zerstört. Von den 10.000 Kindern, die das englische Akademiesystem durchlaufen, kann später nur ein Prozent vom Fußballspielen leben. Auf jeden Diawandou kommen 99 andere, die eher wie Bernard enden und erleben müssen, wie ihre Star-Träume zerrinnen. Mag sein, dass das Nachwuchs-Scouting dank neuer Technologien künftig effizienter wird, zerbrochene Träume wird es auch weiterhin reichlich geben.

Der Nachschub an Träumern wird dennoch nicht versiegen. Insbesondere nicht in Afrika, wo der Sprung nach Europa oft als der einzige Weg nach oben und nach draußen erscheint. So unerfüllbar dieser Traum sein mag: Viele junge Afrikaner halten das „Away Game“ so der englische Originaltitel dieses Buches – für ihr „Spiel des Lebens“ und damit für das einzig lohnende Spiel überhaupt. Sie schauen nicht auf die 99-prozentige Fehlschlagswahrscheinlichkeit. Sie sehen nur die einprozentige Erfolgschance.

Die jungen Träumer aus Afrika und anderen Teilen der Welt bilden das Fundament der gesamten milliardenschweren Industrie namens Profifußball. Aber die Träume, die jedes Wochenende in der Premier League, der spanischen Liga und anderen Ligen der Welt wahr werden, sind ein unendlich kleiner Teil des Gesamtbildes. Es sind die erfüllten Träume derjenigen, die es geschafft haben. Die Enttäuschung der Nachwuchsspieler, die es, wie Bernard, nicht schaffen, bekommen die Fans selten zu sehen. Die Zurückgebliebenen mühen sich im Verborgenen ab, ihre Träume loszulassen und sich einen neuen Weg in die Zukunft zu suchen.

Auch Scouts sind Träumer. Ihre Aussichten, einen jungen Spieler mit Star-Potenzial zu entdecken, sind ebenfalls entmutigend gering. Wenn nur ein Prozent der Nachwuchsspieler, die im englischen Akademiesystem ausgebildet werden, später vom Fußball leben kann, lässt sich leicht ausrechnen, wie wahrscheinlich es ist, dass Colomer in Afrika den nächsten Messi aufspürt. Mit Football Dreams spielten er und die Katarer ihr eigenes, nicht sehr erfolgversprechendes „Spiel des Lebens“.

Nach zehnjähriger Nachwuchssuche fällt das abschließende Urteil über die Scouting-Bemühungen ambivalent aus. 2019 waren von den Football-Dreams-Spielern, die von Colomer entdeckt wurden, immerhin 60 bei offiziellen Spielen für ihre Nationalmannschaften aufgelaufen, zumeist auf Jugendniveau. Mehr als zwei Dutzend hatten Profiverträge mit Eupen abgeschlossen, während andere in niedrigeren Spielklassen in Europa oder Afrika spielten. Für eine normale Akademie wäre das eine Bilanz, die sich sehen lassen kann, aber Football Dreams war alles andere als normal, und Colomer hatte sich sehr viel höhere Ziele gesteckt.

Die erfolgreichsten Spieler, die aus dem Programm hervorgingen, waren der Flügelflitzer Henry Onyekuru, der im vierten Jahr der Talentsuche in Nigeria auffiel, und Moussa Wague, ein technisch höchst versierter Rechtsverteidiger, der ein Jahr später im Senegal entdeckt wurde. Onyekuru schoss in Eupens erstem Jahr in der ersten Division 22 Tore und wurde Torschützenkönig der belgischen Liga. Nach Saisonende verpflichtete Everton den Nigerianer für angeblich sieben Millionen Pfund, Arsenal und wohl noch andere Premier-League-Konkurrenten ausstechend. Oneykuru konnte aber – zum Teil verletzungsbedingt – nicht genügend Länderspiele mit der nigerianischen A-Nationalmannschaft bestreiten und bekam deshalb in Großbritannien keine Arbeitserlaubnis, sodass er nie in der Premier League auflief. Stattdessen lieh Everton den Flügelstürmer erst an den belgischen RSC Anderlecht und dann an Galatasaray Istanbul aus und verkaufte ihn 2019 für angeblich 12,5 Millionen Pfund nach Monaco.

Wague spielte zwei Jahre lang ebenfalls für Eupen. Bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland machter er die Welt auf sich aufmerksam machte. Sein Tor gegen Japan, das er wenige Monate vor seinem 20. Geburtstag erzielte, machte ihn zum jüngsten afrikanischen WM-Torschützen aller Zeiten. Barcelona nahm Wague für 3 Millionen Euro unter Vertrag, mit einer Ausstiegsklausel von 100 Millionen Euro. Wague spielte zunächst in der zweiten Mannschaft und rückte, nachdem mehrere Verteidiger verletzt ausfielen, in die A-Mannschaft auf. Er kam dort in seiner ersten Saison in mehreren Partien zum Einsatz, davon zweimal in der Startelf. Ob es ihm gelingen wird, sich einen Stammplatz zu erobern, wird sich zeigen.

Wenn man bedenkt, wo die Fußballerkarrieren von Onyekuru und Wague begannen, kann man von ihren Erfolgen nur beeindruckt sein. Dennoch scheint keiner von beiden der Superstar, nach dem Colomer in Afrika gesucht hat einen solchen gibt es in jeder Generation nur einmal. Aspire wird, so ist zu hören, seine Football-Dreams-Akademie 2020 dichtmachen. Dann werden die Spieler, die 2016 im Zuge des letzten Rekrutierungsjahrgangs ausgesucht wurden, 18 Jahre alt sein und somit das profifähige Alter erreicht haben. Sollte also auf irgendeinem Ascheplatz in Afrika gerade der nächste Superstar seine Fußballkünste trainieren, wird wohl ein anderer Scout ihn entdecken müssen. Sollte es Colomer nach einer zweiten Chance gelüsten, ist Clemente Konboye – mittlerweile nigerianischer Exkämpfer – sicher gerne bereit, den spanischen Scout ein weiteres Mal nach Ogulagha zu begleiten, damit er die dortige Fußballjugend begutachten kann. Aber Achtung: Das Spielfeld in Ogulagha ist nach wie vor Sumpfgebiet, und im Torraum baden die Enten.

TEIL 1

DIE JUNGS

PROLOG

Im Fußball kennt sich Josep Colomer aus. Schon als Teenager gründete er in Spanien sein erstes Trainingszentrum. 2002 war er im brasilianischen Trainerstab und half, den WM-Titel zu holen. Später wurde er Jugendleiter beim Fußballgiganten FC Barcelona und wirkte am Karrierestart eines ganz Großen mit. Die Rede ist von Lionel Messi.

Mit nigerianischen Aktivisten kannte sich Colomer deutlich weniger aus. (Es fängt schon damit an, dass sie es nicht mochten, wenn man sie „Aktivisten“ nannte. Sie bevorzugten den Begriff „Freiheitskämpfer“.) Bei seiner Arbeit als Scout und Trainer in den höheren Gefilden des internationalen Fußballs war er, nachvollziehbarerweise, noch keinem über den Weg gelaufen. Jetzt stand er an einem halbverfallenen Anleger im unruhigen Nigerdelta. Ganz in der Nähe trieb auf einem Teppich aus grünen Wasserhyazinthen ein kleines graues Yamaha-Motorboot. Einer der Insassen war Clemente Konboye, ein gestandener Kämpfer mit Schmerbauch, Zahnlücke und aggressiver Ausstrahlung. Seine Augen fixierten Colomer.

Konboye war nicht der Einzige, der den Fremden ins Visier nahm. Einheimische lugten aus Blechverschlägen und verbeulten Motorbooten und musterten den gedrungenen, kahlköpfigen Mann. Wie immer sah der Enddreißiger aus, als wäre er auf dem Weg ins Fitnessstudio. Colomer schien nie etwas anderes zu tragen als T-Shirt, Fußballshorts und Laufschuhe. Auch hier in Warri – einer der größten Städte im Delta State – machte er keine Ausnahme. Er versuchte gar nicht erst, sich kleidungsmäßig an die Umgebung anzupassen.

Der Sommer 2007 war nicht der beste Zeitpunkt, um als Weißer an einem Anleger im Nigerdelta zu stehen. Der Kampf für eine faire Beteiligung der Bevölkerung am enormen Ölreichtum der verarmten Region war in vollem Gange. Die Aktivisten rasten, mit Kalaschnikows und Panzerbüchsen bewaffnet, in kleinen Motorbooten durch die Gegend, griffen Regierungstruppen an und kidnappten ausländische Ölarbeiter. Wenn sie verfolgt wurden, brachten sie sich in dem Labyrinth aus Wasserläufen und Mangrovenwäldern in Sicherheit, die das Bild in dieser Gegend bestimmten. Konboye gehörte wie viele andere zu den Gefolgsleuten des schillernden Kommandanten Tompolo, der die „Bewegung für die Emanzipation des Nigerdeltas“ mitgegründet hatte. Seine Getreuen hatten 2006 unweit der kleinen Fischerstadt Ogulagha, in der Tompolos Mutter lebte, neun ausländische Ölarbeiter von einem Schiff entführt und für ihre Freilassung Lösegeld verlangt. Der Zufall wollte es, dass Colomer an diesem bewölkten Augustnachmittag ebenfalls nach Ogulagha unterwegs war. Konboye hatte sich am Anleger eingefunden, weil er und seine Mitstreiter entsprechend instruiert worden waren. Er war allerdings nicht hergekommen, um Colomer zu entführen. Er war hier, um ihn zu schützen.

Colomer interessierte sich nicht für das Öl im Nigerdelta. Er war auch nicht auf Diamanten und Gold aus, die seit jeher die Ausländer an die Küsten und ins Hinterland des Kontinents locken. Was in Afrikas Erdreich verborgen lag, war für ihn uninteressant. Er hoffte auf einen oberirdischen Schatz. Dieser Schatz war vielleicht abseits einer Ausfallstraße in Nigerias vor Menschen wimmelnder Hauptstadt Lagos zu finden, vielleicht auf einer spärlich besiedelten Insel im Nigerdelta. Er konnte überall sein. Der unbekannte Aufenthaltsort war aber nur eine von vielen Schwierigkeiten, die er zu bewältigen hatte.

Die erste lag darin, genau zu wissen, wonach er eigentlich suchte. Ob man Gold oder Diamanten gefunden hat, lässt sich leicht feststellen, aber in Colomers Metier waren die Analyseergebnisse weit weniger eindeutig. Lange Zeit verließen sich die Experten auf diesem Gebiet vor allem auf Erfahrung und Intuition statt auf harte Fakten, auch wenn sich das allmählich ändert. So oder so konnte die Suche Jahre dauern. Aber wenn sie erfolgreich wäre, war ihm weltweite Anerkennung sicher. Öl und Diamanten? Geschenkt. Colomer jagte etwas anderem hinterher: Er war auf der Suche nach dem nächsten Messi.

Die Fahrt nach Ogulagha war eine von vielen hundert Reisen, die Colomer und sein Scouting-Team 2007 kreuz und quer durch Afrika unternahmen. Sie waren dabei, die größte Talentsuche in der Sportgeschichte auf die Beine zu stellen. Allein 2007 sichtete Colomers Team 400.000 Jungs in sieben afrikanischen Ländern, und das war erst der Anfang. Später wurde die Nachwuchssuche, die den Namen „Football Dreams“ trug, auf mehr als zwei Dutzend Länder in Afrika, Lateinamerika und Südostasien und auf über 5 Millionen Kids ausgeweitet. Jedes Jahr wählte Football Dreams eine Handvoll aus, um sie an einer speziellen Fußballakademie auszubilden, mit der Absicht, Profis aus ihnen zu machen. Diese Auserwählten einfach nur als handverlesen zu bezeichnen, wäre untertrieben: Die Chance, aufgenommen zu werden, war eintausendmal geringer als die Chance, in Harvard studieren zu dürfen.

Als Zielgruppe wählten die Scouts 13-jährige Jungs. Die Trainer an der Akademie sollten genug Zeit haben, sie zu Fußballern auszubilden, die dann im Alter von 18 Jahren an der Weltspitze mitspielen konnten. Um eine Vorstellung von der Größenordnung zu geben: Die Scouts von Football Dreams sichteten jedes Jahr im Schnitt rund 500.000 Jungs. Das waren mehr als der Bevölkerungsanteil an 13-jährigen Jungs in jedem der 20 Länder, die ganz oben auf der FIFA-Weltrangliste stehen. In manchen dieser Länder lebten nicht einmal ein Zehntel so viele 13-Jährige. Wie viele angehende Messis, Pelés, Beckenbauers oder Zidanes würde man wohl ausfindig machen, wenn man in Argentinien, Deutschland oder Frankreich jedes Jahr alle 13-jährigen Jungs von Scouts sichten lassen würde? Colomer suchte aber nicht in Europa oder Südamerika, jedenfalls vorerst nicht. Er weitete seine Suche zwar auf einige wenige lateinamerikanische und asiatische Länder aus, aber sein Schwerpunkt war Afrika.

Der spanische Schriftsteller Manuel Vázquez Montalban bezeichnete den Fußballsport einmal als „Religion auf der Suche nach einem Gott“. Nirgends trifft diese Beschreibung mehr zu als in Afrika. Einige ostafrikanische Länder sind zwar eher für ihre Weltklasse-Läufer bekannt, aber fast überall sonst sind vor allem die Kinder unbändige Fußballverehrer. Die meisten von ihnen leben in bescheidenen Verhältnissen, und auch die Orte, an denen sie ihre Verehrung ausleben, sind bescheiden, trotzdem träumen sie davon, Götter zu werden – Fußballgötter.

Wenn man in der senegalesischen Hauptstadt Dakar am späten Nachmittag an der Corniche entlangspaziert und von den Felsklippen in die Tiefe schaut, sieht man auf einem schmalen Strandstreifen Dutzende barfüßige Männer und Jungs mit vollem Einsatz spielen, als stünden sie im Finale der Champions League. Sie tragen nachgemachte Trikots ihrer europäischen Lieblingsmannschaften und feuern den Ball auf ein paar alte Autoreifen, die sie halb in den Boden eingegraben haben und die das Tor darstellen sollen. Sie spielen gegen die Zeit, denn irgendwann wird die einsetzende Flut ihr Spielfeld davonspülen, wobei auch das Wasser sie nicht am Weiterspielen hindert. Sie rennen in den Ozean und schlenzen den Ball höchst gekonnt aus dem knöcheltiefen Wasser, während ihre Körper vor der untergehenden Sonne allmählich zu Silhouetten werden.

Szenen wie diese spielen sich überall in Afrika ab. In den zunehmend übervölkerten Städten des Kontinents nehmen die Kinder jede noch so kleine Freifläche in Beschlag und spielen dort Fußball. Sie stellen unter einer Autobahnbrücke in Lagos Bambustore auf. Auf einem mit Schotter bedeckten Friedhof in Accra wieseln sie zwischen den scharfkantigen Grabsteinen hindurch. Wenn sie auf einem quirligen Markt in Abidjan aus Versehen Teller mit kleinen roten Tomaten und Bratfisch von den Tischen kicken, entschuldigen sie sich brav. In den ländlichen Gebieten haben die Kids es etwas leichter, jedenfalls wenn es darum geht, einen Sandplatz zum Fußballspielen zu finden. Dann gibt es aber immer noch ein Problem: Wie kommt man an einen Ball? In diesem Punkt sind afrikanische Kids erfinderisch: Mal behelfen sie sich mit einer leeren Wasserflasche, mal mit Plastiktüten oder Kleidungsstücken, die sie mit einer Schnur zum Knäuel zusammenbinden.

Trotz der primitiven Rahmenbedingungen entwickeln junge afrikanische Spieler in vieltausendstündiger Fußballpraxis oft ein Ballgefühl, einen Instinkt und ein athletisches Können, die ihresgleichen suchen. Forscher sind sogar der Meinung, dass genau diese Erfahrung ein Grund ist, warum zum Beispiel brasilianische Fußballer so gut sind. Beim Straßenfußball trainieren sie ihren Körper und – noch wichtiger – schulen ihr Gehirn. Es gilt als erwiesen, dass die Spielpraxis, die sie beim Kicken auf der Straße oder auf Sand sammeln, ein entscheidender Faktor sein kann, wenn es darum geht, es bis zum Profi zu bringen.

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass Afrika in den vergangenen Jahren einige der größten Fußballstars hervorgebracht hat, darunter Samuel Eto’o aus Kamerun, Didier Drogba und Yaya Touré aus der Elfenbeinküste. Europäische Vereine setzten schon zu Kolonialzeiten auf afrikanische Spieler, aber in den letzten 20 Jahren – seit Unsummen in den Profifußball fließen und die Globalisierung dieser Sportart immer weiter voranschreitet – ist die Zahl der Fußballer aus Afrika, die nach Europa und anderswo auswandern, explosionsartig angestiegen. Inzwischen sind fast zehn Prozent aller Spieler in der englischen Premier League Afrikaner. Auch aus anderen wichtigen Fußballligen der Welt, sogar aus der US-amerikanischen Major League Soccer sind die Afrikaner nicht wegzudenken. Die Clubs haben bereits dreistellige Millionenbeträge für afrikanische Spieler ausgegeben, und die Preise steigen rasant. 2016 kaufte Liverpool dem Konkurrenten Southampton den senegalesischen Stürmer Sadio Mané für die Rekordsumme von 34 Millionen Pfund ab.

Colomer war überzeugt, dass die afrikanischen Spieler, die Schlagzeilen machten, nur die Spitze eines Talent-Eisbergs auf einem Erdteil waren, der größtenteils noch ungesichtet war. Wenn er nur ein ausreichend großes Netz auswarf, würde er Nachwuchsspieler entdecken, die vielleicht das Zeug zum Superstar der Zukunft hatten. Das war der Grund, warum er im August 2007 an dem Anleger im Nigerdelta stand.

Es lief jedoch nicht alles nach Plan, als Colomer mit den beiden Polizisten, die zu seinem Schutz abgestellt und mit Kalaschnikows bewaffnet waren, am Anleger eintraf und sie aus ihrem Toyota-SUV stiegen. Den Polizeischutz hatte Colonel Sam Ahmedu organisiert, ein pensionierter Armeeoffizier, der jetzt Country Director für Football Dreams in Nigeria war. Colomer und die anderen europäischen Scouts, die an dem Programm beteiligt waren, ließen sich in Nigeria auf Schritt und Tritt von der Polizei begleiten. Doch Austin Bekewei, ihr Kontaktmann in Warri, wusste, dass das in Ogulagha keine Option war. Die Aktivisten hätten niemals Mitglieder der Regierungstruppen auf ihrem Territorium geduldet. Bekewei kam aus Ogulagha und kannte viele Aktivisten persönlich, auch Konboye, der jetzt neben ihm stand.

Bekewei, gut zehn Jahre jünger als Colomer, hatte die undankbare Aufgabe, diesem beizubringen, dass er bei seiner Fahrt in einen der gefährlichsten Bereiche des Deltas auf keinen Fall seine Aufpasser mitnehmen konnte. Außerdem musste er Colomer überzeugen, dass stattdessen Konboye ihn beschützen und wohlbehalten nach Warri zurückbringen würde. Er hatte zuvor mit Konboye und seinen Mitstreitern gesprochen. Sie hatten ihm versichert, dass sie nichts gegen Colomers Besuch einzuwenden hatten. Die Bewohner von Ogulagha wollten, dass er in ihre Stadt kam, denn sie sahen darin eine einmalige Chance für ihre Jungs, zu zeigen, was sie konnten. Nach Ogulagha hatte sich noch nie ein nigerianischer Scout verirrt und erst recht kein Europäer, der in der Fußballwelt an höchster Stelle gearbeitet und an der Karriere eines der besten Spieler aller Zeiten mitgewirkt hatte.

Colomer hatte Messi nicht entdeckt. Der zukünftige Star kam im September 2000 als schüchternes, schmales 13-jähriges Bürschchen zum FC Barcelona, mehr als zwei Jahre bevor Colomer dort Jugendleiter wurde. Doch sein kometenhafter Aufstieg war insofern zum Teil Colomer zu verdanken, als der den jungen Spieler unter seiner Fittiche nahm. Schon bald nach seinem Einstieg beförderte Colomer den Argentinier um vier Stufen auf einmal in die Ersatzmannschaft des FC Barcelona. Das hatte es bei Barça noch nie gegeben. Wenige Monate später, im November 2003, konnte Colomer dem 16-jährigen Zottelkopf verkünden, dass er erstmals in der Erwachsenenmannschaft spielen sollte. „Er riet mir, ich sollte einfach hingehen und das Spiel und das Erlebnis genießen“, erzählte Messi dem clubeigenen Fernsehsender, als sich sein Debüt zum zehnten Mal jährte.

Für beide war es eine unvergessliche Erfahrung, und sie blieben auch nach Colomers Weggang aus Barcelona in engem Kontakt. Messi vergaß nie, wie wichtig Colomers Unterstützung an einem so entscheidenden Punkt seiner Karriere gewesen war, und Colomer war stolz, einen der größten Fußballspieler der Welt herangezogen zu haben. Vielleicht würde er diese Erfahrung bei Football Dreams wiederholen können, aber jetzt musste er sich erst einmal darüber klar werden, ob er zu einem nigerianischen Aktivisten ins Boot steigen sollte.

Bekewei, Colomer und seine Beschützer steckten auf dem Anleger die Köpfe zusammen und berieten über die Lage. Bekewei versicherte, dass niemand Colomer etwas zuleide tun würde. In Wahrheit war ihm durchaus ein wenig mulmig zumute, aber er ließ sich nichts anmerken. Ihm war klar, dass er nicht in der Hand hatte, was auf der einstündigen Bootsüberfahrt von Warri nach Ogulagha passierte. Die Aktivisten in seiner Heimatstadt hatten ihr Wort gegeben, aber wie stand es mit den anderen Gruppen, die zwischen Warri und Ogulagha das Sagen hatten? Da es auf dem Wasser so gut wie keinen Mobiltelefonempfang gab, waren sie auf sich gestellt, falls ihnen etwas zustoßen sollte. Dieses Risiko ging Bekewei ein. Er war selbst angehender Fußballagent und wusste, dass Colomers Besuch für die Spieler eine einmalige Chance war, sich zu präsentieren, und seinem eigenen Ansehen in Ogulagha mächtig Auftrieb geben würde.

Die Polizisten protestierten. Die Lage sei einfach zu gefährlich. Sie drängten Colomer erfolgreich, Ahmedu anzurufen und ihn zu fragen, ob er das Boot besteigen sollte oder nicht. Der Colonel versicherte Colomer, er werde auf der Insel der sicherste Mensch überhaupt sein, weil die Einheimischen unbedingt wollten, dass er die Sichtung durchführte. Ahmedu sagte sogar, mit den Aktivisten an seiner Seite sei er sicherer als mit der Polizei: „Du hast zwei Polizisten dabei, die bewaffnet sind und vielleicht 40 Schuss Munition haben. Was können sie im Ernstfall ausrichten? Wenn die Aktivisten ihre Kooperation anbieten und sagen, dass sie dich schützen, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“

Was der Colonel weder dem spanischen Scout noch irgendjemandem sonst verriet: Er hatte längst einen Plan B vorbereitet. In der Regel arbeitete er mit dem nigerianischen Inlandsnachrichtendienst zusammen und ließ alle Spielstätten, wo Sichtungen stattfinden sollten, einen Tag vor Anreise der Scouts von Geheimdienstmitarbeitern in Augenschein nehmen. Manchmal verkleideten sich die Geheimdienstler als Fußballer, um das Gelände nach Hinweisen auf geplante Überfälle abzusuchen. In Ogulagha war eine solche Voraberkundung nicht möglich. Die Gefahr, enttarnt zu werden, war zu groß. Stattdessen hatte Ahmedu seine Ansprechpartner beim Militär eingeschaltet, die für den Notfall eine schnelle Eingreiftruppe bereithielten. Die Soldaten konnten jederzeit in ein Schnellboot springen, das mit einer gewaltigen Maschinenpistole bestückt war, und Colomer zu Hilfe eilen. Er hatte auch überlegt, ob er Satellitentelefone besorgen sollte, damit er während der Bootsfahrt mit Colomer kommunizieren konnte, aber davon hatte Bekewei abgeraten. „Die Jungs sind nicht auf den Kopf gefallen. Wenn sie sehen, dass du Hightech-Geräte dabeihast, halten sie dich womöglich für einen Spion“, berichtete Ahmedu später.